Ausnahmezustand - wieso das denn? Ein paar Anmerkungen zu Franziskas Blog-Eintrag

  • (Da der Blog zu wenige Zeichen erlaubt, schreibe ich hier ein paar Anmerkungen.)


    „Nicht nur der Strom kommt aus der Steckdose...
    .. die Milch kommt aus dem Tetrapak...
    .. und der Salat aus der Gemüsetheke.
    Leute wissen nichts über die Materialien, aus denen die Wände ihrer Wohnungen bestehen... mit denen ihre Möbel konserviert sind... was mit Plastiktüten geschieht, die sie wegwerfen. Sie kennen ihre Produkte nicht, nicht die Technik ihrer Herstellung; und wer Spezialist für eine Produktgruppe ist, ist es für 100Tausende andre nicht.“


    Hallo Franziska,
    da ist was dran. Ich würde es aber anders ausdrücken:
    Was die Individuen zu ihrer materiellen Reproduktion brauchen, das kaufen sie. Die notwendigen Lebensmittel sind "Fundsachen" auf den Märkten, in den Supermärkten. Alle kaufen Milch, Kleidung etc.; aber nur wenige produzieren das … je höher die Arbeitsproduktivität und die je entwickelter die Arbeitsteilung in der kapitalistischen Gesellschaft (spontane Arbeitsteilung zwischen den Privatproduzenten und bewusst hierarchisch eingerichtete Arbeitsteilung zwischen den Individuen in der Produktion.)


    Je weniger Menschen mit der unmittelbaren Produktion des materiellen Reichtums zu tun haben, desto geringer das allgemeine Bewusstsein über Art und Voraussetzungen dieser Produktion. Je entwickelter die hierarchische Arbeitsteilung zwischen den Menschen, desto mehr ist das Wissen verteilt auf verschiedene TeilarbeiterInnen und desto hierarchischer ist das Wissen verteilt. Der Zweck des Gelderwerbs, einmal als Selbstzweck der Verwertung von Wert (G-W-G') und einmal als Mittel des individuellen Konsums, um die eigene Reproduktion zu ermöglichen (W-G-W), bestimmt Denken und Handeln und lässt einen Wunsch nach „Aneignung der eigenen allgemeinen Produktivkraft“ (Marx) kaum aufkommen.


    Das ist die Ausgangssituation für soziale Emanzipation, eine Ausgangssituation, die deutlich macht, dass ein Übergang zu einer emanzipierten Gesellschaft nur möglich ist, wenn die erzwungene, durch hiercharchische Arbeitsteilung gekennzeichnete Kooperation in eine bewusste, von Hierarchie befreite Kooperation umgewandelt wird. Die Arbeitsteilung z.B. zwischen Ingenieuren, Facharbeitern und angelernten Arbeitern kann nicht von heute auf morgen „abgeschafft“ (eine linkes Lieblingswort) werden. So wie heute das Kapital die Leute bewusst für ihren Platz in der arbeitsteiligen Hierarchie qualifiziert, so muss die Selbstverwaltung bewusst einen Prozess in Gang setzen, die die Menschen dazu qualifiziert zwischen verschiedenen Produktionsprozessen, sowie Arbeiten, die unterschiedliche Qualifikationen voraussetzen und erfordern, zu wechseln. Das kann nur in einem langen Prozess erreicht werden, der davon abhängt, ob die Selbstverwaltung mit egalitärer Kommunikation klappt.


    Wenn du schreibst, dass nichts klar sei, so kann ich dem nicht folgen. Es ist ungeheuer viel klar, aber es ist nichts geklärt. :S Woran es vor allem mangelt, das ist eine Kommunikation, die Klärung ermöglicht. Sollte die heutige Art der Kommunikation unter radikalen Linken die Kommunikation in der Selbstverwaltung antizipieren, dann können wir gleich einpacken. Klären lässt sich so nichts! Nicht, wie man ein Produkt mit gewünschter Qualität produziert, nicht, wie man die Arbeit am besten unter sich verteilt und was es sonst noch zu klären gibt.


    Ob ich deine knappen Anmerkungen zum Widerspruch zwischen Produktionsverhältnissen und Produktivkräften richtig verstanden habe, das weiß ich nicht. Ich verstehe das so, dass du seine Bedeutung leugnest. Kurz dazu folgendes:


    1. Den handgreiflichsten Ausdruck findet dieser Widerspruch in den zyklisch wieder kehrenden Krisen. Das offensichtliche, zum Himmel schreiende Phänomen der Krisen aus Überfluss, das Phänomen, dass mit gegebener Arbeitsproduktivität zu viel produziert wird und daher Menschen in Armut und Elend leben, dass das zu viel produzierte vernichtet werden muss, damit „die Wirtschaft“ wieder anspringt und überhaupt wieder produziert wird. Einen solchen Zustand zu überwinden, um den Überfluss an Produktions- und Lebensmitteln im Interesse aller Menschen zu nutzen oder um die Arbeitsproduktivität zu nutzen, um mehr Muße zu haben, ist aus meiner Sicht ein wesentliches Motiv für soziale Revolution.
    2. Aus meiner Sicht geht es im Kern um die Frage der Arbeitsproduktivität, ob diese genutzt wird, um neue Mehrarbeit zu setzen, oder Mittel zum Zweck der Verwirklichung emanzipatorischer Ziele wird. Die Arbeitsproduktivität selbst ist bestimmt durch die „Produktivkräfte“. Dazu zählt neben der gegenständlichen Technik, den umgesetzten Kenntnissen, diese Kenntnisse und bestimmte Fertigkeiten selbst; also die subjektiven Fähigkeiten von Menschen. Da diese Kenntnisse und Fertigkeiten innerhalb der sozialen Hierachie zugewiesen werden, werden sie auch dem Herrschaftszweck entsprechend verteilt und die Menschen zugerichtet. Und insofern ist Befreiung der Produktivkräfte nur ein anderer Ausdruck für soziale Emanzipation. Das bedeutet eine Befreiung der (subjektiven) Produktivkräfte von den Schranken der jetzigen Produktionsverhältnisse, eben "Aneignung der eigenen allgemeinen Produktivkraft".


    Viele Grüße
    Robert

  • Hallo Robert, hallo Franziska,
    natürlich bin ich wie Robert der Meinung, dass Marx recht hatte, und dass der Genossenschaftsgedanke (Selbstverwaltung) samt Rücksichtnahme auf Natur notwendiger Teil des Marxschen Denkens und ebenso notwendiger Teil unser Emanzipation ist.
    Mir ist klar, dass Franziska die marxistische Tradition anders kennengelernt hat und anders interpretiert. Die Marx-Interpretation von Franziska finde ich aber vorerst nebensächlich.
    Ich hatte Franziska eingeladen, nicht um mit ihr im Marx-Forum über die richtige Marx-Interpretation zu streiten, sondern weil sie eine Nähe zum Genossenschaftsgedanken hat, der mir und vielleicht auch anderen hier abgeht.
    Ich dachte, da könnte ich und vielleicht auch ein paar andere vielleicht was lernen von Franziska.
    Diese Hoffnung habe ich noch nicht aufgegeben. :S


    Mein Vorschlag deshalb an Robert und an Franziska: Du, Franziska, hast deine Position (samt Kritik am Marxismus) vorgetragen. Robert hat seine Verteidigung der Marxschen Gedanken vorgetragen. Vielleicht können wir beide Statements erst mal unkommentiert zur Kenntnis nehmen, um zu den Ausgangsfragen zurückzukehren: Was ist heute an Genossenschaften möglich und was ist heute an Genossenschaften nötig? Und wo gibt es denn schon praktische Ansätze?

    Gruß Wal

  • Erstmal danke für die ausführlichen Antworten! Das Votum für sorgfältige und zwangfreie, nicht-autoritäre Kommunikation ist mir aus dem Herzen gesprochen. Wenn wir sonst nichts hätten und nur das, wären wir schon SEHR weit. Vieles, wenn nicht alles ergibt scih daraus..
    Manche gemeinsam anzustellende Klärung muss nicht unter Beteiligung aller Leser stattfinden, man kann sich da auch gemeinsam zurückziehen und erstmal für sich klären, und das Ergebnis später den andern vorlegen. (In dem Zusammenhang: Robert - hast du meine Mail zur Ökonomie bekommen, oder bleibt hier auch was im Spam hängen?)
    Vielleicht ist eins der wichtigsten Anliegen, die ich gern mit euch erörtern würde, dieses: Dass in der bisherigen linksradikalen Kritik nicht sorgfältig genug auf die Produktivkräfte geachtet wurde. Im Mass, wie die Menschen selbst als ihre wichtigste Produktivkraft (in und neben der Natur: die sollte auch mal erwähnt werden) angesehen werden, könnte man dann auch sagen: die Lebensweise. Was soll davon nach einem wie auch immer gearteten Bruch oder Übergang bleiben? Es gibt zwei Versionen, die eine, auftrumpfende, ist die mit der ungeheuren Macht, die da entfesselt ist, und die wir nie wieder hergeben wollen, deren wir uns dann vielmehr so richtig bedienen werden (also auch unserer selbst als Mittel dieser Macht...?). Die andre, etwas kleinlautere, besagt: So schnell lässt sich das nicht ändern. Beide Versionen kommen bei Robert vor.
    Vielleicht kann man, worums mir geht, auf dasThema zuspitzen, das Robert dankenswerterweise in einem seiner Aufsätze zur NAO mal angesprochen hat: Die Gefälle, die aus Arbeitsteilungen entstehen; nicht nur Mann/Frau, sondern eben auch die altbekannten Stadt/Land, Kopf/Hand, Zentrum/Peripherie. Die Gemeinsamkeit zwischen diesen Gefällen lässt sich durch die Frage ausdrücken: Wo schlägt Arbeitsteilung in Lebensteilung, Lebens-Beschränkung, Ausschluss von Lebensanteilen, die nie fehlen dürfen, Überforderung und Vereinseitigung
    um?
    Die alten Kommunisten müssen an der Stelle nochmal erwähnt werden; denn tatsächlich IST dies Thema ein uraltes der gesamten radikal linken Bewegung, und noch dahinter zurück bis an die Ursprünge dieser ganzen Bewegung in der Moderne (denn es gab ja unendlich viele Vorläufer davor), da steht der Name Rousseau. Bei Marx kams vor als jagen, fischen, kritisieren - im Kommunismus; was später versehen wurde mit dem Zusatz: wenn die Springquellen des Reichtums fliessen, DANN... kann man sich solche Extratouren leisten. (Davor, immerhin, schon mal der Versuch zur "allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit"...)
    Gibt es einen Widerspruch von Leben und Leisten? Ist er AUSSCHLIESSLICH der Eigentumsform der gegenwärtigen Produktionsweise geschuldet? Und wieviel von ihr muss abgeändert werden, damit man ihn loswird?
    Um diese Fragen werden wahrscheinlich viele meiner Beiträge kreisen.

