Wahrnehmung der Klasseninteressen

  • Hallo Wat+Wal,
    Danke erstmal dafür...
    Was noch (bei mir) offen ist: Wer ist in einer immer mehr zu AG tendierenden Wirtschaft der "Ansprechpartner" im Klassenkampf? Mehr so im Hinblick darauf, dass die Eigentumsverhätnisse ja durchaus unübersichtlicher werden und dies zu den beschriebenen Reaktionen "in der Welt" führt a la: "Klasseneinteilung obsolet"
    Ich bilde mir ein irgendwo bei Marx im Zusammenhang mit AG sinngemäß gelesen zu haben: Kapitalist als personifiziertes Kapital verschwindet, AG als Vorstufe zur Vergesellschaftung v. Eigentum...Irgendwie schon auch klar, letztlich sollen ja auch bestimmte Verhältnisse abgeschafft werden und nicht betimmte Menschen, aber diese abstrakte Sicht trägt sicher nicht zur besseren WAhrnehmung der eigenen (Klassen)interessen bei. Nu ja, ... Danke und weiter so und bis demnext!



    (EDIT: Beitrag wurde verschoben, weil sich daraus ein neues Diskussionsthema entwickelte. w.b.)

  • In der Debatte, die Seldon da losgetreten hat, zeigt sich eine erste Hürde für die Absicht, an "kommunal" definierten" "Interessen" anzusetzen: der Zusammenhang mit dem "System" ist nicht griffig vermittelbar. Schön griffig wären die Immobilienhaie, solche wie noch zu Joschka Fischers Frankfurter Tagen, an und in denen sich das System konzentriert und auf die sich der Gegensatz zuspitzen lässt (Seldon vermisst sie ein bisschen...). Ganz anders, wenn sich die Bevölkerung gedanklich selbst in allen möglichen Dimensionen soziologisch betrachtet und immer wieder breite Streuung von allem möglichen, somit Unterschiede in aller und jeder Hinsicht an sich bemerkt. Irgendwie ist der Gesichtspunkt des GEMEINSAMEN, das man in den Tatsachen aufsucht, des gemeinsamen Interesses, einer, der entweder schon da ist, oder durch die aufgezeigten Statistiken oder gar Theoriefragmente auch nicht mehr hinterm Ofen hervorzulocken ist. Um ehrlich zu sein: Ich glaub einfach nicht, dass Leute Kommun(al)isten werden, weil sie ewig gelackmeierte Eigentümer (ihrer Arbeitskraft und vergleichsweise viel zu mickrigen Vermögen) sind. Vom Eigentümer-Standpunkt, den sie dabei doch erst noch einnehmen sollen, denn da wird ihnen ja vorgerechnet, wie und wodurch sie geschädigt werden, sollen sie irgendwo so wegkommen, dass ihnen gezeigt wird, dass die Schädigung SYSTEM hat. Bloss - wenn sie auf SYSTEM-Ursachen für dies und jenes je geachtet hätten - wenn diese Kategorie überhaupt in ihrem Gesichtskreis läge - würden sie sich im Leben nicht mehr als Eigentümer aufführen. Das ist die ewig und immer wieder auszutragende Debatte über: Wie freiwillig ist eigentlich die Zustimmung? Wir Kommun(al)isten können ja auch Lohnabhängige oder auch andres sein, und sind doch ständig auf die System-Betrachtung fixiert. Unser Status in diesem System ist doch bloss Ausgangspunkt praktischer Erwägungen für die Arbeit daran, dass man davon wegkommt. Das ist nicht der Gesichtspunkt derer, die agitiert werden sollen. Irgendwie ist da der feste Stand-Punkt nicht betreten, von wo aus man die Eigentümerwelt aus den Angeln hebt...
    PS: Neoprene (falls du das hier liest): Das ist unter Umständen kurz und knackig die Erwiderung auf den Wunsch Peter Deckers, die Arbeiter möchten doch endlich mal statt "Missmanagement" "Management!" schreien. Ja klar - wenn sie DAS machen, ist die Wasserscheide überschritten. Und das gilt eben auch für alle Versuche des Aufzeigens, dass ihre Schäden System haben. System-Betrachtung ist halt nicht ihrs... Und so Seldons Freunde ihres Viertels...

  • Letztlich die Frage nach dem Bewußtsein:
    Der Bewusstseinskritiker bildet sich ... ein, dass seine moralische Forderung an die Menschen, ihr Bewusstsein zu verändern, dies veränderte Bewusstsein zustande bringen werde, und er sieht in den durch veränderte empirische Verhältnisse veränderte Menschen, die nun auch natürlich ein anderes Bewusstsein haben, nichts anderes, als ein verändertes Bewusstsein. ... Diese ganze Trennung des Bewusstseins von den ihm zugrunde liegenden Individuen und ihren wirklichen Verhältnissen ... ist nur eine alte Philosophenmarotte. K. Marx, Deutsche Ideologie
    Offenbar weitwverbreitet das Klassenbewusstsein der Kleineigentümer/-bürgers Die demokratischen Kleinbürger, weit entfernt, für die revolutionären Proletarier die ganze Gesellschaft umwälzen zu wollen, erstreben eine Änderung der gesellschaftlichen Zustände, wodurch ihnen die bestehende Gesellschaft möglichst erträglich und bequem gemacht wird.)
    Marx: Es handelt sich nicht darum, was dieser oder jener Proletarier oder selbst das ganze Proletariat als Ziel sich einstweilen vorstellt. Es handelt sich darum, was es ist und was es diesem Sein gemäß geschichtlich zu tun gezwungen sein wird. Sein Ziel und seine geschichtliche Aktion ist in seiner eigenen Lebenssituation wie in der ganzen Organisation der heutigen bürgerlichen Gesellschaft sinnfällig, unwiderruflich vorgezeichnet. Es bedarf hier nicht der Ausführung, dass ein großer Teil des englischen und französischen Proletariats sich seiner geschichtlichen Aufgabe schon bewusst ist und beständig daran arbeitet, diese Bewusstsein zur vollständigen Klarheit herauszubilden.


    ...irgendwas ist da wohl wieder abhanden gekommen, oder abgekauft worden, vor dem Fernseher vergessen?


    Für den schließlichen Sieg der im Kommunistischen Manifest aufgestellten Sätze verließ sich Marx einzig und allein auf die intellektuelle Entwicklung der Arbeiterklasse, wie sie aus der vereinigten Aktion und der Diskussion notwendig hervorgehen musste. Die Ereignisse und Wechselfälle im Kampf gegen das Kapital, die Niederlagen noch mehr als die Erfolge, konnten nicht umhin, den Kämpfenden die Unzulänglichkeit ihrer bisherigen Allerweltsweisheiten klarzulegen und ihre Köpfe empfänglicher zu machen für eine gründlichere Einsicht in die wahren Bedingungen der Arbeiteremanzipation. Und Marx hatte recht. F. Engels, Vorwort zum Kommunistischen Manifest


    Ist die These zu gewagt, dass eine Verkleinbürgerlichung der Bevölkerung zu konstatieren ist? An der "intellektuelle Entwicklung" kann doch wohl nicht liegen...
    Hat das Kapital die besseren Agitatoren?

