Die Wirtschaft als Eigentum der Kommunen

  • Hallo Leute,


    bin im Netz auf die durchaus interessanten Ausführungen des ehemaligen Öko-Anarchisten und "Begründers" des so genannten Libertären Kommunalismus, Murray Bookchin, gestoßen. Wer mehr erfahren möchte, der folge den von mir angegebenen Link unten. Nach einiger Recherche bin ich der Meinung, dass der libertäre Kommunalismus (inzwischen in den USA nur noch Communalism genannt) die am Weitesten durchdachte Überlegung einer Demokratisierung und Kommunalisierung im Spannungsfeld zwischen marxistischer und anarchistischer Theorie darstellt (auch wenn Bookchin m.E. im klassisch anarchistischen Sinn die Marx'sche Theorie mit sozialdemokratisch-leninistischen Überlegungen oftmals in einen Topf wirft). Aber genug des vorausgehenden Blabla. Anschließend ein paar Ausschnitte, die ich für zitierungswürdig hielt, auch wenn ich jedem nur empfehlen kann den gesamten Text zu lesen.


    Bookchin: Über weite Teile des 19. und fast der Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die radikalen Ideologien in den Fabriken das altbewährte Zentrum einer vom Volk ausgehenden Macht; dort wurden die Kämpfe zwischen Lohnarbeit und Kapital ausgefochten. Die Fabrik als Ort der Machtfrage anzusehen, basierte auf der Ansicht, daß die industrielle Arbeiterklasse der hegemoniale Vertreter für einen radikalen gesellschaftlichen Wandel war und daß sie durch ihre eigenen Klasseninteressen "angetrieben" wurde, den Kapitalismus zu "stürzen" – um die Sprache des Radikalismus dieser Ära zu benutzen – meist durch bewaffnete Aufstände und revolutionäre Generalstreiks. Danach würde ein eigenes System der sozialen Verwaltung aufgebaut werden – entweder in der Form eines Arbeiterstaates (Marxismus) oder in Form von föderativen Betriebsräten (Anarchosyndikalismus). ...


    Es existiert aber noch eine andere Tradition, die lange Zeit Teil des europäischen und amerikanischen Radikalismus war: der Ausbau einer libertären kommunalen Politik; einer neuen Politik, die in Kleinstädten, Stadtvierteln und Großstädten aufgebaut wurde und Bürgerversammlungen beinhaltete; eine freie Föderation von lokalen, regionalen und letztendlich kontinentalen Netzwerken. Dieses Modell, welches vor über einem Jahrhundert unter anderem durch Proudhon, Bakunin und Kropotkin (weiter)entwickelt wurde, stellt mehr als eine ideologische Tradition dar: Es tauchte wiederholt als zuverlässige und gängige Praxis bei den Comuneros im Spanien des 16. Jahrhunderts, der amerikanischen Städteversammlungsbewegung, die sich in den 1770er Jahren von Neu-England nach Charleston ausweitete, den Pariser Sektionsversammlungen der frühen 1790er Jahre und wiederholt in der Zeit zwischen der 1871er Pariser Kommune und der Madrider Bürgerbewegung in den 1960er und frühen 1970er Jahren auf. ...



    Die Tatsache, daß die Sichtweise des libertären Kommunalismus unvereinbar mit der "Verstaatlichung der Wirtschaft" ist, welche nur die Rechtsbefugnis des Nationalstaates über die wirtschaftliche Macht bekräftigt, ist zu offensichtlich, um sie abzustreiten. Genauso wenig kann das Wort "libertär", wie durch die ultraliberalen Verfechter des freien Marktes (beispielsweise die Gefolgsleute von Ayn Rand und weitere) geschehen, benutzt werden, um Privateigentum und einen "freien Markt" zu rechtfertigen. Marx seinerseits zeigte eindeutig auf, daß der freie Markt zwangsläufig den oligarchischen und monopolistischen Markt mit unternehmerischen Machenschaften hervorbringt, der in jeder Hinsicht vergleichbar mit staatlicher Kontrolle ist und sich letztendlich dieser annähert. ...



    Wirtschaftliche Demokratie als "Belegschaftsbesitz" und "Arbeitsplatz-Demokratie" neu zu interpretieren ist eine Hinterlist der Bourgeoisie, an der sich viele Radikale unbewußt beteiligen. Dieses führt so weit, daß wirtschaftliche Demokratie nicht mehr Freiheit von der Tyrannei der Betriebe, rationalisierter Arbeit und Planproduktion bedeutet, sondern die Beteiligung der Arbeiter am Gewinn und an der Betriebsführung, was normalerweise ausbeuterische Produktion unter Beteiligung der Arbeiter ist. ....



    Der libertäre Kommunalismus stellt einen wesentlichen Fortschritt gegenüber all diesen Entwürfen dar, indem er sich für die Kommunalisierung sowie für die Führung der Wirtschaft durch die Kommunen als Teil einer Politik der öffentlichen Selbstverwaltung der Bürger ausspricht. Während die syndikalistischen Alternativen die Wirtschaft in selbstverwaltete Kollektive reprivatisieren und somit den Weg für deren Zerfall in traditionelle Formen des Privateigentums, ob nun im Kollektivbesitz oder nicht, ebnen, politisiert der libertäre Kommunalismus die Wirtschaft und bringt sie in Allgemeinbesitz. Weder Betriebe noch die Landwirtschaft werden als getrennte Belange innerhalb der kommunalen Gemeinschaft angesehen. Ebensowenig können Arbeiter, Bauern, Techniker, Ingenieure, Facharbeiter und dergleichen ihre beruflichen Identitäten von den allgemeinen Interessen der Bürger in der Kommune trennen. Das Eigentum ist als materieller Bestandteil des libertären institutionellen Rahmens, als Teil eines größeren Ganzen in die Kommune eingebunden und wird durch die bürgerliche Gesellschaft mittels Versammlungen kontrolliert, an denen die Menschen als Bürger teilnehmen, und nicht als Interessenvertreter einer berufsbezogenen Gruppe. ...



