Mirko Knoche: Wochenlanger Neupack-Streik findet Abschluss mit Betriebsvereinbarungen (Doku)

  • Von Mirko Knoche (Junge Welt)
    In einem langwierigen Arbeitskampf haben die Tarifparteien endlich die Ziellinie überquert: Am Freitag informierte die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) die Arbeiter des norddeutschen Verpackungsherstellers Neupack über das Ergebnis zäher Verhandlungen. Bereits am Donnerstag hatte die Gewerkschaft bekanntgegeben, daß sie sich mit der Geschäftsführung auf eine Betriebsvereinbarung einigen konnte. Formal ist der Betriebsrat zuständig, doch die Gewerkschaft saß bis zum Schluß mit am Tisch. Der seit Anfang November dauernde Streik der Belegschaften im niedersächsischen Rotenburg und in Hamburg hat zu beträchtlichen Lohnerhöhungen geführt und die willkürliche Bezahlung nach »Nasenprämien« beendet. So bezeichnete zumindest die IG BCE die jeweils frei ausgehandelten Löhne der einzelnen Beschäftigten.


    Die Betriebsvereinbarung wurde um eine Regelungsabrede zum Urlaubsgeld und den Tätigkeitsgruppen ergänzt, die Eingruppierungsgespräche zögerten sich über mehrere Wochen hinaus. Der niedrigste Einstiegslohn liegt nun bei neun Euro, zuvor waren es 7,80 Euro. In der höchsten Entgeltgruppe für Arbeiter werden künftig 18 Euro pro Stunde gezahlt. »Wir schaffen gerechte und vergleichbare Arbeitsbedingungen. Damit bricht für die Arbeitnehmer eine neue Zeit bei Neupack an. Es war einer der wohl längsten und härtesten Arbeitskämpfe – aber dieser Kampf hat sich gelohnt«, resümierte IG-BCE-Verhandlungsführer Ralf Becker.


    Das erklärte Ziel, die Chemiegewerkschaft aus dem Betrieb herauszuhalten, konnte die Eigentümerfamilie Krüger nicht erreichen. Seit über einem Jahr hatte der Verpackungshersteller alle Gesprächsangebote der sozialpartnerschaftlichen IG BCE abgeblockt. Erst als die Mehrheit der Belegschaft am 1. November in den Vollstreik trat, nahmen die Krügers den Gegner ernst. Den ultimativ geforderten Tarifvertrag lehnten sie aber bis zum Ende ab. Während des siebenwöchigen Ausstands holte die Geschäftsleitung polnische Arbeiter als Streikbrecher ins Werk. Ein Großteil der Maschinenführer und Meister hatte sich an den Aktionen der zumeist un- oder angelernten Streikenden nicht beteiligt. Deshalb holperte die Produktion zwar, konnte aber fortgesetzt werden. Die Versuche der Gewerkschaft, auch die Polen zum Arbeitskampf zu bewegen, scheiterten.


    Nach zwölf Wochen unbefristeter Arbeitsniederlegungen entschloß sich die IG BCE, ihre Taktik zu ändern. Mit einem sogenannten Flexistreik sollte die Fertigung zeitweise unterbrochen werden, um die Betriebsabläufe zu stören und so wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Auf Kritik stieß die häufige Ankündigung der Aktionen, denn die Gewerkschaft wollte Neupack keinerlei Vorwand liefern, die laufenden Verhandlungen wegen nicht mitgeteilter Maßnahmen abzubrechen. Zwischen dem seit Beginn aktiven Unterstützerkreis und der IG BCE öffnete sich eine Kluft, Teile der »Gewerkschaftslinken« hatten den Kurs der Chemiegewerkschaft öffentlich angegriffen. Faktisch waren sowohl die IG BCE als auch das Solikomitee und die Belegschaft selbst sehr unerfahren in dem unternehmerseitig äußerst hart geführten Tarifkonflikt. Ob die Eigentümerfamilie Krüger auf eigene Faust handelte, oder ob sie vom Unternehmerverband stillschweigend unterstützt wurde, ist unklar.


    Auch innerhalb des Unterstützerkreises kam es zu Unstimmigkeiten, jW liegen ausführliche Stellungnahmen von Solidaritätsaktivisten aus Rotenburg vor, in denen kritisiert wurde, daß die Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft nicht in der Öffentlichkeit gehörten. Intern wurden sogar Zweifel laut, ob der Streik nicht zu früh begonnen worden sei, ohne der Belegschaft Kampferfahrung in befristeten Aktionen zu vermitteln.




    Aus: Junge Welt




    (ungefragt eingestellt von W. Buchenberg)

  • Newly created posts will remain inaccessible for others until approved by a moderator.