  • "Das ist unter Umständen kurz und knackig die Erwiderung auf den Wunsch Peter Deckers, die Arbeiter möchten doch endlich mal statt "Missmanagement" "Management!" schreien. Ja klar - wenn sie DAS machen, ist die Wasserscheide überschritten. Und das gilt eben auch für alle Versuche des Aufzeigens, dass ihre Schäden System haben. System-Betrachtung ist halt nicht ihrs... "


    Ich weiß jetzt recht, was an deinen Einsichten denn nun eine "Erwiderung" zu Decker sein soll. Denn der sagt ja auch nur, wenn die weg sind von ihrem bisherigen Denken, dann ist "die Wasserscheide überschritten". Wie die da hin kommen, kann man offensichtlich weder "erzwingen", noch auch nur vorhersagen.

  • Es handelt sich nicht darum, was dieser oder jener Proletarier oder selbst das ganze Proletariat als Ziel sich einstweilen vorstellt. Es handelt sich darum, was es ist und was es diesem Sein gemäß geschichtlich zu tun gezwungen sein wird.


    Ja, diese Geschichtsteleologie ist mittlerweile nicht mehr so en vogue, wo der "Beweis" ihrer Gültigkeit, die ehedem mal organisierte Arbeiterbewegung (die übrigens eh nie so fürchterlich flächendeckend organisiert war und dort wo sie es war, nicht so fürchterlich "klassenbewußt" aufgestellt war) vom historischen Wind der letzten Jahrzehnte verweht worden ist.

  • Ist die These zu gewagt, dass eine Verkleinbürgerlichung der Bevölkerung zu konstatieren ist?

    Nein. Ein bedeutender Teil der Arbeiterklasse lebt heute tatsächlich in Verhältnissen, die früher den Kleinbürgern vorbehalten waren. Der Lebensstandard dieses Teils der Arbeiterklasse hat sich dem des Kleinbürgertums weitgehend angeglichen und viele Arbeiter haben ein Bildungs- und Kulturniveau erreicht, das früher den Kleinbürgern vorbehalten war. Teilweise arbeiten Arbeiter und Ingenieure heute ("kleinbürgerliche Intelligenz") gleichberechtigt zusammen. Der Übergang zwischen Kleinbürgertum und Arbeiterklasse ist heute fließend, zumal auch kleinbürgerliche Intellektuelle heute zunehmend mit proletarischen Arbeitsbedingungen konfrontiert sind und ihre Kinder nicht selten Arbeiter oder einfache Angestellte werden.


    Und das hat demoralisierende und desorganisierende ideologische Auswirkungen auf die breite Masse der Arbeiterklasse.

  • Eltern klagen, dass ihre Kinder nicht das denken und tun, was die Eltern von ihnen erwarten.
    Lehrer klagen, dass ihre Schüler nicht das denken und tun, was die Lehrer von ihnen erwarten.
    Chefs klagen, dass ihre Untergebenen nicht das denken und tun, was die Chefs von ihnen erwarten.
    Politiker klagen, dass ihre Bürger nicht das denken und tun, was die Politiker von ihnen erwarten.
    Linke klagen, dass die Lohnabhängigen nicht das denken und tun, was die Linken von ihnen erwarten.


    Alle diese Klagen sind berechtigt,
    meint Wal




    P.S. Neoprene : Um diesen Thread einschließlich deiner Beiträge umhängen zu können, musste ich bei dir die "Ignorieren"-Option beenden. Bei dieser Gelegenheit stellte ich fest, dass du (bei anderen?) recht sachlich argumentierst. :thumbsup:

  • Kurz ergänzt, was Neoprene und Wal schreiben: Die "Teleologie" und der Determinismus besteht in der Erwartung, die "objektive Stellung" (im Auge des Erwarters) der Betroffenen erzwinge - am besten noch ergänzt durch "ob sie wollen, oder nicht" - eine bestimmte, nämlich genau diese Einsicht des Erwarters. Arbeiter als Arbeiter sind prädestiniert, System-kritische Revolutionäre und Kommunisten zu werden. Manchmal, wenn der Glaube wankend wird, hadern die Gläubigen dann mit ihrem Glauben, die Verwendung von "Kleinbürger" ist so ein Frust-Ausdruck: Tun, als wärn sie sowas wie Eigentümer (von "Humankapital", wie Ärzte und Anwälte; von "Klein"-Betrieben, wie Handwerker und Bauern). Aber genau das tun sie, abstrahieren von der Besonderheit ihres Eigentums und der unabänderlichen Chancenlosigkeit, und spielen lieber Lotto. Der Glaube ist aber mächtig genug, dass er sich gegen die Anfechtung auflehnt, und dann gleich wieder sich die "objektiven" Entwicklungen zurechtlegt, die solch eine, naja, dann doch wohl bloss vorübergehende Entgleisung (demoralisiert, desorganisiert durch Vermischung der Stände nach oben, Arbeiten mit Ingenieuren, ABER EBEN AUCH nach unten, ha! gegenwirkende Tendenz!) einordnen lassen. O alte Klassenherrlichkeit, wohin bist du entschwunden...


  • Linke klagen, dass die Lohnabhängigen nicht das denken und tun, was die Linken von ihnen erwarten.

    Naja, ich lasse mir ja auch nicht von linken Protestindustriellen vorschreiben, was ich zu denken und zu tun habe. Warum sollten also Arbeiter das tun? Warum sollten Arbeiter sich freiwillig von "Linken" erziehen lassen und sich ihnen unterwerfen?


    Emanzipation ist ein Prozess der Ablösung der Arbeiter UND der Kleinbürger aus der derzeitigen Unterwerfung unter das Diktat des Kapitals. Der Arbeiterklasse wird diese Unterwerfung durch die Konkurrenz ihres beschäftigten Teils mit der industriellen Reservearmee aufgezwungen (MEW, Band 23, S. 665). Die heute gängige Arbeiterassoziation, die Gewerkschaft, predigt der Arbeiterklasse die Reformierbarkeit des Kapitalismus und kooperiert mit dem Kapital und seinen Funktionären. Selbst wenn die Arbeiter sich also -wie im "Manifest der Kommunistischen Partei" vorhergesagt (MEW, Band 4, S. 473 f.)- entschließen, sich zwecks Überwindung ihrer konkurrenzbedingten Isolierung zu organisieren, sind sie immer in den Fängen von Funktionären, die das kapitalistische Elend halt ein wenig erträglicher gestalten wollen, aber an revolutionären Lösung nicht interessiert sind.


