Stinknormaler Nationalismus als ideologische Basis der Neofaschisten und was Linke dagegen tun könnten.

  • Der politisch-ideologische inhaltliche Kern des Faschismus ist das Recht der Stärkeren auf Kosten der Schwächeren, ein (besseres/angenehmeres) bevorzugtes Leben zu führen. Das wird ideologisch verbrämt. Politische Kritik ist nicht erlaubt, sondern nur Gehorsam und Auslese. Daraus leiten Faschisten die allgemeine ethische Berechtigung zum Holocaust, zur Euthanasie oder zu imperialistischen Kriegen ab. Das ist, meine ich, der Unterschied zur bürgerlichen Demokratie.


    Ansonsten ist der Faschismus eine bürgerliche Klassenherrschaft wie die bürgerliche Demokratie. Nicht einmal die gewaltsame Übernahme des Staates durch einen Staatsstreich einer politischen Clique ist nötig, um den Faschismus einzurichten, sondern er entspringt einer massenhaft in den Köpfen der Individuen vorhandenen Abstraktion, einer völkischen Geisteshaltung, in der das Bekenntnis zu Kampf und Dienst für Höheres, zur völkischen Schicksalsgemeinschaft, potentiell angelegt ist und bei Bedarf praktisch wirksam wird.


    Der Faschismus kann sich also inmitten einer bürgerlichen Demokratie entwickeln, weil der wichtigste Nährboden, der stinknormale Nationalismus äußerst populär ist und für die Herrschenden, äußerst praktisch, weil damit ideologisch auch ein gut Teil ihrer Herrschaft begründet ist.


    Dieses besondere Verhältnis des Faschismus zum bürgerlichen Staat wird aber von der Antifabewegung so nicht anerkannt, sondern der Faschismus wird als eine besondere, unmenschliche, undemokratische Herrschaftsform betrachtet, neben der die bürgerliche Demokratie als Fortschritt gilt. Die Antifa beschränkt sich damit nur auf das phänomenale und nicht auf die Substanz, das potentielle und praktische Bekenntnis zur Herrschaft, das sowohl Faschismus als auch Demokratie ausmacht. Und einer der Hauptgründe dafür, dass dieses Bekenntnis zustande kommt, ist der Nationalismus.


    Die Antifa bleibt bei ihrer Kritik an der Oberfläche haften, wenn sie (moralisch) mit politischer Agitation und Aktionen gegen Ausländer- und Völkerhass auftritt oder Neofaschisten durch (moralische) Anklagen und Aktionen zu ächten versucht. Der eigentliche Kern, warum Neofaschisten überhaupt auf dieser Welt sein können, der Nationalismus, wird dabei ausgeklammert.


    Es müsste also zuerst einmal der ganz normale Nationalismus ernsthaft kritisiert werden. Dann muss man zuerst einmal fragen, warum kommen denn Lohnarbeiter überhaupt auf die verrückte Idee, sich Deutsche, Franzosen oder Chinesen zu nennen? Versucht man die Frage zu beantworten kommt man zu zwei Grundgedanken: zum einen glauben Nationalisten, einen Nutzen davon zu haben, wenn sie sich zu einer Nation bekennen, zum andern, wollen sie sich (kulturell) abgrenzen, um sich irgendwie selbst zu erhöhen. Der erste Gedanke ist rational. Doch dann wäre zu prüfen, ob es tatsächlich so ist, dass die Lohnarbeiter etwas vom Nationalismus haben. Der zweite ist irrational und dafür kann es viele Gründe geben, die hier nicht weiter erörtert werden sollen, aber ,ganz allgemein ausgedrückt, ist es auf Seiten der Lohnarbeit eine Art idenditärer Bewältigung der Widersprüche, die sich im realen Leben auftun, durch die abstrakte Auflösung in etwas Höherem.



    Doch in dieser Hinsicht haben die Aktionen und die „Aufklärung“ der Antifa nichts gebracht. Vielleicht nicht in der Antifa aber unter den Linken ist der "normale“ Nationalismus weit verbreitet. Und dort gehörte er erst mal aufgegriffen, behandelt und ausgerottet und dann wäre der nächste Schritt, auch die Lohnarbeiter von der Schädlichkeit dieser Gesinnung zu überzeugen. D. h. die Linke müsste sich selbst erst mal klar darüber werden, was es heißt, sich zum Nationalismus zu bekennen und welche Folgen sich für die Lohnarbeiter daraus ergeben.


    Wenn Wal mich also fragt, wie ich den Neofaschismus (konkret) bekämpfen würde, dannschlage ich folgendes vor:


    1. Es wäre die nationale (unbewusste) Gesinnung der Linken zu prüfen, zu diskutieren. Linke selbst müssen zu allererst ihren Nationalismus ablegen. Linke müssen generell Antinationalisten sein.


    2. Es ist anhand des staatlichen Nationalismus (durch öffentliche Kritik, Beiträge, Flugis usw.) die Schädlichkeit des Nationalismus für die Lohnarbeiter aufzuzeigen und nachzuweisen.


    3. Schutz von vom Nationalismus direkt negativ Betroffenen und direkt vom Staatsapparat (oder Faschisten) Verfolgten durch Wohnungsaufnahme/gewährung, finanzielle und rechtliche Unterstützung.


    Beste Grüße
    Kim

  • Hallo Kim,
    ich glaube nicht, dass sich der Faschismus - oder irgend sonst ein Phänomen in der Welt - auf eine einzelne Ursache zurückführen lässt.
    Nehmen wir mal ein ganz simples Beispiel: Ich bewege den Lichtschalter und das Licht geht an. Ist das Drücken des Lichtschalters die Ursache dafür, dass das Licht angeht? Wohl nicht. Wenn das Leuchtmittel kaputt ist, geht das Licht nicht an. Wenn die Leitungen falsch verlegt sind, geht das Licht nicht an. Wenn es im Haus kein Strom gibt, geht das Licht nicht an. Wenn das E-Werk keinen Strom liefert, geht das Licht nicht an. Für eine so einfache Erscheinung wie Licht anmachen kann man also nicht eine einzige Ursache angeben. Und da soll es für das komplexe Phänomen Faschismus eine einzige Ursache, den Nationalismus, geben? Das kann und will ich nicht glauben. Aber gehen wir noch ins Detail:


    Der politisch-ideologische inhaltliche Kern des Faschismus ist das Recht der Stärkeren auf Kosten der Schwächeren, ein (besseres/angenehmeres) bevorzugtes Leben zu führen. Das wird ideologisch verbrämt. Politische Kritik ist nicht erlaubt, sondern nur Gehorsam und Auslese. Daraus leiten Faschisten die allgemeine ethische Berechtigung zum Holocaust, zur Euthanasie oder zu imperialistischen Kriegen ab. Das ist, meine ich, der Unterschied zur bürgerlichen Demokratie.


    Was mir an dieser Erklärung nicht gefällt: Es wird als Ursache und Kern einer Ideologie (Denkweise) eine andere Ideologie (Denkweise) genannt. Das gefällt mir als Materialisten nicht. Ich glaube nicht, dass Ideologie zur Mutter von Ideologie wird. Ich glaube nicht, dass ohne äußere Umstände aus der Ideologie X die Ideologie Y wird. Als Materialist suche ich die Ursache von Denkweisen in der Praxis der Menschen. Also in ihren Erfahrungen, ihrer Gewohnheiten, ihrer Geschichte, ihren Interessen.
    Du gibst hier als ideologischen Kern des Faschismus den Sozialdarwinismus an ("Recht des Stärkeren"). Ja, ich denke auch, dass Sozialdarwinismus ein wichtiger Bestandteil des Faschismus ist. Aber Sozialdarwinismus wurzelt in der kapitalistischen Konkurrenz der Warenbesitzer. Sozialdarwinismus ist im Kapitalismus eine Grundlagentheorie. Sozialdarwinismus ist im Kapitalismus allgegenwärtig. Soweit bin ich mit dir einverstanden. Aber das erklärt nicht, warum der historische Faschismus in Deutschland, Italien und Spanien stark geworden ist, und in Frankreich, England und den USA nicht. Die Verwandtschaft von Sozialdarwinismus und Faschismus erklärt nicht, warum hier die eine Richtung die Oberhand bekam und anderswo die andere Richtung.


    Ansonsten ist der Faschismus eine bürgerliche Klassenherrschaft wie die bürgerliche Demokratie. Nicht einmal die gewaltsame Übernahme des Staates durch einen Staatsstreich einer politischen Clique ist nötig, um den Faschismus einzurichten, sondern er entspringt einer massenhaft in den Köpfen der Individuen vorhandenen Abstraktion, einer völkischen Geisteshaltung, in der das Bekenntnis zu Kampf und Dienst für Höheres, zur völkischen Schicksalsgemeinschaft, potentiell angelegt ist und bei Bedarf praktisch wirksam wird.


    Dass der Faschismus "wie eine bürgerliche Demokratie" sei, kann ich nicht nachvollziehen. Wenn das so wäre, bräuchten wir uns um Faschisten nicht besonders kümmern. Faschisten wären nicht gefährlicher als CDU-Anhänger und FDP-Heinis. Dass das nicht so ist, weiß jedes Kind. Und der Faschismus an der Macht ist eine terroristische Diktatur, die über Leichen geht, während die bürgerliche Demokratie eine vergleichsweise "gemütliche" und "brave" Herrschaftsform ist, die ihre Gegner (in der Regel) nicht foltert und umbringt. Ich bin ganz entschieden der Meinung, dass Faschismus eine besondere und aggressivere Form der kapitalistischen Herrschaft ist, die sich deutlich von der kapitalistischen "Normalherrschaft" - Rechtsstaat mit Repräsentativsystem - unterscheidet.


    Der Faschismus kann sich also inmitten einer bürgerlichen Demokratie entwickeln, weil der wichtigste Nährboden, der stinknormale Nationalismus äußerst populär ist und für die Herrschenden, äußerst praktisch, weil damit ideologisch auch ein gut Teil ihrer Herrschaft begründet ist.


    Hier sind meines Erachtens mehrere Kurzschlüsse: Erstens reicht der "stinknormale Nationalismus" als Nährboden nicht aus, um den Faschismus "äußerst populär" (?? was ist damit gemeint? nirgendwo ist der Faschismus durch Mehrheitsentscheidungen an die Macht gekommen) zu machen und zweitens ist damit nicht erklärt, warum der Faschismus in Deutschland, Italien und Spanien gesiegt hat, in anderen Ländern aber nur eine Randerscheinung blieb.


    Dieses besondere Verhältnis des Faschismus zum bürgerlichen Staat wird aber von der Antifabewegung so nicht anerkannt, sondern der Faschismus wird als eine besondere, unmenschliche, undemokratische Herrschaftsform betrachtet, neben der die bürgerliche Demokratie als Fortschritt gilt. Die Antifa beschränkt sich damit nur auf das phänomenale und nicht auf die Substanz, das potentielle und praktische Bekenntnis zur Herrschaft, das sowohl Faschismus als auch Demokratie ausmacht. Und einer der Hauptgründe dafür, dass dieses Bekenntnis zustande kommt, ist der Nationalismus.


    Hier bin ich ganz auf Seiten der von dir kritisierten Antifa: Auch ich betrachte den Faschismus an der Macht als "eine besondere, unmenschliche, undemokratische Herrschaftsform .... , neben der die bürgerliche Demokratie als Fortschritt gilt". Nach deiner Logik müsste ich dann ebenso wie die Antifa vom "Nationalismus" infiziert sein. Denn der "Nationalismus" ist in deiner Theorie der Virus, der zur faschistischen Krankheit führt und den Patienten zum Faschisten macht.


    Die Antifa bleibt bei ihrer Kritik an der Oberfläche haften, wenn sie (moralisch) mit politischer Agitation und Aktionen gegen Ausländer- und Völkerhass auftritt oder Neofaschisten durch (moralische) Anklagen und Aktionen zu ächten versucht. Der eigentliche Kern, warum Neofaschisten überhaupt auf dieser Welt sein können, der Nationalismus, wird dabei ausgeklammert.


    Das ist jetzt ein neuer Vorwurf, den du der Antifa machst, dass sie eine Detailkritik führt und einzelne Theoreme der Nazis zu widerlegen sucht. Auch darin bin ich ganz auf Seiten der Antifa. Auch daran finde ich nichts auszusetzen. Durch solche Detailkritik wird der Einfluss der Nazis geschwächt. Aber kaum jemand glaubt, dass durch solche Detailkritik an faschistischen Thesen der Faschismus aus unserer Welt verschwindet.