    Zudem kann keine Kommune das Erreichen wirtschaftlicher Unabhängigkeit erhoffen oder sollte dies anstreben, es sei denn, sie hofft, abgekapselt und eingeschränkt zu sein, jedoch nicht autark. Daher ist es wichtig, daß die Föderation der Kommunen – die Kommune der Kommunen – sowohl wirtschaftlich als auch politisch in eine gemeinsame Sphäre von öffentlich verwalteten Ressourcen verändert wird. Gerade weil die Verwaltung der Wirtschaft eine öffentliche Handlung darstellt, wird sie nicht zu einem privatisierten Wechselspiel der Unternehmen, sondern entwickelt sich zu einem föderativen Zusammenwirken der Kommunen. Das bedeutet, daß die eigentlichen Elemente des sozialen Zusammenwirkens von realen, potentiellen oder privatisierten Bestandteilen zu institutionellen, realen, öffentlichen Bestandteilen ausgedehnt werden. Die Föderation wird per definitionem zu einem öffentlichen Projekt und dies nicht nur wegen der gemeinsamen Bedürfnisse und Ressourcen. Wenn es einen Weg gibt, die Entstehung eines Stadtstaates zu verhindern, ohne von eigennützigen, gutbürgerlichen "Kooperativen" zu sprechen, dann ist es die Kommunalisierung des politischen Lebens, welche so vollkommen ist, daß die Politik nicht nur die öffentliche Sphäre umfaßt, sondern auch die lebensnotwendigen materiellen Mittel.



    http://www.anarchismus.at/text…als-eigentum-der-kommunen

  • ...es ist schön zu wissen, dass auch Menschen mit klangvollen Namen (zumindest in gewissen Szenen) und Begründer von dem oder jenem sich über dieselben Dinge den Kopf zerbrechen wie wir hier. Sehr viel Neues und vor allem Problemlösendes (im Rahmen des grob als gemeinsam unterstellten "Kommunalismus") hat Murray Bookchin leider nicht zu bieten, weshalb ich mich frage, was - ausser der Tatsache, dass er "auch einer" ist - an seinem Artikel "durchaus interessant" ist. Ich mein das nicht so polemisch, wie es klingt, ich finde gut, dass es dir um "Durchdachtheit" geht. Ich kann nur die Selbstsicherheit nicht nachvollziehen, die der Murray`sche Kommunalismus aus der Tatsache bezieht, dass er KEIN Netzwerk von Betrieben im Belegschaftsbesitz und KEIN Verstaatlichungsprojekt sein will. Stattdessen werden da mit einigen Anklängen ans 18.Jahrhundert und der Beschwörung von sehr viel "Ethik" die möglichen Konfliktlinien überspielt, die durch die schlaue Wahl dieser "mittleren" Entscheidungs-Ebene (im Artikel selbst ist sogar von face-to-face-Kontakten die Rede) nicht mehr aufbrechen können: als ob es dann keinen Eigensinn von Belegschaften mehr geben kann (die treten sich selbst ja als "Bürger" ihrer Kommune gegenüber!), und keine Quasi-Besitzverhältnisse durch Standortvor- und nachteile zu bewältigen, stattdessen (und das grad unter Bedingungen der globalen "Arbeitsteilung") die Kommunen reichlich homogen beschaffen sind, und nur noch "Ressourcen" (deren geographische Ungleichverteilung grad noch zugegeben wird) gemeinsam zu verwalten haben. Die Frage, wo Arbeits- und Wissensteilung (auch ganz ohne Marx und Markt) in Oligo- und Monopol-artige Machtbefugnisse umschlägt, ebenso die Frage, warum all diese Schliche und Modelle nötig werden, um Konflikte auf der "richtigen" Ebene auszutragen - Konflikte, mit deren Entstehung man offenbar sicher (aber warum?) rechnet - diese Fragen werden nicht gestellt. Murray ahnt aber wohl etwas. Sonst hätte er es nicht für nötig gehalten, sein Modell mit soviel Ethik zu polstern. Ach, und nebenbei, die Frage des Übergangs (Gewalt mag er ja nicht so) wird nicht mal gestreift: In der Kommune (Stadtgemeinde) wird bekanntlich nicht geschossen, man kennt sich, man versteht sich. Un weiter ebenbei, die Lebensmittel im "county" sind immer regional, so wie heut schon im Biomarkt. Naja beinah. Drum ist der Stadt-Land-Gegensatz und die Frage, wie die Städter ohne Markt an genug Essen kommen (womöglich noch ordentlich ökologisch produziertes) von vorneherein aufgelöst. Wär doch nur wieder 1789, dürfte man doch nochmal da anfangen und ganz anders weitermachen... Irgendwie macht Murray auf mich den Eindruck, als ob er sich von dieser fixen Idee nicht lösen kann. Aber fixe Ideen haben ja viele...