    Es fehlt also für organisationswillige Arbeiter (und Kleinbürger) schon an der Möglichkeit "einer revolutionären Vereinigung durch Assoziation", wie sie im "Manifest der kommunistischen Partei" beschrieben ist. Vom allumfassenden Einfluss der bürgerlichen Propaganda über die Massenmedien und den darüber transportierte Ideologie des Individualismus und den durch das Scheitern des DDR-Pseudosozialismus 1989/90 tief verwurzelten grundsätzlichen Vorbehalte gegen den Marxismus bzw Sozialismus gar nicht zu sprechen.

  • Die "Teleologie" und der Determinismus besteht in der Erwartung, die "objektive Stellung" (im Auge des Erwarters) der Betroffenen erzwinge - am besten noch ergänzt durch "ob sie wollen, oder nicht" - eine bestimmte, nämlich genau diese Einsicht des Erwarters.


    Sehe ich auch so. Einen Determinismus, dass Arbeiter aufgrund ihrer Stellung im System automatisch "revolutionär" wären und den Sozialismus errichten würden, den gibt es nicht und den gab es auch nie. So was anzunehmen, das ist ein mechanischer Materialismus, der auch Karl Marx fremd war.


    Die Kämpfe, die heute stattfinden, sind ehr spontane Reaktionen der Menschen gegen einzelne Zumutungen des Kapitalismus, sei es aus materieller Not bzw Existenzangst (Überlebenstrieb), aufgrund Unterdrückung oder nur aus Empörung heraus (zB über unsinnige Megaprojekte wie Stuttgart21). Aber selbst diese spontanen Kämpfe haben nicht per se den Inhalt, den Herrschenden die Machtfrage zu stellen. Und nicht jeder, der sich empört, unterdrückt ist oder in materieller Not ist, nimmt den Kampf auch wirklich auf.


    Da muss schon ein gewisser Schalter im Hirn umfallen, damit jemand aus zwecks Verbesserung seiner Lage überhaupt aktiv wird.

  • Aber genau danach schlage ich vor endlich einmal zu fragen. Was sind das für Schalter? Wieso interessiert das eigentlich niemand? Laufen denn immer noch alle mit einem Zusammenbruchs-Szenario im Kopf herum - so im Sinn von: Der Kapitalismus schafft sich schon von selber ab, da muss man nur geduldig sein? Ich stell immer wieder die Frage: Wieso sind wir Kommun(al)isten, und die andern nicht? Wie sind WIR denn dahin gekommen? Und gleich als nächstes die Frage: Warum nach Antworten auf diese Frage kein Bedarf besteht? Sind die vorhandenen Erklärungen (gibts welche?) so befriedigend?
    (Man könnte beides, nebenbei, auch für Religion (Esoterik, "Spiritualität" etc) fragen...)

  • Aber genau danach schlage ich vor endlich einmal zu fragen. Was sind das für Schalter? Wieso interessiert das eigentlich niemand? Laufen denn immer noch alle mit einem Zusammenbruchs-Szenario im Kopf herum - so im Sinn von: Der Kapitalismus schafft sich schon von selber ab, da muss man nur geduldig sein? Ich stell immer wieder die Frage: Wieso sind wir Kommun(al)isten, und die andern nicht? Wie sind WIR denn dahin gekommen? Und gleich als nächstes die Frage: Warum nach Antworten auf diese Frage kein Bedarf besteht? Sind die vorhandenen Erklärungen (gibts welche?) so befriedigend?
    (Man könnte beides, nebenbei, auch für Religion (Esoterik, "Spiritualität" etc) fragen...)



    Hallo Franziska,
    warum ein Individuum hierfür oder dafür eintritt, ist gesellschaftlich gesehen ziemlich uninteressant. Gesellschaftlich interessant ist eher, wie viel Prozent von Allen sind zum Beispiel (aktive) Gläubige, wie viel Prozent sind rechts bis nationalistisch eingestellt, wie viel Prozent sind (eher) links und so weiter. Zwar sind solche Erhebungen immer nur eine Momentaufnahme und nicht besonders zuverlässig, aber im Großen und Ganzen zeigen fast alle Untersuchungen, dass die Mehrzahl der Leute in Deutschland "links von der Mitte" sind. Als "Mitte" kann man die Regierungspolitik nehmen.
    Die Frage, die sich dann stellt, ist: Warum schlägt sich dieses mehrheitlich linke Bewusstsein nicht (häufiger) in sichtbares Handeln oder gar in direkte Unterstützung von linken Aktivisten nieder.
    Meine Fragestellung ist deshalb: Was machen die Linken falsch?


    Beispiel heute: Da war in Hannover eine Lehrerdemo (nachmittags X( ) gegen Verlängerung der Wochen-Arbeitszeiten. Das ist allemal ein guter Grund, zu demonstrieren, selbst nachmittags. Organisiert war die Demo jedoch vom Philologenverband. Das allein wäre noch kein Grund für Lehrer, der Demo fernzubleiben. Aber was stand dann groß über der Kundgebungsbühne? "Stoppt Rot/Grün" oder so ähnlich. Die Demo war (unter anderem/vor allem) eine Mobilisierung für den CDU-Wahlkampf. Die demonstrierenden Lehrer wurden instrumentalisiert für die Parteiinteressen der CDU.


    Was machen die Linken anders als der Philologenverband? Ich meine: nichts. Der DGB und verschiedene linke Organisationen rufen in den nächsten Wochen zu verschiedenen Demos in Deutschland auf unter dem Stichwort "8,50 Euro Mindestlohn" und "Steuererhöhungen" (oops: "Umvertailen" - oder so ähnlich :huh: ). Das ist mehr oder minder offen eine Wahlunterstützung für die SPD.


    Auch hier setzten sich ein paar Leute zusammen, schrieben eine Resolution nach ihrem Geschmack, meldeten eine Demo an und rufen jetzt die Lohnarbeiter zum Zählappell. Und wenn die Lohnarbeiter nicht in Massen erscheinen, dann beklagt man sich über das mangelnde Klassenbewusstsein.
    Tatsächlich ist es ein ganz richtiges Bewusstsein, wenn sich die Leute nicht für Zwecke Instrumentalisieren lassen wollen, die sie selbst nicht gesetzt haben oder die sie nicht überblicken.
    Ich denke, wer der Überzeugung ist, dass Emanzipation dort stattfindet, wo die Leute gemeinsam/selbst denken und diskutieren, gemeinsam/selbst planen und gemeinsam/selbst handeln, der muss diesen gemeinsamen Weg auch bei allen Aktionen einzuhalten versuchen. Im Bochumer Programm heißt es: "Hier und heute sind Schritte zur Emanzipation dort zu erreichen, wo Alle gemeinsam und direkt planen und entscheiden."
    Bevor irgendwer zu Aktionen aufruft, sollte man (in der Regel) erst zum Informationsaustausch aufrufen und die Leute, die da mitmachen, können dann gemeinsam (!) Aktionen in dem Rahmen planen und durchführen, den sie selber ausfüllen können.
    Soweit Linke das nicht tun, planen sie über die Köpfe der anderen hinweg und unterscheiden sich in ihrer Vorgehensweise nicht von bürgerlichen Managern und bürgerlichen Politikern,
    meint Wal

  • Wieso sind wir Kommun(al)isten, ... Wie sind WIR denn dahin gekommen? Und gleich als nächstes die Frage: Warum nach Antworten auf diese Frage kein Bedarf besteht? Sind die vorhandenen Erklärungen (gibts welche?) so befriedigend?