    Es müsste also zuerst einmal der ganz normale Nationalismus ernsthaft kritisiert werden. Dann muss man zuerst einmal fragen, warum kommen denn Lohnarbeiter überhaupt auf die verrückte Idee, sich Deutsche, Franzosen oder Chinesen zu nennen? Versucht man die Frage zu beantworten kommt man zu zwei Grundgedanken: zum einen glauben Nationalisten, einen Nutzen davon zu haben, wenn sie sich zu einer Nation bekennen, zum andern, wollen sie sich (kulturell) abgrenzen, um sich irgendwie selbst zu erhöhen. Der erste Gedanke ist rational. Doch dann wäre zu prüfen, ob es tatsächlich so ist, dass die Lohnarbeiter etwas vom Nationalismus haben. Der zweite ist irrational und dafür kann es viele Gründe geben, die hier nicht weiter erörtert werden sollen, aber vor allem ist es auf Seiten der Lohnarbeit eine Art idenditärer Bewältigung der Widersprüche, die sich im realen Leben auftun, durch die abstrakte Auflösung in etwas Höherem.


    Was du hier machst, ist so etwas wie eine "Fundamentalkritik". Ich will jetzt nicht auf den Inhalt deiner Fundamentalkritik eingehen. Aber grundsätzlich finde ich Fundamentalkritik ganz okay. Ich sehe aber nicht den Gegensatz, den du siehst: Detailkritik sei schlecht, Fundamentalkritik sei gut. Da kann ich dir nicht folgen. Ich denke, mit Fundamentalkritik erreicht man zunächst niemand. Überall muss man mit Detailkritik anfangen. Und dieses Detailkritik sollte mit einer Fundamentalkritik untermauert werden.



    Doch in dieser Hinsicht haben die Aktionen und die „Aufklärung“ der Antifa nichts gebracht. Vielleicht nicht in der Antifa aber unter den Linken ist der "normale“ Nationalismus weit verbreitet. Und dort gehörte er erst mal aufgegriffen, behandelt und ausgerottet und dann wäre der nächste Schritt, auch die Lohnarbeiter von der Schädlichkeit dieser Gesinnung zu überzeugen. D. h. die Linke müsste sich selbst erst mal klar darüber werden, was es heißt, sich zum Nationalismus zu bekennen und welche Folgen sich für die Lohnarbeiter daraus ergeben.


    Ja, ich denke, die Mehrzahl der Antifa-Aktionen ist argumentativ schlecht unterlegt. Die Mehrzahl der Antifa-Gruppen sind theoriefern, wenn nicht theoriefeindlich. Aber trotzdem haben die Blockade und Widerstandsaktionen der Antifa in den letzten zehn Jahren mehr bewegt und mehr verändert als alle Theoretiker und alle theoretische Kritik. Ich denke, linke Theoretiker wie wir sollten der Antifa und ihren Aktionen bessere Argumente gegen Naziparolen liefern (bessere Detailkritik, die auf Fundamentalkritik hinführt), statt der Antifa vorzuwerfen, dass sie die Nazis falsch oder zu wenig kritisiert.






    Die beiden ersten Punkte kann ich so nicht nachvollziehen. Den dritten Punkt finde ich okay. Solche und ähnliche Aktionen werden aber von der Antifa längst gemacht, auch ohne die "antinationale Gewissensprüfung" und ohne die "antinationale Umerziehung", die du in Punkt eins und zwei von der Antifa und allen Lohnarbeitern verlangst.


    Gruß Wal


    P.S. Da wir unter Linken solche Diskussionen nicht gewohnt sind, die ohne persönliche Aggressivität, aber in der Sache schonungslos in existenzielle Tiefen der eigenen Überzeugung bohren, versichere ich dir vorsichtshalber meine volle Sympathie :thumbsup: .
    Falls du dich durch meine Formulierungen verletzt fühlst, sollten wir das vorab klären und korrigieren, damit sich zwischen uns kein persönlicher Ärger hochschaukelt.

  • Hallo Kim,
    ich kann Deiner Definition von Faschismus weder theoretisch noch historisch zustimmen. Schon allein deshalb nicht, weil es während der Nazi-Herrschaft durchaus national gesinnte Leute gab, die gegen die Nazis waren, und nicht erst als der Krieg sichtbar verloren war. Nationalsozialismus ist überhaupt eine spezielle Form von Faschismus, gekennzeichnet durch den mörderischen Rassismus, den kein anderer Faschismus aufwies (weder Italien noch Spanien noch Kroatien), was Du nicht zu wissen scheinst. Euthanasie und Holocaust waren daher nicht Kennzeichen des Faschismus, sondern des Nationalsozialismus.


    Überhaupt wird aus Deinen Aussagen (zumindest für mich) nicht wirklich klar, wie Du denn "Nationalismus" definierst. Wäre es für Dich "Nationalismus", für ein kommunistisches Gemeinwesen auf dem Gebiet der jetzigen >BRD< einzutreten? Oder wäre der Glaube an die ÜBERLEGENHEIT der eigenen Nation für Dich "Nationalismus"? Ausserdem wird bei Dir überhaupt nicht klar, worin dann der Unterschied zwischen Nationalismus und Chauvinismus besteht, der doch nicht nur kennzeichnend für den Faschismus ist, sondern auch den Unterschied zwischen Nationalismus und Faschismus theoretisch klar macht. Mit Deiner Derfinition könnte man auch die >BRD< selbst als "Faschismus" verstehen, weil hier zweifellos auch das Recht des Stärkeren gilt (ich erinnere nur an die Rechtsbeugung der Gerichte gegenüber den Hausbesetzern oder der Aufrechterhaltung des Cannabis-Verbotes durch das höchste deutsche Gericht). Und was ist mit der Rechtfertigung imperialistischer Kriege durch die >Demokratie< (z.B. durch die Schroeder-Fischer-Bande)?


    Ja, Faschismus braucht theoretisch keinen Staatsstreich, um an die Macht zu kommen, aber Fakt ist nunmal, dass der Faschismus weder in Italien noch in Deutschland, noch in Spanien noch in Kroatien einfach durch Wahlen an die Macht kam. In Italien sorgte der Vatikan dafür, dass die bis dahin stärkste Zentrumspartei durch ein Verbot zur politischen Betätifgung für Priester praktisch ausgeschaltet wurde. Erst danach kamen die Faschisten an die Macht und bedankten sich durch die Einrichtung des Vatikan-Staates und großzügige Geldspenden. In Deutschland wurde Hitler durch den Päpstlichen Kammerherrn von Papen als Reichskanzler vorgeschlagen und von v.Hindenburg ernannt. In Spanien kam der Faschismus letztlich nur durch die deutsche Hilfe (Legion Condor) an die Macht, die der Vatikan aber mit der Enzyklika "Mit brennender Sorge" diplomatisch verschleiert gefordert hatte. In Kroatien ging es für den Vatikan darum, die katholische Kirche gegenüber der serbisch-orthodoxen Kirche zur herrschenden Macht zu machen. Die Greueltaten von Ante Pavelic und seiner Bande zwangen selbst die deutsche Wehrmacht zum Eingreifen, die doch ansonsten auch kein Kind von Traurigkeit war. Dagegen schreibst Du: "er entspringt einer massenhaft in den Köpfen der Individuen vorhandenen Abstraktion, einer völkischen Geisteshaltung", machst also das ganze Volk für den Faschismus verantwortlich. Ganz grundsätzlich ist aber doch zu sehen, dass der Faschismus eine Erscheinung war, die hauptsächlich katholische Länder betraf. Nur Deutschland bildet unter den vom Faschismus beherrschten Ländern eine Ausnahme, aber hier war der Faschismus der Übergang der Macht vom protestantischen Preußen (dessen Millitarismus nach dem Krieg für den Faschismus verantwortlich gemacht und Preußen dafür verboten wurde) auf die Katholiken Hitler und danach den Nazifreund und Katholiken Adenauer (noch ein ganz eigenes Kapitel), der just zu diesem Zweck von den Pfaffen den Krieg durchgefüttert wurde. Das zeigt aber eindeutig, dass es eine direkte Beziehung zwischen Katholizismus (der ja auch auf dem "Führerprinzip" beruht) und Faschismus gibt.


    Auch Deine Kritik an der Antifa in Bezug auf den Faschismus kann ich so nicht teilen. Die Genossen haben nämlich recht, dass die Demokratie verglichen mit dem Faschismus durchaus ein Fortschritt ist, auch wenn es genauso eine Klassenherrschaft ist. Selbst die Sowjetunion und ihr Kettenhund, die Thälmann-KPD war gezwungen, von ihrer "Sozialfaschismus-Theorie" (Hauptfeind ist die SPD, nicht die NSdAP) abzurücken und den Zusammenschluss mit demokratischen Kräften gegen den Faschismus zu suchen, eine späte, aber richtige Einsicht. Marx und Engels haben ganz sicher nicht von Ungefähr die demokratische Republik als Voraussetzung des Sozialismus angesehen, wobei der Feudalstaat, den sie dabei noch vor sich hatten, doch gegenüber dem Faschismus eher ne Idylle war.


    Dann zu Deiner Frage: "warum kommen denn Lohnarbeiter überhaupt auf die verrückte Idee, sich Deutsche, Franzosen oder Chinesen zu nennen?" Ich will mal nicht näher auf Deine Antworten eingehen, die ich für völlig verfehlt halte, sondern Dir gleich meine begründete Meinung dazu sagen: WEIL SIE NATIONEN SIND! Nun kannst Du daraus natürlich nicht entnehmen, was denn eine "Nation" z.B. im Gegensatz zum "Volk" oder zur "Rasse" ist, daher hier kurz die Erklärungen:
    - "Nation" ist eine KULTURELLE Einheit, gekennzeichnet durch: 1. gleiche Herkunft, 2. gleiche Geschichte, 3. gleiche Sprache, 4. gleiche Sitten.
    - "Volk" ist eine politische Einheit, die Angehörigen einer Art auf dem Gebiet eines Staates, "Staatsvolk" (das gilt auch für Insektenvölker)
    - "Rasse" ist eine biologische Einheit, die durch gleiche Erbmerkmale gekennzeichnet ist (z.B. die Buckelnase der Maya, der Mongolenfleck usw., hat daher nicht zwingend etwas mit der Hautfarbe zu tun, da es innerhalb der Hautfarben verschiedene Rassen geben kann).
    Das sind die wissenschaftlichen Definitionen, die aber von Politikern gerne bewusst verwirrt werden. Ergäbe sich doch daraus zwingend, dass z.B. die Mitbürger ausländischer Herkunft gleiche staatsbürgerliche Rechte haben müssten, weil sie zum deutschen Volk, aber nicht zur deutschen Nation gehören. Andererseits erklären diese Definitionen, weshalb es Nationen gibt, die keine Völker sind (z.B. Basken oder Kurden) und Völker, die keine Nationen sind (z.B. die USA oder Australien).


    Ich halte Deine Forderung, den "Nationalismus" (von Dir wie definiert? siehe oben) in der Bevölkerung auszurotten, für völlig verfehlt und (Dir ganz sicher nicht bewusst) für im Interesse der Ausbeuter. Die Ausbeuter brauchen heutzutage, als "Global Player", keine Nationalstaaten mehr, siehe die EU und das Streben nach einer NWO. Sie haben auch keine Heimat, denn sie können überall auf der Welt ihr Kapital anlegen und ihre Heimat ist, wo ihr Kapital ist. Sie sind die wahren "vaterlandslosen Gesellen". Ganz anders sieht das für die meisten abhängig Beschäftigten aus. Für mich als Arbeiter ist Heimat da, wo ich nicht weg kann. Es ist völlig wurst, wo das ist, und welche Angehörigen welcher Nation das betrifft; es ist unser gemeinsames Kennzeichen. Wenn es anders wäre, wäre ich schon nicht mehr hier und hätte mich nicht jahrzehnte lang mit den Fragen einer praktisch realisierbaren kommunistischen Gesellschaft befasst. Und schliesslich und endlich bin ich absolut davon überzeugt, dass gesellschaftliche Revolutionen aufgrund der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung und des Bewusstseins (was nicht zwangsläufig das Gleiche ist) nur in Nationalstaaten stattfinden können und dass darin einer der Hauptgründe für das Streben nach einer Weltregierung liegt.
    Also zusammengefasst: Ich glaube, dass der "Nationalismus" (soweit er NICHT als Überlegenheit der eigenen Nation definiert wird!) weder zwingend die Grundlage noch gar identisch mit dem Faschismus ist. Daher würde ich persönlich meinen, dass eine solche Haltung dem Faschismus nicht nur NICHT schaden, sondern ihm unter Umständen sogar nützen würde.
    Beste Grüße
    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

  • Hallo Peter,



    deine Ansicht von Nationalismus ist genau dieser stinknormale Nationalismus den ich kritisiere: Nationalismus ist an sich nicht verkehrt – wegen Kultur,Sprache, Geschichte usw. – nur wenn er erhöht auftritt, als Chauvinismus, dann ist er nicht in Ordnung. Aber wo hört normaler Nationalismus auf und wo fängt Chauvinismus an? Ist es schon Chauvinismus, wenn ein Deutscher sagt, ich mag die Franzosen nicht, weil sie unfreundlich sind, oder fängt er damit an, wenn ein Deutscher meint, sich besser als ein Franzose zu fühlen, weil die halt nicht so erfolgreich im internationalen Wettbewerb sind? Ich halte diese Unterscheidung für irreführend, weil sie zu der (schädlichen) Meinung führt, es gäbe einen guten und einen schlechten Nationalismus und dabei das Entscheidende, dass überhaupt eine Abgrenzung zu Menschen, die in anderen Lebensräumen leben, vorgenommen wird, als Selbstverständlichkeit aufgefasst wird.


