Statistisches Material zur Lebenserwartung im Kapitalismus?

  • Hallo Forum,
    Karl Marx hatte bei der Bestimmung des Tauschwertes der Arbeitskraft geschrieben, dass dieser allgemein durch die für die Dauer der Arbeitszeit notwendigen durchschnittlichen Reproduktionskosten bestimmt sei (im besonderen kommt noch ein kultureller Anteil hinzu, wie er in Lohn Preis und Profit schreibt). Theoretisch wäre das die Reproduktion von während der Arbeit angewandten bzw. verbrauchten Muskeln, Hirn und Nerven der Arbeiter und Angestellten. Praktisch ist es aber so, dass die Arbeitsintensität dabei unberücksichtigt bleibt, also der tatsächliche Verbrauch von Lebenskraft der Arbeiter und Angestellten viel höher ist. Daraus habe ich abgeleitet, dass demnach eigentlich die Lebenserwartung der Arbeiter sinken muss (weil ihre Reproduktionsbasis nicht ausreicht, wobei allerdings auch der gesunkene Reallohn eine Rolle spielt). Dazu wird es natürlich keine offiziellen Untersuchungen geben (und wenn, dann werden sie natürlich nicht veröffentlicht). Ich erinnere mich, dass zu meinen KBW-Zeiten mal von diesem eine Untersuchung dazu veröffentlicht wurde, die auf der Auswertung von Todesanzeigen beruhte und zumindest zeigte, dass die Lebenserwartung von Intellektuellen ungleich höher war.
    Meine Frage: Kommt jemand von Euch an statistisches Material (z.B. über die durchschnittliche Dauer von Rentenzahlungen) ran, die Aufschluss darüber geben könnten, ob die Lebenserwartung von Arbeitern und Angestellten sinkt (müsste also über Jahrzehnte gehen)? Ich denke, dass dies nicht nur für Arbeiter und Angestellte von Interesse sein würde.
    Peter Nowak

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

  • Hallo Forum,
    Karl Marx hatte bei der Bestimmung des Tauschwertes der Arbeitskraft geschrieben, dass dieser allgemein durch die für die Dauer der Arbeitszeit notwendigen durchschnittlichen Reproduktionskosten bestimmt sei (im besonderen kommt noch ein kultureller Anteil hinzu, wie er in Lohn Preis und Profit schreibt). Theoretisch wäre das die Reproduktion von während der Arbeit angewandten bzw. verbrauchten Muskeln, Hirn und Nerven der Arbeiter und Angestellten. Praktisch ist es aber so, dass die Arbeitsintensität dabei unberücksichtigt bleibt, also der tatsächliche Verbrauch von Lebenskraft der Arbeiter und Angestellten viel höher ist.


    Hallo Peter N.
    du solltest etwas vorsichtiger mit Behauptungen sein, was Marx in seiner Kapitalismuskritik berücksichtigt und was angeblich nicht.
    Selbstverständlich hat Marx die Intensität der Arbeit berücksichtigt, sowohl wenn es um den Wert der Ware Arbeitskraft geht, als auch bei der Wertbestimmung der von intensiverer Arbeit produzierten Ware.
    Einiges davon kannst du im Karl-Marx-Forum nachlesen: Intensivierung der Arbeit



    Daraus habe ich abgeleitet, dass demnach eigentlich die Lebenserwartung der Arbeiter sinken muss (weil ihre Reproduktionsbasis nicht ausreicht, wobei allerdings auch der gesunkene Reallohn eine Rolle spielt). Dazu wird es natürlich keine offiziellen Untersuchungen geben (und wenn, dann werden sie natürlich nicht veröffentlicht). Ich erinnere mich, dass zu meinen KBW-Zeiten mal von diesem eine Untersuchung dazu veröffentlicht wurde, die auf der Auswertung von Todesanzeigen beruhte und zumindest zeigte, dass die Lebenserwartung von Intellektuellen ungleich höher war.
    Meine Frage: Kommt jemand von Euch an statistisches Material (z.B. über die durchschnittliche Dauer von Rentenzahlungen) ran, die Aufschluss darüber geben könnten, ob die Lebenserwartung von Arbeitern und Angestellten sinkt (müsste also über Jahrzehnte gehen)? Ich denke, dass dies nicht nur für Arbeiter und Angestellte von Interesse sein würde.
    Peter Nowak



    Dazu gibt es durchaus statistisches Material, aber das deckt nicht deine Vermutung. In einem anderen Thread hattest du vermutet, dass die Steigerung der Arbeitsproduktivität notwendig so sehr mit Intensivierung der Arbeit verbunden ist, dass jede Reallohnsteigerung und jede Erleichterung der Arbeit aufgehoben wird. Diese Unterstellung ist falsch.