    Hallo franziska,


    wenn nur wir zwei Beide diese Frage(n) beantworten, hast Du, da bin ich mir sicher, zwei völlig von einander verschiedene Antworten.


    Was nützt Dir das dann...


    Liebe Grüße - Wat.

  • ..zwischen uns interessieren mich nicht weniger als die zwischen "uns" hier (soweit uns was gemeinam ist) und denen da draussen.
    Der Übergang zu kollektivem, und - wie sich in unseren gemeinsamen Überlegungen hier andeutet - epochal neuem, weil ökologischen, bedürfnis-orieniterten (und darum anders als zwangfrei-kollektiv garnicht bewältigbarem) Planen der gemeinsamen Reproduktion stellt sich uns als schwierige und in vielen Hinsichten völlig ungelöste Aufgabe dar. Warum stellen sich einige diese Aufgabe, und soviele andere (erstmal) nicht? Sollen wir das rassistisch, biologistisch deuten (nebenbei, warum genau sollten wir das nicht - die Widerlegung dieser Einstellungen könnte auch mal irgendwo hingeschrieben werden..)? Kann man nicht, in aller Vorsicht, aus dem, was die Pioniere als gemeinsamen Bestand in sich vorfinden, auf das schliessen, was den andern derzeit noch fehlt? Und daraus entweder (ich greife dem Resultat nicht vor, erwäge bloss die Möglichkeiten), soweit es sich als beeinflussbar erweist, eine Strategie (und sei es auch eine des "Sammelns" und gzeielteren Ansprechens derer, die geeigneter erscheinen) oder, soweit es nicht oder kaum beschleunigbar ist, eine Prognose und eine Weise des vorläufig Sich-Einrichtens ableiten?
    Warum ist das so uninteressant?
    Immerhin hat der Ausgangsthread mit Überlegungen zu möglicherweise verbürgerlichten Arbeitern begonnen (worauf Neoprene, und speziell ich in etwas ironischer Weise, sinngemäss erwidert haben, dass die eigentlich immer bürgerlich waren und für die in sie gesetzten Hoffnungen wenig Anhaltspunkte boten).
    Also stimmen diese Überlegungen...? Und wenn nicht - ist es so unwichtig, durch was man sie ersetzt?


  • Der Übergang zu kollektivem, und - wie sich in unseren gemeinsamen Überlegungen hier andeutet - epochal neuem, weil ökologischen, bedürfnis-orieniterten (und darum anders als zwangfrei-kollektiv garnicht bewältigbarem) Planen der gemeinsamen Reproduktion stellt sich uns als schwierige und in vielen Hinsichten völlig ungelöste Aufgabe dar.
    Warum stellen sich einige diese Aufgabe, und soviele andere (erstmal) nicht? ... Kann man nicht, in aller Vorsicht, aus dem, was die Pioniere als gemeinsamen Bestand in sich vorfinden, auf das schliessen, was den andern derzeit noch fehlt? Und daraus entweder ... eine Strategie ... oder,... eine Prognose und eine Weise des vorläufig Sich-Einrichtens ableiten?
    Warum ist das so uninteressant?


    Hallo Franziska,
    ich glaube, wir heutigen Kommunisten und Kommunalisten sind ein Zerfalls- und Abfallprodukt der traditionellen kommunistischen Bewegung im Osten und mehr noch der „Neuen Linken“ im Westen.
    Ich glaube nicht, dass man aus unserer individuellen Geschichte und Entwicklung ein Modell entwickeln könnte oder entwickeln sollte. Wir haben so viele Umwege und Irrwege gemacht. Politisch sind wir alle mehr oder minder gescheitert. Damit können wir kein Vorbild sein oder werden für alle anderen.
    Ich meine, eine Strategie können wir sowieso nicht aus unseren individuellen historischen Zufällen und Unfällen schöpfen, sondern nur aus unseren Zielen und Zwecken. Der Zweck dominiert die Mittel, nicht das Subjekt.
    Wo wir als Subjekte einen Zweck, ein Ziel akzeptieren und übernehmen, dort müssen wir nach den sich daraus ergebenden Mitteln und Wegen suchen und uns diesen Mitteln unterwerfen, sonst erreichen wir unser Ziel nicht,
    meint Wal

  • Hallo,


    nee, ich weiß nicht recht, Franziska und Wal, ihr drückt euch beide dermaßen unkonkret aus, ihr schleicht da wie die Katzen um den heißen Brei.


    Irgendwie bin ich wohl zu ungeduldig um darauf zu warten, bis alle endlich per Zu- oder Unfall davon abkommen, nach Kräften an ihrem und unser aller Verderben zu arbeiten.


    Ich habe schon etliche (nicht unbedinkt "linke") Menschen getroffen, die fühlen sich wie auf glühenden Kohlen, merken, dass irgendwie überhaupt nichts mehr stimmt und haben aber gar keine Ahnung, wo es evtl. langgehen könnte. Leider oder glücklicherweise gibt es heute keine "Arbeiterassoziationen" mehr, welche ihnen "weiterhelfen" könnte. Das sind ganz "einfache" Leute, welche meist mit Politik "nichts am Hut" haben, die hin- und hergerissen sind zwischen "Kopf in den Sand stecken" und aufbegehren. Die hier geführten Diskussionen würden sie gar nicht verstehen WOLLEN, die werden von existenziellen Nöten geplagt.


    Die rechtspopulistischen Rattenfänger stehen schon bereit! Schon lange.


    Sollen wir dem "aus der (inneren) Ferne zuschauen"?


    Franziskas Vorschlag einer
    "Strategie (und sei es auch eine des "Sammelns" und gzeielteren Ansprechens derer, die geeigneter erscheinen)"
    erscheint mir da schon ziemlich sinnvoll.