    Nationalismus ist doch nicht, dass man vielleicht die Gegend mag, in der man gerade lebt und es ist auch nicht, ob jemand die Literatur mag, die in dieser oder jener
    Sprache geschrieben wurde oder ob jemand gerne mit Lederhosen herumspaziert. Das ist halt mal so, das hat sich halt so ergeben und ob man das eine oder andere (nicht) mag ist da Geschmackssache und sonst ein Kriterium für gar nichts, in dem Sinne, dass ich stolz auf unsern Goethe und Schiller bin, weil die was zur d e u t s c h e n Sprache beigetragen haben.



    Nationalismus ist die prinzipielle Haltung, welche die Nation als unabdingbare Voraussetzung für die eigene Existenz, das Leben und das Überleben in einer feindlichen Welt ansieht und damit ein Interesse an deren Erhalt und deren Stärkung bei gleichzeitiger Abgrenzung von anderen Nationen hat. Darum geht es mir, weil ich diese Haltung für die Lohnarbeiter schädlich finde, weil sie sich durch diese Abstraktion der Herrschaft, die diese Nation nach außen repräsentiert, freiwillig unterwerfen.


    Ja, den Kapitalisten liegt im Grunde der Nationalismus wenig am Herzen. Ihnen ist es von ihrer Hauptbestimmung aus gleich, ob sich ihr Kapital an Orten vermehrt wo deutsch, englisch oder chinesisch gesprochen wird. Das Nationale ist für Kapitalisten lediglich unter dem Gesichtspunkt interessant, wenn damit ein kapitalistischer
    Standort umrissen ist, der ihnen die politische, finanzielle, technische aber auch kulturelle Infrastruktur bietet, um von dort aus erfolgreich Geschäfte betreiben oder Waren absetzen können. Dennoch ist ihnen Nationalismus nicht völlig gleichgültig, weil ihnen die heimische Nation als der ihnen vertraute Raum und Rückzugsraum dient und von dort eher zuverlässige Hilfe bei der Eroberung der Welt erwartet wird als anderswo.


    „Während also das Kapital an sich grenzenlos ist, besinnen sich nationalistisch gesinnte Lohnarbeiter auf ihre Nation als ein ihnen eigenes Wirtschafts- und Kulturwesen, wo sie Schutz und Geborgenheit vor der Unbill des täglichen Lebens, die sie nicht selten dem Ausländischen und Fremden zuschreiben, zu finden glauben und sonst auch meinen, ihre materiellen und sonstigen Interessen in der nationalen Gemeinschaftlichkeit gut aufgehoben zu wissen. Damit negieren sich Nationalisten ihrer selbst, weil sei ihr Leben und Überleben in das Leben und Überleben der Nation transformieren und weshalb ihnen an der Pflege und Erhaltung alles Nationalen gelegen sein muss. Damit hat der Nationalist aber als Individuum weiter nichts vorzuweisen. Seine nationalistische Haltung beweist seine eigene Unbedeutendheit, in der Gesellschaft, in der er tatsächlich lebt, neben seiner mickrigen Existenz, als Individuum sonst nichts zu melden zu haben, nichts schaffen oder verwirklichen zu können, was ihm am Herzen liegt, sondern ohnmächtig dem gesellschaftlichen Treiben ausgeliefert zu sein. Diesen unerträglichen Zustand versucht der Nationalist in einem ganz abstrakten Allgemeinen aufzuheben, wo er sich in seinem Wahn geachtet und zumindest für Augenblicke wohl fühlt. Nationalismus aus Sicht eines untertänigen Lohnarbeiters ist kurz gefasst sozusagen Unbedeutendheit des Einzelnen in der Bedeutendheit des Allgemeinen. In der angenommenen höheren Sphäre fühlen sich Nationalisten, die sich in ihrer ökonomischen und kulturellen Umwelt sonst schwach und unbedeutend finden, auf einmal stark und angesehen …. Mit dieser Transformation ihrer Interessen und Ansprüche in eine übersinnliche Region, geben Nationalisten sozusagen ihren Verstand beim Pförtner ab, sobald sie in dieses abstrakte Reich eintreten. Und wenn dieser
    Schritt vollzogen ist, ist ihnen von da an nicht mehr ernstlich an der Abschaffung der täglichen Not, der Beendigung der Zerrüttung ihrer Gesundheit, der Aufhebung des ständig erfahrenen Leids usw. gelegen. Es genügt ihnen, wenn die real erfahrenen Schädigungen durch den Wahn zu etwas höherem Gemeinsamen zu gehören und durch seltene, glückselig machende Momente - wie der Gewinn einer Fußballweltmeisterschaft …. - gemildert oder gar aufgehoben werden.“


    So habe ich mal den Nationalismus der (oder zumindest eines nicht geringen Teils) Lohnarbeiter in einem anderen Beitrag versucht zu beschreiben. Das ist mE der ganz stinknormale Nationalismus und das hat erst mal nichts mit Aggression oder Geringschätzung zu tun, sondern mit einer eingebildeten (Überlebens)Notwendigkeit.


    Wenn du als linker Lohnarbeiter meinst, wenn Nationalismus „NICHT als Überlegenheit der eigenen Nation definiert wird!“, dann ist er gut, erkennst du aus meiner Sicht diese Beschreibung (eher) unbewusst an – und wohl viele andere Linke auch.


    Beste Grüße


    Kim

  • Ja, es stimmt, daß "es während der Nazi-Herrschaft durchaus national gesinnte Leute gab, die gegen die Nazis waren, und nicht erst als der Krieg sichtbar verloren war." Das beweist aber eher, wie nah die diversen Varianten nationalistischer Ideologie beieinander waren: Alle Hauptströmungen, von den reaktionären monarchistischen Adels und Militärkreisen, über die demokratischen Weimar-Anhänger bis hin zu den stalinistischen Volksfrontlern, sie alle einte die gemeinsame Basis, daß es um das wohl der Nation gehen muß. Was sie ganz offensichtlich unterschied, und das waren ja sogar Blutlinien, waren die jeweiligen Auffassungen, wie dem am besten Genüge zu tun wäre. So haben die Faschisten in Deutschland gerade in den "besseren" Kreisen der kleinbürgerlichen Intelligenz, der Verwaltung im Klein- und Großgewerbe und weit hinein in die Arbeiterklasse in der Sptätphase von Weimar damit erfolgreich Unterstützer überzeugt und gewonnen, daß sie gesagt haben, daß das demokratische Projekt der Wiedererstarkung Deutschlnads, das Abschütteln der Schmach von Versailles durch Verhandlungen mit den Siegermächten und Expansion in freier Konkurrenz auf dem Weltmärkten doch ganz offensichtlich gescheitert sei und nur ein Kurs auf militärisch unterfütterte Konfrontation, letztlich ein Revanchekrieg, verbunden mit strikter Autarkie erfolgversprechend für Deutschland sei. Damit haben sie die Mehrheit der Bevölkerung gewonnen. Erst als dann der versprochene Sieg für Deutschland ausblieb, sind kleine Teile der herrschenden Funktionäre und Militärs zu Nazigegnern geworden, zu mehr aber auch nicht. Antisemitisch konnte man z.B noch problemlos bleiben. Zu Kriegsgegnern wurden sie zudem zumeist nicht, denn das war in ihren Augen ja weiterhin "vernünftig" bzw. notwendig.


    Faschisten, die deutschen nach Weimar und die der jetzigen Republik ebenso wie die französischen, italienischen, dänischen oder rumänischen Faschisten sind enttäuschte Nationalisten; von der Politik jener Staatsführung, unter der sie leben, enttäuschte Nationalisten. D.h. sie rekrutieren sich - hierzulande und in anderen europäischen Staaten – aus Anhängern der demokratisch-kapitalistischen Herrschaft, besitzen die Staatsbürgerschaft ihres Nationalstaats, sind stolz auf diese und teilen die zentralen Ziele der demokratisch-kapitalistischen Führung. Sie sind – wie Brandt, Kohl, Schröder, Merkel, Lafontaine oder Fischer – erstens für die Sicherung und Ausdehnung ihrer nationalstaatlicher Macht nach innen und gegen staatliche Konkurrenz von außen, sie sind zweitens Anhänger von ökonomischem Wachstum auf kapitalistischer Grundlage, auf dem der Staatsreichtum basiert, mit dem die politischen Führer der Nation Macht, Einfluss, Größe mehren wollen, und sie legen drittens schwer Wert auf die Einheit des nationalen Volks, das für sie zentrale Produk tivkraft im weltweiten Ringen um Stärkung der staatlichen Souveränität, ihrer ökonomischen Grundlagen und der Si cherung von Hegemonie darstellt. Faschisten beginnen ihre politische Karriere als gute, brave (demokratische) Nationalisten, denen Stolz auf die Heimat und Dienst am Vaterland schon so einige private Opfer wert ist.


    Aus ihrer prinzipiellen Zustimmung zu den demokratischen Staatszielen wird bei solchen Nationalisten in der Demokratie Enttäuschung, wenn bzw. weil sie der Auffassung sind, dass die herrschende Politikerriege quer durch alle Parteien die höchsten Ziele der Nation verrät . Aus der Verratsdiagnose ziehen sie den Schluss, dass ihr zu Großem berufener Nationalstaat von den amtierenden Herrschern mindestens ruiniert, wenn nicht sogar zum Untergang verdammt ist


  • Hallo Kim,
    auch nicht schlecht, demnach bin ich also Nationalist und ich dachte ernsthaft, ich sei Internationalist. So kann man sich täuschen (LOL). Aber ernsthaft: was Du als "Nationalismus" bezeichnest, ist auf jeden Fall kein Glaube an die Überlegenheit der eigenen Nation und schon gar kein Chauvinismus, sondern besten- oder schlimmstenfalls (je nachdem, wie man es sieht) ganz normaler Patriotismus. Deine Fragen zeigen mir, dass Du nicht wirklich weißt, was Chauvinismus ist (ist auch nicht verwunderlich, der Begriff wird häufig falsch gebraucht). Der Begriff ist von der Figur eines französischen Theaterstücks abgeleitet (den Author weiß ich eben nicht aus dem Kopf), interessanter Weise ein Militär, Leutnant Chauvine, dessen Vaterlandsliebe so übersteigert war, dass er ALLES (jedes Verbrechen, jede Sauerei) rechtfertigte, wenn es dem Wohl des Vaterlandes dient. Das ist die Bedeutung von Chauvinismus und daraus wird auch deutlich, warum der zum Faschismus gehört.


