Gesundheitswesen in Deutschland

  • Die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens führt zu einer schleichenden Zerstörung der klassischen Medizin, welche für die bestmögliche Behandlung für jeden Patienten steht, unabhängig von gesellschaftlichem Status und Einkommen. Doch zunehmend geht die Rendite vor Patientenwohl. Der Patient wird zum Kunden. Wer nicht gut bezahlen kann, für den gibt es häufig nur noch Billigmedizin. Ärzte (und Apotheker), die da nicht mitmachen wollen werden verdrängt. Ein immer noch aktueller Artikel aus der inzwischen leider eingestellten FTD: FTD: Krankes Renditedenken
    Diese Entwicklung haben wir vor allem diversen "Gesundheitsreformen" zu "verdanken". Es gab einmal Zeiten, da versprach das Wort “Reform” eine Verbesserung für die Menschen, doch heutzutage sieht das leider anders aus, nicht nur im Gesundheitswesen!


    Da stellt sich doch die Frage, warum das alles, warum wird das Gesundheitswesen einerseits kommerzialisiert und andererseits langsam aber sicher kaputtgespart?


    Bei den Ärzten regiert das Budget, bei den Apotheken Arzneimittelrabattverträge, auch die Versorgung mit Hilfsmitteln wird durch den Kostendruck der Krankenkassen für die Sanitätshäuser immer schwieriger. Mit den Krankenhäusern geht es bergab. Einsparungen beim Personal mit der Folge von Überlastung und daraus folgend zunehmende Mängel bei der Pflege und der Hygiene, zum Beispiel.


    Aber warum das Ganze?


    Weil alle älter werden, die moderne Medizin immer teurer und das System ohne deutliche Kosteneinsparungen (und Rationierung)nicht mehr finanzierbar ist, wie es immer so schön heisst? Oder gibt es da doch noch ganz andere Gründe? Und wenn ja, welche könnten das sein?


    In Deutschland gibt es die “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” (www.insm.de), eine Lobbyorganisation des Kapitals (“der Wirtschaft”), welche sich öffentlichkeitswirksam für einen Abbau des Sozialstaats (“schlanker Staat”) einsetzt, um das Land international “konkurrenzfähig” zu machen bzw. zu halten.
    Diese Initiative verteilte vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung kostenlos ein Buch, in dem in sehr gut verständlicher Form die wichtigsten Denker der Volkswirtschaftslehre und ihre Theorien vorgestellt werden. Von Adam Smith, über John Maynard Keynes bis Milton Friedman sozusagen (Klassiker der Ökonomie, ISBN 3-89331-759–7).
    Auf Seite 237f findet man eine aus meiner Sicht plausible Antwort auf die Frage nach den Gründen! Dort heisst es unter der Überschrift Liberalismus in Zeiten des kalten Krieges u.a.:
    “Angesichts kommunistischer Propaganda sah man sich im Westen selbst im konservativen Lager genötigt (!), auch der Masse der Bevölkerung Vorteile aus der kapitalistischen Ausrichtung des eigenen Systems zu verschaffen (!!). Entsprechende staatliche Regelungen wurden getroffen, um so in der Konkurrenz der Systeme die breite Bevölkerung für die eigene Weltsicht zu gewinnen.” usw. (Die Ausrufezeichen wurden von mir hinzugefügt!)


    Und da das nun heute ja offensichtlich nicht mehr gilt ...! Den Rest kann sich jeder denken …


    Grüße

  • In Deutschland gibt es die “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” (www.insm.de), eine Lobbyorganisation des Kapitals (“der Wirtschaft”), welche sich öffentlichkeitswirksam für einen Abbau des Sozialstaats (“schlanker Staat”) einsetzt, um das Land international “konkurrenzfähig” zu machen bzw. zu halten.
    Diese Initiative verteilte vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung kostenlos ein Buch, in dem in sehr gut verständlicher Form die wichtigsten Denker der Volkswirtschaftslehre und ihre Theorien vorgestellt werden. Von Adam Smith, über John Maynard Keynes bis Milton Friedman sozusagen (Klassiker der Ökonomie, ISBN 3-89331-759–7).
    Auf Seite 237f findet man eine aus meiner Sicht plausible Antwort auf die Frage nach den Gründen! Dort heisst es unter der Überschrift Liberalismus in Zeiten des kalten Krieges u.a.:
    “Angesichts kommunistischer Propaganda sah man sich im Westen selbst im konservativen Lager genötigt (!), auch der Masse der Bevölkerung Vorteile aus der kapitalistischen Ausrichtung des eigenen Systems zu verschaffen (!!). Entsprechende staatliche Regelungen wurden getroffen, um so in der Konkurrenz der Systeme die breite Bevölkerung für die eigene Weltsicht zu gewinnen.” usw. (Die Ausrufezeichen wurden von mir hinzugefügt!)