    Wenn du in Google das Stichwort "Lebenserwartung" eingibst und die Ergebnisse auf die Website "Marx-Forum.de" eingrenzt, bekommst du schon einige interessante Treffer mit statistischen Daten. Zum Beispiel folgendes:


    Die durchschnittliche Lebenserwartung in den entwickelten kapitalistischen Ländern ist deutlich höher als irgendwo sonst. Da in diesen Ländern rund 90 Prozent lohnabhängig sind, sagt dieser hohe Durchschnitt auch einiges aus über die Lebenserwartung der Lohnarbeiter. Es ist unbezweifelbar, dass die Arbeit der Lohnarbeiter seit 1850 (im Durchschnitt) leichter, ihre Gesundheit besser und ihre Lebenserwartung länger geworden ist.


    Bei Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, ist nachzulesen (S. 50):
    "Allein im 20. Jahrhundert erhöhte sich die Lebenserwartung (in Deutschland) um rund 30 Jahre. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts betrug sie für Männer 75,6 und für Frauen 81,3 Jahre. In den 1890er Jahren erreichten nur 34% der Männer und 39% der Frauen das Alter von 60 Jahren. Mitte der 1990er Jahre sind es mehr als vier Fünftel (85%) bzw. mehr als neun Zehntel (93%).(Kohli 2001,3.) ... Der Rückzug des vorzeitigen Todes hat ein hohes Alter zur Regel und gleichsam zu einem selbstverständlichen Teil der Normalbiografie gemacht...."


    Trotzdem unterscheidet sich die Lebenserwartung im entwickelten Kapitalismus zwischen Arm und Reich deutlich. Das ist auch nicht anders zu erwarten.
    In den USA sterben Arme 8 Jahre früher als der Durchschnitt. In Deutschland sterben Männer im unteren Einkommensviertel 10 Jahre früher als Männer im oberen Einkommensviertel.
    Die unterschiedliche Lebenserwartung von Arm und Reich zeigt sich auch in den regionalen Unterschieden je nach Speckgürtel oder nach Arbeiterviertel
    Der statistische Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Arm und Reich oder zwischen Lohnarbeiter und Kapitalist lässt sich leicht errechnen. Die Reichen machen rund 10 Prozent der Bevölkerung aus, die Lohnarbeiter rund 90 Prozent. Wo die unterschiedliche Lebenserwartung zwischen Reich und Arm 8 Jahre beträgt, erhöht sich die durchschnittliche Lebenserwartung insgesamt um 8 mal 0,1 (10% von 8 Jahren). Die allgemeine Lebenserwartung ist also rund ein Jahr höher mit den Reichen als wenn wir einen Durchschnitt der Lohnarbeiter ohne die Reichen bilden wollten.


    Gruß Wal

  • Hallo


    Die Krankenkassen protokollieren doch jährlich präzise welche Erkrankungen und Verletzungen im Bereich der Lohnarbeit anfallen. Darauf basieren zum Beispiel die Meldungen in den Medien über Burnout und Depressionen, von denen es immer noch heißt, sie seien Volkskrankheiten.


    Beispiel: DAK-Gesundheitsreport 2013: http://www.presse.dak.de/ps.nsf/Show/998583CFE0F4B967C1257B18004DA198/$File/Gesundheitsreport_2013_Druckfassung%2015.2.2013.pdf