    Du schreibst dann:
    "Nationalismus ist die prinzipielle Haltung, welche die Nation als unabdingbare Voraussetzung für die eigene Existenz, das Leben und das Überleben in einer feindlichen Welt ansieht und damit ein Interesse an deren Erhalt und deren Stärkung bei gleichzeitiger Abgrenzung von anderen Nationen hat. Darum geht es mir, weil ich diese Haltung für die Lohnarbeiter schädlich finde, weil sie sich durch diese Abstraktion der Herrschaft, die diese Nation nach außen repräsentiert, freiwillig unterwerfen. "
    Das ist eine ziemlich abstrakte Definition und ich bin mir nicht sicher, ob irgendein Nationalist dem so zustimmen würde. Darüber hinaus bringst Du da auch, genau wie die Politiker, zwei Sachen zusammen, die gar nicht zusammen gehören. Wie schon gesagt, ist die Nation eine kulturelle Einheit, die sich Jahrhunderte oder Jahrtausende in die Vergangenheit erstreckt, aber erst in der bürgerlichen Revolution Bedeutung gewann, als Einheit gegenüber der Zersplitterung in Fürstentümer und Kleinstaaten. Dass diese Einheit ein ganz normaler Entwicklungsschritt ist, zeigte z.B. der Irokesenbund, die unmittelbare Vorstufe einer Staatsgründung. Was Du nicht begreifst ist, dass es diese kulturelle Einheit ganz unabhängig von Deiner Einstellung dazu faktisch gibt. Die Abgrenzung von anderen Nationen ist dabei ganz automatisch dadurch gegeben, dass die eben eine andere Herkunft, Geschichte, Sprache und Sitten haben. Diese Abgrenzung geschieht also zunächst von selbst und ist kein Produkt einer bewussten Politik. ABER die bürgerliche Gesellschaft beruht auf der Konkurrenz (fressen oder gefressen werden, das Gesetz des Dschungels, ein Raubtiergesetz, kein Menschengesetz). Dieses Prinzip gilt nicht nur im Verhältnis einzelner Kapitalisten zueinander, sondern durchdringt die bürgerliche Gesellschaft total (es wirkt selbst zwischen Arbeitern und zwischen den Geschlechtern) UND es bestimmt das Verhältnis der Ausbeuterstaaten zueinander. Es ist also erst die Ausbeutergesellschaft, die eine absolute Grenze zwischen den Nationen errichtet, die nicht kulturell, sondern allein ökonomisch bedingt ist. Da die ökonomische Macht aber die politische Macht beherrscht, stellt sich diese ökonomische Tatsache politisch als Nationalismus (Glaube an die Überlegenheit der eigenen Nation oder des eigenen Volkes, siehe die USA) oder Chauvinismus (Rechtfertigung aller Verbrechen des eigenen Volkes oder der eigenen Nation) dar. Wenn man also die bürgerliche Gesellschaft bekämpft, bekämpft man damit auch die Grundlagen des Nationalismus, Chauvinismus und Faschismus, aber nicht die Grundlagen der Nation selbst! Erstens wäre es meiner Ansicht nach völlig idealistisch, zu glauben, eine Revolution könne im Weltmaßstab stattfinden und zweitens wäre eine Einheitskultur auf der Welt, wie sie ja notwendig das Ergebnis Deiner Vorstellungen wäre, ein Horrorszenario für mich, eine stinklangweilige Erde, Man bräuchte nicht mehr zu verreisen, weil Du überall Wienerwalthähnchen und McDonaldfraß kriegst. Einfach ätzend und letztlich genau das, was auch die Ausbneuter mit ihrem verschämt "Globalisierung" genannten Imperialismus wollen.
    Beste Grüße
    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

  • Ja, es stimmt, daß "es während der Nazi-Herrschaft durchaus national gesinnte Leute gab, die gegen die Nazis waren, und nicht erst als der Krieg sichtbar verloren war." Das beweist aber eher, wie nah die diversen Varianten nationalistischer Ideologie beieinander waren: Alle Hauptströmungen, von den reaktionären monarchistischen Adels und Militärkreisen, über die demokratischen Weimar-Anhänger bis hin zu den stalinistischen Volksfrontlern, sie alle einte die gemeinsame Basis, daß es um das wohl der Nation gehen muß. Was sie ganz offensichtlich unterschied, und das waren ja sogar Blutlinien, waren die jeweiligen Auffassungen, wie dem am besten Genüge zu tun wäre. So haben die Faschisten in Deutschland gerade in den "besseren" Kreisen der kleinbürgerlichen Intelligenz, der Verwaltung im Klein- und Großgewerbe und weit hinein in die Arbeiterklasse in der Sptätphase von Weimar damit erfolgreich Unterstützer überzeugt und gewonnen, daß sie gesagt haben, daß das demokratische Projekt der Wiedererstarkung Deutschlnads, das Abschütteln der Schmach von Versailles durch Verhandlungen mit den Siegermächten und Expansion in freier Konkurrenz auf dem Weltmärkten doch ganz offensichtlich gescheitert sei und nur ein Kurs auf militärisch unterfütterte Konfrontation, letztlich ein Revanchekrieg, verbunden mit strikter Autarkie erfolgversprechend für Deutschland sei. Damit haben sie die Mehrheit der Bevölkerung gewonnen. Erst als dann der versprochene Sieg für Deutschland ausblieb, sind kleine Teile der herrschenden Funktionäre und Militärs zu Nazigegnern geworden, zu mehr aber auch nicht. Antisemitisch konnte man z.B noch problemlos bleiben. Zu Kriegsgegnern wurden sie zudem zumeist nicht, denn das war in ihren Augen ja weiterhin "vernünftig" bzw. notwendig.


    Faschisten, die deutschen nach Weimar und die der jetzigen Republik ebenso wie die französischen, italienischen, dänischen oder rumänischen Faschisten sind enttäuschte Nationalisten; von der Politik jener Staatsführung, unter der sie leben, enttäuschte Nationalisten. D.h. sie rekrutieren sich - hierzulande und in anderen europäischen Staaten – aus Anhängern der demokratisch-kapitalistischen Herrschaft, besitzen die Staatsbürgerschaft ihres Nationalstaats, sind stolz auf diese und teilen die zentralen Ziele der demokratisch-kapitalistischen Führung. Sie sind – wie Brandt, Kohl, Schröder, Merkel, Lafontaine oder Fischer – erstens für die Sicherung und Ausdehnung ihrer nationalstaatlicher Macht nach innen und gegen staatliche Konkurrenz von außen, sie sind zweitens Anhänger von ökonomischem Wachstum auf kapitalistischer Grundlage, auf dem der Staatsreichtum basiert, mit dem die politischen Führer der Nation Macht, Einfluss, Größe mehren wollen, und sie legen drittens schwer Wert auf die Einheit des nationalen Volks, das für sie zentrale Produk tivkraft im weltweiten Ringen um Stärkung der staatlichen Souveränität, ihrer ökonomischen Grundlagen und der Si cherung von Hegemonie darstellt. Faschisten beginnen ihre politische Karriere als gute, brave (demokratische) Nationalisten, denen Stolz auf die Heimat und Dienst am Vaterland schon so einige private Opfer wert ist.


    Aus ihrer prinzipiellen Zustimmung zu den demokratischen Staatszielen wird bei solchen Nationalisten in der Demokratie Enttäuschung, wenn bzw. weil sie der Auffassung sind, dass die herrschende Politikerriege quer durch alle Parteien die höchsten Ziele der Nation verrät . Aus der Verratsdiagnose ziehen sie den Schluss, dass ihr zu Großem berufener Nationalstaat von den amtierenden Herrschern mindestens ruiniert, wenn nicht sogar zum Untergang verdammt ist


    Hallo Neoprene,
    wie Kim ziehst Du auch keine theoretische Grenze zwischen Patriotismus, Nationalismus, Chauvinismus und Faschismus. Sowas ist immer problematisch, weil es von vornherein die Glaubwürdigkeit einschränkt, jedenfalls bei Leuten, die diese Grenzen kennen. Es stimmt zwar, dass die Mitgliederzusammensetzung der NSdAP hauptsächlich von Kleinbürgertum geprägt war (eine Art Prä-Liberale oder Prä-Grüne), aber Arbeiter waren darin, soweit ich mich erinnere, ein verschwindend geringer Prozentsatz. Wenn dabei noch den Organisationsgrad in Relation zur Gesamtbevölkerung betrachtet, dürfte der Arbeiter-Anteil in den Promille-Bereich gehen. Was willst Du daraus also ableiten?


    Weiter, wenn Faschisten "enttäuschte Nationalisten" sind, dann sind Faschisten also Anti-Nationalisten? Sonst würde es ja wohl keinen Sinn machen. Nein, da ist ne deutliche Steigerung vorhanden, vom Patrioten (der für seinen Staat eintritt) über den Nationalisten (der sein Volk/seine Nation für überlegen hält), den Chauvinisten (der jedes Verbrechen rechtfertigt, wenn es dem Vaterland dient) bis hin zum Faschisten (der dem Nationalismus und Chauvinismus mindestens noch den Militarismus nach innen und außen hinzufügt). Wie das dann nach außen verkauft wird, ist eine ganz andere Frage. Wir das heißt die Bewohner der >BRD< sind wie die Franzosen, Dänen und alle anderen von Dir genannten Völker Staatsbürger (Citoyen) von Ausbeuterstaaten. Auch uns Linke könnte man als vom Ausbeutersystem enttäuschte Leute darstellen. Ist damit wirklich das Wesen der Sache erfasst? Ich glaube nicht, weil noch ein bisschen mehr dazu gehört, das zeigen die theoretischen Diskussionen hier eindeutig. Du machst es Dir meiner Ansicht nach zu leicht mit Deiner Definition von Faschismus und nimmst den äußeren Schein für das Wesen der Sache. Du sagst kein Wort zu der Zeit, wo der Faschismus entstand, zu dem Aufschwung der kommunistischen Parteien, in denen sich der Stalinismus durchsetzte und die revolutionäre Perspektive aufgegeben wurde (zum Hamburger Aufstand möchte ich in dem Zusammenhang nur sagen, dass es den Anschein hat, dass Stalin den selbst provoziert und zum Scheitern gebracht hat, aber das würde hier zu weit führen). Die Ausbeuter haben diese Schwäche der Arbeiterklasse, wie schon 1918, erkannt und ausgenutzt, indem sie dem Faschismus zur Macht verhalfen und ihn die Drecksarbeit machen ließen, möglichst viele Führer der Arbeiterbewegung umzubringen, die Arbeiterklasse zu entrechten (Verbot der Parteien, Abschaffung der Gewerkschaften) und sie der hemmungslosen Ausbeutung preiszugeben und schließlich auf den Schlachtfeldern der Ausbeuter zu verheizen. All das ist aber nur die Funktion, der äußere Anschein, nicht das Wesen des Faschismus. Es hätte genauso gut oder schlecht auch eine Militärdiktatur sein können (wobei das Nationalsozialistische Deutsche Reich ja seit der Übernahme des Oberbefehls der Wehrmacht durch Hitler genauso eine Militärdiktatur war, wie die Sowjetunion unter Stalin) oder eine andere Form der Diktatur. Das hat es schon in der Antike in Griechenland und Rom gegeben und ist nicht erst eine Erscheinung der Neuzeit. Aber der Faschismus als Ergebnis einer auf dem Führerkult beruhenden Kirche, die das Erbe des Imperium Romanum angetreten hat, das ist neu und das bestimmt selbst heute noch die Politik, wenn auch nicht mehr offen faschistisch, aber immer noch reaktionär und verkommen bis ins Mark.
    Beste Grüße
    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

  • „Falls du dich durch meine Formulierungen verletzt fühlst, sollten wir das vorab klären und korrigieren, damit sich zwischen uns kein persönlicher Ärger hochschaukelt.“


    Nein Wal, ich bin dir sicher nicht sauer und wir werden deswegen sicher nicht zu politischen Gegnern. Da muss ich Peter Nowak recht geben, in der sachlichen Auseinandersetzung muss man eben versuchen gedanklich klar zu sein und das klingt halt nicht immer freundlich (wie jetzt eben), aber es ist ja nicht diffamierend gemeint. Wir setzten uns hier ja auf emanzipatorischer Ebene auseinander, und da geht’s nicht ums Niedermachen oder Bloßstellen des andern,
    sondern voneinander zu lernen und sich durch gegenseitige Kritik weiterzuentwickeln. Die Richtigkeit einer eigenen politischen Vorstellungen muss sich in der freien,
    ehrlichen und kritischen Auseinandersetzung mit den andern finden. Die eigene Argumentation muss an der Argumentation der anderen geprüft werden. Das ist
    mühsam und nicht immer angenehm, aber anders geht’s eben nicht. Und es ist besonders schwierig, weil unsere Begrifflichkeit (allgemein, nicht nur zwischen
    uns beiden) von den (politischen) Dingen oder Phänomenen (wie z.B. dem Nationalismus) so unterschiedlich ist.


    Meine Absicht war es nicht, den Faschismus genau zu definieren oder ausführlich zu erklären, sondern einen der w i c h t i g s t e n Gründe aufzuzeigen, warum es
    ihn überhaupt geben kann, wegen des normalen Nationalismus eben. Das Hauptmotiv der Lohnarbeiter für Nationalismus ist mE weniger ideologisch bestimmt sondern
    eine konkrete Fehleinschätzung der Lohnarbeiter, dass sie von Nationalismus einen Nutzen hätten - und das ist ein materieller Grund, nur ein falscher. Darauf kann weiter eingegangen werden, genauso wie auf die ideelle Seite des Nationalismus, die Auflösung der realen Widersprüche im Abstrakten, also der deutschen Schicksalsgemeinschaft. Da wäre es nützlich, wenn mal eine ausführliche Diskussion in Gang über den Begriff „Nationalismus“ in Gang käme, damit auch alle das Gleiche darunter verstehen.


    Es war ferner meine Absicht, zeigen zu wollen, dass sich Faschismus und bürgerliche Demokratie wegen der grundsätzlichen Zustimmung der Lohnarbeiter zur Notwendigkeit einer Herrschaft, die sich eben auch aus dem Nationalismus speist, nur in den von dir und mir beschriebenen Auswüchsen unterscheiden und ich es für falsch halte eben nur die Auswüchse zu kritisieren und anzugreifen und nicht die Sache selbst, die die Auswüchse begründet Auch das ist materiell, weil die Lohnarbeiter meinen, dass es ihnen nützt, wenn sie eine Herrschaft haben (sie soll halt nur „gut“ sein und ihnen was bringen). Wenn man nur die Auswüchse von Herrschaft kritisiert, dann kapiert man weder Herrschaft noch Faschismus, sondern beschäftigt sich nur noch auf moralische Weise mit „Nuancen“. Und nebenbei gibt’s die faschistischen
    Grausamkeiten, Folter, Todesstrafe, Krieg etc. ja auch zur Genüge – wenns halt notwendig ist (wegen Terrorismus u. a. Feinden) – in den demokratischen Herrschaftssystemen.