    Jetzt will ich erstmal Wals Ausgangs-Interesse ein wenig befriedigen (nachdem der Rahmen ein wenig beleuchtet ist, in den es hineingestellt wird). Soweit ich das kann.
    Danach komm ich vielleicht auf diese Diskussion hier zurück.
    Alles Gute, F.

  • Es ist ja ein sehr sympathischer Zug, dass man die Leute selbst als ihre wichtigste Produktivkraft nimmt. Die Frage ist, wie sie sich unter Bedingungen einer durch welchen Übergang auch immer ihnen vor die Füsse fallenden wahnwitzigen Arbeitsteilung ihrer produktivkärfte bemächtigen und sich darüber verständigen können.
    Der Kapitalismus, neben anderm, macht her ein Versprechen, das nie überprüftwerden kann, nämlich: In ihm würde dieser völlig unüberschaubare Riesenprozess "modern-geselslchaftlich arbeitsteilige Produktion" optimalkoordiert, während die zentrale "Planwirtschaft", nach dem Modell des Ostblock-Sozialismus, ein andres gab es ja nicht, immer nur Fehlsteuerung und mangelnde Fehlabstimmung ergeben könne (den Vorwurf gabs dann auch in die Gegenrichtung als "Anarchie der Warenproduktion").
    Es ist in den Vorstellungen vom "Übergang" bei Linksradikalen sehr stark der Gedanke wirksam, kap.Produktion könne in einigen Hinsichten, müsse sogar, unverändert bleiben, das ist dieser Punkt Produktivität, zum andern der Punkt Steuerung, Rechnung, Planung und Koordination, ansonsten müsse man vor allem die Zwecke der Produktion neu bestimmen, also auf die Bedürfnisse der Produzenten orientiert - die sollen möglichst selber festlegen, worin die bestehen.
    Da Produktivitätssteigerung nicht mehr Selbstzweck ist, sondern gezielt auf diese Bedürfnisse hin stattfindet, ebenso klare Vorgaben der Produzenten hinsichtlich der Zwecke einfache Rechnungen zur Folge haben, scheint alles um Grössenordnungen einfacher, unaufwendiger, und doch effizienter.
    Ich hab meinen Zweifel bereits zum Ausdruck gebracht (und da mag auch noch erheblicher Erläuterungsbedarf bestehen), was die angeblich unerhörte Produktivität der kap.Produktionsweise angeht, hier kommt nun der nächste bezüglich Steuerbarkeit.
    Wals "Kommune Bochum" illustrierte das Prinzip "alle Kommune-Produzenten produzieren auf Bestellung aller Kommune-Produzenten". Schon da war zugestanden, dass das Procedere einen gewissen Teil der Lebenszeit der Kommunarden beansprucht; sie müssen ja jetzt selbst verwalten.
    Was die Kommune-Bochum-Problemstellung so einfach macht, ist, dass in ihr der vorhandene Produktionsapparat - vor allem im Konsumgüterbereich - weitergefahren wird. Umverteilung von Arbeitskräften auf die Produktionsstätten (zur Senkung der Arbeitszeit
    der dort Arbeitenden) stellt kein Problem dar; Um-Organisation und Anpassung der Produktion an die Bedürfnisse der dort Arbeitenden stellt kein Problem dar; aber vor allem stellen erst einmal die Entscheidungen über die künftige Lenkung von Investitionen, deren Ausmass und Richtung, kein Problem dar. So wie es kein Problem sein soll, wieviele"Nichtproduzenten" wie gut leben (das wurde schon von Marx in der Gothaer Programmkritik angesprochen). System-Entscheidungen, noch hinter diesen Richtungsentscheidungen für Investitionen, spielen keine Rolle: Wieviel Mobilität soll sein, und wie organisiert? Wieviel soll für politische Aktivitäten ausserhalb und innerhalb der Kommune aufgewandt werden - für Beseitigung weiterer "Ungleichzeitigkeits"-Phänomene...Wieviel und welche Bildung will sich die Kommune leisten, und zwar sowohl bei ihrem Nachwuchs, als auch in der Erwachsenen-Bildung? Wie geht die Kommune mit den Produktions-bezogenen Bedürfnissen der Produzenten um - "Berufswahl", erzwungene oder erwünschte Umschulung, Arbeitsintensität vs-dauer vs. -effizienz?
    Die Art der ganzen Problemstellung "wie soll das gemacht werden?" verweist allerdings auf einen Fehler im Ansatz:
    Denn lang vor der Einrichtung einer gemeinsamen Produktionsweise treten die unterschiedlichen Analysen und Strategien der Linken, ihre theoretischen Konflikte, höchst hinderlich zwischen sie und eine gemeinsam organisierte Praxis; beginnt der Unterschied der Ausbildungen und praktisch ausgeübten Tätigkeiten sich zur Verständigungsschranke zu entwickeln; spielen Unterschiede im Wissen etwa speziell um ökologische (und noch mancherlei andere Fach-)Probleme eine gewichtige Rolle allein schon bei der Frage, ob das und wieviel Aufmerksamkeit es verdient; erst recht die "Ungleichzeitigkeiten"in der Linken selber; und wenn schon dort, wieviel mehr erst gegenüberden Aussenstehenden (gibt es irgendwo eine Analyse zur Frage, warum Leute linksradikal werden und warum andre nicht? Ist das so unerheblich?)
    Noch elementarer: Dieser Weg soll kein Opfergang werden; schon da sollen Bedürfnisse und Leistungsgrenzen beachtet werden. Die eigene Reproduktion so einricihten, dass man von Markt und Konkurrenz möglichst nicht mehr abhängt, ist eines; es sich dabei angenehm zu machen und sich nicht zu überfordern (die je nächsten Aufgaben so wählen, das man es auch nicht tun muss)
    , ein zweites; sich so einzurichten, dass immer noch Freiraum bleibt für die Ausweitung des bereits Erreichten, ein drittes.
    Darum meine Überlegungen zur Frage, welches die ersten, zweiten, dritte Schritte sein könnten...


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  • Hallo franziska

    Quote

    Es ist ja ein sehr sympathischer Zug, dass man die Leute selbst als ihre
    wichtigste Produktivkraft nimmt. Die Frage ist, wie sie sich unter
    Bedingungen einer durch welchen Übergang auch immer ihnen vor die Füsse
    fallenden wahnwitzigen Arbeitsteilung ihrer produktivkärfte bemächtigen
    und sich darüber verständigen können.


    Es ist nicht nur ein sympathischer Zug, ok, mag es auch sein, aber die
    Menschen sind nicht nur die wichtigste Produktivkraft - sie sind mE die
    Produktivkraft schlechthin.
    Von der Natur, zu der die Menschen ja
    selbst gehören, die also unabhängig von ihnen existent ist, mal
    abgesehen, sind sie mE die einzige Produktivkraft.


    Wie komme ich zu dieser Aussage?
    Na, wie kann denn zb. die Wissenschaft Produktivkraft sein, macht die sich selbst?
    Nein, es sind Menschen, die Wissenschaft 'betreiben'.


    Kann es sein, daß Du beim Sortieren Deiner Gedanken einen Knoten fabriziert hast? Ich meine speziell diesen Teil Deiner Frage:
    "wie sie sich unter Bedingungen einer durch welchen Übergang auch immer ihnen
    vor die Füsse fallenden wahnwitzigen Arbeitsteilun
    g"
    Vor die Füße fällt uns mE schon mal gar nichts.
    Es gibt die erprobte Variante durch eine Revolution die Produktionsmittel den alten Eigentümern zu entreißen. Damit sind diese sie los, aber haben werden sie dann diejenigen, die die Leitung und Planung der (Re-)Produktion übernehmen (können).
    Hier handelt es sich allein um Enteignung. Durch diese ist nicht die Fähigkeit erlangt, sich untereinander zu koordinieren. Es braucht für diesen Fall immer eine 'Manager'-Klasse, die das für die Menschen 'erledigt'.
    Die andere Möglichkeit, die ich sehe, ist, daß die Lohnabhängigen und Besitzlosen sich Produktionsmittel aneignen. In diesem Pro
    zeß (und mE nur in diesem) lernen wir, wie wir mit der wahnwitzigen Arbeitsteilung 'umgehen' und möglicherweise auch, wie wir sie umgehen ;)


    Quote

    Die Art der ganzen Problemstellung "wie soll das gemacht werden?" verweist allerdings...

    @franziska, es geht um einen emanzipatorischen Weg, da kann es keine genaue
    Gebrauchsanweisung geben. Du/Ich können nicht wissen, wie sich Menschen
    einmal einigen werden - wir wissen, daß sie sich einigen können müssen,
    daß sie das ziemlich sicher erst lernen müssen, aber nicht von einem
    Lehrer, vom Leben im Prozeß der sozialen Emanzipation.
    ... und gerade die Umstellung von einer Tätigkeit auf eine andere sehe wenigstens ich
    als eines der kleineren Problemchen an, was machen Menschen heute nicht
    alles um in Lohn und Brot zu kommen, was müssen sie tun. Das hat nur
    noch sehr selten was mit ihrer ursprünglichen Ausbildung zu tun, oft
    gibt es nicht einmal für das Neue eine neue, andere offizielle
    Ausbildung, dann bilden sich Menschen eben selber - machen sie jetzt
    schon - beinahe ständig.
    Also ich würd' da mal grad die Radikale Linke nicht unbedingt als Vergleichsmaßstab heranziehen wollen - sorry, aber noch weniger Flexibilität kenne ich sonst aus dem Leben nur von Lehrern. Beide wissen aber immer hervorragend, was andere wie tuen müssen^^
    Noch mal sorry, aber gegen persönliche Erfahrung ist noch kein Kraut gewachsen - ich gestehe aber ein: Ausnahmen bestätigen die Regel, odda so.


