Kommunismus und Bio

  • Es gibt kein linkes Zukunftsprogramm, das nicht Ökologie und nachhaltiges Wirtschaften verspricht.
    Kapitalistische Landwirtschaft vernichtet die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren, erodiert, verarmt und überdüngt den Boden; kapitalistische Landwirtschaft vergiftet unser Wasser und unsere Nahrung, wärmt die Atmosphäre auf und beeinträchtigt den Wasserkreislauf der Erde.


    Wenn sich jedoch Leute schon heute ernstlich damit befassen, wie die Naturzerstörung durch konventionelle, kapitalistische Landwirtschaft beseitigt und vermieden werden kann, dann sind unsere Linken schnell bereit, das als „kleinbürgerliche Spielwiese“ abzutun.
    Bioprodukte gelten bei vielen Linken als Luxusprodukte für die Wohlhabenden und Reichen.
    Ja, unsere Löhne sind selten so üppig, dass wir uns Bioprodukte leisten können. Insofern gehören Bioprodukte tatsächlich zum Luxusmarkt.
    Ja, Bioprodukte werden wie konventionelle Nahrungsmittel als Waren und im Austausch für Geld produziert. Insofern ist die Biolandwirtschaft Teil der kapitalistischen Warenproduktion. Soweit haben linke Bioverächter recht.


    Dennoch ist das nur die halbe Wahrheit.
    Der Kernpunkt, um den sich die kapitalistische Produktion dreht, ist nicht „Produktion von Ware“, sondern es ist ein besonderes Element der Ware: Ihre Werthaltigkeit – oder wie Marx sagte: ihr Tauschwert.
    Nur Ware, die Tauschwert enthält, kann sich in Geld verwandeln, und nur wenn der kapitalistische Produzent Ware in Geld verwandelt, kann er den kapitalistischen Kreislauf von Einkauf, Produktion, Verkauf gewinnbringend fortsetzen.
    Das zweite Warenelement, der Gebrauchswert oder ihr Nutzen für uns Konsumenten, muss zwar vorhanden sein, steht aber nur ausnahmsweise im Fokus der kapitalistischen Produktion. Ein hoher Gebrauchswert ist im Kapitalismus tatsächlich Luxus.


    Dennoch hoffen wir alle, dass Biolandwirtschaft, dieser „kapitalistische Luxus“, in einer nachkapitalistischen Wirtschaft zum Normalfall und zum Standard wird. Soweit sich heutige landwirtschaftliche Produzenten intensiv um den Gebrauchswert unserer Lebensmittel und um die Bewahrung unserer natürlichen Lebensbedingungen kümmern, soweit transzendieren sie die kapitalistische Produktionsweise.
    Biolandwirtschaft ist ein weites Experimentierfeld, wo wichtige Erfahrungen für die künftige, nachkapitalistische Gesellschaft erworben und gesammelt werden.
    Biolandwirtschaft ist ein kommunistisches Element innerhalb des Kapitalismus.


    Falls aber die Biolandwirtschaft, die derzeit auf rund 1% der landwirtschaftlichen Flächen der Welt betrieben wird, praktische Erfahrungen für eine nachkapitalistische Gesellschaft liefert, dann ist es auch notwendig, sich Gedanken zu machen, ob mit ökologischer Landwirtschaft eine immer noch wachsende Menschheit wirklich ausreichend ernährt werden kann.
    Rund eine Milliarde Menschen auf der Welt leiden täglich Hunger und sind unterernährt. Die übliche linke Antwort für dieses Problem lautet: „Die kapitalistische Lebensmittelindustrie produziert Nahrung im Überfluss!“
    Diese Sichtweise ist falsch, weil sie den Hunger der Welt auf ein Verteilungsproblem reduziert.
    Diese Sichtweise ist falsch, weil die Beseitigung des Hungers hier vom Fortbestehen der kapitalistischen Landwirtschaft – mit „besserer“ Verteilung – abhängig ist.


    Die Menschheit kann sich die kapitalistische Landwirtschaft nicht länger leisten. Die Schäden sind zu hoch und werden zunehmend irreparabel.
    Wer eine Beseitigung der kapitalistischen Produktionsweise will, muss jedoch notwendigerweise mit Produktionseinbußen – schlimmstenfalls mit Mangel – rechnen, denn die enorme Produktivität der kapitalistischen Produktionsweise ist nicht nur, aber auch durch besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber Mensch und Natur erkauft.


    Wie viel Produktivitätsrückgang oder auch Mangel durch die Beseitigung des Kapitalismus eintritt, ist eine ernste Fragestellung.
    Die Produktivitätslücke der Biolandwirtschaft gegenüber der kapitalistischen, profitorientierten Landwirtschaft wird „aus dem Bauch heraus“ auf bis zu 50 Prozent geschätzt. Falls diese Zahl zutreffend wäre, würden wir mit Biolandwirtschaft nur die Hälfte der Lebensmittel produzieren können, die mit konventioneller Landwirtschaft hergestellt werden.


    Ein Autorenteam der Universität Berkely in Kalifornien hat sich an die Überprüfung aller bisherigen Schätzzahlen gemacht. Die Ergebnisse ihrer Analyse „Diverification practices reduce organic to conventional yield gap“ werden hier vorgestellt. Am Ende meines Textes kann man diesen Artikel auch downloaden.


    Im Mittelpunkt der Berkely-Studie steht die Biolandwirtschaft, deren hauptsächliches Merkmal ist, dass sie keine künstlichen, synthetischen Inputs verwendet. Wir sollten wissen, dass damit nur ein Teilbereich einer nachhaltigen, ökologischen Landwirtschaft erfasst wird. Siehe dazu die verweisenden Links am Ende.


    Die Autoren von Berkely erfassten und analysierten 115 Studien mit 1071 Vergleichsdaten wo Biolandwirtschaft mit konventioneller Landwirtschaft verglichen wurden. Diese Datensammlung erfasst damit dreimal so viele Vergleichsdaten wie bisherige Studien und reicht bis ins Jahr 2014.


    Die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie sind hier grafisch dargestellt:


    In sechs kleinen Kuchendiagrammen ist die Produktivitätslücke einzelner Bio-Nutzpflanzen dargestellt. Bio-Kartoffeln und Bio-Wurzelfrüchte weisen mit 30 Prozent den größten Produktionsrückstand gegenüber konventioneller Produktion auf.
    Die geringste Produktivitätslücke haben Obst und Nüsse mit rund 8%.
    Diese Daten für einzelne Pflanzensorten bilden einen gewichteten Durchschnitt, der insgesamt einen Produktionsrückstand der Biolandwirtschaft von rund 20 Prozent gegenüber herkömmlicher Produktion ergibt. (Linkes oberes Kuchendiagramm).


    Diese Produktivitätslücke der Biolandwirtschaft kann allerdings weiter auf rund 10% reduziert werden, wenn die Biolandwirtschaft mit Fruchtwechsel und/oder Mischkultur betrieben wird.


    Das sind die wesentlichen Ergebnisse der Berkely-Studie.


    Gruß Wal Buchenberg



    Verweisende Links:
    Agroökologische Landwirtschaft


    Biodiversifizierte Landwirtschaft


    Regenerative Landwirtschaft


    Mischkultur-Landwirtschaft

  • Kommunismus goes Bio. :D
    Natürlich, nach deinem Text, wie sollte es bei nüchterner Betrachtung auch anders sein!
    Dafür erst einmal ein Danke schön für den klaren und verständlichen Text.
    Ich muss erst einmal schauen, ob ich mit dem PDF-Text zurecht komme.
    Gruß

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