    Deshalb ging es mir schließlich darum, aufzuzeigen, dass ich aus den eben genannten drei Gründen (falsche Zielsetzung, falsche Einschätzung des Verhältnisses
    Faschismus/bürgerliche Demokratie, Nichtgeklärtheit des Begriffes Nationalismus) den antifaschistischen Kampf für verkehrt halte.


    Wal: „Das ist jetzt ein neuer Vorwurf, den du der Antifa machst, dass sie eine Detailkritik führt und einzelne Theoreme der Nazis zu widerlegen sucht. Auch darin bin ich ganz auf Seiten der Antifa. Auch daran finde ich nichts auszusetzen. Durch solche Detailkritik wird der Einfluss der Nazis geschwächt. »


    Ich kenne die Detailkritik der Antifa nicht genau und kann dazu jetzt wenig sagen. Ich habe vom Hören und Sehen den Eindruck von der Antifa gewonnen, dass sie sich
    inhaltlich mit Faschisten gleich gar nicht auseinandersetzen will, weil die wegen der in Vergangenheit begangenen faschistischen Verbrechen nur Unmenschen sein
    können und deshalb jeder Dialog mit denen unmöglich ist. Die gehören lediglich gebannt, geächtet, fertig gemacht. Falls mein Eindruck richtig ist, lernt mE,
    außer sich moralisch zu empören, den andern zu hassen und den Standpunkt der Guten einzunehmen, niemand etwas bei so einer Art, Politik zu betreiben.


    Wal: „Aber trotzdem haben die Blockade und Widerstandsaktionen der Antifa in den letzten zehn Jahren mehr bewegt und mehr verändert als alle Theoretiker und alle theoretische Kritik.“


    Könntest du das etwas näher ausführen? Welches sind die Fortschritte der Antifa-Bewegung?



    Wal: „Die beiden ersten Punkte kann ich so nicht nachvollziehen.“



    Der erste Punkt betrifft die Debatte, die ich gerade hier mit dem linken „Nationalisten“ Peter Nowak führe. Bzgl. des zweiten verstehe ich dein
    Verständnisproblem nicht. Ich wüsste jetzt nicht, wie ich das anders ausdrücken könnte.



    Beste Grüße
    Kim

  • „wie Kim ziehst Du auch keine theoretische Grenze zwischen Patriotismus, Nationalismus, Chauvinismus und Faschismus.“


    In der Tat, im Gegensatz zu dir, der du ganz Demokrat der du offensichtlich bist, da eine tiefen, wohl gar antagonistischen Graben sehen willst, betone ich andersrum die Kontinuität der grundlegenden ideologischen Prämissen, die all diesen durch und durch bürgerlichen Ideologien gemeinsam ist


    „Sowas ist immer problematisch, weil es von vornherein die Glaubwürdigkeit einschränkt, jedenfalls bei Leuten, die diese Grenzen kennen.“


    Ich bin selber allzu lange als Antifaschist in Aktion durch die Lande getingelt, als dass ich nicht wüsste, wie sehr Linken wie dir an der „Glaubwürdigkeit“ beim potentiellen bürgerlichen Bündnispartner liegt. Mir hingegen geht es darum, ob das stimmt, was ich sage, und nicht, ob man mir das als eine respektable, eben auch nur „glaubwürdige“ Meinung abnimmt.


    „Es stimmt zwar, dass die Mitgliederzusammensetzung der NSdAP hauptsächlich von Kleinbürgertum geprägt war (eine Art Prä-Liberale oder Prä-Grüne), aber Arbeiter waren darin, soweit ich mich erinnere, ein verschwindend geringer Prozentsatz. Wenn dabei noch den Organisationsgrad in Relation zur Gesamtbevölkerung betrachtet, dürfte der Arbeiter-Anteil in den Promille-Bereich gehen. Was willst Du daraus also ableiten?“


    Das ist doch regelmäßig eine billige Ausrede von Linken, die sich die Kritik des normalen Massenbewußtseins weiter Schichten der Arbeiterklasse sparen wollen, weil das ja ganz und gar nicht nötig sei, wenn sie behaupten (und manchmal sogar darauf verweisen können), dass Faschisten in erster Linie unter Kleinbürgern Anhänger gefunden haben, jedenfalls in der Weimarer Republik. Das ist aber heute in vielen Staaten anders, das zeigt dir jede dementsprechende soziologisch/politische Studie. Daß das übrigens selbst damals wohl nicht ganz hingehauen hat mit der angeblichen politischen Immunität der Arbeiter gegen faschistische Ideologie zeigt sich von Einzelstudien wie der zum Reserve-Polizeibataillon 101 von Christopher R. Browning über Goldhagen bis hin zur bitteren Tatsache, dass die Wehrmacht bis zum Untergang am Ende nicht zerbrochen ist.


    „Weiter, wenn Faschisten "enttäuschte Nationalisten" sind, dann sind Faschisten also Anti-Nationalisten? Sonst würde es ja wohl keinen Sinn machen.“


    Peter, ich befürchte, dass du mich hier bewusst missverstehen willst: Faschisten sind Leute, die bisher schon Nationalisten waren und genau das auch weiter sind und radikalisieren in der von ihnen so gesehenen nationalen Notlage.


    „Nein, da ist ne deutliche Steigerung vorhanden, vom Patrioten (der für seinen Staat eintritt) über den Nationalisten (der sein Volk/seine Nation für überlegen hält), den Chauvinisten (der jedes Verbrechen rechtfertigt, wenn es dem Vaterland dient) bis hin zum Faschisten (der dem Nationalismus und Chauvinismus mindestens noch den Militarismus nach innen und außen hinzufügt).“


    Wann ist eigentlich kaltblütiger Massenmord „Verbrechen“ und wann ist er „kriegsnotwendig“? Wenn du da eine Antwort hinkriegst, die nicht einfach davon ausgeht, dass jedes Gemetzel im Namen der Demokratie natürlich per definitionem kein „Verbrechen“ ist (was es ja eh nicht ist, denn was so was ist und was nicht, definiert schließlich bürgerliches Recht und kein Linker), dann kriegst du eine Dimitrov-Gedenkmünze!



    „Wir das heißt die Bewohner der >BRD< sind wie die Franzosen, Dänen und alle anderen von Dir genannten Völker Staatsbürger (Citoyen) von Ausbeuterstaaten.“


    Wie immer bei solchen Sätzen kommt hier mein Einwand: Nein nicht alle die hier leben und arbeiten sind Staatsbürger, sondern nur diejenigen, die der Staat dessen würdig befindet. Da gibt es in der BRD Millionen, die zu deinem „wir“ schon mal ganz offiziell nicht dazugehören.


    „Auch uns Linke könnte man als vom Ausbeutersystem enttäuschte Leute darstellen. Ist damit wirklich das Wesen der Sache erfasst?“


    Komm, wenn aus der Enttäuschung nicht wirkliche korrekte Kritik herauskommt, dann ist das Label „Linker“ eh nicht sonderlich viel wert, dass zeigt die Geschichte der Linken international doch mehr als ausreichend. Du kennst doch z.B. auch den Schlageter Kurs der KPD und das berühmt berüchtigte „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“ Proklamation des ZK der KPD (24. August 1930) http://www.marxists.org/deutsc…ann/1930/08/natsozbef.htm


    „Die Ausbeuter haben diese Schwäche der Arbeiterklasse, wie schon 1918, erkannt und ausgenutzt, indem sie dem Faschismus zur Macht verhalfen und ihn die Drecksarbeit machen ließen, möglichst viele Führer der Arbeiterbewegung umzubringen, die Arbeiterklasse zu entrechten (Verbot der Parteien, Abschaffung der Gewerkschaften) und sie der hemmungslosen Ausbeutung preiszugeben und schließlich auf den Schlachtfeldern der Ausbeuter zu verheizen.“


    Ja, das alles haben sie gemacht, das steht in jedem Lehrbuch. Daß sie das aber nur machen konnten, weil einem großen Teil der Gesamtbevölkerung das eingeleuchtet hat und „nötig“ erschien, Mitte der Dreißiger Jahre Hitler wahrscheinlich sogar die Mehrheit der Deutschen hinter sich hatte, dass diese ideologische Zustimmung bis weit in die Arbeiterklasse reichte, das blendest du bequemerweise aus. Der Nationalsozialismus war aber nicht die bloße Marionette der großen Konzerne, wie das Heartfield so schön ins bild gesetzt hat.

  • Die eigene Argumentation muss an der Argumentation der anderen geprüft werden. Das ist
    mühsam und nicht immer angenehm, aber anders geht’s eben nicht. Und es ist besonders schwierig, weil unsere Begrifflichkeit (allgemein, nicht nur zwischen
    uns beiden) von den (politischen) Dingen oder Phänomenen (wie z.B. dem Nationalismus) so unterschiedlich ist.


    Hallo Kim,
    ja, schaun wir mal wie weit wir dabei kommen.


    Meine Absicht war es nicht, den Faschismus genau zu definieren oder ausführlich zu erklären, sondern einen der w i c h t i g s t e n Gründe aufzuzeigen, warum es ihn überhaupt geben kann, wegen des normalen Nationalismus eben. Das Hauptmotiv der Lohnarbeiter für Nationalismus ist mE weniger ideologisch bestimmt sondern
    eine konkrete Fehleinschätzung der Lohnarbeiter, dass sie von Nationalismus einen Nutzen hätten - und das ist ein materieller Grund, nur ein falscher. Darauf kann weiter eingegangen werden, genauso wie auf die ideelle Seite des Nationalismus, die Auflösung der realen Widersprüche im Abstrakten, also der deutschen Schicksalsgemeinschaft. Da wäre es nützlich, wenn mal eine ausführliche Diskussion in Gang über den Begriff „Nationalismus“ in Gang käme, damit auch alle das Gleiche darunter verstehen.


    Okay, dass Faschismus irgendwie was mit Nationalismus zu tun hat, das ist ja nicht strittig. Strittig ist, ob Nationalismus ausreicht, um den Faschismus zu erklären und ihn zu begründen. Das habe ich oben schon bestritten. In vielen Ländern gibt es Nationalismus, aber nur in relativ wenigen gab es Faschismus. Und der heutige Neonazismus lebt und zehrt halt von der Erinnerung an das "Tausendjährige Reich".
    Was ich gar nicht verstehe und was ich ablehne, ist, dass du hier ständig die Lohnarbeiter zur Erklärung des Faschismus hereinbringst. Faschismus ist eine terroristische, kapitalistische Herrschaftsform. Lohnarbeiter sind aber nicht Teil der herrschenden Klasse. Es mag wohl Lohnarbeiter geben, die sich für die eine oder die andere Herrschaftsform aussprechen oder sogar engagieren. Das macht sie aber nicht zum Bestandteil der herrschenden Klasse. Das macht sie nicht zu Verursachern der Kapitalherrschaft, erst recht nicht zu Verursachern des Faschismus.
    Die Lohnarbeiter waren keineswegs Profiteure der Hitlerherrschaft. Und wenn sich einzelne Lohnarbeiter für die Hitlerei haben einspannen lassen, dann mussten sie bitter büßen für diesen Fehler. Vergleiche dazu meine Texte im alten Marx-Forum zur Geschichte des 3. Reiches.
    Wichtig zu diesem Themenkomplex: Adam Tooze: Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus. Siedler Vlg München 2008.


    Es war ferner meine Absicht, zeigen zu wollen, dass sich Faschismus und bürgerliche Demokratie wegen der grundsätzlichen Zustimmung der Lohnarbeiter zur Notwendigkeit einer Herrschaft, die sich eben auch aus dem Nationalismus speist, nur in den von dir und mir beschriebenen Auswüchsen unterscheiden und ich es für falsch halte eben nur die Auswüchse zu kritisieren und anzugreifen und nicht die Sache selbst, die die Auswüchse begründet Auch das ist materiell, weil die Lohnarbeiter meinen, dass es ihnen nützt, wenn sie eine Herrschaft haben (sie soll halt nur „gut“ sein und ihnen was bringen). Wenn man nur die Auswüchse von Herrschaft kritisiert, dann kapiert man weder Herrschaft noch Faschismus, sondern beschäftigt sich nur noch auf moralische Weise mit „Nuancen“. Und nebenbei gibt’s die faschistischen
    Grausamkeiten, Folter, Todesstrafe, Krieg etc. ja auch zur Genüge – wenns halt notwendig ist (wegen Terrorismus u. a. Feinden) – in den demokratischen Herrschaftssystemen.