    Das als mein kurzer Einwurf.
    @reneé hatte im alten Forum mal den Hebel bei der Produktionstechnik angesetzt,
    vielleicht mag sie ja hier noch einmal etwas dazu schreiben.


    Btw. ... ich habe mein Tageslimit max. 90 min PC für heute schon lange überschritten
    und wenigstens ein kleinwenig möchte ich mich doch an die Arztregeln
    halten.
    Gibt also nur bröckchenweise von mir - aber ich bleib dran. ;)


    Liebe Grüße - Wat.

  • Hallo Wat.,

    Nun ja, "Hebel bei Produktionstechnik angesetzt" ist vielleicht etwas hoch gegriffen, es ging mir dabei u.a. darum, der mir allzu verkopft erscheinenden Diskussion ein wenig den Blick auf evtl. praxisrelevante Entwicklungen der letzten Jahre beizumischen. Da gehen doch tatsächlich Leute hin und fangen an, den Bereich der Produktionsmittel für sich zu reklamieren und sind sogar so unverschämt, ihr Wissen jedem dahergelaufenen Deppen frei zur Verfügung zu stellen. Und dann besitzen sie auch noch die Frechheit, keinen der selbsternannten revolutionären Weltverbesserer um Erlaubnis zu fragen, ob sie das ohne jahrelange Diskussionen oder umfangreiche Resolutionen und theoretische Abhandlungen überhaupt tun dürfen. ;(


    Sorry, wenn das zu sarkastisch war, aber wenn ich im persönlichen Leben auch so agieren würde, käme ich vor lauter Bedenken nicht mehr vor die Tür und müsste verhungern. Zu einer lebendigen Entwicklung gehört nun auch mal "try and error", Rückschläge und Fehler. 100% sicher ist nur, dass wir irgendwann alle tot sind, bis dahin kann man noch was machen. Ich möchte jedenfalls nicht warten, bis "alle Proletarier" bereit sind, eine wie auch immer geartete "Revolution" zu "starten", sondern an der bereits stattfindenden teilnehmen.


    Soviel bis jetzt, bevor wieder meine Verbindung abkackt, hoffentlich ist meine arg verkürzte Meinung trotzdem einigermaßen verstehbar. :huh:


    cu
    renée

  • @ wat, renee
    Also ich rede hier immer als ich mit dir und dir und euch...
    Mein Vorschlag ist, eigentumsfreie kollektive Produktion entlang der Reihe der wichtigsten Bedürfnisse aufzubauen. Und immer den nächsten Schritt zu machen, wenn man den vorherigen gut und sicher beherrscht. Also so, dass man ohne Überforderung jeweils wieder Zeit hat, was Neues (eben den nächsten Schritt) draufzubauen.
    Der Gedanke dabei ist der: Viele Leute kriegen es gut hin, ihre Kollektivarbeit gut und für alle Beteiligte, vorneweg sie selbst, befriedigend zu erledigen; aber dann sind sie auch müde. Es ist garnicht so sicher, dass unter diesen Umständen ihre Abstimmung untereinander noch klappt. Die Vorstellung, warum das doch gehen könnte, schaut meist so aus: Alle machen ihre Sache an ihrem Platz möglichst gut, und der Rest ist VERNETZUNG. Aber Vernetztsein ist eine Aufgabe für sich, für die man in seinem Produktionsalltag Platz haben muss. Und wenn die Tätigkeiten, die vernetzt werden sollen, zu speziell sind, und nicht irgendwie schon von selbst zusammenarbeiten, wird das Vernetzen schon wieder Spezialistentätigkeit. Und dann ganz schnell ein Machtmittel. Also... wenn Produzenten ihren Zusammenhang untereinander gut und sicher steuern sollen, muss das als Anforderung bei jedem Komplizierunugsschrittt weiter funktionieren. Das heisst zum Beispiel, ich muss ungefähr wissen, was die andern machen, Arbeitsteilung darf nicht so weit gehen, dass wir grundsätzlich nicht mehr verstehen, was die sort treiben. Auch Expertenmacht ist MACHT. (Robert hat in seinen Texten die Macht, die aus einigen Arbeitsteilungs-Verhältnissen entsteht (am Beispiel der Reihe der "Gegensätze" Mann/Frau - Stadt/Land - Kopf/Hand - Zentrum/Peripherie) benannt und derjenigen aus reinen Eigentums- und Gewaltverhältnissen gegenübergestellt. Ich frag mich, ob nicht sogar die Macht- und Eigentumsverhältnisse letztlich auf (zuviel, unguter) Arbeitsteilung beruhen...)


    Ich hab übrigens in meinem Text über Gemeinschaften und Kommunen versucht, auf etwas aufmerksam zu machen: Die "Alternativen", von denen ich dort rede, und die so ungeheuer stark in "Gemeinschaften" drängen, denken, wenn man genau hinschaut, mit völlier Selbstverständlichkeit (also ganz ohne daraus einen besonderen Punkt zu machen!) eigentumsfrei und kollektiv. Die wollen wirklich zusammen produzieren und leben, und sie wollen auch teilen, ohne es zurückhaben zu wollen (wenn sie überzeuugt sind, dass was funktionieren wird oder kann). Ich hab ausserdem versucht drauf hinzuweisen, dass Linke durch ihre Fixierung auf zu organisierende und "revolutionär" herbeizuführende, teils "von unten" her durch Vernetzung entstehende arbeitsteilige Grosszusammenhänge diese "Szene"... naja hier müsste man fast sagen, nicht links sondern rechts liegen lassen. Die Linken wiederum sind den Alternativen eben wegen ihrer Besserwisserei und des autoritären Auftretens hoch suspekt. Obwohl die Linken etwas einzubringen haben, was diesen Alternativen (für sie durchaus schmerzlich) fehlt, und wonach sie ständig fragen (! es gibt also Bedarf bei ihnen): Erklärungen, Verständnisse, Perspektiven. Von den Alternativen wiederum könnten Linke, wenn sie sich auf sie einlassen, genau das lernen, was ihnen selber derzeit massiv abgeht: freundliche, angenehme Umgangsformen; Geduld; auf sich und die Andern achten; Zwanglosigkeit. Und... wenn ich manche Klagen und Untertöne hier richtig wahrnehme, gibt es da auch bei Linken einen gewissen Bedarf...


    Dazu, dass die Projekte, auf die man sich einigen könnte, dauerhaft gelingen, gehört dann wahrscheinlich noch eine Menge mehr, damit sie überhaupt starten können: Schenkungen im womöglich grossen Stil, Abklärung von Rechtsformen, Techniken... und noch einiges andre, von dem ich jetzt nicht auch noch anfange.
    Und das... ist jetzt nochmal eine Antwort an Robert oben: Ich leugne weniger DEN Widerspruch zwischen X und Y... als dass ich sage: Eine (womöglich epochal neue, anspruchsvollere als die früheren) Produktionsweise ist, je höher entwickelt sie ist, ein um so feiner in sich abgestimmtes Bündel von Erfüllungen verschiedenster kultureller Anforderungen: Da muss eins zum andern passen, damit es überlebens- und entwicklungsfähig wird, robust gegen Belastungen, lernfähig. Umgekehrt kann man sagen, eine Produktions- und Lebensform geht immer mehr "aus dem Leim" oder gerät ausser Form, in der immer mehr nicht mehr stimmt, was mal produktive Synergien ergab mit den andern Bestandteilen: da ist dann nicht EIN Widerspruch oder fehlende Integration, sondern immer mehr solche.. nichts passt mehr. Das erleben wir gerade da draussen - und es sind nicht immer gleich schrille "Widersprüche" - es reicht oft schon, dass eins das andre nicht mehr unterstützt, für alles gesonderte Aufwände getrieben werden müssen, wo früher sich alles von selbst entgegenkam. Und genau darum, weil zuviel Aufwand und Zwang immer Anzeichen für mangelnde Robustheit der entstehenden Zwangsgebilde sind - darum fang ich mit sowas auch persönlich garnicht erst an; sondern mach allenfalls Vorschläge, oder rege an, dies oder das in Erwägung zu ziehen. Mehr nicht.

  • hallo franziska,


    ich halte deine Überlegungen und Vorschläge für ziemlich gut und dazu kompatibel mit der "Kommune Bochum" - eigentlich das, was ich als Kommunist erreichen möchte. Auch denke ich, dass sich solche Überlegungen schon jetzt verwirklichen lassen und revolutionäres Potential bergen. Wenn man allerdings Marx dabei außen vor lässt und nicht kapiert hat wie Kapitalismus geht ( was ja bei dir nicht der Fall zu sein scheint ) geht die Sache daneben.


    Soweit mein kurzes Resumé. Tiefer kann ich aus Zeitgründen auf deine wertvollen Beiträge nicht eingehen.


    Beste Grüße


    Kim

  • Hallo zusammen!


    „Auch denke ich, dass sich solche Überlegungen schon jetzt
    verwirklichen lassen ...“ schreibt Kim.


    Leider bleibt nicht nur bei ihm offen, welche Aspekte er
    meint - immerhin sind in den vorigen Beiträgen auch einige heftige Probleme
    benannt worden.


    Schon Robert Owen, ein beachtenswerter Frühsozialist, hat
    vor bereits 200 (!) Jahren konstatieren müssen, dass für seine Kommune-Projekte
    vor allem eins fehlte: ausgerechnet genügend Kapital. Und
    das scheint ja auch heute noch so zu sein.


    Jahrzehntelange Erfahrungen - z.B. der bereits erwähnten Kommune
    Niederkaufungen - zeigen außerdem, dass das Ideal der Rotation der
    Arbeitsfunktionen, das Ideal der gemeinsamen Diskussion sämtlicher Themen etc.
    so nicht durchzuhalten sind, und das bereits bei winzigen Kommune-Größenordnungen
    von weniger als 100 Mitgliedern. Aber leider scheint eine Auseinandersetzung anderer Kommune-Begeisterter
    damit nicht stattzufinden, also kein bewusster Prozess der Verarbeitung
    gemachter Erfahrungen. Stattdessen fängt man immer wieder mit demselben Idealismus an,
    nur um sich wieder dieselben blauen Flecken zu holen.