  • Franziska, ich kann deine Einwände verstehen, allerdings halte ich sie, mit Verlaub, für schreibtisch- bzw. comupterbezogene Detailkackerei, die unmöglich vor dem Aufkommen einer sozial-emanzipativen Massenbewegung geklärt werden können. Sofern ich mich erinnere, gab es schon ähnliche Diskussionen. Wie Kommunen/Gemeinden ihre Güter und Produktionsmittel genau vergesellschaften: Wir wissen es nicht. Wie sie sich genau förderieren (wir könnten hier die logisch vorgebrachte Vertragskonzeption nochmals diskutieren, wie sie auf Kulturkritik.net vorgetragen wurde), wissen wir nicht. Wie sie die inter-kommunalen und inter-kontinentalen Streitigkeiten klären werden, wissen wir nicht. Allerdings, das nur nebenbei, verstehe ich nicht, weshalb die Lebensmittel nur regional produziert sein sollten, wenn das Konzept der (Kon-)Föderation gestriffen wurde. Insgesamt würde ich gern wissen, welche Konkretisierung du dir zum gegebenen Zeitpunkt erwartest.


    Grüße



    Mario Ahner

  • Mario, es scheint mir nicht gerade problembewußt zu sein, wenn du Franziskas bunten handverlesenen Strauß an Fragen zu deinem Konzept einfach abtust als "schreibtisch- bzw. comupterbezogene Detailkackerei". Mal abgesehen davon, daß ich gerade hier nun wirklich nicht erkennen kann, wieso die unschuldigen Computer da reingezogen werden müßten, und bisher alle solchen Diskussionen am "Schreibtisch", oder auch gerne "grünen Tisch" auf jeden Fall eben nur in den Köpfen und Schriften der damit Beschäftigten stattfinden, sind die Fragen alles andere als "Details", die deiner Meinung nach so unwesentlich sind, daß man da glatt drüber hinwegargumentieren könne. Nein, das halte ich für grundlegend falsch. Ich will das jetzt hier nicht wiederholen, dazu ist ja hier und auf meinem Blog z.B. in der letzten Zeit einiges vorgetragen worden. Sich angesichts der potentiell haarigsten Antagonismen, die hinter deinem Kommunalismus stehen, auf ein nonchalantes "wissen wir nicht" zurückzuziehen, klingt eher nach Immunisierung als nach tatsächlichem aktuellem Stand und wirklichem Problembewußtsein.

  • Hallo Mario,



    Gut ist der Grundgedanke von Bookchin schon. Aber es geht darum, weiter zu denken und sich auch über Detailfragen Gedanken zu machen soweit wir sie aus heutiger
    Sicht vorläufig beantwortet können. Es ist doch gerade der interessante der weiterführende Aspekt, Neues herauszufinden und begründen zu können. Wenn wir
    einen anderen Reproduktionsprozess wollen als den kapitalistischen oder den staatssozialistischen, dann müssen wir schon heute wissen wie der in etwa
    auszusehen hat und wie wir zu ihm gelangen. Da reicht es nicht mehr aus, Kommunalismus und Selbstbestimmung zu fordern oder sich zum Staatssozialismus abzugrenzen und sich dann nicht weiter damit zu befassen, außer ethisch-philosophische Probleme zu wälzen. So was darf kein Ideal sein, sondern es muss schon garantiert sein, dass unter der neue Reproduktionsweise, Mangel, Armut, Elend und gesundheitliche Schädigung ausgeschlossen sind. Deshalb müssen wir schon heute konkret werden, da müssen wir uns schon heute mit der Frage der Produktionsformen (Industrialisierung, Arbeitsteilung etc.) der Nutzung der allgemeinen Ressourcen (Meere, Flüsse, Weltraum etc.), der Produktionsprinzipien (Permakultur, Kanban etc.), der interkommunalen Beziehungen und den unterschiedlichen Produktionsvoraussetzungen, der
    Distribution usw. genauer befassen. Dafür ist aber Ethik fehl am Platz. Dafür braucht es Verstand und die Bereitschaft der Menschen, sich unvoreingenommen
    mit diesen Fragen befassen zu wollen. Alles andere kommt von alleine.


