Hallo zusammen,
wie das bisher mit der Arbeitsteilung im Anschluss an franziskas "Ausnahmezustand" diskutiert wird, gefällt mir gar nicht; zu viele Schlagworte, so wenig konkret, zu „ideologisch“.
In den großen gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land, zwischen den Geschlechtern und zwischen Kopf- und Handarbeit manifestiert sich unmittelbar Herrschaft, Herrschaft von Menschen über Menschen. Die Unterwerfung von Menschen unter diese Arbeitsteilung und die damit verbundene Hierarchie muss überwunden werden! Darin besteht die große soziale Revolution, die überhaupt nur als ein langwieriger gesellschaftlicher Prozess vorstellbar und möglich ist.
Diese Verbindung zwischen Arbeitsteilung und Herrschaft gilt aber nicht für jede gesellschaftliche Arbeitsteilung und auch nicht für jede Arbeitsteilung etwa in der industriellen Produktion, den einzelnen Fabriken etc..
I. Nicht jede Aufhebung von Arbeitsteilung bedeutet Aufhebung der Herrschaft von Menschen über Menschen
Ich fange mal mit einem kleinen, ganz einfachen Beispiel an, der Fertigung eines Flansches, wie er als lösbare Verbindung zwischen Rohrleitungen benötigt wird. Zwei elementare Fertigungsschritte zur Herstellung eines solchen Flansches sind Drehen und Bohren. Zu Zeiten der Dominanz von Einzweck-Werkzeugmaschinen , noch in den 1980iger Jahren (NC-gesteuerte Drehbänke, Bohrautomaten), waren das zwei getrennte Produktionsschritte, die Menschen arbeitsteilig erledigten. Die Arbeitsteilung konstituierte jedoch keinerlei Herrschaft des einen Lohnarbeiters über den anderen. Noch in den 1980iger Jahren erlebte ich als Reparatur- und Umbauschlosser (Einrichtung von Bohrautomaten) die Einführung CNC-gesteuerter Werkzeugmaschinen. Für ein CNC-gesteuertes Bearbeitungszentrum ist es kein Problem Bohren und Drehen zu erledigen. Die Arbeit wurde nicht mehr auf verschiedene Lohnarbeiter an verschiedenen Einzweckmaschinen verteilt. Statt zwei angelernter Lohnarbeiter für die Einzweckmaschinen erledigte jetzt eine qualifizierte Fachkraft (ausgebildeter Zerspaner mit CNC-Programmierkenntnissen) am Bearbeitungszentrum die Arbeit. Eine zuvor bestehende Arbeitsteilung wurde mit Hilfe einer neuen Technik aufgehoben. Diese Aufhebung von Arbeitsteilung hob jedoch keine Herrschaft auf, sie ersetzte allerdings eine relativ unqualifizierte Arbeit durch eine relativ qualifizierte Arbeit. (Aus meiner Sicht ein kleiner Fortschritt.) Es viel auch ein Stück arbeitsteilig erzwungener Kooperation weg. Arbeitsteilung verlangt und produziert immer Kooperation und Kommunikation.
II. Nicht jede großräumige gesellschaftliche Arbeitsteilung - jenseits der Kommune - kann und soll aufgehoben werden.
Um das zu verdeutlichen, komme ich auf die gesellschaftliche Arbeitsteilung zu sprechen, durch die die Produktion unterschiedlichster Gebrauchsgegenstände geprägt ist.
Alle sollten einfach mal durch ihre Wohnung gehen, sich anschauen, von welchen Gebrauchsgegenständen sie umgeben sind, und sich überlegen, welche Fertigungstiefe, welche arbeitsteiligen Produktionsketten nötig sind, um diese Gebrauchsgegenstände herzustellen. Ich werde das im folgenden nur beispielhaft – keinesfalls vertiefend - ansprechen und lasse sowieso die Produktion von Produktionsmitteln außen vor.
Wir treten in unsere Wohnung ein durch eine Tür. Die besteht in der Regel aus dem Türblatt aus Holz, dem Griff, den Beschlägen, dem Schloss und den Scharnieren. Verarbeitete Materialien sind Holz, Leichtmetall und Stahl. Allein die Herstellung eines so simplen Gegenstandes wie einer Tür setzt allerhand Fertigungstiefe, arbeitsteiliger Produktion und Kooperation voraus. Soll jede Kommune all das selber machen, alle dafür erforderlichen Produktionen beheimaten? Angefangen beim Sägewerk über das Stahlwerk bis ….
Wir betreten die Wohnung und treten auf Teppich, Laminat oder Parkett. Soll jede Kommune über alle Produktionen verfügen, die Teppiche, Laminat oder Parkett herstellen?
Wir gehen weiter und schauen durch ein Fenster. Ähnliche Situation wie bei der Tür, nur das jetzt auch noch Glas dazu kommt. Soll jede Kommune auch über alle Produktionen, inkl. Glaserzeugung, verfügen, die es ihr ermöglichen sich selbst mit Fenstern zu versorgen?