  • Hallo Mattis,
    ich bilde mir ein, keine Rosinen im Kopf zu haben, über die Möglichkeiten selbstverwalteter, genossenschaftlicher Experimente in einer kapitalistischen Gesellschaft. Sie stoßen auf jeden Fall an objektive und subjektive Schranken. Der „Mangel an Kapital“, den du ansprichst zählt aus meiner Sicht zu den objektiven Schranken. Die subjektiven Schranken bestehen in allem, was die Personen, die an solchen Experimenten teilnahmen, so an erlernten Verhaltensweisen/Gewohnheiten und Einstellungen mitbringen.
    Aus meiner Sicht können sich selbstverwaltete, genossenschaftliche Experimente nur solange und insofern halten, als sie gesellschaftliche Unterstützung erfahren. Was heißt das im Kapitalismus, in dem solche Projekte kaufen und verkaufen müssen? Es muss eine oder mehrere Banken geben, die solche Projekte bewusst fördern und unterstützen! Es muss „kaufkräftige Nachfrage“, also Konsumenten geben, die bewusst Produkte von solchen selbstverwalteten, genossenschaftlichen Unternehmungen kaufen. Es muss also eine gesellschaftlichen Bewegung geben, die solche Bestrebungen unterstützt.
    Als Beispiel bringe ich mal die alternativ-ökologische Bewegung und Produktion. Sie konnte sich nur etablieren, weil eine wachsende Zahl von Menschen eine Bedürfnis nach ökologisch produzierten Waren entwickelte. Das sicherte den Betrieben das Überleben, gestützt auf die Bewegung und die von ihr getragene kaufkräftige Nachfrage. Auf dieser Basis entwickelten sich auch Banken, die sowas bewusst förderten. Die Entwicklung zeigt auch, dass auf diese Weise das Industriekapital die Chancen des Marktes für ökologische Produktion erkannte und sich allmählich „der Sache annahm“, mit den bekannten Konsequenzen. Der Fortschritt, den die Produktion unter Berücksichtigung ökologischer Erkenntnisse bedeutet, stelle ich trotzdem nicht in Frage!


    Aus meiner Sicht haben selbstverwaltete, genossenschaftliche Experimente nur dann eine Perspektive, wenn sie sich auf eine vergleichbare „Konsumentenbewegung“ stützen können, die bewusst Produkte/Waren aus solchen Betrieben kauft … in den Grenzen ihrer Möglichkeiten auch dann, wenn sie teurer sind. Es müsste dann, ein dem „Bio“ vergleichbares Qualitätssiegel geben: in selbstverwalteten Betrieben produziert! Nur auf der Basis eines ökonomischen Markterfolgs hätten die Selbstverwaltungsexperimente den Raum, sich zu entwickeln (hierarchisch-festgefügte innerbetriebliche Arbeitsteilung überwinden etc.)
    Soweit mir bekannt hält sich Zanon in Argentinien nur gestützt auf eine solche gesellschaftlich-politische Unterstützung. Und ähnliches gilt auch für die große Kooperative Cecosesola in Venezuela. Im Fall Cecosesola ist ebenfalls von Bedeutung, dass dieses Projekt in einer Situation existentieller Bedrohung durch den Staat finanzielle Unterstützung erhielt.


    Etwas unterscheidet natürlich ökologische Produktion von selbstverwalteter, genossenschaftlicher Produktion: erstere zielt nur auf das „alternative Produkt“ letztere zielt auf andere Produktionsverhältnisse! Gäbe es also eine „Konsumentenbewegung“, die nach Produkten, die selbstverwaltet-genossenschaftliche produziert werden, verlangt, dann wäre das eben mehr als eine „Konsumentenbewegung“! Eine solche Bewegung kann überhaupt nur entstehen, wenn die Menschen nach selbstverwalt-genossenschaftlicher Produktion verlangen. Dass es keine solche Bewegung in genügender Breite gibt, hängt auch damit zusammen, dass große Teile der linksradikalen Bewegung in der selbstverwalteten, genossenschaftlichen Produktion kein Projekt sozialer Emanzipation sehen, sich lieber um Fragen der politischen Revolution streiten und am Aufbau einer bolschewistischen Partei oder vergleichbarer Kaderorganisationen abarbeiten.
    Der von dir verlangte „bewusste Prozess der Verarbeitung gemachter Erfahrungen“ findet leider sehr wenig statt. Darin gebe ich dir recht! Aber dem verweigern sich gerade auch die Kritiker selbstverwaltet-genossenschaftlicher Betriebe, die unbeirrt dem Weg der III. Internationalen folgen. Neben der Frage, ob wir es verstehen aus gemachten Erfahrungen zu lernen, bleibt die Frage, ob wir soziale Emanzipation grundsätzlich mit dem „Ideal“ selbstverwaltet-genossenschafllicher Produktion verbinden oder nicht, entscheidend. Von diesem „Ideal“ sollten KommunistInnen nicht lassen, auch wenn sie sich dabei blaue Flecken einhandeln.


    Grüße
    Robert

  • Mattis, Robert... ich versuche behutsam darauf hinzuweisen, dass "Kommunismus" oder besser: entscheidend höhere Niveaus von Kooperation und Lernen (Umgang mit Wissen, Wissenstradierung und -verbreitung, aktivem und passivem Wissenserwerb) auf (letztlich welt-)gesellschaftlicher Stufenleiter in Zukunft unter Umständen ein wichtiges, aber eben bloss EIN Moment unter etlichen darstellt, die alle zusammen (und sorgfältig ineinander gewoben) erforderlich sind, um über den derzeit erreichten und sich zunehmend als unzulänglich erweisenden Stand der materiellen und politischen Kultur hinauszukommen. Der Mangel an Kapital ist dabei im Augenblick NICHT der entscheidend limitierende Faktor, im Gegenteil, ich deute ja ständig an, dass nach meiner Erfahrung die Bereitschaft (gerade auch unter älteren Linken, für die "Revolution", wenn überhaupt, jedenfalls nicht mehr der einzige Punkt auf der Tagesordnung ist) sogar erfreulich gross ist, in zukunftsweisende Projekte mit Schenkungen zu "investieren" - wenn da welche wären. DASS da sowenig ist, hängt mit der System-Struktur einer gelingenden Kultur-Entwicklung zusammen: Die Synergien fehlen, die Einzelstränge, die allesamt erforderlich sind, müssen derzeit getrennt entwickelt werden. Die Energien, die DAFÜR wiederum nötig sind, werden nicht einfach mit einer "Kritik" der herrschenden Verhältnisse entfesselt - da muss schon aus der reif und alt gewordenen Gesellschaft etwas den neuen Aufgabenstellungen entgegenwachsen. Genau das ist, wie ich denke, derzeit auch der Fall (ich habe das aber noch nicht dargestellt). Und wie immer bisher geschieht es an Stellen, wo kein Anhänger der etablierten Epochenkultur es vermuten würde. - "Was können Menschen da schon ausrichten (aber warum sollten sie auch...)?" hätte jeder ernsthaft Glaubende (und Gebildete) gegen technische Spielereien namens "Experimente" noch im 17.Jahrhundert eingewandt - Naturwissenschaft war da gut und schön, aber letztlich so unerheblich wie andere "Künste" auch (verglichen mit den Anliegen des Glaubens). So heute. Das Unerhebliche heute ist die Privatsphäre - jenseits von Beruf und Markt. Niemand rechnet ernsthaft damit, dass sich ausgerechnet dort (ohne grössere Arbeitsteilung und in zunehemnd autarker Selbstversorgung)eine epochal neue und robuste Lebensform herausbilden könnte. Und theoretische Analysen, die darauf hindeuten, sind derzeit nicht verfügbar.


    Alle bisherige Kritik der Kollektivbetriebe setzt voraus, dass die in ihrer Produktionsweise grundsätzlich genauso verfahren wie die normalen, bloss eben "anders organisiert". Sie sind dann gegen ihren Willen gezwungen, sich in die mit überwältigender Mehrheit "anders", kapitalistisch, organisierte gesellschaftliche Arbeitsteilung via Kaufen und Verkaufen einzugliedern. Darin folgen sie den anderen Organisationsmodellen für kommunistische Projekte, die von Linksradikalen bisher vorgeschlagen und erprobt wurden: Mehr oder weniger umfangreich wird moderne Technologie und gesellschaftlich-arbeitsteilige Produktionsweise übernommen, bloss unter andern Eigentumsverhältnissen und auf andere Zwecke zu organisiert. Das alte Histomat-Dogma, dass gerade die veränderten Produktionsverhältnisse grundsätzlich NEUE Entwicklungen auf Produktivkraftseite bewirken, bewährt sich hier gerade nicht.
    (Anm. Der historische Materialismus hat sehr wohl eine theoretische Lücke in unserem Verhältnis zur Geschichte gesehen (und lässt sie, im Mass, wie er in den Hintergrund tritt, aufklaffen), aber er ist seinem eigenen Anspruch, wie ich meine, nicht gerecht geworden (und hat sich darum als unzulänglich erwiesen). Er hat nämlich bei jeder historischen "Formation", die er glaubte ausgemacht zu haben, das Produktionsverhältnis benannt, aber nicht die dazu gehörende je besondere Art der Produktivkräfte oder Produktivkraft-Verwendung (und die Gründe der Beschränkung, der die charakteristischerweise jeweils unterlagen). Das lag unter anderm daran, dass er - hier ganz dem traditionellen Aufklärungs-Diskurs folgend - technische Entwicklung eher nicht für etwas qualitativ gebrochenes und artikuliertes
    hielt, sondern etwas vorstellte wie ständiges Wachstum, quasi Druckaufbau durch schiere Masse an Innovationen, die dann an die Decke einer jeweils zu primitiv gewordenen (technisch nicht mehr angemessenen) Eigentums- und damit Arbeitsteilungs-Organsiation stiess und sie wegsprengte. Anm.Ende)


    Es ist kaum bisher analysiert worden (und da sehe ich einen gravierenden Mangel), inwiefern die moderne Produktionsweise selbst ein Problem darstellen könnte - eines, das kapitalistisch aber gerade NICHT überwunden werden kann, vielmehr kollektives Planen und Wissenserwerben ZWINGEND (neben anderem) für eine solche Überwindung voraussetzt.
    Dabei sind die Mängel dieser (modernen) Produktionsweise (die noch erheblich mehr ist, nämlich ein ganzes Weltverhältnis, so wie einmal das religiöse) immer mitbenannt, wenn die einfache Liste der grundlegendsten Mängel der KAPITALISTISCHEN Wirtschaftsform aufgestellt wird:
    Nicht ökologisch (weil Natur, technomorph besprochen und begriffen, als technisch zu simulierende und in gewissem Sinn allererst zu entwickelnde verstanden wird)
    Ungleichzeitigkeiten/Ungleichgewichte/ungute Arbeitsteilungen zementierend (weil all diese Formen nicht einmal begriffen sind) statt sie abzubauen
    nicht bedürfnisgerecht (weil auf Bedürfnisse bis huete nich tgeachtet und ihnen nicht stattgegeben wird, sodass sie auch wieder kaum noch wahrgenommen werden).