    Beste Grüße
    Kim

  • Ich schlage, wie schon öfter bisher, auch in diesem Fall vor, es nicht einfach bei der Konfrontation unterschiedlicher Meinungen zu belassen, sondern sich nach den oft stillschweigenden Voraussetzungen umzusehen, die die Differenzen (oft systematisch auf verschiedenen Themenfeldern) allererst erzeugen. Bei Mario ist die Rede vom "Aufkommen grosser Massenbewegungen" - das ist eine erste und nicht unerhebliche Festlegung beim Thema "Übergangsmodus"; auch die positiv zitierte Ableitung von Vertragsverhältnissen bei kulturkritik.net deutet auf diese Position - Wolfram Pfreundschuh legt sie (so wie Robert Schlosser hier) seinen Überlegungen zugrunde.
    Dabei wird ein ökonomischer Mechanismus (Krisen und Übergang in einen "Feudalkapitalismus", tendenzieller Fall der Profitrate usw) unterstellt, der den Druck auf die Masse der Bevölkerung massiv wachsen lässt, dabei die Verantwortlichkeit des kapitalistischen Systems desillusionierend krass hervortreten lässt, und damit alle reformistischen Ansätze diskreditiert. Weiters ist unterstellt, dass diese Zuspitzung grundsätzlich immer (und nicht etwa bei ganz umschriebenen Randbedingungen, die zu erforschen wären) beflügelnd auf den Widerstandswillen und die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstorganisation und gesellschaftlichen Neuorientierung der Betroffenen durchschlägt. Unter diesen starken Voraussetzungen tritt dann die kommunalistische Position an, freilich nicht als Politikmodell, denn sie will ja kein Machteroberungsprogramm sein, auch nicht als Betriebs-Übernahme-Projekt. Vielmehr ist die Vorstellung offenbar die, dass "die Massen", die dann in Bewegung sind, an einer historischen Weg-Gabelung verschiedene Experten befragen (oder von ihnen beraten werden), wo dann sichergestellt sein muss, dass die Kommunalismus-Befürworter sich durchsetzen werden, indem sie den Staatssozialisten und Anarchosyndikalisten mit für die Massen einsehbaren Argumenten entgegentreten. Den Rest können die Massen dann wieder alleine.
    Es versteht sich, dass man sich bei solch einer Übergangs-Konzeption die Frage nicht vorlegen muss, wie man eigentlich eine nennenswerte Anzahl von Leuten, die Teilnahme an eigentumsfrei organisierten Lebens- und Vergesellschaftungsformen erwägt, endgültig dafür gewinnen bzw. deren Bedenken ausräumen könnte.
    Die historische Tendenz, die unausweichliche, bringt die Massen demnach eh an den Punkt, wo die Frage der Eigentumsfreiheit nicht mehr besteht - das Privateigentum hat sich so gut wie selber abgeschafft.
    Der Rest, etwa bei Murray, ist Idealismus pur, die Massen sind dort vermutlich ganz von selber radikalökologisch drauf, bei den andern Übergangs-Mechanismus-Prognostikern stellt sich die Frage der Ökologie nicht, weil sie irgendwie im Gesamt der mit den gewaltig entwickelten Produktivkräften spielend bewältigbaren, aber bislang vom Kapital nicht angegangen technischen Aufgaben verschwindet.
    Der nächste Punkt: Wer das System des Privateigentums im wesentlichen und grundsätzlich für ALLE gegenwärtigen Unliebsamkeiten (Konflikte, Nicht-Steuerbarkeit, Antikommunismus grosser Teile der Bevölkerung) verantwortlich macht, wird sich wenig Sorgen machen, was davon vielleicht in einem eigentumsfreien Zustand fortbesteht. Die ökonomische Analyse ist zwar bis zur Oberfläche, aber nicht bis zur Entscheidbarkeit DIESER Frage vorgedrungen, wahrscheinlich darum, weil sie durch den eingangs erwähnten Glaubenssatz ersetzt ist. - Das Motiv, für "Kommunalismus" zu votieren, ist dabei simpel genug: Es ist der Versuch, modern schwer überschaubare industrielle Produktion mit ihren vielfältig verschlungenen Produktionszusammenhängen einerseits, gesellschaftliche Kontrolle andererseits irgendwie auf einer Ebene zusammenzubringen, wo der Widerspruch zwischen beidem sich noch halbwegs glimpflich darstellt. Den Rest erledigen "die Massen" und/oder Moral.

  • Franziska, ja, so ungefähr wird es von Robert Kurz, Wolfram Pfreundschuh und teils von Murray Bookchin, gesehen. Allerdings haben diese, trotz der von Kurz und Pfreundschuh vertretenen These des tendenziellen Falls der Profitrate, nirgends erwähnt, dass eine historische Gesetzmäßigkeit hinter dem Aufkommen einer sozial-emanzipatorischen Bewegung stehen würde. Im Gegenteil betonen beide die ziemliche Unwahrscheinlichkeit des Durchkommens einer an Kommunalisierung und Aufhebung der Marktwirtschaft orientierten Massenbewegung.


    Sie zeigen aber dennoch auf, welche Schritte ihrer Meinung nach, der Logik der Negation des Bestehenden folgend, zu tun wären. Des Weiteren bestimmt bekannterweise die Lebenspraxis der jetzt lebenden Menschen ihr Bewusstsein (sogleich sie dieses natürlich durch gemachte Erfahrungen reflektieren können). Das heißt, ohne objektive Gegebenheiten einer Krise (ob politisch, kulturell oder ökonomisch), wird die Mehrheit der Lohnabhängigen ziemlich wenig tun. Im Höchstfall vielleicht auf der Straße bei ein paar Demos dicke Luft rauslassen und das war's dann.


    Kommunismus/"Kommunalismus" ist nur machbar, wenn die Bevölkerungsmehrheit (und wir sprechen hier von Millionen von Menschen, gerade in den Metropolen) auf die Straßen zieht und sich die öffentlichen Räume aneignet. Die Occupy-Bewegung zielt bereits in eine solche Richtung (bei aller verkürzter Kapitalismuskritik und ideologischer Verblendung). Diese Aneignung müsste sich nun folglich auf Betriebe, Schulen, Unis, Einkaufszentren, staatliche Institutionen usw. erweitern, damit die Grundlage für die besprochenen Konzepte überhaupt gegeben wäre. Und das auch noch weitgehend international! Ich gebe also zu, die gegebenen Voraussetzungen, sind enorm. Wird doch gleichzeitig von den Lohn- und Transferabhängigen verlangt, dass sie hierbei aus den Erfahrungen die richtigen Schlüsse ziehen und bei der Kritik der politischen Ökonomie, statt Protestparteien oder der faschistischen Lösung landen.