    Was könnte daran falsch sein???


    cu
    renée

  • Was hier als Beispiel für biographisches und "individuelles Material angeführt wird, ist so fahrig und gleichgültig, dass es einzig zur Bebilderung des vorab feststehenden Urteils taugt: Da ist nichts herauszufinden.
    Dagegen sage ich: Die Erwartung, es werde IRGENDWIE zu "gesellschaftlichen" Vorgängen kommen, die den Linken erwünscht sind, das werde womöglich vom Einzelwillen unabhängig oder gleichgüktig gegen die besonderen Verläufe so stattfinden, die in den Einzelköpfen und Einzel-Bewusstseinen sich abspielen - diese Erwartung, und die daraus resultierende Art von Politik waren und sind womöglich der entscheidende Grund für das ansgesprochene politische Scheitern.
    Die Erwartung geht einher mit einem theoretischen Defizit, ja geradezu der Weigerung, hier nachzudenken und die Lücke zu füllen.
    renee, mich solltest du da nicht erwähnen, ich halte die Fixierung auf "Gesellschaft", "grosse Mehrheiten", charakterisiert durch das gemeinsame Merkmal "Lohnabhängigkeit" (als EINZIGES Merkmal von Interesse; für die Linken schon, für die Betroffenen eben nicht) für theoretisch und praktisch katastrophal.
    Es wäre eben wichtig herauszufinden: welche Interessens-Ausrichtung bei welchen Gruppen sie daran hindern, auf dieses gemeinsame Merikmal aufmerksam zu werden. Wal hat sich vor kurzem so geäussert:
    "
    Insgesamt wünschen sich die Menschen den Kapitalismus schön, oder sie trinken ihn sich schön, oder sie weigern sich weiter darüber nachzudenken, weil das Leben sonst noch anstrengender wird. Sind wir radikale Linken denn glücklicher? Für mich kann ich diese Frage bejahen. Aber von außen ist dieses Glück nicht so leicht zu sehen. Von außen haben es radikale Linke schwerer noch als der Durchschnitt. Auch das ist in einer Klassengesellschaft mehr oder minder zwangsläufig. Nein, in unserem Rechtsstaat müssen wir radikale Linke (im Normalfall) nicht um unser Leben fürchten. Aber ansonsten bekommt man als radikaler Linker tausend Steine in den Lebensweg gelegt. Das macht es (scheinbar) irrational radikal und links zu werden und zu bleiben."
    Für Wal endet da das weitere Nachdenken. Ich sage: Da muss es endlich einsetzen.

  • Das macht es (scheinbar)irrational radikal und links zu werden und zu bleiben."Für Wal endet da das weitere nachdenken. Ich sage: Da muss es endlich einsetzen.


    Hallo Franziska,
    Da haben wir wohl eine Differenz. Ich halte es nicht für möglich, noch für zielführend, dass die Masse der Leute "links" im heutigen Sinne wird. Radikal müssen und können sie werden. Links nicht. Ich halte Linkssein nicht für eine höhere oder bessere Form des Menschseins. Mit dieser These möchte ich mich aus dem Thread verabschieden. Du kannst gerne in diese Richtung weiterdenken und deine Ergebnisse hier publizieren. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt.


    Gruß Wal

  • Hallo renée


    Sinn mach doch nur, Wal deutete schon darauf hin, sich ein (gemeinsames) Ziel zu suchen/ zu setzen und dann (gemeinsam) nach den Mitteln dieses (gemeinsame) Ziel zu erreichen.


    Das hat mE insofern was mit Subjekten zu tun, als daß diese sich (zusammen) finden müssen. Aber ganz sicher nicht, daß die einen Subjekte sich andere Subjekte suchen, die für ihre Zwecke geeignet erscheinen...


    Um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sind bestimmte, für das/dieses Ziel angemessene Mittel nötig. Denn die Mittel, die benutzt werden, wirken wiederum auf das Ziel.


    Ich kann zb. eine freie Gesellschaft (Ziel) nur mit freien Mitteln erreichen, mit Mitteln, die immer wieder freiwillig auch neu bestimmt werden können.
    Sind meine Mittel anders 'gestrickt', komme ich gewiß auch irgendwo an, aber ganz sicher nicht in einer freien Gesellschaft.
    ... und auch gewiß nicht, wenn ich dazu erst einmal nach "geeigneten Menschen" Ausschau halte. Wie würde diese Gesellschaft für die "ungeeigneten"^^


    Daß wir schauen, daß wir mit immer mehr Menschen eine 'gemeinsame Schnittmenge' erreichen, hieße also für mich: auf die anderen Menschen zugehen, wo deren Interessen sind und sie mit den meinen (gleichberechtigt) vereinen zu wollen.
    Das heißt aber auch: Ich halte meine Vorstellungen nicht für das Nonplusultra. Meine Vorstellung ist eine unter vielen anderen, die höchstens zu einer gemeinsamen verschmelzen können. Sie ist nicht die Bestimmende, vielleicht sogar eine Überstimmte...


    Liebe Grüße - Wat.

  • Das Ziel ist: zwangfreie Planung, Abstimmung der Reproduktion der (Welt)Gesellschaft auf (welt)gesellschaftlicher Stufenleiter.
    Das zu befürworten nenne ich: (radikal, konsequent) links - von mir aus auch: libertär-kommunistisch, kommunalistisch, um die Staats-Sozialisten draussenzulassen.
    Und in DEM Sinn möchte ich schon, MUSS ich ja wollen, dass die andern um mich herum so werden - wie sonst soll die gemeinsame Planung ohne Zwang funktionieren?


    Diese Zielsetzung ist nun aber nicht eine, bei der man so ohne weiteres Wörter wie "Mittel, bewirken" benutzen kann.
    Wat ahnt das, und relativiert diese Wortwahl gleich anschliessend mit defensiven Beteuerungen: meine Vorstellung bloss eine unter vielen, die vielen verschmelzen zur gemeinsamen, keine soll bestimmend sein, manche werden überstimmt.


    Da ist eine kaum bemerkte Leerstelle: Wie wird denn Gemeinsamkeit hergestellt? Wie im Bezug auf Einzel-Entscheidungen unter denen, die das Prinzip "zwangfreie Einigung" befürworten und für sich repräsentieren? Wie mit denen, die es nicht tun?


    Und da ist ein Fehleindruck, der bei Wal entstanden ist und dringend korrigiert werden muss: Ich rede von (ohne eigenes Verdienst) fortgeschrittenen Stufem nicht des MENSCHseins, denn das ist allen Menschen aller Zeiten (als Lern-Potential) gemeinsam.*) Sondern von Stufen historischen, gesellschaftlichen, kulturellen Lernens, und zwar speziell solchen Lernens, das vom Leben der Einzelnen, die diese Fortschritte verkörpern, nicht abtrennbar ist (abtrennbar in Gestalt versachlichter Medien: niedergeschriebener Argumente oder Wissensresultate, die man aufbewahren kann). Auch wenn diese Einzelnen die Art ihrer Fortgeschrittenheit erst garnicht einordnen, beschreiben oder als solche erkennen können.
    *) Dieser Punkt, ausgeführt, wäre die Rassismus- und Biologismus-Widerlegung.


