Der Fall der Durchschnittsprofitrate des Kapitals und die Krisen

  • Fall der Profitrate und Krisen


    verfasst von Robert Schlosser(R), 15.01.2013, 11:34


    Hallo zusammen,
    da jetzt hier einiges über Fall der Profitrate, Krise etc. angesprochen würde, möchte ich selbst doch wenigstens kurz dazu Stellung nehmen. Vielleicht entsteht dann ja auch bei Renée ein Bild im Kopf. ;-)


    Vorab "Methodisches":
    Nach Marx besteht die wissenschaftliche Leistung seiner Kritik weniger darin zu bestimmen, was der Wert ist, als vielmehr zu untersuchen, wie das Wertgesetz sich durchsetzt. Das Wertgesetz setzt sich aber nur durch vermittels der Konkurrenz, des Wechselspiels von Angebot und Nachfrage und es wird modifiziert durch den Klassenkampf. Der Wert ist in der Wirklichkeit also der Konkurrenz etc. nicht vorausgesetzt, wie es in der von der Konkurrenz abstrahierenden Darstellung des Marxschen Kapital erscheint, sondern er ist immer nur werdendes Resultat der widersprüchlichen Bewegung der Konkurrenz, von Angebot und Nachfrage. Wer immer also nach einfachen, auf den ersten Blick einleuchtenden Antworten sucht, ist schief gewickelt. Auf den ersten Blick erscheint alles verkehrt.


    Zum Beispiel Fall der Durchschnittsprofitrate des Gesamtkapitals:
    Er setzt sich nur durch innerhalb des Wechselspiels von Konjunkturen (Krise, Aufschwung, Boom, Abschwung, Krise), der widersprüchlichen Bewegungsform des industriellen Kapitals. Auf den ersten Blick erscheint alles anders! Der Aufschwung beginnt mit ausgedehnter Neuanlage von Kapital, der „Investitionskonjunkur“. Durch diese Investitionen wird das Kapital technisch und wertmäßig neu zusammen gesetzt. Eigentlich müsste also die Profitrate sinken, weil ja das Verhältnis von c zu v sich ändert, c verhältnismäßig rascher wächst als v. Das ist aber nicht der Fall! Im Aufschwung steigt die Profitrate. Die stürmisch wachsende Nachfrage, der wachsende Umsatz überlagert sozusagen die Veränderungen in der Produktion des Mehrwerts. Die Ausdehnung des Marktes dominiert die Verwertung. Im Boom kippt die Geschichte, die Produktion überflügelt die Nachfrage, Waren werden unabsetzbar, der Abschwung setzt ein und mit ihm das Sinken der Profitrate. Diese Entwicklung hält an, bis das Gesamtkapital Verlust einfährt, nicht mehr wächst, sondern schrumpft. Die Krise hält solange an, bis genügend Kapital entwertet und vernichtet ist (Verteilung des Gesamtmehrwerts auf weniger Einzelkapitale, gesunkene Preise für fixes und zirkulierendes konstantes Kapital) und der Ausbeutungsgrad der Lohnarbeit soweit gesteigert ist, dass die Profitrate wieder ansteigt. Ihr Ausgangsniveau ist jetzt aber wegen der verallgemeinerten höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals niedriger als im im vorigen Konjunkturzyklus.
    Auf diese Weise setzt sich die Tendenz zu einer sinkenden Durchschnittsprofitrate des gesellschaftlichen Gesamtkapitals durch, als zyklusübergreifende Tendenz der Kapitalakkumulation. Diese Entwicklung ist insofern bedrohlich, als sie langfristig zu sinkenden Wachstumsraten des Kapitals und zu immer schärferen Krisen führt. (Das hat zwar was mit einer Zusammenbruchstendenz zu tun, aber nichts mit einer "finalen Krise". Empirisch spiegelt sich diese Entwicklung in den BIP-Statistiken und der Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen.) Worauf ich aber nicht weiter eingehen will.


    Der gesunde Menschverstand sträubt sich, will einfache Antworten; will, dass Erscheinung und Wesen immer schön zusammenfallen. Dass sich die Dinge in so widersprüchlicher Form entwickeln, ist ihm ein Graus. Die meisten Linken sind dem gesunden Menschenverstand sehr verbunden. Das gilt leider besonders oft für die ganz revolutionären. ;-)
    Und so ist das auch bei der Betrachtung der Krisen selbst. Ja, ja, nein, nein, alles andere ist von Übel, so hat es Engels mal ausgedrückt.
    Die Konjunkturen des Kapitals selbst können nicht unmittelbar aus dem Fall der Profitrate abgeleitet werden. Die Krisen sind aber gleichzeitig ein immanentes, notwendiges Mittel, um den im Abschwung einsetzenden Fall der Profitrate zu stoppen und umzudrehen. Gäbe es die Krisen nicht, wäre die Kapitalakkumulation längst zum Stillstand gekommen.
    (Es bleibt das Verdienst eines heute „bösen Linksreformisten“ diese Zusammenhänge sehr ausführlich herausgearbeitet zu haben: Stefan Krüger in seinem 1986 herausgegebenen Schinken „Allgemeine Theorie der Kapitalakkumulation“, erschienen im VSA-Verlag)



    Viele Grüße
    Robert


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