    Hier kommen die (libertären) Kommunisten durchaus als der "bewussteste Teil" der gesellschaftlichen Bewegung ins Spiel. Allerdings nicht "von außen", wie Lenin es sah, sondern als "normale" Teilnehmer des Prozesses, die Vorschläge einbringen und für Mehrheiten streiten. All das kann heute nicht theoretisch vorweg genommen werden, sondern bedarf der Entscheidung zum hier fiktiv dargestellten Zeitpunkt einer gesellschaftlichen "Umwälzung".


    Die "Besetzer" müssen folglich in Kontakt miteinander treten und beginnen eine in Ansätzen postkapitalistische Infrastruktur aufzubauen. Hier wurde als Überlegung bereits das Vertragswesen genannt (freie Vereinbarungen); ob es aber so abliefe - wir wissen es nicht. Logisch wäre aber, das hat die bisherige Geschichte der links angehauchten Revolutionen gezeigt, und bestätigt ebenso meine Erfahrungen in der "heißeren Phase" der Occupy-Initiativen vor 2 bis 3 Jahren, dass die Leute Vollversammlungen einberufen, zusammen diskutieren, ihre Lebensmittelversorgung sicherstellen (das taten sie bereits intuitiv kostenlos, also im Sinne der Distribution bereits kommunistisch) und im Zuge der Vernetzung per imperativem Mandat beauftragte Vertreter zu Ratschlägen, Koordinationstreffen und Kongressen schicken.


    Mehr können wir an dieser Stelle gar nicht vorwegnehmen, da Geschichte keinem fertigen Fahrplan folgt und selbst politische Theorien in den Wirren der Zeit durch emotionalen Überschwang zu Kochtopfrezepten eingeschmolzen werden, die am Ende durch das Einwirken vieler Köpfe und unvorhergesehener Ereignisse ganz anders aussehen können.


    Und ja, Sexismus, Nationalismus, Rassismus, Faschismus, Biologisierung des Sozialen, Vorurteile und Rollbacks jeglicher Art können vorkommen und sind sogar sehr wahrscheinlich; gerade für jene, die all die hier genannten Schritte als Kulturschock oder gar Verfall jeglicher Zivilisation begreifen würden. Deshalb braucht es enorme Mehrheiten. Es würde viele Dispute, ja (leider sogar) vermutlich körperliche Auseinandersetzungen geben, Ursprungsforderungen aufgeweicht werden, weil sie sonst keine Mehrheiten finden, viele Fehler gemacht werden und Kritiker auf die Problematik aufkommender Dogmatiker hinweisen uvm. Das Hauptfeld, das vielen dieser Ideologien eine Menge Kraft entziehen würde, wäre die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die Entmonetarisierung des gesellschaftlichen Lebens (soweit dies dann zum gegebenen Zeitpunkt drin wäre).


    Abschließend möchte ich mich für meinen Ausfall der "Detailkackerei" entschuldigen, die dahinterstehende Kritik aber keineswegs entkräften. Eben deshalb, weil für mich durchklingt, als wäre es vonnöten das alles Hier und Heute en detail zu klären, obgleich uns das gar nicht möglich ist und nichts als ein netter Entwurf wäre, der im Realfall der gesellschaftlichen Erschütterung nichts als ein Papierfetzen einer handvoll Leute wäre. Ebenso klingt für mich durch, vor allem wenn es heißt "die Massen sind dort vermutlich ganz von selber radikalökologisch drauf", dass der Bevölkerung wenig zugetraut wird.


    Nun, ich kann diese Skepsis verstehen. Auch ich vertrete keinesfalls die naive Vorstellung, der Faschismus wäre bloßes Produkt der herrschenden Kreise gewesen, Nationalismus und Rassismus eine bloße "Verirrung" der ansonsten per se revolutionären Arbeiterklasse oder die Unterdrückten hätten stets ein Interesse daran ihre Unterdrücker loszuwerden (keineswegs, sie können sich ebenso mit ihnen verbünden und daraus Vorteile ziehen). Die Lohnabhängigen sind ihrer "Natur" gemäß, weder revolutionär noch reaktionär. Sie sind so, wie sie sich zum gegebenen Zeitpunkt verhalten. Wie sie kämpfen, so sind sie. Und viele von ihnen sind reaktionäre Spinner und Stammtisch-Nationalisten. Nur, potenziell sind sie die Einzigen, welche ein Interesse daran haben könnten (!) den Kapitalismus zu überwinden und als Klasse dazu die nötige Stellung in der Gesellschaft haben. Obgleich sie heutzutage, wie oben erwähnt, durchaus mehr zu verlieren haben als ihre Ketten, was die Sache mit der sozialen Emanzipation eben nicht sehr wahrscheinlich macht.


    Aber, die Befreiung der Arbeiterklasse kann, wie wir durch den ollen Marx alle wissen, nur ihr eigenes Werk sein. Niemand kann sie "führen" oder das richtige Bewusstsein einträufeln. Sie können dies nur durch Selbst-Bildung, Selbst-Organisierung, Erfahrung und Austausch erlangen. Ein langwieriger, komplexer, ja, sogar sehr unwahrscheinlicher und haarsträubender Prozess der obendrein - ja, man glaubt's nicht! - auch noch global (!) oder zumindest kontinental ablaufen müsste! :cursing:


    Ja, alles nicht sehr wahrscheinlich und meine Antwort mag nicht sehr befriedigend sein, und vielleicht hat ja jemand ein geiles Patentrezept parat, aber ich seh's nicht.