    Das Wort "Eignung" ist eher unglücklich gewählt, die Besonderheit der "Geeigneten" besteht in einer ohne Einwirkung von aussen, von selbst, unerklärbar woher, bestehenden BEREITSCHAFT, sich zwangfrei mit andern auf der Ebene der Lebenseinrichtung und Lebensführung zu treffen und mit ihnen zusammen weiterzugehen.
    Genau DIESE Bereitschaft ist - so meine Vermutung - das bislang fortgeschrittenste Produkt unabsichtlichen historischen Lernens und Erfahrungen-Machens über mehrere Generationen (in allen modernisierten Territorien) weg - Erfahrungen, die auf genau dieser Ebene der Lebenseinrichtung und Lebensführung (mit andern, die einem auf dieser Ebene begegnen) angesiedelt sind. Also in Familien, Freundeskreisen, unter Arbeitskollegen, Nachbarn - den Leuten, die man kennt, mag und nicht mag.
    Ein äusserst wichtiger Schritt in dieser öffentlich relativ unauffälligen, nicht-bemerkten oder nicht für bemerkenswert gealtenen, dennoch gesamt-gesellschaftlichen Entwicklung in der Privatsphäre
    (zugleich Anzeichen für ihr Stattfinden) ist die Auflösung erst der sexistischen Anbindung bestimmter gender-Identitäten und Beziehungsentwürfe ans biologische Geschlecht (übrigens auch in der Variante des HomoSEXUELLEN), dann auch der in den ursprünglichen (heute verschwundenen) genders gebündelten Persönlichkeits-Merkmale, und ihre Rekombination zu völlig neuen Identitäten und Beziehungsentwürfen.
    (Das zu erhellen, ist - ob es einem gefällt oder nicht (ich selbst habe es lang nicht gesehen) - der Beitrag einer radikal-feministischen Theorie zur linksradikalen Gesellschafts-Erklärung.)


    Kommunismus, im Kern vor allem verstanden als kollektive, rationale Erfahrungs- und Wissensverarbeitung, erwächst aus der "Verschmelzung" der Lebensführung von Leuten, die genau dazu die an ihnen unabsichtlich historisch ausgebildete Bereitschaft mitbringen - in einer Weise, wie man sie bis dahin allenfalls innerhalb von "Paaren" für möglich gehalten hat. Aus der gemeinsamen Lebenseinrichtung, der Zusammenführung der Lebenserfahrungen (des WESENTLICHEN und gemeinsam als solchen Begriffenen daran) erwächst die Fähigkeit, ab da (bedürfnisgerecht, ökologisch, und darauf orientiert, das historische Gefälle zur umgebenden Gesellschaft Stufe für Stufe abzubauen) die gemeinsame Reproduktion zwangfrei, geplant, abgestimmt zu gestalten und auszudehnen.


    Dies ist nicht der Vorschlag einer Strategie; eher eine vorsichtige Prognose: So wird es gehen, wenn es überhaupt geht.
    Kommunismus, das Hauptthema der "Linken" in der Vergangenheit (auch das im Nachinein höchst aufarbeitens- und verstehens-bedürftig), wird für diese Leute eine absolute Selbstverständlichkeit sein, die man garnicht mehr extra erwähnt. Ich spreche von Leuten, die die FÄHIGKEIT zu einer solchen zwangfreien Maximal-Vergesellschaftung haben, weil sie die BEREITSCHAFT dazu (zunächst: unerklärlicherweise, im Lauf der Zeit klärt es sich dann schon, durch Vergleich der Lebensläufe) einfach von sich aus mitbringen.


    Es ist auch keine These, deren "Beweis" hier angetreten werden könnte (wenn es so etwas wie eine (derzeit höchst überflüssige) Begründung für die Notwendigkeit dieser Entwicklung, somit der Berechtigung der darauf bezüglichen Prognose, gibt, dann könnte man sie auf meiner website finden, wenn man sich die Mühe machen wollte). Die beste Bestätigung, die es geben könnte, wäre die Entstehung einer wachsenden solchen Gruppe, und das, was sie zwanglos, ganz ohne Theorie, über sich und ihr Zustandekommen erzählen könnte. Das wäre abzuwarten.


    Übrigens glaube ich, dass einige, die hier schreiben und sich zu gemeinsamen Auffassungen zusammengefunden haben, ins weitere Umfeld dieser Art Leute gehören. (Erster Hinweis hierzu: Die "Geeignetheit" zeigt sich offen erst an Leuten ca. jenseits 45-50.)


    Eine Bitte: Ich schreibe dies eher als eine Art persönliche Mitteilung - nicht mit dem Anspruch, ein Beitrag von allgemeinem Interesse für gemeinsame Fragestellungen zu sein. Dazu ist mir das Windige und derzeit fast schon Polit-Esoterische dieser "Prognose", so zurückhaltend ich sie auch formuliere, nur allzu schmerzlich bewusst. Darum bin ich auch sehr im Zweifel, ob die Veröffentlichung dieses Textes hier überhaupt angemessen ist, und bin jederzeit bereit, ihn bei entsprechenden Hinweisen zu löschen.

  • Immerhin hat der Ausgangsthread mit Überlegungen zu möglicherweise verbürgerlichten Arbeitern begonnen (worauf Neoprene, und speziell ich in etwas ironischer Weise, sinngemäss erwidert haben, dass die eigentlich immer bürgerlich waren und für die in sie gesetzten Hoffnungen wenig Anhaltspunkte boten).


    Da habe ich einen Widerspruch. Die Arbeiter und die breiten Volksmassen waren in der Geschichte keineswegs immer "bürgerlich", sondern haben durchaus Revolution gemacht. Das erste mal ist bekannt als Pariser Kommune. Allerdings war diese Revolution nicht marxistisch, sondern die Revolutionäre folgten den Ideen Proudhons bzw Blanquis. Trotzdem hat Karl Marx diese Revolution aktiv unterstützt. Er sah sich bestätigt darin, dass die Arbeiterklasse ihre Befreiung vermittels der Prinzipien der Pariser Kommune zukünftig erreichen wird.


    Heutige Parteikommunisten würden diese Revolution allerdings als "kleinbürgerlich-anarchistisch" motiviert ansehen und ihr die Unterstützung verweigern, weshalb sie auch in ihren jährlichen Lobesworten auf die Pariser Kommune deren proudhonistisch-blanquistischen Charakter verschweigen müssen.