    Und da das nun heute ja offensichtlich nicht mehr gilt ...! Den Rest kann sich jeder denken …

    Hallo Jens,
    sollte dich hier noch niemand begrüßt haben, dann tu ich das jetzt mal! (Hoffentlich habe ich da nichts übersehen. :S )
    Das von dir angeführte Zitat der berüchtigten "Initiative ..." finde ich sehr interessant und es deckt sich ganz mit meinen Untersuchungen und meinem Kenntnisstand. Z.B. hat Adenauer die große Rentenreform von 1957 - die der CDU die absolute Mehrheit brachte - öffentlich ausdrücklich mit der "Systemkonkurrenz", der Notwendigkeit "dem Kommunismus" entgegen zu wirken begründet.
    Allerdings halte ich diesen Staat trotzdem nicht für einen "Sozialstaat". Wäre er das, würde er sich gegen seinen "Abbau" wehren. Sofern dieser Staat "soziale Leistungen" erbringt, sind das in aller Regel Zugeständnisse an soziale Kräfte, die sie einfordern und keinesfalls Produkte eines Staates, der sich als "soziales" Subjekt versteht. Das soziale bleibt immer dem ökonomischem Interesse "der Wirtschaft" untergeordnet. Der Staat, soweit er als Subjekt funktioniert, versteht sich immer als Subjekt der bestehenden Gesellschaftsordnung, die auf kapitalistischem Privateigentum und kapitalistischer Produktionsweise beruht. Er verdankt ja auch seine "materielle Existenz" ganz dieser "Wirtschaftsordnung" bezieht er doch seine "Einkommen" aus Steuern, die "die Wirtschaft" abwirft. Seine "sozialen Leistungen" sind immer abhängig von der "Wirtschaftsleistung". Wächst die kapitalistische Wirtschaft rasch und gibt es genügend Kräfte auf Seiten der Lohnabhängigen, die Berücksichtigung ihrer Interessen verlangen, dann dehnt er im Interesse des "sozialen Friedens" seine "sozialen Leistungen" aus. Wächst "die Wirtschaft" kaum, oder schrumpft sie gar, dann spart er eben vor allem an diesen "sozialen Leistungen".
    Sofern er sie noch gewährt, ist das mit immer mehr "Auflagen" verbunden; bürokratische Kontrolle ob "tatsächlich Bedarf" vorliegt, Drangsalierung und Repression, um "sozialen Missbrauch" zu reduzieren. "Sparen" heißt das dann, damit "die Wirtschaft" wieder wächst. Am krassesten erleben wir das momentan in Ländern wie Griechenland. Aber auch die Entwicklung in Schweden oder Deutschland spricht Bände. Die Zukunft des "Sozialstaates" ist der Repressionstaat mit privatisierten Sozialversicherungen. So sehe ich das mal zugespitzt ausgedrückt. Ein wirkliches Gegengewicht dagegen könnte nur eine neue selbständige Bewegung von Lohnabhängigen bilden, die z.B. tatsächliche Selbstverwaltung der Sozialversicherungen anstrebt. Weg vom Staat, weg von der bürokratischen Kontrolle durch den Staat. Der bürgerliche Staat selbst ist kein "soziales" Subjekt und wird es nie sein. Sofern der Staat Gestaltungsmacht gegenüber den Produktionsverhältnissen hat, richtet er diese nicht so ein, dass sie sozialen Interessen genügen, sondern er richtet die sozialen Verhältnisse so ein, dass sie den Kapitalinteressen genügen.


    Viele Grüße
    Robert

  • Hallo Robert,
    Vielen Dank für das "Willkommen" :) Das was Du geschrieben hast ist eine wichtige Ergänzung zu meinem Text! Als Apotheker - seit 1985 - erlebe ich die negative Veränderungen im Gesundheitswesen direkt mit, nicht nur im eigenen Arbeitsbereich sondern auch aus Erzählungen der Patienten. Auffallend häufig wird mir über z.B. Infektionen nach Krankenhausaufenthalten berichtet, etwas das früher als ich im Beruf zu arbeiten begann, die absolute Ausnahme war! Oder das Verhalten der (meisten) Krankenkassen, wenn es um die Genehmigung von Hilfsmitteln geht. Alles dreht sich nur um die Kosten, um das Sparen. Das Wohl des Patienten spielt kaum noch eine Rolle. Antidekubitusmatratzen - oder polsterungen gibt es nicht mehr bei Dekubitusgefahr sondern erst, wenn ein Dekubitus schon vorliegt. Medizinisch absurd und eine unnötige Quälerei für den Betroffenen! Inkontinenzhosen, die der Patient selbst an- und ausziehen kann, werden nur genehmigt, wenn der Nachweis geführt wird, daß der Patient damit besser "am sozialen Leben teilnehmen" kann usw.usf. All das ist schlimmer geworden seit die Entscheidungsfindung über Genehmigungen von den Krankenkassen zentralisiert wurden ("Hilfsmittelkompetenzzentren"). Früher wurde von den Krankenkassenmitarbeitern vor Ort entschieden. Denen waren die Patienten oft noch persönlich bekannt. Das erschwerte die rein "betriebswirtschaftliche" Betrachtungsweise, so wie sie heute leider meist üblich ist. Das "kapitalistische Denken" hat sich auch hier in den Köpfen festgesetzt.
    Grüße

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