Die schleichende Krise

  • Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD findet nur lobende Worte: „Deutschland hat sich in den letzten Jahren wirtschaftlich so gut entwickelt wie kaum ein anderer Staat in Europa. Die Wirtschaft geht in das fünfte Wachstumsjahr in Folge .... Deutschland ist in guter Verfassung.“
    Die Mehrzahl der Lohnarbeiter lebt demnach in einem ganz anderen Land.
    Im Koalitionsvertrag verschreiben sich CDU/CSU und SPD einer „wettbewerbsfähigen Wirtschaft, deren Kern auch weiterhin eine moderne, dynamische Industrie ist.“
    Das Bild der Gesamtwirtschaft in Deutschland lässt sich vielleicht beschönigen - vor allem wenn nur die europäischen Krisenländer zum Vergleich herangezogen werden. Die deutsche Industrie gibt jedenfalls kein schönes Bild ab.

    Das Deutsche Institut für Wirtschaft DIW hat eine „Industrieprognose“ publiziert, die die Situation vornehm als „durchwachsen“ beschreibt.
    Siehe die folgende Grafik:



    Das „Verarbeitende Gewerbe“ (Industriegesamtproduktion = rote Linie) hat im vierten Jahr nach dem Krisentiefpunkt von 2009 immer noch nicht das Vorkrisenniveau (I. Quartal 2008) erreicht.
    Der Wachstumstrend der Vorkrisenjahre von 2005 bis 2008 ist komplett abgebrochen.
    Seit 2011 verläuft das industrielle Wachstum nicht mehr aufwärts, sondern seitwärts. Der industrielle Kern der deutschen Wirtschaft befindet sich in Stagnation. Und im Kapitalismus, der Wachstum braucht wie ein Organismus Luft zum Atmen, ist Stagnation - je länger, desto mehr - gleich Krise.


    Selbstverständlich ist das DIW - wie die Bundesregierung - für die Zukunft positiv gestimmt: „Wenn die Wirtschaft der Krisenländer im Euroraum wieder wächst und auch die Konjunktur außerhalb des Euroraums anzieht, werden davon nicht nur einzelne Branchen wie der Maschinen- und Kraftwagenbau profitieren, sondern die gesamte Investitionsgüterindustrie.“
    Messerscharfe Logik: Wenn alle wieder wachsen, wächst auch die deutsche Industrie.
    Und wenn nicht?
    Dafür hat das DIW ebenso wenig wie die Regierung einen Plan.
    Das Koalitionspapier der künftigen Bundesregierung basiert ebenso auf „dem Prinzip Hoffnung“ wie die Wirtschaftsprognose des DIW.


    Der Mitbegründeter der gescheiterten „Financial Times Deutschland“, Wolfgang Münchau, stellt im Spiegel zutreffend fest: „Die Euro-Zone insgesamt hat schon längst japanische Verhältnisse mit niedrigem Wachstum, niedriger Inflation und niedrigen Zinsen.“
    Ich ergänze: Das kann - wie in Japan - noch lange so gehen.


    Gruß Wal Buchenberg

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