Griechenland als Sonderwirtschaftszone der EU, ein vielversprechender Weg, wenn man das System der Lohnarbeit retten will.

  • verfasst von Robert Schlosser(R), 16.09.2012, 20:01


    Habe mal ein bisschen gegoogelt, wie der „Vorschlag“ der Troika so ankommt. Da findet man dann Kommentare wie diesen:


    „Verstehe ich nicht. In Griechenland ist ja jetzt schon jeder vierte Arbeitslos. Wenn diejenigen die noch Arbeit haben doppelt so viel Arbeiten, hat bald nur noch jeder zweite einen Job. Oder verstehe ich da was falsch?"


    Ja, da wird etwas falsch verstanden …. und es wundert mich nicht bei all dem ideologischen Trommelfeuer zum Thema "Arbeitslosigkeit und Länge der Arbeitszeit".


    Lohnarbeit ist abhängige Arbeit, abhängig von der Kapitalverwertung. Das wird meist großzügig übersehen. Arbeit ist dem Kapital Mittel zu seiner Verwertung. Es schafft keine Lohnarbeitsplätze um der Lohnarbeitsplätze willen, sonder um das angelegte (Geld-)Kapital zu vermehren. Nur Lohnarbeit, die dem Kapital Profit bringt, kann sich selbst als Lohnarbeit erhalten. Je geringer die Produktivität der Arbeit, desto länger muss die Arbeitszeit sein, um genügend unbezahlte Mehrarbeit zu liefern, um dem Kapital einen Profit zu erwirtschaften. Weil die Arbeitsproduktivität in Griechenland im Vergleich zu Ländern wie Deutschland gering ist, konnte sich die Wirtschaft Griechenlands in der Konkurrenz und unter den verschärften Bedingungen der großen Krise nicht behaupten. Damit Kapitalverwertung in Griechenland wieder funktioniert, auf der Basis geringer Arbeitsproduktivität, müssen die Lohnabhängigen länger arbeiten und obendrein weniger verdienen. Sie teilen dann das Schicksal der zahlreichen Kleinproduzenten in Griechenland und anderswo, die sowieso schon so lange arbeiten.
    Wenn man denn partout darauf aus ist, den Kapitalismus in Griechenland wieder in Schwung zu bringen, dann müssen die Lohnabhängigen länger arbeiten. Daran führt innerhalb des Systems der Lohnarbeit kein Weg vorbei..
    Die Frage, die sich in der kapitalistischen Ökonomie stellt, ist nicht, wie man die hohe Arbeitslosigkeit weg bekommt. Die Frage ist die, welche Arbeitsbedingungen geschaffen werden müssen, damit sich die Anwendung von Lohnarbeit für das Kapital wieder lohnt. Lohnarbeitslosigkeit gehört zu den selbstverständlichen Voraussetzungen, um solche Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Wenn diese Arbeitsbedingungen geschaffen sind, kann Kapital wieder akkumulieren und auch mehr Arbeitskräfte nachfragen. Anders geht es im Kapitalismus gar nicht.


    Das ideologische Trommelfeuer, von dem ich sprach, besteht darin, dass wie in einer Endlosschleife gepredigt wird, Ziel sei es, Lohnarbeit für alle zu schaffen, „Vollbeschäftigung“. Die linken Reformer wollen das direkt und sozial verträglich erreichen, durch „Umverteilung der Arbeit“, sprich Arbeitszeitverkürzung. Das ist ein Treppenwitz auf die Geschichte des Kapitalismus. Dabei wird vor allem davon abgesehen, dass die Verwertungsbedingungen des Kapitals in der Produktion gesetzt werden. Die gleichmäßige Verteilung der (Lohn-)Arbeit soll bei diesen Linken für angemessene kaufkräftige Nachfrage sorgen. Danach werden die Bedingungen der Kapitalverwertung auf dem Markt gesetzt. Man muss nur für entsprechende kaufkräftige Nachfrage sorgen, egal, wie es um die Arbeitsproduktivität und Produktionskosten bestellt ist.
    Die geschmähten Neoliberalen versprechen ebenfalls „Vollbeschäftigung“, betonen allerdings, dass dazu Bedingungen geschaffen werden müssen, die es dem Kapital ermöglichen, den „Arbeitsmarkt zu räumen“. Für sie führt der Weg zur Vollbeschäftigung eben über den „natürlichen Preis der Arbeit“, der sich über uneingeschränkte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt schon einstellen würde. Sie verlangen, dass sich die Lohnabhängigen eben als vom Kapital und daher vom Lohn Abhängige verhalten und gefälligst das zu akzeptieren haben, was das Kapital von ihnen verlangt. Dann könnte es – mindestens vorübergehend – auch mal wieder „Vollbeschäftigung“ geben. Eine ebenso realistische, wie „verlockende“ Aussicht auf ein Leben in beglückender Lohnarbeit bei ein paar Euro Stundenlohn und und Arbeitszeiten, wie beschrieben!


    Das „positive“ Programm der Troika läuft darauf hinaus, Griechenland zur "Sonderwirtschaftszone" der EU auszubauen. (siehe auch die Forderung des BDI-Chefs Keitel: http://www.spiegel.de/politik/…a-854150.html)Realistisch daran ist, dass auf diesem Wege tatsächlich „menschenfreundliche Investoren“, die nichts als die Schaffung von „menschwürdigen“ Lohnarbeitsplätzen im Auge haben angelockt werden könnten. Ob allerdings die griechische Bevölkerung ausreichend Menschen zur Verfügung stellen könnte, um etwa mit den Aussichten auf unbezahlte Mehrarbeit in China konkurrieren zu können (allein Foxcon beschäftigt dort rund 1 Million Menschen) das bleibt trotzdem fragwürdig.
    Was wird die Troika als nächstes "vorschlagen"? Vielleicht komplette Aufhebung des Kündigungsschutzes? Vollständige Legalisierung von Kinderarbeit (Wenn die Alten länger arbeiten sollen, warum dann nicht auch die Jungen früher anfangen, damit "die Wirtschaft brummt"? Eine solange Zeit in Kindheit und Jugend ohne (Lohn-)Arbeit können "wir" uns einfach nicht mehr leisten)?
    etc., etc.


    Viele Grüße
    Robert


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