    Die epochalen Gebrechen des Weltverhältnisses (der Wissenschaft), der Art der Produktivkräfte (Technologien) und Art der Arbeitsorganisation der Moderne sind durch Kommunismus NICHT zu beheben; und das, obwohl (wie ich denke) nicht-autoritärer Kommunismus das der Moderne angemessene Produktionsverhältnis ist.
    Genau darum habe ich in meinen früher hier veröffentlichten Texten gesagt, dass das umstürzend Neue bei der Behebung dieser Mängel bei weitem unterschätzt wird.
    Der Weg über die kleinen Produktionseinheiten, die sich zu grösseren zusammenschliessen, ist keine mehr oder weniger ungeschickte Strategie zum Aufbau des Kommunismus, obwohl dieser Aufbau, wie ich behaupte, anders als kommunistisch, also als freie Assoziation der Produzenten, die im Innenverhältnis komplett eigentumsfrei gemeinsam wirtschaften, nicht zu bewältigen ist und daran eine zentrale Voraussetzung hat. Es ist vielmehr das UNERLÄSSLICHE Durchgangsstadium zu einer weltweiten nachmodernen Produktionsweise: radikal ökologisch - radikal auf den Abbau von Ungleichzeitigkeiten/Ungleichgewichten/unguten Arbeitsteilungen orientiert - radikal bedürfnisorientiert (nicht nur der Menschen als Konsumenten, sondern VOR ALLEM als Arbeitende; von diesen Bedürfnissen ist bei euch eigenartigerweise nie die Rede).
    Um da gleich zu beginnen, was in dieser Schärfe den Kommunarden von Owen bis Kaufungen nie vor Augen gestanden haben dürfte: Eine radikal naturnahe und freie Zeit ermöglichende landwirtschaftliche Produktionsweise (Einrichtung dauerhafter Nutzpflanzenbiotope) ist extrem stark an LOKALE Vorgaben und deren experimentierender Erforschung gebunden. Es ist eine Produktionsweise, für die es im Prinzip keine wirklich entwickelten Vorbilder gibt (abgesehen von der Permakultur-Bewegung).
    Sie KANN nicht anders in grösserem Masstab aufgebaut werden als durch lokal und nahe an ihrer Anbaufläche lebende produzierende Gemeinschaften, die sich in die Anforderungen ihres Geländes vertiefen (und ihre Erkenntnisse für eventuell nachrückende andere Kommunarden ständig protokollieren). Die Produktion solcher Gruppen beruht auf gemeinsamem und gemeinsam organisierten Wissenserwerb. Da sie an einem natürlichen "System" arbeiten, wo jeder Eingriff "systemische" Rückwirkungen haben kann, müssen alle alles Wichtige über das von allen beobachtete und gelenkte System wissen. Sie können also nie allzu arbeitsteilig werden, noch können sie hierarchisch arbeiten, denn es gibt (ausser dem protokollierten Wissen über das Verhalten der angebauten Sorten und Kombinationen im betreffenden Gelände) und öffentliche Datenbanken über möglicherweise alternative einsetzbare Sorten/Arten und mögliche Techniken und Ideen zur Mikroklima-Anpassung und Reduktion biologischer Ungleichgewichte und Instabilitäten (was heute Schädlingsbekämpfung heisst) kein "hierarchisch" organisierbares Wissen.
    Am Markt finden diese Leute wenig geeignete Gerätschaften für IHRE Art der Landbearbeitung vor - allenfalls solche, die sie ziemlich einfach auch selbst herstellen können. Mit Geld kommen sie deshalb auch nicht sehr weit. Die meisten Sorten, die sie einsetzen, sind eh so selten, dass sie sie selbst vermehren müssen. F1-Hybride und Samentütchen aus dem Gartenbaumarkt helfen ihnen nicht weiter. (Das gilt auch für den Neuaufbau naturnaher und lokal erzeugbarer Rohmaterialien und entsprechender Fertigungslinien (vgl. den von Robert zitierten Herrmann Fischer; der hier allerdings weit den tatsächlich vorliegenden Entwicklungsresultaten vorgreift), die in den Gesamtaufbau der naturnahen Land-Kultivierung und ihrer Verwertung in regionalen Lebensformen integriert werden müssen.)


    Ganz entscheidend ist die Zielsetzung, die sich mit dem naturnahen Anbau unmittelbar verbindet: Ein eingerichtetes Nutzpflanzenbiotop erfordert DEUTLICH weniger Arbeit (stattdessen eher: Beobachtung, lenkende Eingriffe) als traditioneller Garten- und Landbau. Wenn nicht in dieser Weise produziert wird, entstehen somit nie die Freiräume, die Kommunarden für ihre Weiter-Arbeit benötigen: erstmal am Ausbau ihrer Autarkie in immer weiteren, bedürfnisnahen Bereichen (auch entlang den Optionen, die ihnen daraus erwachsen, dass sich ihnen mehr Leute, auch mit ihrem Eigentum, anschliessen); und: für Weiter-Arbeit an ihrer Vergesellschaftung, vor allem Abbau der Gefälle zu Trägern anderen, historisch zurückgebliebenen Mentalitäten (durch Verständigung mit ihnen) und Aufhebung des Unterschieds zwischen Kommune-Menschen und den andern. In dieser Arbeit wird den Kommune-Mitgliedern ihre eigene historische Stellung begreiflich, und zwar nicht etwa nur einigen Spezialisten, sondern allen zusammen. Ebenso lernen alle im langsamen, sorgfältigen, kontinuierlichen Ausbau der Kommune-Reproduktion diese ihre Reproduktion technisch zu beherrschen und immer weiter organisatorisch für alle Beteiligte transparent und kontrollierbar zu gestalten. (All das hat unter anderm die Konsequenz, dass jedes Kommune-Mitglied jeden Neuankömmling, angefangen beim eigenen Nachwuchs, in gleicher Weise wie jedes andere Mitglied in die Kommune-Lebensform einführen und die dafür wesentlichen Kenntnisse vermitteln kann. Unterrichten geschieht im Alltag.)
    Bedürfnisorientierung gibt dabei für alle Zwecke, die sich die Kommunarden dann konkret setzen, den Takt und die Richtung vor. (Bedürfnisse, die sich auf die Art des Produzierens richten, werden gleichrangig mit "Konsumtionswünschen" behandelt. Genauer: das GANZE des Lebens wird als bedürfnis-bestimmt behandelt.) Das heisst: Die Grenzen für zwangloses Leisten setzen die Grenzen für ihr Tun, sie überfordern sich nicht; die Interessen, die sich aus ihrer Geschichte ergeben, und die Aufmerksamkeits-Spielräume, die sich dabei zwanglos öffnen, geben die Richtung vor. Dabei gibt es eine ganz einfache Regel, die Produktion und Konsumtion verbindet: Niemand wird mehr irgendwas zu konsumieren kriegen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, das er nicht selbst zu produzieren oder zu erbringen bereit wäre (von körperlichen Handicaps abgesehen).
    Anders gesagt: Es handelt sich um eine komplett andere Produktionsweise, die erstmal neu aufzubauen ist.
    Was Owen angeht, möchte ich noch anfügen, dass wir eben auch 200 Jahre weiter sind. Nicht nur was die Programmatik angeht, sondern auch, was die Kritik der damals noch recht jungen kapitalistischen Moderne betrifft. Und die Bereitschaft auch Vermögender, mitzuhelfen, dass Lebenformen entstehen, die daraus herausführen.
    Was Niederkaufungen betrifft, so sind deren Erfahrungen mit einem Übermass an Mediation Ausgangspunkt von komplett anders ansetzenden Formen und Strategien der Gemeinschaftsbildung, von denen hier noch überhaupt nicht die Rede war. (Es kommen eben SEHR viele Elemente zusammen...)

    The post was edited 2 times, last by franziska: Korrektruen übersehener Syntax-Fehler ().

  • Der Mangel an Kapital ist dabei im Augenblick NICHT der entscheidend limitierende Faktor, im Gegenteil, ich deute ja ständig an, dass nach meiner Erfahrung die Bereitschaft (gerade auch unter älteren Linken, für die "Revolution" nicht der einzige Punkt auf der Tagesordnung ist) sogar erfreulich gross ist, in zukunftsweisende Projekte mit Schenkungen zu "investieren" - wenn da welche wären.

    Hallo Franziska,
    wahrscheinlich gibt es da ein Missverständnis zwischen uns. Wenn ich von selbstverwaltet-genossenschaftlichen Experimenten spreche, dann meine ich damit weniger die Gründung kleiner Alternativbetriebe als die Aneignung bestehender Betriebe durch die lohnabhängige Belegschaft, wenn diese stillgelegt werden. Um ein Beispiel zu bringen:
    Als in der Krise zu Beginn der 1980iger Jahre in Bochum und Hattingen eine Firma der Metallverarbeitung (Gesenkschmiede, Fertigung von Flanschen) dicht machte, für die ich als Maschinenschlosser arbeitete, wurde die Firma besetzt und es gab in Belegschaft und IGM Diskussionen über eine Weiterführung der Produktion "in eigener Regie". Die IGM ersann eine "Belegschaftsmodell", dass dann auch mit den Banken verhandelt wurde. Die Banken verweigerten eine Unterstützung und damit war die Sache gestorben.
    Die Produktionsmittel der Firma bestanden vor allem aus riesigen Schmiedehämmern, Bohr- und Drehautomaten. Mögen Linke auch noch so "investitionsfreudig" (Schenkungen) sein, sie dürften weder in der Lage sein solche Maschinen zu kaufen, noch die Kreditlinien für das laufende Geschäft eines solchen Betriebes sicher zu stellen. Aus meiner Sicht geht es aber wesentlich um die Aneignung und Veränderung der bestehenden industriellen Produktion, wenn man den Kapitalismus überwinden will. Ich glaube nicht an die Möglichkeit/Perspektive einer breiten gesellschaftlichen Bewegung zur Gründung von Alternativbetrieben neben der industriellen Produktion. Ich bin überzeugt von Möglichkeit und Notwendigkeit einer breiten gesellschaftlichen Bewegung von Lohnabhängigen, die Aneignung bestehender Betriebe bezweckt. Die kann sich meiner Meinung nur entwickeln in einer tiefen ökonomischen Krise, wenn massenhaft Betriebe stillgelegt werden. Als einzelne Experimente sind solche selbstverwaltet-genossenschaftlichen Betriebe aber auch schon vorher möglich. Pleiten gibt es ja genug.
    Einigermaßen überlebensfähig sind sie aber nur, bei entsprechender gesellschaftlicher Unterstützung, wie ich sie in meinem vorigen Beitrag kurz angesprochen habe. Damit sowas aber überhaupt passieren kann, muss es natürlich zu entsprechenden Diskussionen unter den Lohnabhängigen kommen, muss in der selbstverwaltet-genossenschaftlichen Produktion eine emanzipatorische Perspektive erkannt werden. ... und wer sollte solche Diskussionen anregen und fördern, wenn nicht die KommunistInnen?
    Meine Vorstellungen und Erwartung sind also auf der einen Seite sehr viel bescheidener als deine (was da tatsächlich als Veränderung erstmal möglich ist) und auf der anderen Seite gehen sie weit über das hinaus, was dir offenbar vorschwebt (gesellschaftliche Unterstützung und Bewegung).


