(Da der Blog zu wenige Zeichen erlaubt, schreibe ich hier ein paar Anmerkungen.)
„Nicht nur der Strom kommt aus der Steckdose...
.. die Milch kommt aus dem Tetrapak...
.. und der Salat aus der Gemüsetheke.
Leute wissen nichts über die Materialien, aus denen die Wände ihrer Wohnungen bestehen... mit denen ihre Möbel konserviert sind... was mit Plastiktüten geschieht, die sie wegwerfen. Sie kennen ihre Produkte nicht, nicht die Technik ihrer Herstellung; und wer Spezialist für eine Produktgruppe ist, ist es für 100Tausende andre nicht.“
Hallo Franziska,
da ist was dran. Ich würde es aber anders ausdrücken:
Was die Individuen zu ihrer materiellen Reproduktion brauchen, das kaufen sie. Die notwendigen Lebensmittel sind "Fundsachen" auf den Märkten, in den Supermärkten. Alle kaufen Milch, Kleidung etc.; aber nur wenige produzieren das … je höher die Arbeitsproduktivität und die je entwickelter die Arbeitsteilung in der kapitalistischen Gesellschaft (spontane Arbeitsteilung zwischen den Privatproduzenten und bewusst hierarchisch eingerichtete Arbeitsteilung zwischen den Individuen in der Produktion.)
Je weniger Menschen mit der unmittelbaren Produktion des materiellen Reichtums zu tun haben, desto geringer das allgemeine Bewusstsein über Art und Voraussetzungen dieser Produktion. Je entwickelter die hierarchische Arbeitsteilung zwischen den Menschen, desto mehr ist das Wissen verteilt auf verschiedene TeilarbeiterInnen und desto hierarchischer ist das Wissen verteilt. Der Zweck des Gelderwerbs, einmal als Selbstzweck der Verwertung von Wert (G-W-G') und einmal als Mittel des individuellen Konsums, um die eigene Reproduktion zu ermöglichen (W-G-W), bestimmt Denken und Handeln und lässt einen Wunsch nach „Aneignung der eigenen allgemeinen Produktivkraft“ (Marx) kaum aufkommen.
Das ist die Ausgangssituation für soziale Emanzipation, eine Ausgangssituation, die deutlich macht, dass ein Übergang zu einer emanzipierten Gesellschaft nur möglich ist, wenn die erzwungene, durch hiercharchische Arbeitsteilung gekennzeichnete Kooperation in eine bewusste, von Hierarchie befreite Kooperation umgewandelt wird. Die Arbeitsteilung z.B. zwischen Ingenieuren, Facharbeitern und angelernten Arbeitern kann nicht von heute auf morgen „abgeschafft“ (eine linkes Lieblingswort) werden. So wie heute das Kapital die Leute bewusst für ihren Platz in der arbeitsteiligen Hierarchie qualifiziert, so muss die Selbstverwaltung bewusst einen Prozess in Gang setzen, die die Menschen dazu qualifiziert zwischen verschiedenen Produktionsprozessen, sowie Arbeiten, die unterschiedliche Qualifikationen voraussetzen und erfordern, zu wechseln. Das kann nur in einem langen Prozess erreicht werden, der davon abhängt, ob die Selbstverwaltung mit egalitärer Kommunikation klappt.
Wenn du schreibst, dass nichts klar sei, so kann ich dem nicht folgen. Es ist ungeheuer viel klar, aber es ist nichts geklärt. Woran es vor allem mangelt, das ist eine Kommunikation, die Klärung ermöglicht. Sollte die heutige Art der Kommunikation unter radikalen Linken die Kommunikation in der Selbstverwaltung antizipieren, dann können wir gleich einpacken. Klären lässt sich so nichts! Nicht, wie man ein Produkt mit gewünschter Qualität produziert, nicht, wie man die Arbeit am besten unter sich verteilt und was es sonst noch zu klären gibt.
Ob ich deine knappen Anmerkungen zum Widerspruch zwischen Produktionsverhältnissen und Produktivkräften richtig verstanden habe, das weiß ich nicht. Ich verstehe das so, dass du seine Bedeutung leugnest. Kurz dazu folgendes:
1. Den handgreiflichsten Ausdruck findet dieser Widerspruch in den zyklisch wieder kehrenden Krisen. Das offensichtliche, zum Himmel schreiende Phänomen der Krisen aus Überfluss, das Phänomen, dass mit gegebener Arbeitsproduktivität zu viel produziert wird und daher Menschen in Armut und Elend leben, dass das zu viel produzierte vernichtet werden muss, damit „die Wirtschaft“ wieder anspringt und überhaupt wieder produziert wird. Einen solchen Zustand zu überwinden, um den Überfluss an Produktions- und Lebensmitteln im Interesse aller Menschen zu nutzen oder um die Arbeitsproduktivität zu nutzen, um mehr Muße zu haben, ist aus meiner Sicht ein wesentliches Motiv für soziale Revolution.
2. Aus meiner Sicht geht es im Kern um die Frage der Arbeitsproduktivität, ob diese genutzt wird, um neue Mehrarbeit zu setzen, oder Mittel zum Zweck der Verwirklichung emanzipatorischer Ziele wird. Die Arbeitsproduktivität selbst ist bestimmt durch die „Produktivkräfte“. Dazu zählt neben der gegenständlichen Technik, den umgesetzten Kenntnissen, diese Kenntnisse und bestimmte Fertigkeiten selbst; also die subjektiven Fähigkeiten von Menschen. Da diese Kenntnisse und Fertigkeiten innerhalb der sozialen Hierachie zugewiesen werden, werden sie auch dem Herrschaftszweck entsprechend verteilt und die Menschen zugerichtet. Und insofern ist Befreiung der Produktivkräfte nur ein anderer Ausdruck für soziale Emanzipation. Das bedeutet eine Befreiung der (subjektiven) Produktivkräfte von den Schranken der jetzigen Produktionsverhältnisse, eben "Aneignung der eigenen allgemeinen Produktivkraft".
Viele Grüße
Robert