  • Bernd, die Frage ist, was eigentlich Leute dazu bringt, eigentumsfreie Vergesellschaftung zu befürworten: Ist es bereits ihre Klassenlage als Lohnabhängige? Wenn das Sein das Bewusstsein bestimmt - dann erzeugt genau diese Lage ein uneindeutiges Ergebnis: Ich kann da bekanntlich die Stellung einnehmen, dass Lohnarbeit "nun mal" mein Mittel ist (der Betrieb, von dessen Erfolg die Tauglichkeit dieses Mittels abhängt, ebenso), und versuchen, mit Verbündeten wie Betriebsrat, Management und Sozialstaat über die Runden zu kommen. Oder auch völlig passiv und unpolitisch sein. ch kann Nazi oder Zeuge Jehovas werden. Ich kann Fragen nach dem System stellen, das meine "Klassenlage" erst definiert, und versuchen, mir auszurechnen, welche Chancen ich hier und in für mich denkbaren Alternativen habe (und wieviel Chancen obendrein, andere in meiner Klassenlage dafür zu gewinnen.)
    Seitdem die Hypothese aufgestellt wurde, dass Lohnarbeiter als solche prädestiniert sind, zu "Kommunisten" (Staatskommunisten? Kommunalisten? "Radikalen?) oder wenigstens Kommunismus-Befürwortern (ist da ein Unterschied?) zu werden, hat es derart viel Entwicklung und Entfaltung des Kapitalismus gegeben, dass man schon mal erste Tendenzaussagen zum Wahrheitsgehalt der Hypothese machen darf, und die lauten dann wohl: Sie hat sich nicht bewahrheitet.
    Die Frage, wie und warum Leute zu Kommunismus-Befürwortern werden, ist derzeit unbeantwortet.
    Die, die bereits welche sind, begreifen kaum, wie man es nicht sein kann (und haben eigentlich keine Erklärung dafür, wie sie selbst so geworden sind), die, die es nicht sind, begreifen nicht, wie man es werden kann.
    (Darin ähnelt das Verhältnis zwischen Kommunismus-Befürwortern und den andern dem von Areligiösen und (in irgendeinem Sinn, also auch esoterisch-spirituell, metaphysisch) Gläubigen. Das ist ähnlich unbegriffen.)


  • Hallo Franzika,


    Nennen wir die "eigentumsfreie Vergesellschaftung" mal einfach "Kommunismus".


    Du schreibst in deinem Beitrag Sachen, bei denen mir die Haare zu Berge stehen.


    "Wenn das Sein das Bewusstsein bestimmt - dann erzeugt genau diese Lage ein uneindeutiges Ergebnis: Ich kann da bekanntlich die Stellung einnehmen, dass Lohnarbeit "nun mal" mein Mittel ist (der Betrieb, von dessen Erfolg die Tauglichkeit dieses Mittels abhängt, ebenso), und versuchen, mit Verbündeten wie Betriebsrat, Management und Sozialstaat über die Runden zu kommen."



    Wie wär's denn, wenn die ganze Sein-Bewusstsein-Bestimmungsphilosohie nicht stimmte?


    Die Leute rennen nicht besoffen oder komatös in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen herum, sondern nehmen als bewusste Wesen Stellung dazu. Wie diese Stellung ausfällt, hängt eben von ihrer Einschätzung ab. Da sind natürlich alle Varianten vom Kommunismus bis zum Faschismus möglich. Ein kommunistischer Arbeiter betrachtet auch die Lohnarbeit als ein - wenn auch schlechtes -Mittel über die Runden zu kommen; das muss ihn aber nicht darin hindern, für die Abschaffung dieser Verhältnisse zu agitieren, selbst wenn er wenig Aussichten auf Erfolg wegen mangelnden Anhangs sieht.


    „Seitdem die Hypothese aufgestellt wurde, dass Lohnarbeiter als solche prädestiniert sind, zu "Kommunisten" (Staatskommunisten? Kommunalisten? "Radikalen?) oder wenigstens Kommunismus-Befürwortern (ist da ein Unterschied?) zu werden, hat es derart viel Entwicklung und Entfaltung des Kapitalismus gegeben, dass man schon mal erste Tendenzaussagen zum Wahrheitsgehalt der Hypothese machen darf, und die lauten dann wohl: Sie hat sich nicht bewahrheitet."


    Wer hat denn diese Hypothese aufgestellt?


    Lohnarbeiter sind durch nichts prädestiniert, es sei denn, durch ihre Arbeit den Reichtum ihres Gegenpols, des Kapitals, zu vermehren. Es gibt keine Prädestination (= teleologische Geschichtsauffassung) und keine historische Mission. Die Geschichte ist kein Subjekt, das Aufgaben verteilt, zu deren Ausführung sie der Menschen als Hampelmänner bedürfte. Richtig ist: Die Arbeiter haben die Macht, den Kapitalismus abzuschaffen, wenn sie kollektiv zu dem Schluss kommen, dass diese Produktionsweise schädlich für sie ist. Wenn sie das nicht tun, tun sie es halt nicht.


    "Die Frage, wie und warum Leute zu Kommunismus-Befürwortern werden, ist derzeit unbeantwortet.
    Die, die bereits welche sind, begreifen kaum, wie man es nicht sein kann (und haben eigentlich keine Erklärung dafür, wie sie selbst so geworden sind), die, die es nicht sind, begreifen nicht, wie man es werden kann."


    Menschen werden zu Kommunisten aus ihren Erfahrungen - und ihrer Stellung dazu -, ihren Überlegungen und ihrem Befassen mit der Erklärung der kapitalistischen Produktionsweise, oder all diesen Elementen zusammen. Dazu gehört auch, seine Einsichten Ernst zu nehmen und nicht dem geistigen Opportunismus zu huldigen. Marx hätte ja auch ein gut dotierter Professor werden können, hätte er sich nicht diese Karriere durch seinen Kommunismus versaut.



    Bei aller Polemik mit freundlichen Grüßen,


    mars

  • Mars, es hätte dir eigentlich auffallen müssen, daß Franziska geschrieben hat, "Wenn das Sein das Bewusstsein bestimmt ...". Das war schon das Ergebnis der offensichtlichen Festellung, die dann ja auch folgte, daß dem nicht so ist. Dann zu fragen, "Wer hat denn diese Hypothese aufgestellt?", als wäre solch eine Vorstellung völlig abwegig oder zumindestens diskreditiert, scheint mir sehr ignorant zu sein: Ganze Heerscharen von historischen Linken haben das als Einmaleins drauf gehabt und selbst heute findest du noch reihenweise Poster, die das ernsthaft vertreten. Wenigstens in der modernen Version, daß man aus "Erfahrungen" klug, wenigstens klüger würde. Nimm nur die Debatte von Peter Decker mit Michael Heinrich in Bielefeld, da war das zentraler Streitpunkt.


    Erstaunlicherweise hast du die wichtige Frage, die sich dann ergibt, "wie und warum Leute zu Kommunismus-Befürwortern werden, ist derzeit unbeantwortet." selber auch unbeantwortet gelassen, denn das was du geschrieben hast ist so allgemein, daß es wieder nichts bringt.