    Viele Grüße
    Robert

  • Mein Argument zielte auch mehr auf Mattis und frühere Bemerkungen von ihm. Zentral gegen meine Ausführungen gerichtet ist aber bei dir, Robert, natürlich folgende Passage:

    Aus meiner Sicht geht es aber wesentlich um die Aneignung und Veränderung der bestehenden industriellen Produktion, wenn man den Kapitalismus überwinden will. Ich glaube nicht an die Möglichkeit/Perspektive einer breiten gesellschaftlichen Bewegung zur Gründung von Alternativbetrieben neben der industriellen Produktion.

    Meine Erwiderung geht (ich wiederhole es) dahin, dass die bestehende industrielle Produktionsweise in eine ökologische Katastrophe führt (da sind mindestens die Korrekturen mit Blick auf AgrarINDUSTRIE LebensmittelINDUSTRIE Chemie (im allgemeinsten Sinne, also auch Bergbau- und Hütten-, Erdöl-verarbeitende) INDUSTRIE EnergieINDUSTRIE TransportINDUSTRIE und Verwendung von deren Produkten in anderen INDUSTRIEbranchen fällig, die ich angedeutet habe; die Gründe dafür sind nicht politischer sondern TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHER Natur.) Des weiteren ist diese Produktionsweise immer noch arbeitsaufwendig in einem Mass, die die emanzipatorische Selbstorgansiation (und vor allem Auseinandersetzung ihrer als Minderheit mit ihrer andersgearteten Umgebung) der Produzenten unmöglich macht. Viele "Bedürfnisse" in einer Industriegesellschaft sind Notwendigkeiten zur Kompensation von Schäden und/oder Meisterung von Herausforderungen (Transport, Energie-Aufwendigkeit)), die aus der (marktwirtschaftlich noch zugespitzten, aber prinzpiell nur in relativ engen Grenzen "verbesserbaren") industriellen Produktionsweise selbst herrühren: Immer mehr Technik wird nötig, um Technikfolgen zu eliminieren. Die technisch definierten Notwendigkeiten der Industrieproduktion widersprechen elementaren Bedürfnissen nach einer menschengemässen Lebensführung, sie schreiben zugunsten einer angeblich Konsum-begünstigenden Produktivität extrem vereinseitigte Arbeitsformen fest - was sich die Leute an Konsum dabei schenken, haben sie sich - meist im Übermass - vorher durch bedürfnis-ignorierende Produktionsweisen genommen. Das industrielle Elend setzt sich dann in die sog. Freizeit fort - dort darf ja dann wieder nichts "ernstzunehmendes" stattfinden, weil alles wirklich Ernsthafte weil Produktive bekanntlich Selbstverleugnung und Verausgabung bedeutet.


    Es ist hier aber, wie ich auch shcon gesagt habe, nicht darauf zu setzen, dass Konsequenzen aus einer KRITIK der Technik gezogen werden, vielmehr sind da draussen massenhaft menschen unterwegs, die, ohne bereits sich gross einen Begriff davon gemacht zu haben, die ihnen aufgezwungene zeitgenössische Lebensform in fast all ihren Aspekten ablehnen und verzweifelt etwas anderes suchen.
    Die sind es, von denen ich sagte: einer nach-modernen Lebensform muss ein gesellschaftliches Bedürfnis nach ihr entgegenkommen.

    The post was edited 1 time, last by Kim B.: Korrektur Schreibfehler letzter Satz ().

  • Meine Erwiderung geht (ich wiederhole es) dahin, dass die bestehende industrielle Produktionsweise in eine ökologische Katastrophe führt (da sind mindestens die Korrekturen mit Blick auf AgrarINDUSTRIE LebensmittelINDUSTRIE Chemie (im allgemeinsten Sinne, also auch Bergbau- und Hütten-, Erdöl-verarbeitende) INDUSTRIE EnergieINDUSTRIE TransportINDUSTRIE und Verwendung von deren Produkten in anderen INDUSTRIEbranchen fällig, die ich angedeutet habe; die Gründe dafür sind nicht politischer sondern TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHER Natur.) Des weiteren ist diese Produktionsweise immer noch arbeitsaufwendig in einem Mass, die die emanzipatorische Selbstorgansiation (und vor allem Auseinandersetzung ihrer als Minderheit mit ihrer andersgearteten Umgebung) der Produzenten unmöglich macht. Viele "Bedürfnisse" in einer Industriegesellschaft sind Notwendigkeiten zur Kompensation von Schäden und/oder Meisterung von Herausforderungen (Transport, Energie-Aufwendigkeit)), die aus der (marktwirtschaftlich noch zugespitzten, aber prinzpiell nur in relativ engen Grenzen "verbesserbaren") industriellen Produktionsweise selbst herrühren: Immer mehr Technik wird nötig, um Technikfolgen zu eliminieren. Die technisch definierten Notwendigkeiten der Industrieproduktion widersprechen elementaren Bedürfnissen nach einer menschengemässen Lebensführung, sie schreiben zugunsten einer angeblich Konsum-begünstigenden Produktivität extrem vereinseitigte Arbeitsformen fest - was sich die Leute an Konsum dabei schenken, haben sie sich - meist im Übermass - vorher durch bedürfnis-ignorierende Produktionsweisen genommen. Das industrielle Elend setzt sich dann in die sog. Freizeit fort - dort darf ja dann wieder nichts "ernstzunehmendes" stattfinden, weil alles wirklich Ernsthafte weil Produktive bekanntlich Selbstverleugnung und Verausgabung bedeutet.

    Hallo Franziska,
    meiner Meinung nach gibt es ja jetzt schon ein Vielzahl ökologischer Katastrophen. Damit meine ich nicht nur Unfälle, die schon allgemein als Katastrophen wahrgenommen werden (Atomkraftwerke, Öltanker, Chemieunfälle etc.) sondern auch die Folgen der „normalen“ ökonomischen Entwicklung. Es gibt also keinen großen Widerspruch zwischen uns, was das Bedrohungspotential der bestehenden industriellen Produktion anbetrifft.
    Wie mir scheint, gibt es 2 wichtige Widersprüche zwischen uns:
    1. Im Unterschied zu dir gehe ich davon aus, dass die Umwälzung der bestehenden industriellen Produktion eine soziale Revolution voraussetzt, die Enteignung und Aneignung bedeutet. Nur dann werden jene "Korrekturen" möglich, die du "mindestens" verlangst. Ich glaube weder, dass die bestehende industrielle Produktion in Summe einfach „abgeschaltet“ werden kann, wie jetzt AKWs abgeschaltet werden, noch dass in Summe alternative Produktionsweisen sich neben der bestehenden industriellen Produktion im Kapitalismus etabliereren und durchsetzen lassen (etwa vergleichbar der Energiegewinnung aus Windkraft, Sonneneinstrahlung etc., die jetzt in Deutschland die Atomenergie verdrängt). Selbst das Beispiel der „Energiewende“ zeigt, dass diese nicht möglich war, ohne zähen und energischen Widerstand und eine politische Bewegung mit breiter gesellschaftlicher Unterstützung! Den neuen „Königsweg“ des „Seiteneinstiegs“ (Joscha Schmierer zu Beginn der 1980iger Jahre) halte ich für eine Illusion!
    2. Du zählst da eine ganze Palette von Industrien auf, deren Produktion unter ökologischen Gesichtspunkten verheerend und deren Produkte eigentlich überflüssig seien. Mit so einem allgemeinen Rundumschlag bin ich nicht einverstanden! Da muss die Auseinandersetzung konkreter werden. In Auseinandersetzungen vermisse ich oft die notwendigen „technischen-wissenschaftlichen“ Kenntnisse (und welche wären das? auch die „technisch-wissenschaftlichen“ Erkenntnisse sind umstritten! Ein allgemeiner Bezug darauf ist wenig hilfreich!) von denen du da sprichst. In den 1980iger Jahren habe ich mich intensiv mit Mumford, Ullrich etc. auseinandergesetzt (Ergebnis war eine kleine Broschüre unter dem Titel „Arbeit, Automation und soziale Emanzipation“). Die Kritik, die da am „Industriesystem“ geführt wurde, halte ich jedenfalls über weite Strecken für falsch und sie weist konsequent den Weg zurück in eine (idealisierte) handwerkliche Produktionsweise. Auch du siehst - wie die genannten Autoren - offenbar das Grundübel in der industriellen Produktion und nicht in den Produktionsverhältnissen. Gleichgültigkeit, Rücksichtslosigkeit gegenüber Mensch und Natur ist aber vor allem ein soziales und kein technisches Problem! Eine soziales Problem, dass in Entwicklung und Anwendung bestimmter Technik allerdings einen seiner Ausdrücke findet. Auch die Industrie ist von Menschen gemacht ... unter ganz bestimmten gesellschaftlichen Voraussetzungen, bestimmten Verhältnissen, die die Menschen bei der Reproduktion ihres Lebens eingehen.
    Du erwähnst da auch die „Hüttenindustrie“ und das betrifft die gesamte Metallverarbeitung und deren Produkte, in der ich mich einigermaßen auskenne. Das wäre so ein Beispiel, dass wir konkret diskutieren könnten. Da ich aus der Vergangenheit weiß, dass manche „Alternativen“ zum "Industriesystem" glatt auf den Verzicht von Stahlerzeugung hinauslaufen, würde ich von dir gern wissen, wie du dir welche Veränderungen vorstellst … mit welchen Konsequenzen.