Wir betreten das Bad, stoßen auf verchromte Armaturen, Fliesen, den „Pott“ aus Keramik, Siphon unter dem Waschbecken und noch einiges mehr. Soll jede Kommune über alle Produktionen verfügen, die erforderlich sind, um all das selbst zu produzieren?
Wir gehen weiter in die Küche. Der Blick fällt auf den Kühlschrank. Oh je, da wird es schon kompliziert, was da so alles an technischen Details drin steckt, angefangen bei so banalen Dingen, wie Mutter, Schraube und Unterlegscheibe. (Mal einen komplett zerlegen und sich bei jedem Detail fragen, wie das eigentlich entsteht, wäre nicht schlecht. Schon da gehen einem die Augen über.) Das klammern wir mal ganz aus, ziehen stattdessen mal Schubladen auf und sehen Messer, Gabeln, Töpfe, Pfannen, Geschirr und allerhand andere Küchenwerkzeug, dass für die Essenszubereitung nötig ist. Soll jede Kommune über alle Produktionen verfügen, die sie mit diesen nützlichen Dingen versorgt?
usw.
Wenn man das konsequent fortsetzt (über die Lichteinstallation, die Bücher, die Musikanlage usw. usf. ), dann einen Schritt weitergeht und sich das ganze Haus mit all seinen Installationen vornimmt, wird man feststellen, dass wir allein in einer Wohnung und im Haus mit so vielfältigen nützlichen Dingen umgeben sind, dass es ganz und gar unmöglich ist, so etwas in einer einzelnen Kommune – und sei es eine größere Stadt von 200.000 Einwohnern – in seiner ganzen Fertigungstiefe herzustellen. Das ist aber nicht nur unmöglich, sondern überhaupt nicht wünschenswert!!!
(Ich betone nochmals, dass mit diesem Bezug auf elementare Gebrauchsgegenstände in der Wohnung nur ein kleiner Ausschnitt all dessen angesprochen ist, was an Gebrauchsgegenständen in allen Bereichen des kommunalen Lebens zur Anwendung kommt!!)
Nötig und wünschenswert ist dagegen eine vernünftige, mit Willen und Bewusstsein eingerichtete Arbeitsteilung auf gesellschaftlicher Ebene und eine entsprechende Kooperation und Kommunikation zwischen den Kommunen. Gesellschaftliche Arbeitsteilung und damit verbundene Kooperation und Kommunikation sind also notwendig und wünschenswert!! Die heutige, teils absurde Tiefe der gesellschaftlichen Arbeitsteilung mit dem teils irrsinnigen Aufwand an Transport (nach Marx ist das Mehrwert produzierende Arbeit!! und nur deshalb in diesem Ausmaß für den Kapitalismus sinnvoll und „tragbar“) zu reduzieren, ist etwas anderes, als sie im Sinne der „Autarkie“ von Kommunen aufzuheben.
In diesem Sinne einer Reduzierung gesellschaftlicher Arbeitsteilung verstehe ich den folgenden Satz des Bochumer Programms:
„Durch Kommunalisierung wird die Verwaltung, Produktion und Verteilung möglichst vieler gesellschaftlicher Aufgaben auf lokaler Ebene organisiert.“
Wer sich ernsthaft daran macht zu hinterfragen, wie all diese nützlichen Gebrauchsgegenstände produziert werden, der kann diesbezüglich über Worte wie „Selbstversorgung“ oder gar „Autarkie“ einzelner Kommunen nur den Kopf schütteln. (Ich weiß im Detail manches darüber und könnte viele Seiten vollschreiben. Dazu habe ich weder die Lust noch die Zeit. Wer drankommt, der kann sich ja mal sowas wie die „kleine Enzyklopädie“ TECHNIK aus der ehemaligen DDR reinziehen. Da wird schon etwas deutlich, worum es sich dreht.)
Wer „Selbstversorgung“ und „Autarkie“ einzelner Kommunen zum zentralen Inhalt der sozialen Umwälzung macht, der wird in der Praxis Zug um Zug die Dinge aussortieren müssen, die wir „nicht brauchen“, weil wir sie tatsächlich auf Ebene jeder einzelnen Kommune nicht produzieren, also nicht haben können. … oder er wird unhinterfragt mit dem fortfahren, was wir haben und sich die fehlende Dinge mal eben im Supermarkt, Baumarkt etc. kaufen. Denn kaufen können wir alle. Das ist kein Problem. Begleiten lässt sich das prima mit allgemeinen Diskussionen über „Autarkie“ und „Selbstversorgung“.
Eine relativ weitgehende „Selbstversorgung“ von Kommunen wäre hierzulande überhaupt nur möglich in Bezug auf die landwirtschaftliche erzeugten elementaren Lebensmittel. Und selbst da müsste man genau hinschauen, was sinnvoll und möglich wäre. Mit tatsächlicher „Selbstversorgung“ im Sinne einer weitgehend autarken Kommune, die alles, was sie konsumiert auch selbst produziert, hätte das allerdings wenig zu tun.
Robert