  • Es ist schon viel Schindluder getrieben worden mit Einschätzungen wie der von Mario:


    "Des Weiteren bestimmt bekannterweise die Lebenspraxis der jetzt lebenden Menschen ihr Bewusstsein (sogleich sie dieses natürlich durch gemachte Erfahrungen reflektieren können). Das heißt, ohne objektive Gegebenheiten einer Krise (ob politisch, kulturell oder ökonomisch), wird die Mehrheit der Lohnabhängigen ziemlich wenig tun. Im Höchstfall vielleicht auf der Straße bei ein paar Demos dicke Luft rauslassen und das war's dann."


    Nein, "bestimmt" im Sinne von Determination wird da gar nichts. Das weiß ja Mario eigentlich auch, wenn er nachschiebt:


    "Auch ich vertrete keinesfalls die naive Vorstellung, der Faschismus wäre bloßes Produkt der herrschenden Kreise gewesen, Nationalismus und Rassismus eine bloße "Verirrung" der ansonsten per se revolutionären Arbeiterklasse oder die Unterdrückten hätten stets ein Interesse daran ihre Unterdrücker loszuwerden."


    Wohl war. Ich möchte hier deshalb mal wieder Peter Decker vom GegenStandpunkt zitieren:


    "Peter Decker ist bei seiner Nürnberger Werbe-Veranstaltung (am 8.11.2007) für ein neues Kapitallesen zum Schluß auf ein Argument aus dem Publikum eingegangen, das auch mir immer wieder entgegengehalten wird: Muß das Ganze nicht irgendwann automatisch umkippen, zwingt nicht irgendwann die Erfahrung des Elends die Leute zum Aufruhr? Dazu antwortete Peter:


    "Das Lineare, wovon jetzt auch die Rede war von dir, produziert jetzt schon seit über Hundert Jahren Zumutungen für einen großen Teil der Bevölkerung, die sind enorm und nicht ganz neu, überhaupt nicht neu. Ich habe dann auch gesagt: Es gibt da eine Eskalation der Absurdität. Die Eskalation ist, dass die Armut zunimmt in dem Maße, in dem der Reichtum zunimmt. Die kapitalistische Gesellschaft, oder sagen wir noch mehr die kapitalistische Wirtschaftsweise hält das Alles prima aus! Wenn es die Arbeitslosen es aushalten, wenn es die Millionen aushalten, die heute, auf der jetzigen Stufe des materiellen Reichtums kapieren, wir müssen ärmer werden, damit es mit der Wirtschaft weiter geht. Ja und es ist ja so: Die Löhne müssen runter! Die Lokführer haben vorgerechnet, sie mussten zehn Prozent Reallohnsenkung in den letzten Jahren hinnehmen. Und andere kriegen gesagt: Wir brauchen einen Niedriglohnsektor, usw., wir müssen uns beschränken. Das bekommen sie alle gesagt, das ist ja nicht bloß bei der Eisenbahn so.


    Wenn die Leute sich die Zumutungen und die wachsenden Zumutungen oder die selbe Zumutung angesichts des noch größer gewordenen Reichtums, die dadurch auch eine noch größere Zumutung geworden ist, wenn sie sich die gefallen lassen, der kapitalistischen Wirtschaft ist das wurscht. Es hängt alles davon ab, ob die Leute sich das bieten lassen. Und ob die sich das bieten lassen oder nicht, das hängt alles davon ab, wie sie sich die Härten, die sie erleben, erklären. Das ist sehr wichtig, dieser Gedanke!<!--more-->


    Denn, wir leben heute nicht in einer Welt, wo alle rumlaufen und sagen, ich bin doch zufrieden, es ist alles bestens und ihr paar Kommunisten und Miesmacher, was wollt ihr denn eigentlich? So ist es doch nicht. Wo du hinkommst, alle sind unzufrieden. Aber wie? Die große Linie der Unzufriedenheit ist die, dass die Opfer dieser Wirtschaftsweise ihre Lasten und ihre Ärgernisse auf „Fehlverhalten“ anderer zurückführen. Wenn es Entlassungen gibt, schreit die Belegschaft: Missmanagement! Um wie viel weiter wären die, wenn sie schreien würden „Management“! Nicht: Der Unternehmer macht einen Fehler, sondern: Es ist sein Geschäft, so mit mir umzuspringen. Wenn sie das kapieren würden oder wenn sie diesen Standpunkt einnehmen würden, dann würden sie schon viel klarer sehen, wie es liegt. Jetzt schreien sie aber „Mismanagement!“, selbst wenn sie protestieren, dann äußern sie noch den tiefen Glauben, dass in dem System doch diese Unbill, denen sie ausgesetzt sind, dass die doch eigentlich in diesem System gar nicht beschlossen ist! Sie äußern ihren Glauben, dass es doch eigentlich nicht gegen sie gehen kann. Und wenn es gegen sie geht – und jetzt geht es ja gegen sie, das erleben sie – dann kann es dann nur davon kommen, dass irgendwer nicht seine Pflicht tut. Dann schimpft man auf die Ackermänner, die das Tausendfache von einem normalen Stundenlohn verdienen, und dann sagen sie, der kriegt zuviel! Und dieser Mensch will nicht einmal sagen, solche Banker bräuchte es nicht, sondern, der will sagen, täte nicht das Hundertfache meines Lohnes auch reichen? Der will ja noch nicht einmal den Lohn vom Ackermann! Der will nur sagen, das ist aber zuviel! Und dann kennt er die Politiker, die noch Nebenjobs haben und dann kennt er den Abzocker, der unversteuerte Zigaretten raucht, und und und, man kennt das doch. Man geht irgendwohin, z.B. in die Metzgerei, und stellst dich bloß hinter die Leute und hört denen eine Weile zu: Alle schimpfen sie auf Dritte. Sie sind davon überzeugt, es liegt quasi – und das ist schon ein schöner Widerspruch – eine universelle Pflichtverletzung vor. (Das ist deshalb absurd, weil es keine Pflicht ist, wenn alle sie verletzen.) Anyway, so schaut es aus. Und diese Unzufriedenheit, die mit allem, worauf die Leute stoßen, und worüber sie unzufrieden sind, immer gleich den Glauben verbinden, dass kann doch hier nicht vorgesehen gewesen sein! Diese Unzufriedenheit, wird leichter faschistisch als links. Die ruft nämlich leichter nach einen starken Staat, der endlich alle zu ihrer Pflicht zwingt. Der alle dran erinnert, dass das Gemeinwohl vor Eigennutz geht.