    Was wolltest du also eigentlich sagen?

  • "Wenn das Sein das Bewusstsein bestimmt ...". Ganze Heerscharen von historischen Linken haben das als Einmaleins drauf gehabt und selbst heute findest du noch reihenweise Poster, die das ernstahft vertreten. Wenigstens in der modernen Version, daß man aus "Erfahrungen" klug, wenigstens klüger würde.


    Hallo,
    nur damit das klargestellt ist: Selbstverständlich vertrete auch ich die These, dass das (gesellschaftliche) Sein das Bewusstsein der Menschen bestimmt, was denn sonst?
    Dass die Linken in Deutschland so wenige Anhänger finden (das war das das Hauptthema dieses Threads), ist für mich ein Beleg für diese These, kein Gegenbeweis.
    Das nur nebenbei. Ich halte dieses Thema und die Diskussion darüber für ein "blame game" ("Schuldzuweisung an andere für eigenen Misserfolg")


    Gruß Wal

  • Wal, danke für die Klarstellungen... welches gesellschaftliche Sein speziell der deutschen Bevölkerung bestimmt jetzt aber genau ihre Resistenz gegen linke Argumente? (Sind die etwa, was Deutsche anlangt, verkehrt? Das wär dann wohl die einfachste Erklärung...)
    In der Debatte gehts, wenn man sich ein bisschen zusammenreisst, eigentlich nicht um Schuldzuweisungen, sondern könnte, genau so, wie ich es sagen wollte und Neoprene es richtig gedeutet hat, um das erneute Aufwerfen der Frage gehen, die offenbar für überflüssig gehalten wird: Warum werden Leute Kommunisten, oder "radikal" (den Unterschied, den du da neulich gemacht haben wolltest, Wal, hab ich immer noch nicht begriffen)?


    Der Satz vom Sein usw kann aufgefasst werden als banal wahr (müssen sich zu ihrer vorgefundenen Situation stellen und dann irgendwie handeln), oder banal falsch (Situation erzwingt ihre Einschätzung in bestimmter Weise), oder schlicht als Zuspitzung einer Kontroverse unter Philosophen, die genau das falsch Herausgelesene behaupten wollen: Die subjektiven Geister können denken und wollen, wie sie lustig sind, die List der welthistorischen Vernunft zwingt sie am Ende, ansonsten um so schlimmer für die Tatsachen (Originalton Hegel). Daran ist, jetzt mal kurz philosophisch gesprochen, soviel richtig: dass auch subjektive Geister nicht ständig Blödsinn denken, sagen, tun können, ohne dass der Verdacht aufkommt (falls da noch jemand ist, der ihn hegt), dass sie die längste Zeit "Geist" gehabt haben. Sowas kommt vor, ist aber (derzeit, noch) nicht die Regel.


    An speziell der Art, wie sich MG und GSP (immerhin!) an einer rationellen Interpretation des Spruchs abgearbeitet haben, ist abzulesen, wie wenig Erklärung er eigentlich bietet (und dazu war er wohl auch nicht gedacht). Die wesentlichen Kategorien, mit denen zu begreifen wäre, was Leute (an Erfahrung usw) brauchen, um ihre vorfindliche Lage so oder anders zu deuten, sind derzeit, soweit ich sehe, im linken Denken nicht verfügbar. Irgendwie hat es ja die ganze Zeit immer die krisenhafte Zuspitzung des Kapitalismus leisten sollen, der sie zur Verzweiflung und zum Äussersten ("jetzt hilft nur noch..." (NPD?)) treiben sollte. Wenn die nicht zureicht.. was dann?


  • Wal, danke für die Klarstellungen... welches gesellschaftliche Sein speziell der deutschen Bevölkerung bestimmt jetztaner genau ihre Resistenz gegen linke Argumente?


    Liebe Franziska,
    vielleicht darf ich die Beantwortung dieser Frage bis auf den Zeitpunkt verschieben, wo wir bei einem Glas Wein oder einer Kanne Tee zusammensitzen?
    Bis dahin könntest du ja beobachten, was ich tue bzw. in den letzten Jahren getan habe. Ich denke, dann findest du vielleicht meine Antwort auf deine Frage.


    Gruß Wal

  • Hallo,
    zwar schon etwas alt der Strang, aber thematisch passt es hierher...
    im Folgenden mal ein kleines Beispiel von Arbeitskampf in Dresden:
    in einem "linken" "Szeneviertel" wird eine "linke" Kneipe bestreikt. Interessant, oder besser bemerkenswert und deprimieren fand ich die Reaktionen, die in den meisten Kommentaren zu den verlinkten Beiträgen formuliert wurden. Von Klassenbewußtsein keine Spur, stattdessen Gewerkschaftsbashing und Hohelieder auf den Unternehmer...So als kleiner Einblick in die "reale Welt" verbunden mit der Frage, was Ihr denkt wie man da sinnvoll agieren, argumentieren, reagieren sollte. Kann, soll man versuchen, zu argumentieren, darauf hoffen das sich "da was entwickelt", wenn nur der Leidensdruck oder die Erfahrung wächst, ...
    also hier fyi die Beiträge im Netz:
    http://www.neustadt-ticker.de/…rotzdem-steht-vor-streik/
    http://www.neustadt-ticker.de/…stellungnahme-der-chefin/

  • Hallo Seldon,
    Da gestreikt wird, kann ja das Klassenbewusstsein nicht völlig fehlen. ;)
    Ich würde (zusätzlich und neben dem Streik) dringend raten, die Kündigungen vor das Arbeitsgericht und vor alle sonstige Öffentlichkeit zu bringen. Denn Diebstahl ist nur ein anerkannter Kündigungsgrund, wenn mindestens ein dringender Tatverdacht gegen den Gekündigten vorliegt.
    Hier wurden aber Kündigungen nach Gutsherrenart verteilt.
    Da sieht man, dass "Kapitalist/Unternehmer" im Zweifelsfall über "Linkssein" siegt.
    Und vielleicht lässt sich noch etwas an diesem Konflikt sehen:
    Ich glaube, man hat es als radikaler Linker keineswegs einfacher im Leben, wenn man meint, man könne oder müsse sich zum Erwerb des Lebensunterhaltes in linken Nischen verkriechen. Mit dem Marxschen Jobbewusstsein kann man als Linker überall für Lohn arbeiten.

    Gruß Wal


  • Hallo Wal,
    Arbeitsgericht ist kein gutes Mittel der Verteidigung. Da kann es passieren, dass Du Recht kriegst und trotzdem die Kündigung wirksam bleibt. Öffentlichkeit ist immer noch der bessere Weg, eventuell auch Strafanzeige, was den Ausbeuter zumindest unter Druck setzt und möglicherweise dazu führt, dass er die Kündigung zurücknimmt und darum bittet, die Anzeige zurück zu ziehen.
    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

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