Rentenkasse und soziale Emanzipation

  • Wer eine private Zusatzrente oder eine Lebensversicherung abschließt, der weiß, dass er sein Geld in fremde Hände legt, von denen er keine Garantie hat, dass diese Hände mit seinen Einzahlungen sorgsam umgehen. Im schlimmsten Fall ist das Geld weniger geworden oder gar verschwunden, wenn man es braucht.
    Den Wenigsten ist klar, dass das mit der gesetzlichen Rente nicht anders ist.
    Scheinbar erwirbt man als Lohnarbeiter durch die Sozialbeiträge einen individuellen Anspruch auf Sozialleistungen von ganz bestimmter Höhe. Es hat den Anschein, als sei der individuelle Rentenanspruch ein Eigentum, das der Einzelne vor Gericht einklagen kann.
    Dieser Anschein trügt.
    Die Rentenbeiträge (wie alle anderen gesetzlichen Sozialbeiträge auch) sind ein Teil des Lohns, den die Kapitalisten zahlen. Aber die Renten- und Sozialbeiträge zahlen die Kapitalisten nicht an die Lohnarbeiter aus, sondern legen diese Bruttobestandteile des Lohns in die Hände der staatlichen Sozialbürokratie. Was machen die Sozialbürokraten mit diesen Milliardenbeträgen?
    Das liegt im Ermessen unserer „Gesetzgeber“, den wenigen hundert Parlamentsabgeordneten. Die Versicherten haben darauf so gut wie keinen Einfluss.


    Wie unterschiedlich der staatliche Umgang mit dem Geld der Rentenkassen ist, zeigt folgende Grafik:



    Die Daten der OECD zeigen, dass die Niederlande eine Rentenreserve von 160 Prozent ihrer Jahreswirtschaftsleistung angelegt haben. Die Rentenkasse von Großbritannien hat knapp die Größe des Bruttosozialprodukts von 2012. Deutschlands Rentenreserve beträgt rund 5 Prozent des BSP.
    Heißt: In anderen Ländern wird tatsächlich ein Teil der Beitragszahlungen angelegt und angespart. In Deutschland werden die Rentenbeiträge sofort ausgegeben. Dass die individuellen Rentenbeiträge irgendwie und irgendwo in einer „Rentenkasse“ landen, ist eine Illusion.


    Die Sozialbürokratie nennt dieses System „Generationenvertrag“. Tatsächlich ist das ein „Vertrag“ zwischen der Sozialbürokratie und der Kapitalistenklasse, die auf diese Weise Lohnkosten spart. Die Sozialbürokratie entscheidet in Abstimmung mit der Kapitalistenklasse über Höhe und Auszahlungsbeginn der Renten und aller anderer Sozialleistungen. Jeder individuelle „Anspruch“ hat ein heimliches Verfallsdatum und gilt nur eine gewisse Zeit. Jeder individuelle „Anspruch“ auf solche Leistungen steht unter dem Vorbehalt einer möglichen gesetzlichen Änderung.

    Unsere Renten von morgen hängen nicht ab von der Höhe der heutigen Einzahlungen. Sie sind kein individuell erworbenes Eigentum.
    Unsere Renten von morgen hängen nicht ab von dem Fleiß der kommenden Arbeitergeneration. Es gibt keinen „Vertrag zwischen den Generationen“.
    Unsere Renten von morgen hängen ab von dem Willen und der Willkür der Kapitalistenklasse und des Parlaments. Diese Leute allein entscheiden über Höhe und Auszahlungsbeginn der Renten und aller Sozialleistungen.

    Noch eine Sache möchte ich anmerken:
    Da in den deutschen Rentenkassen kein Vermögen angespart ist, sind auch keine Vermögenswerte vorhanden, die eine soziale Revolutionsbewegung beschlagnahmen und sich aneignen könnte.
    Jeder Umsturz, jede Revolution droht, das dünne Kartenhaus der sozialen Vorsorge zum Einsturz zu bringen. Das ist ein enormes, aber meist übersehenes Hindernis auf dem Weg zur sozialen Emanzipation.
    Die politischen Verhältnisse bringen es mit sich, dass die Renten- und Sozialkassen als Pfand und Drohung in den Händen der Staatsbürokratie liegen, und dass alle Transferbezieher als Geiseln gegen jede breite Protestbewegung eingesetzt werden können.
    Die Drohung heißt: Das normale Funktionieren des bürgerlichen Staates ist der einzige Garant für Eure Notgroschen. Wenn ihr uns, den Sozialbürokraten, das Vertrauen entzieht, wenn ihr soziale Wirren und Chaos hervorruft, dann riskiert ihr, dass keine Renten, kein Kindergeld und kein HartzIV ausgezahlt werden.

    Eine Emanzipationsbewegung, die keine Antwort auf diese Drohung findet, wird auf der Verliererstraße bleiben,
    meint Wal Buchenberg

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