    Was wir bräuchten ist, dass die Leute sich eine andere Frage stellen: Mache nicht <em>ich </em>einen Fehler in der Erfüllung meiner Pflicht. Nicht, machen die anderen Fehler, weil sie ihre Pflicht nicht erfüllen, sondern ist nicht in meiner Pflicht, in dem Programm, das meine Pflicht ausmacht, liegt darin nicht der Fehler. Gebe ich mich nicht für etwas her, was für mein Wohl gar nicht gestrickt ist? Diese Umkehrung der Fragestellung braucht man. Und das hängt nicht von der Größe der Absurdität und der Größe der Leiden der Menschen ab. Sondern von der Weise, wie sie es sich erklären. Man kann ein Volk, dafür sind die Deutschen gerade ein schönes Beispiel, unglaublich niederdrücken und es muckt nicht auf. Wenn es davon überzeugt ist, dass das halt nötig ist, um die eigenen Lebensgrundlagen zu verteidigen. (Ich meine hier Hitler und den zweiten Weltkrieg.) Und am Schluß fressen sie nur noch Dreck und haben immer noch nichts gegen den Laden. Wenn sie davon überzeugt sind, dass das gegen ihr Leben und Überleben ist. Wenn sie sich davon überzeugen würden, was das für eine miese Sache ist, für die sie sich hergeben, dann würden sie es nicht tun. Und dies nicht erst, wenn sie soweit runtergedrückt sind.


    Das ist ganz wichtig: Von einem Automatismus, in zehn, fünfzehn Jahren, dann kippt alles um, kann keine Rede sein. Es ist einzig und allein abhängig von der Meinungsbildung derer, die die Lasten tragen müssen. " ( ( Blogartikel )


    Und diese "Meinungsbildung" kann, ja muß "jetzt" schon in Gang gesetzt werden, damit es "dann" nicht zu spät ist.v

  • Das Mario für seinen Umschwung eine „Massenbewegung“ voraussetzt, ist ja schon mal richtig. Die paar Hanseln, die jetzt schon was auch immer an ausgedachten bis (ähem) vorgelebten Alternativvorstellungen haben, reißen ja offensichtlich nicht allzuviel. Er schreibt dazu:


    „Kommunismus/"Kommunalismus" ist nur machbar, wenn die Bevölkerungsmehrheit (und wir sprechen hier von Millionen von Menschen, gerade in den Metropolen) auf die Straßen zieht und sich die öffentlichen Räume aneignet.“


    Mal abgesehen davon, daß wir dann von zig bis hunderten Millionen reden müßten und nicht nur von „Millionen“ (die kommen in manchen Staaten selbst bei einem Papstbesuch zusammen), ist damit ja noch nicht sonderlich viel inhaltlich gewonnen. Auch das angebliche „Aneignen“ „öffentlicher Räume“ ist doch recht blaß. Zudem es die, wie ich meine, wichtigsten „Räume“ unserer Gesellschaft außen vor läßt: Die Fabriken und anderen Arbeitsstellen. Das schiebt Mario dann ja auch gleich nach:


    „Diese Aneignung müsste sich nun folglich auf Betriebe, Schulen, Unis, Einkaufszentren, staatliche Institutionen usw. erweitern, damit die Grundlage für die besprochenen Konzepte überhaupt gegeben wäre.“


    Warum dann aber die Glorifizierung von Tahir-Platz-Besetzungen?


    Dann kommt ein großen Wort recht klein daher: Die „Logik der Negation des Bestehenden“. Dazu wäre aber erst mal der Nachweis zu führen, daß die Alternativler überhaupt die Logik des Bestehenden (Kapitalismus) korrekt erfaßt haben, denn nur dann wäre die „Negation“ auch logisch.


    Und da wage ich zu bezweifeln, daß das so schön häppchenweise geht, wie Mario sich das denkt:


    „Die "Besetzer" müssen folglich in Kontakt miteinander treten und beginnen eine in Ansätzen postkapitalistische Infrastruktur aufzubauen. Hier wurde als Überlegung bereits das Vertragswesen genannt (freie Vereinbarungen); ob es aber so abliefe - wir wissen es nicht.“


    Wieso ausgerechnet „gerechte“ Verträge die Negation des Bestehenden darstellen sollen, erschließt sich mir nicht. Da tröstet es mich auch nicht, wenn er anfügt: „Mehr können wir an dieser Stelle gar nicht vorwegnehmen, da Geschichte keinem fertigen Fahrplan folgt“. Das Wenige, was er vorschlägt, fährt schon mal in eine ganz falsche nämlich herkömmliche Richtung. Immerhin kommt doch eine Ahnung von „Richtigem“ durch, wenn er seufzt,


    „Das Hauptfeld, das vielen dieser Ideologien eine Menge Kraft entziehen würde, wäre die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die Entmonetarisierung des gesellschaftlichen Lebens (soweit dies dann zum gegebenen Zeitpunkt drin wäre).“


    Wohl war. Aber dann muß man das auch jetzt schon wenigstens wollen und propagieren. Sonst hat das nur den Charakter einer moralisch aufbauenden Paradiesvorstellung, die ansonsten ohne Belang für das eigene Treiben bleibt.