    Soweit, so kurz.


    Viele Grüße
    Robert


    p.s.: Du sprichst von „Bedürfnissen“ die nur der Kompensation dienen, um das alles aushalten und mitmachen zu können. Die kompensatorische Wirkung gilt aber für jede erfolgreiche Bedürnisbefriedigung im Kapitalismus, auch jener Bedürfnisse, die auch im Kommunismus befriedigt sein wollen!!
    Wenn Menschen im Kapitalismus erfolgreich ihr Bedürnis z.B. nach Nahrung oder Wohnung befriedigen können, dann hat das eine „kompensatorische Wirkung“. Will sagen, diese Menschen sind eher bereit, das System der Lohnarbeit, das fremde Kommando über ihre Arbeitskraft, die enormen Belastungen in dieser fremdbestimmten Arbeit etc. - mit einem Wort: die Produktionsverhältnisse - zu akzeptieren. Solange das einigermaßen funktioniert, sind sie auch eher bereit das Risiko zu tragen, etwa die Wohnung in der Krise zu verlieren usw. Solange das für die große Masse der Lohnabhängigen einigermaßen funktioniert, sind sozialrevolutionäre, kommunistische Bestrebungen auf Minderheiten beschränkt, die ihre Kraft vor allem aus radikaler theoretischer Kritik ziehen (dabei ist es zunächst unerheblich, ob diese theoretische Kritik richtig oder falsch ist. "Papier ist geduldig!" Die bunte Vielfalt solcher Kritiken heute zeugt aber von der geringen Überzeugungskraft, die von den verschiedenen Ansätzen ausgeht.)
    Der "große Aufbruch" der Arbeiterbewegung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts - die Stärke kommunistischer Tendenzen in einer sich stürmisch entwickelnden Arbeiterbewegung - hat eben ihre gesellschaftliche Grundlage in Zuständen, wie sie Engels etwa in der "Lage der arbeitenden Klasse in England" oder Marx in Kapital Bd. 1 beschrieben haben (Wenn du das nochmals liest - was ich gerade wieder mache -, wirst du feststellen, dass Mangel an so ziemlich allem die Situation prägte). Einer kompensatorische Wirkung erfolgreicher Bedürfnisbefriedigung (Wohnung, Ernährung etc.) fehlte damals so ziemlich jede Grundlage. Daraus schlussfolgere ich keinen Automatismus eines neuen "großen Aufbruchs", wenn die Arbeits- und Lebensverhältnisse für LohnarbeiterInnen heute immer bedrückender werden. Aber eine solche "Präkarisierung" dieser Verhältnisse ist eine notwendige objektive Bedingung für einen neuen Aufbruch. Von der subjektiven Seite muss eine überzeugende Kritik und Programmatik hinzukommen ... und darum ist es nicht gut bestellt.)
    Die Kompensation hängt also weniger an der Art des Bedürfnisses, sondern vielmehr an der Frage, ob das Bedürfnis erfolgreich befriedigt werden kann oder nicht. Im Kapitalismus wirkt ein gutes Essen oder eine nette Wohnung genauso kompensatorisch wie exzessive Besäufnisse etc. So sehe ich das jedenfalls mit meinem naiven Materialismus.

  • Hallo franziska,


    du sagst: "dass die bestehende industrielle Produktionsweise in eine ökologische Katastrophe führt (da sind mindestens die Korrekturen mit Blick auf AgrarINDUSTRIE LebensmittelINDUSTRIE Chemie (im allgemeinsten Sinne, also auch Bergbau- und Hütten-, Erdöl-verarbeitende) INDUSTRIE EnergieINDUSTRIE TransportINDUSTRIE und Verwendung von deren Produkten in anderen INDUSTRIEbranchen fällig, die ich angedeutet habe; die Gründe dafür sind nicht politischer sondern TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHER Natur.) "


    Du sprichst von der bestehenden industriellen ProduktionsWEISE und leitest diese aus ihrer wissenschaftlich technischen Natur ab. Das halte ich für logisch nicht haltbar. Wissenschaft und Technik sind zwar eine notwendige Bedingung für die gegenwärtige Produktionsweise aber nicht hinreichend um sie zu bestimmen. Um das zu tun musst du schon den Zweck dieser Produktionsweise, die Geldvermehrung, mit hinzufügen. Erst aus dieser unheilvollen Verbindung folgen die von dir aufgezählten Schädigungen.


    Die durch Wissenschaft und Technik bestimmten Notwendigkeiten richten sich nur dann gegen die Bedürfnisse der Menschen, wenn sie den Menschen aus den Händen gleiten, wenn sie außerhalb des Entscheidungsbereiches der Menschen ein von Spezialisten geführtes Eigenleben führen. Ich denke wir Menschen haben von der Industrie an sich nichts zu befürchten und erst recht nicht, wenn Industrie in überschaubaren Kommunen stattfindet.


    Momentan gibt es, soweit ich es sehen kann, im wissenschaftlich-technischen Bereich zwei Entwicklungen in der industriellen Produktion. Die eine ist die Tendenz zur Vollautomatisierung durch Roboter und die andere zur Miniaturisierung, was heißen soll, dass Produkte in Kleinstfabriken erzeugt werden können. Letztere Tendenz kommt der Kommunalisierung und Demokratisierung einer Gesellschaft sehr entgegen. Denn wohl alle Konsumprodukte (Nahrungsmittel ohnehin) können zukünftig in einer Kommune hergestellt werden.


    Produktionsmittel, Transportfahrzeuge, Gewinnung gewisse Rohstoffe und Nahrungsmittel etc. hingegen müssen weiter interkommunal hergestellt werden, wobei dies in ein paar hundert Jahren wohl voll automatisiert ablaufen wird. Diese Produktion muss zwischen den Kommunen abgestimmt werden (z.B. durch Verträge, s. Pfreundschuh). Vor Unkontrollierbarkeit oder Verselbstständigung dieser Produktion im großen Maßstab muss sich indes niemand fürchten, der über einen gewissen geistigen Stand an Mathematik, Physik und Informatik verfügt. Deshalb muss, wie es das „Bochumer
    Programm“ schon tut, die Zielsetzung der Kommunalisierung eine umfassende Bildung und Ausbildung mit enthalten.


    Beste Grüße


    Kim

  • Hallo franziska,


    deinen Optimismus in Sachen Selbstversorgung aus radikal-ökologischem Anbau kann ich nicht nachvollziehen.
    Ich rede dazu nicht nur theoretisch daher. Ich kann dir erzählen, was für eine Plackerei es war, Kartoffeln und Gemüse selbst anzubauen für den kompletten eigenen Jahresbedarf, und zwar nur mit Spaten, Gabel und Händen. Streu doch bitte hier niemandem Sand in die Augen mit leeren Verheißungen, schon gar nicht der Art, dass man dann „mehr Zeit“ hätte! Die meisten Selbstversorger-Ansätze werden mich da bestätigen (oder sie schummeln).
    Solche Selbstversorger-Ansätze gibt es übrigens gar nicht so wenige, und die sind meistens ganz gut vernetzt und tauschen ihr Wissen gut aus, altes tradiertes und ebenso auch neu hinzu gekommenes - es stimmt also nicht, wenn du sagst, da müssten noch wer was für Strukturen entwickelt werden. Auch die Niederkaufunger haben ihre Bioanbau-Abteilung, und die haben nicht gerade wenig Ahnung, aber mit weniger als 8 Stunden Arbeit pro Tag kommen die letztenendes auch nicht aus. Wenn du das alles nicht aussagekräftig findest, weil du eine ganz neue ideale Form des Arbeitens gefunden hast, die solche Begrenztheiten nicht mehr kennt, dann verstecke dieses Wissen nicht, sondern stelle es zur Verfügung.


    Ich jedenfalls bin kein „Industrie“-Gegner, ich fände z.B. landwirtschaftliche roboterähnliche Maschinen super, die Unkraut „manuell“ jäten und dabei behutsam vorgehen und überdies so leicht sind, dass der Boden nicht zusammengedrückt wird. Für solche und ähnliche Dinge würde ich - in einer vernünftigen Gesellschaft - gerne einen gewissen Anteil meiner Arbeitszeit im industriellen Bereich arbeiten, so schlimm oder entfremdend im Vergleich zur Feldarbeit muss das ja gar nicht sein. Immer wenn ich sehe, wie hier in der Nähe ein Biobetrieb nur deshalb ökonomisch halbwegs klarkommt, weil billige Helfer aus Polen sich wieder mal auf den Feldern den Rücken krumm machen für Stundenlöhne mit garantierter Altersarmut, wird mir das wieder sehr bewusst.


    Zum Abschluss zwei Fragen: 1. Benutzt du eine Waschmaschine? 2. Funktioniert dein PC ohne Elektronik?