    Nochmals: Warum bringst du hier die Lohnarbeiter herein? Sie mögen eine Herrschaft akzeptieren, vielleicht sogar gutheißen, aber sie sind nicht der Grund der Kapital-Herrschaft. Die Lohnarbeiter als Klasse (=in ihrer Mehrzahl) sind nicht historische Täter, sondern historische Opfer, egal um welche Herrschaft es sich handelt. Die Lohnarbeiter taugen nicht als Erklärung, dass es irgendwo Faschismus gibt oder keinen Faschismus gibt.


    Meine anderen Einwände gegen deine Faschismustheorie lasse ich erst mal beiseite. Was mich stört, ist, dass du bei den unterdrückten Klassen nach Gründen suchst, warum die herrschende Klasse an der Macht ist und wie sie ihre Macht ausübt (rechtsstaatlich oder terroristisch). Das stellt meines Erachtens alle geschichtliche Erfahrung und Alltagserfahrungen auf den Kopf. Hitler wurde in Geheimverhandlungen von wenigen Figuren als Reichskanzler installiert. Da wurde kein einziger Lohnarbeiter gefragt, ob ihm das passt oder nicht. Nicht die Zustimmung der Lohnarbeiter hat Hitler an die Macht gebracht, sondern die Zustimmung der herrschenden Klasse - darunter sowohl Agenten des Kapitals wie auch Agenten des Machtapparates.


    Gruß Wal

  • Hallo Kim.
    Du weigerst Dich also, die Definition von Nationalismus als Glaube an die Überlegenheit des eigenen Volkes/der eigenen Nation anzunehmen, das ist das eine. Aber Du begründest Deine Definition nicht einmal und das kreide ich Dir an. Glaubst Du, dass Deine Vorstellungen dafür ausreichen? Mich angesichts dessen einen "linken 'Nationalisten'" zu nennen (und zwar nicht mir gegenüber sondern über mich!) läuft darauf hinaus, mir ein Etikett nach Deiner falschen Auffassung zu verpassen. Wenn ich Dich jetzt einen "linken Imperialisten" nennen würde, könnte ich das zwar begründen, es würde aber nur zu ausufernden Streitereien führen. Also bitte ich Dich, dergleichen Bezeichnungen künftig für Dich zu behalten.
    Im übrigen stimme ich Dir zu, dass es absolut wichtig ist, erstmal den Begriff zu klären, was ich ja schon getan habe, Du aber Deinen nicht, zumindest nicht klar genug.
    Die von mir vertretene Definition kann ich sehr gut begründen: Sie zeigt sich z.B. in Sprüchen wie: "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen" oder in der Interpretation des von den Nazis gegrölten "Deutschland, Deutschland über alles", das sich ursprünglich auf die Einrichtung des Nationalstaates über die Fürstentümer bezog, von den Nazis aber im Sinne eines Überlegenheitsanspruches umgedeutet wurde. Man könnte sie auch in Begriffen wie "Deutschland AG" oder "Erhalt des Standortes Deutschland" (nämlich als Erhalt der Überlegenheit) zumindest als angelegt ansehen. Insofern gebe ich Dir auch recht, dass es in der Arbeiterbewegung (soweit man diese "Sozialpartner-Fetischisten" dazu zählen kann) durchaus auch schlimme Auswüchse gibt. Es erhebt sich aber, wie bei den Neonazis, auch in diesem Fall die entscheidende Frage: Täter oder Opfer? Bei den Neonazis meine ich das nicht in Bezug auf das Verhalten gegenüber Ausländern, Sinti und Roma, Homosexuellen, Obdachlosen, Linken usw., da ist der Tatbestand klar. Ich meine es in Bezug auf Gründung und Führung, und da ist es absolut nicht klar, jedenfalls hat mir eigene Erfahrung gezeigt, dass es da im Hintergrund Leute gibt, die viel gefährlicher sind als die Skins, auch wenn die es fordergründig sind, die morden.
    Beste Grüße
    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)


  • Hallo Neopreme,
    nenn mich von mir aus "Arschloch" aber bezeichne mich nicht als "Demokraten"! Das sehe ich als Beleidigung an! Ich habe mit Leuten wie Schröder, Fischer und dergleichen Lumpen mehr nichts am Hut und verwahre mich entschieden dagegen mit denen auf eine Stufe gestellt zu werden!


    Dann weiter: Dass ich zwischen den Begriffen KEINEN "antagonistischen Graben" sehe, habe ich schon dadurch gezeigt, dass ich sie als STEIGERUNG auffasse. Hier geht es zunächst mal um Begriffsbestimmungen, denn wenn wir mit den selben Begriffen was unterschiedliches meinen, reden wir aneinander vorbei. Zu den Begriffsbestimmungen gehört aber auch die Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen. Wenn Du das so wegwischst, wie Du es tust, wirst Du nie in der Lage sein, zu entscheiden, mit wem Du noch und mit wem Du nicht mehr zusammenarbeiten kannst, wenn es drauf ankommt, möglichst alle Kräfte zu konzentrieren, um zum Beispiel einen drohenden Faschismus abzuwehren.


    Du willst, dass das stimmt, was Du sagst? Dann müsstest Du doch gerade die Begriffe wissenschaftlich klar definieren und gegeneinander abgrenzen. Und dazu passend: Woher kennst Du denn das "normale Massenbewußtsein weiter Schichten der Arbeiterklasse"? Hast Du ne Befragung durchgeführt? Ein Meinungsforschungsinstitut damit beauftragt? Im Kaffeesatz gelesen? In einer amputierten Säuferleber? Oder handelt es sich einfach um ein Vorurteil? Die meisten Arbeiter, die ich kenne, sind eher gegen die Neofaschisten, vielleicht noch ambivalent, aber um als Arbeiter dafür zu sein, muss man schon reichlich unbeschlagen sein. Und dann erklär mir mal, was das RPB 101 oder die Wehrmacht in der Beziehung beweisen: Die Leute unterlagen Befehl und Gehorsam. Wenn sie sich darüber hinweggesetzt hätten, hätten sie ihre Offiziere erschießen und überlaufen müssen. So ne Entscheidung fällt man aber nicht so leicht, wenn man nicht das Bewusstsein hat, dass man für die Ausbeuter nicht in den Krieg zieht. Und Faschismus auf radikalisierte "Nationalisten" zurückzuführen, ist auch mehr als oberflächlich, weil Faschismus eben weit über den Glauben an die Überlegenheit des eigenen Volkes/der eigenen Nation hinaus geht. Und da fällt mir dann in der Tat auf, dass Du dich vor der Definition der Begriffe drückst, was aber meiner Ansicht nach in einem gewissen Gegensatz zu Deiner vollmundigen Behauptung steht, nur zu sagen, was wahr ist. Richtig wäre also wohl: nur das zu sagen, was Du für wahr hälst. Zur Frage der Staatsbürger: Nein, mein Guter, es stimmt zwar, dass hier vielen Leuten dieses Staatsbürgerrecht vom Gesetz abgesprochen wird, das ändert aber nichts daran, dass sie hier leben, also Staatsbürger der >BRD< sind. Dass im sogenannten Grundgesetz der >BRD< die Staatsbürgerschaft anders definiert ist, ist nur einer der Schurkenstreiche der "Väter des Grundgesetzes". Und mal ehrlich, ob man die stalinistische KPD (also nach der "Bolschewisierung") als "links" bezeichnen kann, wäre zumindest zu hinterfragen. Die Sowjetunion war eben ne Diktatur, kein Sozialismus, die RFSSR hätte vielleicht Sozialismus werden können, aber Lenin hat sich ja in Kronstadt und gegenüber der Machno-Bewegung auch schon schwerer Verbrechen schuldig gemacht. Und mir scheint, dass eher Du was ausblendest. Hitler hat selbst bei den Wahlen im März 1933 trotz der Verfolgung usw. nicht die Mehrheit bekommen und danach gab's keine freie Wahl mehr. Also auch nur ein Vorurteil von Dir. Und das Hitler nicht nur die Marionette der Konzerne war, weiß ich, weil manche Konzerne richtig Stress mit ihm hatten (z.B. Heinkel), aber was beweist das? Dass er der vom Volk erkorene Führer war?
    Beste Grüße
    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

  • "Ich habe vom Hören und Sehen den Eindruck von der Antifa gewonnen, dass sie sich inhaltlich mit Faschisten gleich gar nicht
    auseinandersetzen will
    , weil die wegen der in Vergangenheit begangenen faschistischen Verbrechen nur Unmenschen sein
    können und deshalb jeder Dialog mit denen unmöglich ist."
    (KIM, 10.12.)


    Das will die Antifa definitiv nicht:
    "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen."


    Daraus resultiert, dass die Antifa den Faschismus nur moralisch bekämpft ("Für Toleranz und Solidarität!
    Gegen Menschenfeindlichkeit und Rassismus!")


    Das hat weiterhin zur Folge, dass die Antifa z. B. dem Lohnabhängigen, der sich von "Grenzen zu! Ausländer raus!
    Deutschland den Deutschen!" eine Einschränkung der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt verspricht, nichts
    Begründetes entgegenzusetzen hat.


    In Verbindung mit der bekannten "Militanz" führt das dazu, dass sich die Neonazis als verfolgte Vertreter der
    einfachen Leute darstellen können.

  • Quote

    Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.


    Dies ist eine der zentralen Thesen von Antifas sowieso und auch von den meisten linken selbst linksradikalen sich als revolutioär verstehenden Organisationen. Und das ist aus mancherlei Gründen keine vernüntiges Statement:


    Erstens ist das ganz offensichtlich ein Bekenntnis zum staatlchen Gewaltmonopol und ein klare Aufforderung an den bürgerlichen Staat, der möge aus der Kategorisierung "Verbrechen" = illegal seine übliche Konsequenz ziehen und das Verbeiten und unter Strafe stellen. Das machen bürgerliche Staaten ja ab und an. In den letzten Jahren wurden z.B. als Vorstufe zu einem NPD-Verbot reihenweise "Kameradschaften" verboten. Und geht jetzt geht es in die zweite Runde für ein NPD-Verbot.


    Der gleiche bürgerliche Staat macht sowas natürlich mit dem gleichen Argument auch gegen Linke: Nach dem SRP-Verbot gegen eine NSDAP-Nachfolgepartei folgte 1956 prompt das viel wichtigere KPD-Verbot, das seitdem immer wieder herangezogen wurde für weitere Verbote linker Organisationen.


    Drittens gibt man damit seine Zustimmung zu all dem "Verbrecherischem", was der bürgerliche Staat ganz legal beschließt und durchführt, denn es ist ja kein Verbrechen sondern legal:
    Ja, das Abfackeln von Asylbewerberunterkünften ist ein Verbrechen, das Ersäufen oder Absaufenlassen von Flüchtlingsschiffen im Mittelmeer ist durch und durch in Ordnung, denn legal. "Deutschland den Deutschen!" von Nazis ist verbrecherisch. Die Abschaffung des Asylrechts mit der Unterstützung einer breiten demokratischen Mehrheit im Bundestag war keines sondern steht im Bundesanzeiger.


    Zentral ist aber, daß mit der Verbotsforderung Null Kritik an der faschistischen Gesinnung und Ideologie geleistet wird, die Menschen dazu bringt, solche Parteien zu unterstützten. Wenn man das als Demokrat anfangend nämlich konsequent zu Ende denken würde, müßte man erkennen, daß bei aller konkreten Differenz in einigen Fragen eben doch eine breite gemeinsame ideologische Basis des Nationalismus vorliegt. Und weil man das nicht will, fängt man eine ideologische Auseinandersetzung mit Nazisachen erst gar nicht an.

  • Hallo Peter,


    Danke, jetzt hast du mich belehrt, dass Chauvinismus von Chauvin abstammt, aber warum es wichtig sein soll, zwischen einem guten und einem schlechten Nationalismus zu unterscheiden, hast du aber noch nicht erklärt, außer dass er eine Steigerung des normalen Nationalismus ist - nun ja, eigentlich habe ich das schon in der Schule
    gelernt.


    Mir geht es um das Prinzipielle des Nationalismus und das hat einen materiellen Grund: es ist der Zusammenschluss von Menschen, die zufällig in ein Kollektiv mit eigener Sprache, Gebiet, Kultur, Sitte usw. hineingeboren sind, zu einer Konkurrenz-, Risiko- oder Schutzgemeinschaft, um ihren Lebensraum zu sichern und sich darin zu reproduzieren. Sie versprechen sich also einen Nutzen aus ihrem Zusammenschluss. Aus kommunistischer Sicht wäre an sich daran erst mal nichts auszusetzen. Als Nation
    reproduziert sich dieses Kollektiv aber kapitalistisch und wird von einem bürgerlichen Staat verwaltet. Damit wird der durch den Zusammenschuss bezweckte
    Nutzen konterkariert, weil sich die Kollektivisten als Nationalisten (freiwillig) zu Untertanen machen, ihren politischen Willen an die herrschende Klasse und den bürgerlichen Staat abtreten.