    Gruß

  • Hallo Peter N.
    du solltest etwas vorsichtiger mit Behauptungen sein, was Marx in seiner Kapitalismuskritik berücksichtigt und was angeblich nicht.
    Selbstverständlich hat Marx die Intensität der Arbeit berücksichtigt, sowohl wenn es um den Wert der Ware Arbeitskraft geht, als auch bei der Wertbestimmung der von intensiverer Arbeit produzierten Ware.
    Einiges davon kannst du im Karl-Marx-Forum nachlesen: Meine Frage: Kommt jemand von Euch an statistisches Material (z.B. über die durchschnittliche Dauer von Rentenzahlungen) ran, die Aufschluss darüber geben könnten, ob die Lebenserwartung von Arbeitern und Angestellten sinkt (müsste also über Jahrzehnte gehen)? Ich denke, dass dies nicht nur für Arbeiter und Angestellte von Interesse sein würde.
    Peter Nowak



    Dazu gibt es durchaus statistisches Material, aber das deckt nicht deine Vermutung. In einem anderen Thread hattest du vermutet, dass die Steigerung der Arbeitsproduktivität notwendig so sehr mit Intensivierung der Arbeit verbunden ist, dass jede Reallohnsteigerung und jede Erleichterung der Arbeit aufgehoben wird. Diese Unterstellung ist falsch.


    Wenn du in Google das Stichwort "Lebenserwartung" eingibst und die Ergebnisse auf die Website "Marx-Forum.de" eingrenzt, bekommst du schon einige interessante Treffer mit statistischen Daten. Zum Beispiel folgendes:


    Die durchschnittliche Lebenserwartung in den entwickelten kapitalistischen Ländern ist deutlich höher als irgendwo sonst. Da in diesen Ländern rund 90 Prozent lohnabhängig sind, sagt dieser hohe Durchschnitt auch einiges aus über die Lebenserwartung der Lohnarbeiter. Es ist unbezweifelbar, dass die Arbeit der Lohnarbeiter seit 1850 (im Durchschnitt) leichter, ihre Gesundheit besser und ihre Lebenserwartung länger geworden ist.


    Bei Rainer Geißler, Die Sozialstruktur Deutschlands, ist nachzulesen (S. 50):
    "Allein im 20. Jahrhundert erhöhte sich die Lebenserwartung (in Deutschland) um rund 30 Jahre. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts betrug sie für Männer 75,6 und für Frauen 81,3 Jahre. In den 1890er Jahren erreichten nur 34% der Männer und 39% der Frauen das Alter von 60 Jahren. Mitte der 1990er Jahre sind es mehr als vier Fünftel (85%) bzw. mehr als neun Zehntel (93%).(Kohli 2001,3.) ... Der Rückzug des vorzeitigen Todes hat ein hohes Alter zur Regel und gleichsam zu einem selbstverständlichen Teil der Normalbiografie gemacht...."


    Trotzdem unterscheidet sich die Lebenserwartung im entwickelten Kapitalismus zwischen Arm und Reich deutlich. Das ist auch nicht anders zu erwarten.
    In den USA sterben Arme 8 Jahre früher als der Durchschnitt. In Deutschland sterben Männer im unteren Einkommensviertel [url='http://www.marx-forum.de/geschichte/welt/sterben.html']10 Jahre früher als Männer im oberen Einkommensviertel.

    Die unterschiedliche Lebenserwartung von Arm und Reich zeigt sich auch in den regionalen Unterschieden je nach Speckgürtel oder nach Arbeiterviertel
    Der statistische Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Arm und Reich oder zwischen Lohnarbeiter und Kapitalist lässt sich leicht errechnen. Die Reichen machen rund 10 Prozent der Bevölkerung aus, die Lohnarbeiter rund 90 Prozent. Wo die unterschiedliche Lebenserwartung zwischen Reich und Arm 8 Jahre beträgt, erhöht sich die durchschnittliche Lebenserwartung insgesamt um 8 mal 0,1 (10% von 8 Jahren). Die allgemeine Lebenserwartung ist also rund ein Jahr höher mit den Reichen als wenn wir einen Durchschnitt der Lohnarbeiter ohne die Reichen bilden wollten.


