Gewerkschaftsbewegung 1960 - 2013

  • Mindestens seit 1980 ist in der kapitalistischen Kernzone der Einfluss der Gewerkschaften gleichmäßig gesunken – wenigstens soweit er als Organisierungsgrad messbar ist. Organisierungsgrad ist der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Lohnarbeiter an allen aktiven Lohnarbeitern.





    Diese Gleichmäßigkeit der Entwicklung verbietet es schon, als Ursache dieses einheitlichen Trends menschliche Absichten zu vermuten. Keine menschliche Absicht – kein „Verrat der Gewerkschaftsführer“ und auch keine „neoliberale Politik der Mächtigen“ wäre in der Lage in all den verschiedenen Ländern mit ganz unterschiedlichen politischen Verhältnissen eine so gleichförmige Wirkung hervorzurufen.


    Ich halte nichts von diesem Erklärungsansatz, der einer Verschwörungstheorie gleicht wie ein Ei dem anderen. Ich glaube weder, dass „DIE POLITIK“ den Kapitalisten einen Masterplan vorgibt, noch glaube ich, dass die Kapitalisten überhaupt einen Masterplan haben, an dem sie ihr Handeln ausrichten. Ich denke, sie reagieren nur auf die ökonomischen Gegebenheiten ihrer Produktionsweise und sie reagieren darauf zwar einheitlich, aber doch individuell und ohne sich untereinander abzusprechen.

    Der Rückgang der Gewerkschaftsbewegung ist eine notwendige Folge der verschlechterten Verwertungsbedingungen des Kapitals in den Kernzonen.
    In allen wirtschaftlichen Boomzeiten nimmt auch die Gewerkschaftsbewegung einen Aufschwung (wie zur Zeit in China), weil dann die Kapitalisten miteinander um mehr und um bessere Arbeitskräfte konkurrieren, was die Verhandlungsmacht der Lohnarbeiter stärkt. Umgekehrt im wirtschaftlichen Abschwung, der die Verhandlungsmacht der Kapitalisten gegenüber den Lohnarbeitern stärkt.

    Die sogenannte „Globalisierung“ war eine Reaktion auf verschlechterte Verwertungsbedingungen des Kapitals in den Metropolen und führte notwendig, aber gleichsam nebenbei zu einer Schwächung der Gewerkschaftsmacht – ohne dass sich das irgendwer zum Ziel gesetzt hätte. Kapitalisten brauchen keinen „neoliberalen Masterplan“, um beim Stagnieren oder Rückgang ihrer Profitrate mit aller Energie die Mittel anwenden, die dem Kapitalisten in jeder Krise bleiben: unübersichtliche Konzerne aufsplitten, unprofitable Betriebstätigkeiten outsourcen, Lohnarbeiter entlassen, prekäre Verträge anbieten (Zeitarbeit, Teilzeitjobs, Minijobs), also die Kosten senken und die Arbeitsanforderungen erhöhen.

    Zum Schluss: Was ist in Schweden anders? Schwedische Gewerkschafter verstehen sich als Co-Manager wie alle anderen Gewerkschaftsführer auch und treten nicht militanter auf als die Gewerkschaften in Deutschland. In Schweden wird jedoch die Arbeitslosenversicherung von den Gewerkschaften verwaltet. Sie zahlen auch das Arbeitslosengeld aus. Schwedische Gewerkschaften sind also stärker genossenschaftlich organisiert und bieten ein breiteres Spektrum an Dienstleistungen als die Gewerkschaften hier. Außerdem vereinbaren die schwedischen Gewerkschaftsspitzen mit den Kapitalverbänden meist nur Mindesttarife, die dann in den Unternehmen von den unteren Gewerkschaftsebenen ausgestaltet und ausgefüllt werden. Das schafft für die schwedischen Gewerkschaftsmitglieder eine höhere Transparenz und größere Einflussmöglichkeiten als hier üblich sind, wo alles nur auf höchster Ebene entschieden wird und der Rest von Betriebsräten erledigt wird, die dem Gesetz, aber nicht den Gewerkschaftsmitgliedern verpflichtet sind. In Schweden gibt es keine gesetzlichen Betriebsräte.

    Nur am Rande: Der gewerkschaftliche Organisierungsgrad allein ist kein Gradmesser für die Militanz der Lohnarbeiter. Lohnarbeiter in Frankreich greifen häufiger als Deutsche zu militanten Aktionen. Ihr Organisierungsgrad ist jedoch weit niedriger als der in Deutschland und sogar noch niedriger als der Organisationsgrad in den USA
    Gruß Wal Buchenberg

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