    Das Wissen von Nationalisten ist insofern beschränkt, weil sie eben nichts anders kennen als diese Konstellation und / oder den Kommunismus ablehnen, Dennoch versprechen sich Nationalisten einen Nutzen ihres Zusammenschlusses auch unter dieser Konstellation. Aber das Nutzenversprechen, beruht nicht auf Wissen, sonder verwandelt sich in Glauben, weil das kapitalistische Reproduktionsverhältnis immer wieder dafür sorgt, dass sich der Nutzen hinsichtlich eines angenehmen, friedlichen Lebens einfach nicht einstellen will. Als Glaubende führen Nationalisten diese Tatsache aber nicht auf die Reproduktionsverhältnisse zurück, sondern auf die Stellung ihres Kollektivs innerhalb der nationalen Konkurrenz.


    Weiter, als Menschen, die an dem Glauben festhalten, dass ihnen Nationalismus nützt, aber trotzdem immer wieder – wegen des kapitalistischen Reproduktionsverhältnisses - enttäuscht werden, zimmern sie sich, ohne auf den wahren Grund ihrer Enttäuschung einzugehen, eben ein ideologisches Gebäude zurecht aus dem sie sich dann ihre bescheuerte Lage „erklären“ oder wo sie zumindest Trost (Überlegenheit, Stolz, Ehre, Ruhm) für ihr mickriges Dasein finden. Und das ist dann der Übergang ins Politische, das wird dann zum status quo, von wo aus Politik im Namen der Nation gemacht wird.


    Und da kommen nun, wie bei jedem Glauben, die Puristen mit ihrem Idealismus zum Zug. Und das sind eben die Faschisten. Die mäkeln dann im Namen des nationalen Kollektivs am Erfolg der regierenden Herrschaft herum, die nicht radikal genug mit Ausländern und den andern Nationen umspringt. Ihr Idealismus, ist, dass nur mit einer starken Nation und einem starken Staat an der Spitze die offensichtlich enttäuschenden politischen Ergebnisse (auf die miese Lage der Lohnarbeiter bezogen) demokratischer Herrschaft aufgehoben werden können. Und dabei wollen die nicht unbedingt chauvinistisch sein, sondern nur die Sieger im internationalen Wettbewerb, im Grunde nicht anders eigentlich wie ihre demokratischen Konkurrenten.



    @Gulliver:



    "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen."


    könntest du bitte angeben, wo das Zitat herstammt, um es bei weiteren Diskussionen evtl. verwenden zu können.



    Beste Grüße
    Kim

  • "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen"
    ist z.B. als Aufklber von der VVN zu haben gewesen: http://shop.vvn-bda.de/product…verbrechen--100-stk-.html
    Die DKP benutzt ihn auch gerne: http://dkp-rheinland-westfalen.org/index.php?option=com_content&view=article&id=1292:faschismus-ist-keine-meinung-sondern-ein-verbrechen&catid=55:antifaschismus&Itemid=107
    Um sich nicht von der SPD recht überholen zu lassen: http://www.spd-land-bremen.de/…_dabei_Faschismus_...html
    Man kann auch als Antifa-Strassen"kämpfer" damit rumlaufen: http://www.linke-t-shirts.de/f…brechen_galerie203868.htm

  • Die Parole ist einfach nur die andere Seite der Medaille "Für ein Verbot aller faschistischen Organisationen!". Weil die Nazis einfach irgendwie "weg" gehören, aus den Augen aus dem Sinn sozusagen, müssen die aus der Öffentlichkeit weg in den Untergrund gezwungen werden. Das kann nur der Staat erzwingen, und das tut er nur unter Verweis auf sein Recht. Also muß man Nazis einfach als Verbrecher deklarieren und hoffen, daß der Staat das auch so sieht, eine dementsprechende Rechtslage schafft oder sich darauf bezieht und dann seine typische Konsequenz gegen Verbrecher/Gesetztesbrecher zieht und die verbietet bis wegsperrt.

  • Hallo Neoprene,
    genau, dem stimme ich 100%ig zu.
    Beste Grüße
    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

  • Peter, ich befürchte, daß du mich mißverstanden hast: Was ich geschrieben habe ist die innere Logik der Verbotsforderug. Das sollte erklären, warum und wie das geht. Das war aber keine Zustimmung. Genau, weil das dann nur so geht, bin ich ein entschiedener Gegner der Verbotsforderung und der Parole "Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen".


  • Hallo Kim,
    Du hast was grundsätzlich falsch verstanden: Es gibt keinen guten und bösen Nationalismus, Nationalismus ist IMMER böse! ABER: Was Du als Nationalismus definierst, ist kein Nationalismus, sondern eher Patriotismus! Der Punkt ist, dass Du die Definition des Begriffes einfach ignorierst und ihn in falschen Zusammenhängen gebrauchst!


    Dann schreibst Du:
    "Mir geht <es> um das Prinzipielle des Nationalismus und das hat einen materiellen Grund: es ist der Zusammenschluss von Menschen, die zufällig in ein Kollektiv mit eigener Sprache, Gebiet, Kultur, Sitte usw. hineingeboren sind, zu einer Konkurrenz-, Risiko- oder Schutzgemeinschaft, um ihren Lebensraum zu sichern und sich darin zu reproduzieren. Sie versprechen sich also einen Nutzen aus ihrem Zusammenschluss " (in spitzen Klammern Einfügung von mir).
    Das ist überhaupt nicht zutreffend! Die Nationalstaaten entstanden in der bürgerlichen Revolution.
    - Für die Ausbeuter ging es dabei darum, dass die Zollschranken der Kleinstaaterei abgeschafft wurden, Normen für Produkte eingeführt wurden ("seit das Deutsche Reich besteht, wird die Schraube rechts gedreht") und ihnen die Möglichkeit zur Anwendung großer Maschinerie gegeben wurde.
    - Für die Ausgebeuteten ging es darum (wir lassen den Sonderfall Deutschland mal außen vor), sich als Souverän zu konstituieren. In der Theorie der bürgerlichen Staaten löst das Volk durch den Akt der Verfassungsgebung den Fürsten als Souverän ab, und verwandelt sich DADURCH aus Untertanen in Staatsbürger (Citoyen) (Jean-Jacques Rousseau: "Der Gesellschaftsvertrag").


    Weiter schreibst Du:
    "Als Nation reproduziert sich dieses Kollektiv aber kapitalistisch und wird von einem bürgerlichen Staat verwaltet. Damit wird der durch den Zusammenschuss bezweckte Nutzen konterkariert, weil sich die Kollektivisten als Nationalisten (freiwillig) zu Untertanen machen, ihren politischen Willen an die herrschende Klasse und den bürgerlichen Staat abtreten."
    Nein, genau das ist eben nicht der Fall, im Gegenteil (siehe oben). Der Nationalstaat war AUCH für das Volk ein Fortschritt. Was Du anführst, trifft auf Deutschland zu, aber 1. aus ganz bestimmten historischen Gründen (hier war die bürgerliche Revolution kein souveräner Akt des Volkes, sondern ein hoheitlicher Akt der Fürsten durch Bismarck) und 2. eben nicht allgemein gültig.


    Dann heißt es bei Dir:
    "Das Wissen von Nationalisten ist insofern beschränkt, weil sie eben nichts anders kennen als diese Konstellation und / oder den Kommunismus ablehnen, Dennoch versprechen sich Nationalisten einen Nutzen ihres Zusammenschlusses auch unter dieser Konstellation. Aber das Nutzenversprechen, beruht nicht auf Wissen, sonder verwandelt sich in Glauben, weil das kapitalistische Reproduktionsverhältnis immer wieder dafür sorgt, dass sich der Nutzen hinsichtlich eines angenehmen, friedlichen Lebens einfach nicht einstellen will. Als Glaubende führen Nationalisten diese Tatsache aber nicht auf die Reproduktionsverhältnisse zurück, sondern auf die Stellung ihres Kollektivs innerhalb der nationalen Konkurrenz."
    Ich glaube Du überschätzt maßlos die Neigung von Menschen, über Dinge nachzudenken, die nicht ihren unmittelbaren Bedürfnissen entsprechen. Die meisten Leute machen sich darüber überhaupt keine Gedanken, deshalb sind sie ja so anfällig für Rattenfänger. Ich hab mal vor Jahren ne CDU-Versammlung besucht, in der auch über das Verbot von Cannabis geredet wurde. Dabei wurden nur genau die Textbausteine wiedergegeben, die auch die Dummschwätzer im Parlament gebrauchen. Als ich denen mal erklärt habe, was ne rationale Drogenpolitik wäre, habe ich nur offene Mäuler gesehen. Die kannten einfach nichts anderes als den Dummschwatz der Parlamentarier. Es hat vielleicht nichts bei ihnen geändert, aber es hat sie zumindest gezwungen, Farbe zu bekennen, ob sie ihre vorgeblichen Ziele ernst nehmen oder nicht. Was ich daraus gelernt habe, war aber, dass die total kritiklos den Müll reproduziert haben, den ihre Parteioberen ihnen vorgekaut in den Hals gestopft haben. Das waren aber politisch aktive Leute! Bei nicht organisierten Leuten geht es eher um die Familie, ein neues Auto, Klamotten (Möbel, Wäsche usw.), den nächsten Urlaub, Frauen und Sport. Das war so das, was ich im Schichthaus am Band kennengelernt habe ("Literatur? Meinst Du die Blöd-Zeitung?").


    Weiter schreibst Du:
    "Weiter, als Menschen, die an dem Glauben festhalten, dass ihnen Nationalismus nützt, aber trotzdem immer wieder – wegen des kapitalistischen Reproduktionsverhältnisses - enttäuscht werden, zimmern sie sich, ohne auf den wahren Grund ihrer Enttäuschung einzugehen, eben ein ideologisches Gebäude zurecht aus dem sie sich dann ihre bescheuerte Lage „erklären“ oder wo sie zumindest Trost (Überlegenheit, Stolz, Ehre, Ruhm) für ihr mickriges Dasein finden. Und das ist dann der Übergang ins Politische, das wird dann zum status quo, von wo aus Politik im Namen der Nation gemacht wird."
    Hier wird die Sache allmählich gefährlich. Für Dich gibt es demnach keine Rattenfänger, die das Unwissen der Menschen ausnutzen, um sie für ihre Ziele auszunutzen und vor ihren Karren zu spannen, was bei weitem nicht nur bei Nationalisten, sondern viel stärker mit viel mehr täuschender Absicht ("krimineller Energie"!) bei sogenannten Demokraten auftritt. Die nationalistische Politik geht Dir zufolge also nicht von verkommenen Demagogen ("Politikern") aus, sondern vom dummen Volk selbst. Wenn das so wäre, gäbe es aber nur eine Hoffnung auf Abhilfe: den Putsch einer kleinen, bewussten Gruppe von Revolutionären. Die müssten dann allerdings nach einem Sieg, wie gehabt, versuchen, das Volk in ihrem Sinne zu erziehen und alle, die sich nicht von solchen Strolchen erziehen lassen wollen, umzubringen oder durch Arbeit zu vernichten. Ist es das, was Du willst?


    Und schließlich schreibst Du:
    "Und da kommen nun, wie bei jedem Glauben, die Puristen mit ihrem Idealismus zum Zug. Und das sind eben die Faschisten. Die mäkeln dann im Namen des nationalen Kollektivs am Erfolg der regierenden Herrschaft herum, die nicht radikal genug mit Ausländern und den andern Nationen umspringt. Ihr Idealismus, ist, dass nur mit einer starken Nation und einem starken Staat an der Spitze die offensichtlich enttäuschenden politischen Ergebnisse (auf die miese Lage der Lohnarbeiter bezogen) demokratischer Herrschaft aufgehoben werden können. Und dabei wollen die nicht unbedingt chauvinistisch sein, sondern nur die Sieger im internationalen Wettbewerb, im Grunde nicht anders eigentlich wie ihre demokratischen Konkurrenten."
    Das würde ich, vorsichtig ausgedrückt, für ne Verharmlosung der Neofaschisten halten. Da geht es nicht einfach um eine radikalere Politik als sie von den Demokraten gegen "Ausländer und andere Nationen" praktiziert wird. Wenn's so wäre, bräuchte man sie nicht zu fürchten. Was macht es für einen Unterschied, ob ich durch meine Maßnahmen den Tod hunderter Menschen "billigend in Kauf nehme" oder sie selbst umbringe, außer dass im ersten Fall der Schein gewahrt bleibt? In beiden Fällen geht es um Massenmord, nur im zweiten Fall offen, im ersten versteckt. Das Gesetz nennt sowas "Heimtücke"! Mir persönlich ist genau deshalb ein offener Faschist lieber als so ein verkommener, heuchlerischer Demokrat. Der Faschist sagt wenigstens offen, was er will und macht kein Hehl aus seiner Gesinnung. Das ist kein Vorurteil von mir! Ich hab den Unterschied dazwischen hautnah beim Bund kennengelernt und weiß, wovon ich Rede! Aber zurück zum Ausgangspunkt: Die Verantwortung übernehmen beide nicht für ihre Handlungen. Die Lumpen von Parlamentariern dürfen wegen parlamentarischer Äußerungen nicht verfolgt werden und die großkotzigen "Weltanschauungskrieger" ("unsere Ehre heißt Treue") haben sich nach dem Krieg überall auf der Welt versteckt, falsche Namen angenommen usw. um bloß nicht für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen zu werden. Ich hab schon vor Jahren mal bei ner Diskussion mit Jungnazis (allerdings intellektuellen!) vertreten, dass ich bessere Vorbilder als solche Feiglinge habe (zum Beispiel Erich Mühsam), die zu ihren Taten und Überzeugungen standen und notfalls dafür auf's Schafott oder vor's Erschießungskommando gegangen sind. Erfahrungsgemäß wissen sie darauf nichts zu antworten.
    Beste Grüße
    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

  • Hallo Peter,


    hier meine Replik:


    „Was Du als Nationalismus definierst, ist kein Nationalismus, sondern eher Patriotismus!“


    Jetzt machst du schon wieder ein neues Fass auf. Ich kenne keine exakte (materialistische) Definition des Nationalismus und bei Wikipedia steht, dass Patriotismus was mit emotionaler Verbundenheit zur Nation zu tun hat. Aber dieser ist, wie der Chauvinismus, lediglich eine Folge von Nationalismus, eine gewisse (idealistische) Ausprägung von ihm. Ich halte es für wenig nützlich ständig auf Unterscheidungen herumzureiten, statt auf den Kern der Sache einzugehen, um eine Klärung herbeizuführen. Das läuft sonst auf Besserwisserei hinaus.


