Einkommensverteilung im Kapitalismus

  • Es gibt zwei Wege, die Verteilung des Reichtums zu messen:
    - Die Vermögensverteilung listet auf, welche Sachwerte (Konsum- und Produktionsgüter) die Leute haben, die sie notfalls zu Geld machen können.
    - Die Einkommensverteilung listet auf, welche regelmäßigen Geldzuflüsse auf die Gehaltskonten fließen.
    In der Regel zeigt eine Vermögensverteilung größere Unterschiede als die Einkommensverteilung.


    Beide Berechnungen bzw. Schätzungen lassen sich in absoluten oder in relativen Zahlen aufaddieren.


    Die folgende Einkommensentwicklung in der kapitalistischen Kernzone (OECD-Staaten) zeigt das relative Einkommen der Reichsten 1 Prozent. Dabei werden alle Einkommen des jeweiligen Jahres gleich 100 gesetzt und dann berechnet, wie groß der Einkommensanteil ist, der zu diesen reichsten 1 Prozent fließt.




    1. Im Jahr 1913 flossen rund 28% des Einkommens zu den Obersten 1 Prozent. Die restlichen 99 Prozent der Bevölkerung teilten sich die verbliebenen 82% der Einkommen. Grob gesprochen bedeutet das, dass das reichste eine Prozent der Leute im Durchschnitt fast das Dreißigfache (offizielle) Geldeinkommen des Durchschnittseinkommens bezogen. Grob gesprochen bedeutet das, dass diese Großverdiener gegenüber einem (heutigen) Durchschnittsentgelt von 35.000 Euro im Jahr rund eine Million Jahreseinkommen haben.


    Wichtig ist auch der historische Entwicklungstrend:


    2. Die Grafik zeigt drei unterschiedliche Phasen:
    - zwischen 1913 und 1940 liegt der Einkommensanteil der Reichsten bei oder über 25 Prozent;
    - zwischen 1945 und 1985 liegt der Einkommensanteil der Reichsten unter 10 Prozent;
    - seit 1985 steigt der Einkommensanteil der Reichsten wieder auf das Vorkriegsniveau.


    Ich meine, der Kapitalismus kehrt wieder in seinen "Normalzustand" mit großen Einkommensunterschieden zurück.
    Viele Linke sehen allerdings die Nachkriegsepoche zwischen 1950 und 1985 als "Normalzustand" und hoffen, dass wir mittels Staatsintervention dorthin zurückkehren können. Ich halte das für eine Illusion.


    Und übrigens: Manche Linke schreiben die relativ günstigeren Existenzbedingungen der Lohnarbeit in der Nachkriegsepoche der Existenz der staatssozialistischen Länder zu. Fakten bestätigen das nicht: Der Abstieg der 99 Prozent beginnt Mitte der 80er Jahre, deutlich vor dem Zusammenbruch des Sowjetblocks - muss also andere Ursachen gehabt haben. Und auf die Lohnverhältnisse in den USA oder in Japan konnte die Existenz des Ostblocks sowieso keinen Einfluss haben.


    Gruß Wal Buchenberg


    Siehe auch:
    Reichtum in Deutschland:
    http://marx-forum.de/Forum/ind…-Reichtum-in-Deutschland/


    Armut und Reichtum in der heutigen Welt:
    http://marx-forum.de/Forum/ind…ichtum-der-heutigen-Welt/


    Bruttoinlandsprodukt und Klassenverhältnisse in Deutschland:
    http://marx-forum.de/Forum/ind…isse-in-Deutschland-1970/


    Einkommensverteilung in den USA:
    http://marx-forum.de/Forum/ind…g-zwischen-1917-und-2012/

  • Hallo Wal, könnte der "Abstieg der 99 Prozent" ab den 1980er Jahren mit dem Durchstarten der Globalisierung zusammenhängen? Solange man Arbeit zu billigeren Arbeitern outsourcen kann, fallen die Löhne und die Macht der Arbeiter über Organisation einen höheren Anteil am Arbeitsprodukt zu erstreiten sinkt. Möglicherweise werden die günstigen Existenzbedingungen der Lohnarbeit wiederkehren, sobald der Kapitalismus die komplette Weltwirtschaft entwickelt/angeglichen hat.


    Gruß Wanderer

  • Hallo Wanderer,
    ja, die "Globalisierung" hat damit zu tun. Aber was ist der Kern der Globalisierung? Ihr Kern ist der Kapitalexport - man kann auch sagen, die Kapitalflucht - aus der kapitalistischen Kernzone in die kapitalistische Peripherie.


    Ja, die Lohnarbeit in der Kernzone konkurriert zunehmend mit der billigen Lohnarbeit in der Peripherie. Einen günstigen Entwicklungstrend kann ich daraus aber daraus nicht ablesen.
    Kapitalflucht/Kapitalexport wird ja verursacht durch ein Erlahmen der wirtschaftlichen Dynamik in der Kernzone. Sprich durch ein Stagnieren und Fallen der Profitrate - sichtbar an dem Stagnieren oder Fallen der Wachstumsrate der Gesamtwirtschaft.


    Dieses Fallen der Profitrate können Kapitalunternehmen zeitweilig durch Kapitalexport kompensieren oder gar überkompensieren werden. Auf Dauer wird aber auch die Profitrate in den "Emerging Markets" sinken, wie jetzt schon in China feststellbar.


    Sinkende Profitraten verschlechtern notwendig die Konkurrenzbedingungen des Kapitals und damit auch die Existenzbedingungen der Lohnarbeit. Die Lohnarbeiter in der Peripherie können vielleicht noch zehn oder 15 Jahre lang ihre Existenzbedingungen verbessern. Für die Lohnarbeit hier sehe ich keine mögliche Verbesserung ihrer Lebensbedingungen.


    Gruß Wal



    Siehe auch:
    Wo bleiben unsere Arbeitsplätze?
    http://marx-forum.de/Forum/ind…n-die-Arbeitspl%C3%A4tze/


    Vorherrschaft des weißen Mannes
    http://marx-forum.de/Forum/ind…ei%C3%9Fen-Mannes-bricht/


    Niedergang der imperialen Mächte
    http://marx-forum.de/Forum/ind…h-imperialen-M%C3%A4chte/

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