Die Apologeten der Marktwirtschaft klopfen sich ja gerne auf die Schulter, weil sie sich einbilden, die von ihnen gelobte Reproduktionsform wäre allen andern haushoch überlegen. Nur sie alleine brächte den Menschen Wohlstand, was immer sie darunter verstehen. Vor allem meinen sie, dass ihr System wegen unternehmerischer Tatkraft und Wettbewerb produktiver als alle andern sei. Gerne verweisen sie dabei, ohne die Gründe kennen zu wollen, auf das ökonomische Debakel, das der Realsozialismus angerichtet hat.
Aber was heißt Produktivkraft unter kapitalistischen Bedingungen? Ja zuallererst der Einsatz und die Erweiterung der Produktion auf immer neuere und bessere Technik, auf Einsatz von immer mehr fixem Kapital, um immer mehr an Muskel- Hirn- und Nervenkraft den Menschen herauszupressen, die mit dieser Technik umgehen müssen, die die Maschinen bedienen müssen und nicht anders können, weil sie Geld verdienen müssen, sodass diese von der tollen Produktivitätssteigerung, außer mehr abstrakter Arbeit, der Schädigung ihrer Gesundheit und einem knappen Geldbeutel nichts von den tollen Produktivitätssteigerungen haben.
Aber zunehmende Produktivkraft unter kapitalistischen Bedingungen heißt auch Schädigung, sogar Zerstörung der allgemeinen Lebensbedingungen
der Menschen. Das lässt sich gegenwärtig an den durch das Hochwasser angerichteten Schäden deutlich machen.
Durch den Ausbau der Flüsse zu Wasserstraßen wird die Produktivkraft einer kapitalistischen Gesellschaft, in der so eine Infrastrukturmaßnahme stattfindet, erhöht. Als Nebeneffekt werden ehemalige Überschwemmungsgebiete, die man glaubt, durch Deichbau gesichert zu haben, als Baugebiete erschlossen.
Die Flussschifffahrt ist eine Unterart des Transportwesens. Auch sie muss sich, wie generell das Transportwesen, an die Zirkulationsbedingungen des Kapitals
anpassen. Im Falle des Transportwesens heißt das, dass es die Transportwege möglichst zahlreich und die Transportmittel möglichst effektiv sind, um den Umschlag des Kapitals und damit letztlich den Profit zu erhöhen. Auf die Flussschifffahrt bezogen heißt das, die Flüsse durch Begradigung, Deichbau, Schleusen, Brücken usw. so herzurichten, dass damit die Transportgeschwindigkeit und die Transportmenge erhöht wird. Brauchbarkeit und Benutzbarkeit der nun zu Transportwegen hergerichteten Flüsse gründen also allein auf diesen Überlegungen und dienen allein dem Interesse des Kapitals.
Durch Hochwasserkatastrophen, die vor allem den brutalen Eingriffen in die Natur geschuldet sind, werden durch die Schäden, die das Hochwasser verursacht, überwiegend Lohnarbeiter die sich aus Kostengründen in diesen Gebieten ansiedeln müssen und ein paar Kleinunternehmer geschädigt. Wenn man die Kosten für den Bau, den laufenden Unterhalt der Wasserstraßen aber vor allem die Hochwasserschäden berücksichtig, zeigt sich, dass die gewonnene Produktivkraft nun kontraproduktiv wirkt, weil sie sich gegen das Leben der Lohnarbeiter und die Natur wendet. Die Schäden haben vor allem die einfachen Menschen zu tragen, während die Wasserwege, ist die Katastrophe vorüber, wieder zuvor zum Vorteil der Kapitalisten genutzt wird.
Es handelt sich also um eine eigenartige Rechnung. Die Kapitalisten, für deren Interesse die Wasserstraßen gebaut werden und die allein einen Nutzen aus ihnen ziehen, stehen unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gut da. Ihre Bilanzen sehen auch nach dem Hochwasser gut aus und ihre Profite sprudeln in gewohnter Weise. Sie sind nicht geschädigt und das einzige was sie verlangen ist, dass die Schäden so schnell wie möglich behoben werden. Aus dieser Sicht schaut die durch den Ausbau der Flüsse zu Wasserstraßen gewonnene Produktivkraft toll aus.
Den Menschen, denen ihr Hab und Gut davon geschwommen ist, der Natur, die verseucht worden ist, ist diese Steigerung nicht gut bekommen. Unterm Strich kann gesagt werden, dass die Produktivkräfte, die nun (zum zweiten Mal) herangezogen werden müssen, um die Schäden zu beheben unter weiterer Berücksichtigung von Erstellung und Unterhalt der Wasserstraßen höher sind als die durch deren Ausbau gewonnene Produktivkraft. Als Quintessenz kann festgehalten werden: Kapitalistische Produktivkraft ist negativ.
Der große Witz dabei ist noch zweierlei: Einerseits rechnen die Wirtschaftsexperten schon die Hochwasserschäden als Vorteil für die Kapitalisten und die Konjunktur hoch, die ja nun mit der Wiedergutmachung der Schäden Geld verdienen können und die, maximum maximorum, in der VGR dann als Wohlstandszuwachs hochgerechnet wird. Und zweitens lassen sich ausgerechnet die Figuren, die in Zusammenarbeit mit den Kapitalisten die Infrastrukturmaßnahmen und somit die Schäden zu verantworten haben als fürsorgliche Politiker feiern, wenn sie den geschädigten Menschen schnelle Hilfe, also Geld, das sie ihnen vorher abgeknöpft haben, versprechen.
Kim