    „Für die Ausgebeuteten ging es darum (wir lassen den Sonderfall Deutschland mal außen vor), sich als Souverän zu konstituieren. In der Theorie der bürgerlichen Staaten löst das Volk durch den Akt der Verfassungsgebung den Fürsten als Souverän ab, und verwandelt sich DADURCH aus Untertanen in Staatsbürger (Citoyen) (Jean-Jacques Rousseau: "Der Gesellschaftsvertrag").“



    Dass sich die Lohnarbeiter als Souverän konstituieren wollten ist wohl in der Tat nur bürgerliche Theorie. Mir ging es ja um das Wesentliche, dass sich auch die
    Lohnarbeiter positiv zur Nation stellen, weil sie darin einen Konkurrenzverein zu anderen solchen Gebilden sehen, von dem sie sich einen konkreten Nutzen,
    Sicherheit, Schutz, Risikominderung und Chance versprechen. So etwa wurde das ja auch in den Arbeitervereinen im 19. Jh. diskutiert. Dem Teil der Lohnarbeiter, und das war wohl der Überwiegende, der sich der 1869 gegründeten SDAP anschloss, muss das auf jeden Fall eingeleuchtet haben.


    „Der Nationalstaat war AUCH für das Volk ein Fortschritt.“


    Mir geht’s ja auch hier um das Wesentliche, nämlich dass sich die Kollektivisten mit ihrem Bekenntnis zur Nation, wo die Klassenverhältnisse und die politische Herrschaft nicht aufgehoben sind, freiwillig zu (neuen) Untertanen einer (neuen) Herrschaftsform machen. Das widerspricht nicht der Möglichkeit, dass unter einer neuen Herrschaftsform, z. B. der bürgerlichen Demokratie, bessere Bedingungen für eine emanzipatorische Entwicklung vorliegen können.



    „Ich glaube Du überschätzt maßlos die Neigung von Menschen, über Dinge nachzudenken, die nicht ihren unmittelbaren Bedürfnissen entsprechen.“



    Nun ja, ich halte, dass Menschen über so unmittelbare Bedürfnisse wie ein friedliches Leben, eine gesicherte Existenz, Armutsvermeidung, ausreichend mit Geld versorgt oder gesund sein zu wollen, nachdenken, nicht für eine maßlose Überschätzung. Nur erklären sich Menschen mit nationalistischer Gesinnung die sich nie einstellende
    Befriedigung dieser Bedürfnisse eben falsch, wenn sie sie auf den Konkurrenzstatus ihrer Nation zurückführen.


    „Die nationalistische Politik geht Dir zufolge also nicht von verkommenen Demagogen ("Politikern") aus, sondern vom dummen Volk selbst.


    Aber Demagogie gelingt doch nur, wenn ein fruchtbarer Boden bereitsteht. Es gibt ja den Spruch, dass deswegen Einige zu großen Männern oder Frauen geworden
    sind, weil sie zur rechten Zeit an der rechten Stelle den rechten Zeitgeist erfasst haben.


    "Wenn das so wäre, gäbe es aber nur eine Hoffnung auf Abhilfe: den Putsch einer kleinen, bewussten Gruppe von Revolutionären. Die müssten dann allerdings nach einem Sieg, wie gehabt, versuchen, das Volk in ihrem Sinne zu erziehen und alle, die sich nicht von solchen Strolchen erziehen lassen wollen, umzubringen oder durch Arbeit zu vernichten. Ist es das, was Du willst? »


    Nun es gibt sicher andere Wege und Mittel, um zur sozialen Emanzipation zu gelangen. Darüber zu diskutieren, dafür ist ja dieses Forum hier da.


    „Mir persönlich ist genau deshalb ein offener Faschist lieber als so ein verkommener, heuchlerischer Demokrat. Der Faschist sagt wenigstens offen, was er will und macht kein Hehl aus seiner Gesinnung.“


    Dann frag ich mich, warum du dich vor den Neofaschisten fürchtest.



    „dass ich bessere Vorbilder als solche Feiglinge habe (zum Beispiel Erich Mühsam), die zu ihren Taten und Überzeugungen standen und notfalls dafür auf's Schafott oder vor's Erschießungskommando gegangen sind.“



    Märtyrer haben doch wohl alle politischen, sozialen, nationalen, religiösen Bewegungen, die was auf sich halten. Soll sich demnach die Kritik an politischen Inhalten
    an der Frage entscheiden, wer den besten Märtyrer hat? Opfertod für seine Überzeugung - das ist ja nun das moralischste und immateriellste (ja, ich muss
    es leider polemisch sagen, auch dümmste) Argument politischer Kritik.


    Beste
    Grüsse



    Kim

  • Hallo Kim,
    Wikipedia ist als Quelle nicht gut zu gebrauchen, das ist nur ein CIA-Projekt zur Indoktrinierung von Schülern mit bürgerlicher Ideologie, woraus sich auch erklärt, weshalb die Wikipeditioten manche Begriffe einfach nicht sauber erklären. Die Definition von Begriffen ergibt sich unter anderem aber aus der Abgrenzung zu anderen Begriffen, denn unterschiedliche Begriffe bedeuten nun mal unterschiedliche Bedeutungen. Die Klärung von Begriffsbedeutungen ist aber das A und O jeder Kommunikation, da man ohne dieselbe aneinander vorbei labern würde. Im übrigen geht es bei der Begriffsdefinition um die Inhalte, was Dir wohl entgangen ist.


    Dann schreibst Du:
    "Dass sich die Lohnarbeiter als Souverän konstituieren wollten ist wohl in der Tat nur bürgerliche Theorie. "


    Nein, ist es nicht und entspricht auch nicht dem, was ich geschrieben habe. Es ist DAS VOLK dass sich durch den Akt der Verfassungsgebung als Souverän konstituiert. Die Marx-Anhänger waren innerhalb des Volkes erstmal eine Minderheit. Deren Hauptziel waren ja auch nur ein paar warme Ministersessel für die Herren "Vertreter der Arbeiterklasse", nicht etwa die Revolution. Selbst Marx fand ja sein "Kapital" wichtiger als die Vorbereitung der Revolution, was will man also von seinen Nachfolgern erwarten.


    Weiter schreibst Du:
    "Mir geht’s ja auch hier um das Wesentliche, nämlich dass sich die Kollektivisten mit ihrem Bekenntnis zur Nation, wo die Klassenverhältnisse und die politische Herrschaft nicht aufgehoben sind, freiwillig zu (neuen) Untertanen einer (neuen) Herrschaftsform machen. Das widerspricht nicht der Möglichkeit, dass unter einer neuen Herrschaftsform, z. B. der bürgerlichen Demokratie, bessere Bedingungen für eine emanzipatorische Entwicklung vorliegen können. "


    Erstens, die Nation muss nicht IMMER etwas mit Aufrechterhaltung der Klassenverhältnisse und der politischen Herrschaft zu tun haben, weil es, wie ich Dir schon mal geantwortet habe, Du aber wohl wieder vergessen hast, KEINE politische, sondern EINE KULTURELLE Kategorie ist.
    Zweitens wird auch eine freie Gesellschaft im Rahmen der Nation aufgebaut werden müssen, weil die Ungleichmäßigkeit der Entwicklung keine gleichzeitige Weltrevolution zulässt (hatten wir auch schon!). Also ist Deine Verbindung des Begriffs "Nation" mit Klassenherrschaft und Staat schlicht Unsinn. Diese Verbindung gab es bei der bürgerlichen Revolution, weil sie ein starkes Argument für die Herstellung des Nationalstaates lieferte. In einer künftigen Revolution wird sie argumentativ überhaupt keine Rolle spielen, sondern nur auf Grund der Tatsache, dass eine Revolution zunächst nur das Territorium eines Staates und damit eines Volkes oder einer Nation betreffen wird. Das hängt nicht vom Willen irgendwelcher Ideologen ab, sondern wird einfach eine äußerliche Tatsache sein.


    Dann schreibst Du:
    "Nun ja, ich halte, dass Menschen über so unmittelbare Bedürfnisse wie ein friedliches Leben, eine gesicherte Existenz, Armutsvermeidung, ausreichend mit Geld versorgt oder gesund sein zu wollen, nachdenken, nicht für eine maßlose Überschätzung. Nur erklären sich Menschen mit nationalistischer Gesinnung die sich nie einstellende Befriedigung dieser Bedürfnisse eben falsch, wenn sie sie auf den Konkurrenzstatus ihrer Nation zurückführen. "


    Aha, und woher weißt Du denn, wie sich Menschen mit dem, was Du eine "nationalistische Gesinnung" nennst, die "Befriedigung ihrer Bedürfnisse" erklären? Hast Du ne Umfrage durchgeführt? Ein Meinungsforschungsinstitut damit beauftragt? Oder handelt es sich schlicht um ein Vorurteil? Die Leute, die ich kenne und denen Du vermutlich "Nationalismus" unterstellen würdest, erklären sich selbst gar nichts, sondern reproduzieren nur den Mist, den ihnen die Blöd-Zeitung oder Politiker mit ähnlichem IQ vorquatschen. Mag ja sein, dass das alles Ausnahmen sind, aber dann müsstest Du das anhand von glaubhaften Quellen beweisen und nicht nur behaupten.


    Weiter schreibst Du:
    "Aber Demagogie gelingt doch nur, wenn ein fruchtbarer Boden bereitsteht. "


    Damit lenkst Du davon ab, dass Deine vorherige Darstellung das, was Du "Nationalismus" nennst, direkt (also ohne Einfluss anderer Personen) aus dem Volk abgeleitet hattest.


    Das Nächste ist von der selben Qualität:
    "Nun es gibt sicher andere Wege und Mittel, um zur sozialen Emanzipation zu gelangen. "


    Das ist ein bisschen dürftig als Antwort darauf, dass bei Deiner Herleitung dessen, was Du "Nationalismus" nennst, aus dem Volk selbst, keine andere Chance für eine soziale Revolution bestehe, als der Putsch einer kleinen, entschlossenen Schar von "Revolutionären".


    Weiter schreibst Du dann:
    "Dann frag ich mich, warum du dich vor den Neofaschisten fürchtest. "


    Das ist ein Irrtum Deinerseits: ich fürchte die Neofaschisten nicht (obwohl ich durch die schon mal in Lebensgefahr war), ich halte sie für gefährlich. Wenn ich sie fürchten würde, wäre ich für ihr Verbot, ich bin aber dagegen, und ich würde keine öffentliche Auseinandersetzung mit ihrer Ideologie fordern, was ich tue.


    Schliesslich schreibst Du:
    "Märtyrer haben doch wohl alle politischen, sozialen, nationalen, religiösen Bewegungen, die was auf sich halten. Soll sich demnach die Kritik an politischen Inhalten an der Frage entscheiden, wer den besten Märtyrer hat? Opfertod für seine Überzeugung - das ist ja nun das moralischste und immateriellste (ja, ich muss es leider polemisch sagen, auch dümmste) Argument politischer Kritik."


    Tut mir leid, dass Du dem Gedankengang nicht folgen konntest. Es ging dabei nicht um die Frage, wer den besten Märtyrer hat, sondern darum, dass die Leute als Vorbilder haben, die sich als Feiglinge erwiesen haben.
    Beste Grüße
    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

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