  • ...ist eigentlich der an Theorie, kategorialer und begrifflicher Übersicht.
    Ich bin durchaus derselben Meinung wie du, Mario, dass Detailkackerei (egal, wie mans ausdrückt) nichts bringt, die Frage ist, wo sie beginnt: Welche wesentlichen Weichenstellungen sich mit Gründen vorab als richtig oder falsch, wünschbar oder abzulehnen, beurteilen lassen, und wo die Vorab-Entscheidbarkeit und -Begründbarkeit endet. (Das ist eine weitere theoretische Aufgabe - eine Theorie muss prinzipielle Grenzen ihrer Zuständigkeit bestimmen können.)
    Aber die Masse an theoretisch nicht Erfasstem in deiner eigenen Darstellung, Mario, ist zu gross. Zuvieles in unserer Lebens- und politischen Praxis ist derzeit undurchschaut und unbegriffen. Vom Standpunkt einer primär am "Gesellschaftlichen" interessierten Begriffsbildung ist diese Sphäre vielleicht nicht einmal theoriefähig. Die Folgen besichtigen wir ständig in Gestalt unserer eigenen Unentschiedenheit, der Unentscheidbarkeit der Kontroversen, wie vorzugehen ist; und in Gestalt all der praktisch erheblichen Phänomene, die du anführst, Mario, die wir im Gesamtbild nicht unterbringen (der Überschwang, das Unvorhergesehene, die Vorurteile und Rollbacks usw).


    Die Grenzen der möglichen Vorschläge und Meinungsunterschiede sind eigentlich hier (und auch in den Debatten zum "Kommunalismus" bei Neoprene) von uns abgegangen und erforscht worden, das Gebilde (die Marx'sche Theorie und ihre Aus- und Anbauten), als dessen Abschluss sie sich erweisen, also der vorhandene Vorrat an Prinzipien, Erklärungen und Einsichten (solcher wie "der Logik der (!) Negation des Bestehenden folgen", "des Weiteren bestimmt bekannterweise die Lebenspraxis der jetzt lebenden Menschen ihr Bewusstsein") erweist sich dabei als sehr beschränkt.
    Es ist vor allem darin beschränkt, dass sich darin so wenig Hilfreiches findet zur Frage: Warum die Propagierung des "Richtigen" auf sowenig Resonanz stösst, und was in den "Köpfen" ihm entgegensteht (ausser der Sturheit und Borniertheit des ewig "freien Willens" - vor allem des "Willens, es SO zu sehen und nicht anders").
    ((Nebenbei, zur Wiederholung: Was jetzt schon propagiert wird, ist für die, die an die nahenden Krisen glauben, ziemlich unerheblich. Mit ihnen müsste über diese ihre Erwartung gesprochen werden. Solang wir zu faul oder zu selbstbezogen sind, um solche Kontroversen einmal auszutragen, nützt es nichts, ständig die andere Position zu wiederholen ("
    Es ist einzig und allein abhängig von der Meinungsbildung derer, die die Lasten tragen müssen." s.o. Peter Decker bei Neoprene.) Die Kontroverse um den tendenziellen Fall der Profitrate und was daraus allenfalls folgt, stünde mal an...))


    Damit man mich nicht missversteht: Was ich sage, ist etwas andres als Kritik. Kritik unterstellt ja einen "falschen", eben kritikwürdigen Bestandteiil in einer bestehenden Darstellung oder Erklärung. - Dass man eine Theorie NUR NOCH kritisieren kann, hiesse, dass sie vollständig ist. Genau das wird aber von mir nicht gesagt (die Möglichkeit, dass das Vorhandene auch noch kritikwürdig ist, scheint mir schon ganz zweitrangig, drum rede ich auch so wenig davon, selbst wenn ich was zu sagen wüsste.) Man kann einen Mangel an Theorie auch nicht einfach BENENNEN, nur auf die Leerstelle zeigen. Aber die ist als solche ja nur kenntlich, wenn dort wenigstens in der Vorstellung etwas steht. Wem dort nichts vorstellbar ist, dem ist nicht zu helfen, ausser man verschafft ihm die Anschauung durch Ausfüllen der Lücke, also Erstellen der fehlenden Theorie. (Ein dritter und von den beiden Fällen von Kritik und Unvollständigkeit völlig unterschiedener ist der Nachweis von Sinnlosigkeit und Unsinnigkeit von begrifflichen Konstruktionen. Etwas, das in Theoriedingen unerfahrenen Leuten NOCH ferner liegt, auch wenn es in vielem, das sie denken und sagen, sehr gegenwärtig ist...)


    Darum tue ich mich (objektiv) schwer mit einer Antwort auf Mario, und er ist nicht der einzige.

  • Newly created posts will remain inaccessible for others until approved by a moderator.