    Gruß Wal[/url]


    Hallo Wal,
    lies bitte nochmal was ich geschrieben habe, Deine Kritik ist nämlich haltlos. Ich habe Nichts darüber geschrieben, dass Marx etwas nicht berücksichtigt hätte, sondern vom TAUSCHWERT der Arbeitskraft gesprochen (was man als Arbeitslohn bezeichnet). Der richtet sich allein nach der Zeit und den Reproduktionskosten für diese Anwendungszeit, nicht nach der Intensität. Wäre auch schwierig, weil man 100% Normalarbeitsleistung nicht exakt definieren kann, zumal das individuell variiert.
    Da ist allerdings ein Fehler drin, ich meinte Lohnarbeit und Kapital, nicht Lohn Preis und Profit.
    Und Deine Darstellung meiner Aussage in dem anderen Thread ist auch verfälschend. Ich hatte vertreten und vertrete weiterhin, dass jede Produktivitätssteigerung mit einer Erhöhung der Arbeitsintensität einhergeht. Tut mir leid, wenn Du dem Gedankengang nicht folgen kannst, ist nämlich ganz einfach: Wenn die selbe Anzahl (ganz zu schweigen von einer geringeren Anzahl) Arbeiter mit geänderter Maschinerie in der selben Zeit mehr produziert, bedeutet das nunmal notwendig, dass die Arbeitsintensität steigt. Zum einen weil mehr Aufmerksamkeit gefordert ist, zum anderen weil mehr fertige Produkte vom Auslauf der Maschine in den Versand transportiert werden müssen usw. Du solltest Dir vielleicht mal ne Fabrik von innen ansehen.
    Peter Nowak

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

  • Hallo Wal,
    lies bitte nochmal was ich geschrieben habe, Deine Kritik ist nämlich haltlos. Ich habe Nichts darüber geschrieben, dass Marx etwas nicht berücksichtigt hätte, sondern vom TAUSCHWERT der Arbeitskraft gesprochen (was man als Arbeitslohn bezeichnet). Der richtet sich allein nach der Zeit und den Reproduktionskosten für diese Anwendungszeit, nicht nach der Intensität. Wäre auch schwierig, weil man 100% Normalarbeitsleistung nicht exakt definieren kann, zumal das individuell variiert.


    Hallo Peter N.
    Die Arbeitsintensität ist durchaus Bestandteil bei der Wertbestimmung der Arbeitskraft. Der Kapitalist erwartet beim Kauf der Arbeitskraft eine "Arbeitsleistung von durchschnittlicher Arbeitsintensität". Darauf hat Marx hingewiesen. Falls nötig, kann ich dir die Stelle raussuchen.
    Wird von einem Lohnarbeiter höhere Arbeitsintensität verlangt, dann heißt das beschleunigten Verschleiß von Nerven, Muskel und Hirn. Damit steigt der Wert dieser Arbeitskraft. Solche Arbeit liefert in gleicher Zeit mehr Warenwert als eine Arbeit bei niedrigerem Arbeitseinsatz. Die erhöhte Arbeitsintensität kann und muss kompensiert werden entweder durch kürzere Arbeitszeit oder durch bessere Ernährung, gesündere Lebensweise etc, was einen höheren Lohn nötig macht.



    Da ist allerdings ein Fehler drin, ich meinte Lohnarbeit und Kapital, nicht Lohn Preis und Profit.
    Und Deine Darstellung meiner Aussage in dem anderen Thread ist auch verfälschend. Ich hatte vertreten und vertrete weiterhin, dass jede Produktivitätssteigerung mit einer Erhöhung der Arbeitsintensität einhergeht. Tut mir leid, wenn Du dem Gedankengang nicht folgen kannst, ist nämlich ganz einfach: Wenn die selbe Anzahl (ganz zu schweigen von einer geringeren Anzahl) Arbeiter mit geänderter Maschinerie in der selben Zeit mehr produziert, bedeutet das nunmal notwendig, dass die Arbeitsintensität steigt. Zum einen weil mehr Aufmerksamkeit gefordert ist, zum anderen weil mehr fertige Produkte vom Auslauf der Maschine in den Versand transportiert werden müssen usw. Du solltest Dir vielleicht mal ne Fabrik von innen ansehen.
    Peter Nowak


    Nochmals: Das kann so sein, muss aber nicht so sein. Hinter deiner Annahme steckt wohl der Glaube an die "absolute Verelendung", dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Lohnarbeiter im Kapitalismus immer schlimmer, immer härter und immer schlechter werden. Dieser Glaube wird tagtäglich von der Wirklichkeit widerlegt.
    Und lass bitte diese dumme, persönliche Anmache: "Du solltest dir vielleicht mal ne Fabrik von innen ansehen."


    Gruß Wal

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