  • Mattis, ich bin nicht im geringsten optimistisch. Ich spreche von absoluten Zwängen und Notwendigkeiten.
    Die Frage der Bodenbearbeitung ist in der Tat ein Kernthema. Eigenartigerweise hast du, Mattis, das Stichwort, das selbst ich in meinen spärlichen Hinweisen genannt habe, garnicht erwähnt: Permakultur. Man könnte auch sagen: Renaturierende Rekultivierung. Der "Bio-Landbau", den du deinerseits anführst, folgt in fast allen entscheidenden Hinsichten dem konventionellen. Die Bodenvernichtung und der Einsatz von immer mehr Technologie bei sinkenden Erträgen ist garantiert. Am Ende steht Bodenverwüstung. Die sogenannten Biobauern kriegen das früher als die andern zu spüren, weil sie sich bei gleichem Ansatz selbst Grenzen gezogen haben, an die sie dann entsprechend früher stossen als die andern. Darum geben in Deutschland immer mehr Bioagrarbetriebe wieder auf, weil sie kostenmässig nicht überleben können. Darin liegt unter Umständen auch noch ein anderes Eingeständnis: Wirklich biologische Landwirtschaft (jenseits der Frage des Arbeitsaufwands) KANN nicht so "produktiv" betrieben werden wie heutige. Und die Bodenbearbeitungs-Roboter kannst du dann auch vergessen; von Plackerei kann ich (schon gar bei Kartoffeln? was arbeit-sparenderes als die gibts doch garnicht) derzeit in meinem Kollektiv nichts sehen. Und das entscheidende Argument hast du übersehen: Es gibt beim wirklich naturnahen Anbau zwar ein riesiges Inventar an Techniken, Sorten, Gesichtspunkten, die du kennen kannst; aber dein Gelände musst du dann selbst gestalten und sehen, was dort wie gedeiht. Und dann experimentierend das ganze verbessern. Insofern ist jeder, der irgendwo sowas anfängt, Pionier auf gerade DIESEM Stück Land. Solcherart eingerichtete Flächen, wenn sie zusammenwachsen, würden eine neue Art Kulturlandschaft bilden, nachdem die alte grossflächig (unter anderm eben wegen der grossen Flächen) vernichtet ist. Wir können gerne einen thread über Agrarbiologie aufmachen; das würde in der Tat meinem Vorschlag entgegenkommen, sich endlich einmal um die Produktivkräfte, vorweg die menschlichen, zu kümmern. Denn so wie die natürlichen, erschöpfen sich auch die menschlichen Ressourcen. Und das hängt nicht von irgendwelchen falschen Empfehlungen zur Auslegung der jeweils kollektiv geplanten "Industrien" ab: Ob eine industrielle Lebensmittelproduktion überlebensfähig ist, wird sich in wenigen Jahrzehnten weltweit, so oder so, entscheiden. Ob Menschen noch 3D-Drucker (und mit deren Hilfe Pistolen (wie neulicih berichtet; wie oft kann man damit schiessen? wenn man denn schiessen will)... oder, sagen wir: Gitarren (?) aus Hartplastik) bauen wollen, ob sie ihre Verständigung unbedingt mittels Internet betreiben und ihre Textilien weiter in der Waschmaschine waschen wollen (also mir täten zwei Waschzuber in der Tat reichen), das wird sich dann genauso erweisen. Kein demokratisches Procedere gleich welcher Art wird die Konflikte, die DA entstehen, beseitigen... Und zwar schon zwischen den Industriebefürwortern. Denn wieviel Aufwand will man denn für wieviel (zutiefst zweifelhaften) Produktivitätsgewinn treiben - vor allem, wenn VEREINFACHUNG niemals zu den gewählten technologischen Strategien gehören darf.
    Und, Mattis und Kim, es ist nicht bloss die Frage der (komplexen) Maschinen, als ob die sich mit Software alleine bauen (und nicht ein unübersehbar riesiges Fundament an tiefreichenden Fertigungsketten, Rohstoffen (nebenbei endlichen), Werkstoffen erfordern würden - ganz gewiss keine solchen, wie sie der von Robert zitierte "Ökopionier" Hermann Fischer angeführt hat - vom Energieaufwand noch ganz zu schweigen.)
    Die Frontlinien werden bald schon nicht mehr verlaufen zwischen kollektiv und privat; sondern zwischen industriell und nachindustriell. "Front" wird auch das nur kurz sein; denn die nachindustrielle Produktionsweise wird ihre Überlegenheit und Attraktivität als Lebensform unter Beweis stellen. Ich wiederhole: Diese Entwicklung hängt nicht von falschen oder richtigen "Empfehlungen" von Leuten wie mir ab; sondern ich prognostiziere, bestenfalls; wie Leute (die die Erfahrung von je etwa vier Generationen Modernisierung erben) massenhaft in Zukunft leben wollen, können solche wie ich (oder ihr) nicht beeinflussen.
    Bitte vergesst nicht meine Sätze oben: es gehört vieles und vielerlei zusammenwachsende Entwicklungslinien dazu, damit eine epochal andre Kultur robust und zukunftsfähig wird. Die Formen der Verständigung in der (technisch ermöglichten) "Öffentlichkeit" sind aus meiner Sicht BARBARISCH. Auch da rechne ich mit Veränderungen (was Sorgfalt und "Lebbarkeit" angeht), an die aus heutigen Perspektiven nicht im Traum gedacht wird.

  • Hallo franziska


    franziska: "Die Frontlinien werden bald schon nicht mehr verlaufen zwischen kollektiv und privat; sondern zwischen industriell und nachindustriell. "Front" wird auch das nur kurz sein; denn die nachindustrielle Produktionsweise wird ihre Überlegenheit und Attraktivität als Lebensform unter Beweis stellen."



    Gegen die Produktionsweise nach dem Prinzip der Permakultur ist methodisch gesehen nichts einzuwenden, ja sie scheint, mir zumindest, sogar ein angemessenes methodisches Reproduktionskonzept in einer kommunistischen Gesellschaft zu sein. Insbesondere in Bezug auf die landwirtschaftliche Produktion verliehe diese Methode den Kommunen wohl Autarkie und damit Sicherheit in der Grundversorgung. Aber, frage ich mich, warum soll das
    Konzept nicht auch auf die industrielle Produktion anwendbar sein? Warum sollte diese nicht einen ähnlichen kreislaufförmigen Charakter annehmen können, insbesondere dann, wenn Materialien verwendet werden, die sich immer wieder verwenden lassen oder solche die sich auf natürliche Weise regenerieren? Ob Vereinfachung, Langfristigkeit, Optimierung, Regenration, Nachhaltigkeit - das hängt doch alleine, meine ich, vom Gesichtspunkt des Wohlergehens der Menschen ab, und ob sich unter diesem Wissenschaft, Technik und Industrie nach jenen Aspekten ausrichten.


    Unter kapitalistischen Bedingungen ist es aber so, dass Wissenschaft und Technik fast ausschließlich auf Ausbeutung und Schädigung von Menschen und Natur und, schlimmer noch, militärische Zerstörung angelegt sind. Das hat aber weniger mit linear-kausalem Vorgehen zu tun, sondern mit den Interessen einiger Leute, einer Klasse, die ein recht angenehmes Leben sowohl auf Kosten der durch sie unterdrückten Menschen als auch der von ihnen zerstörten Natur führt, und die gleichwohl zur ständigen Geldvermehrung gezwungen ist.


    Deshalb halte ich das höhere sittliche Konzept der Permakultur, wie ich es bis jetzt per Wikipedia verstanden habe, welches das „System“ über den Menschen stellt, für eher reaktionär: Nicht Kapitalisten und ihre Staaten sondern das falsche "System" verursacht die Misere. Aber immer wenn’s was Höheres als den Menschen gibt, ist für diesen nichts Gutes zu erwarten, denn dann hat der auf einmal nichts mehr zu melden, weil es ja das „System“ so erfordert. Aber Menschen wollen die Gelegenheit haben sich kulturell weiter
    zu entwickeln, und auch mal einen Kreislauf, wenn es notwendig oder angemessen erscheint, durchbrechen bzw. aus einem System ausscheren. Deshalb brauchen sie weder Götter, noch Systeme noch das ZK der kommunistischen Partei über sich.


    Und noch etwas, franziska: die Permakultur ist ja langfristig angelegt. Und du meinst ja, dass nur mit diesem System und ohne Industrie die Menschheit
    überleben kann. Dann denkst du aber auch nicht sehr langfristig. Denn in ein paar hundert Millionen Jahren wird auch trotz landwirtschaftlicher Permakultur dieser Planet unbewohnbar sein. Und dann stellt sich die Frage: wohin mit den Menschen? Ohne Technik, Wissenschaft und Industrie wird’s da wohl kaum eine Lösung geben.


    Beste Grüße
    Kim

  • Oje Kim, da hast du aber etliches in einen ganz falschen Hals gekriegt, ich sortiers mal:
    1. Permakultur als "sittliches" Prinzip und höhere Moral? Davon war zumindest bei mir nicht die Rede. Ich wollte auch nur ein Stichwort für die Recherche sagen, mich wundert nicht, dass dabei auch viel Unfug mitläuft (bei den "Alternativen" ist das nicht anders als bei den radikalen Linken). Ich persönlich ziehe einen andere
    n Ausdruck vor, Rekultivierung durch renaturierung, den wirst du aber so im Internet nicht finden. Und das sind alles nur Einstellungen zu Anbaumethoden für Nahrung und eventuell auch Agrar-Rohstoffe. Das ist nicht unwichtig, aber es bleiben ja dann noch eine Menge an Produktionsaufgaben zu lösen.
    2. Dass man da an Kreislaufwirtschaften denkt, mehr als heute, ebenso wie an andere technologische Prinzipien wie Dezentralität, Robustheit, Modularität, "raffinierte Einfachheit", Energie-, Material- und Arbeitszeiteffizienz (dh sparsam damit umgehend) - das ist erst einmal nur als rationale Strategie (gewiss fehlt auch noch einiges) im Zusammenhang mit den von mir genannten Anforderungen gemeint. Weder fällt mir da etwas "Höheres" ein, dem sich die Vergesellschaftung zu fügen hätte - die Produktionsziele gehen ja allererst aus den Beratungen der assoziierten Produzenten hervor, die Prinzipien sind wahrscheinlich sogar Bedingunug fürs Sich-zusammen-Tun und Assoziieren - , noch bilde ich mir ein, dass sich da irgendwas von selbst fügt und ergibt. Wir müssen ns schon überlegen, was wir da tun, und darin einig sein.
    3. Bei der Analyse der Motive für den heutigen Gebrauch (und auch Nichtgebrauch) der verfügbaren Techniken schlage ich vor, den Blick zu weiten und auch solche Einstellungen mit einzubeziehen, die man eher "kulturell" nennen würde. Überhaupt ist das Verhältnis zwischen Technologie und Ökonomie, besser Politischer Ökonomie, bzw. den auf je beides bezüglichen Mentalitäten, ihren Trägern, der Art ihres gesellschaftlichen Zusammenhangs, der Institutionen, in denen er sich ausprägt, nicht unbedingt besser durchleuchtet, seit die (relativ einfachen) Thesen des historischen Materialismus dazu auf dem Tisch liegen. In meinem persönlichen Theorie-Jargon gesprochen: Es ist, meine ich, noch nicht genügend auseinandergehalten, was spezifisch dem Kapitalismus, und was der (dann eventuell auch im Kommunismus kritikwürdigen) "Moderne" in ihm zuzuschreiben ist. (Vom allgegenwärtig vormodernen Denken, dem massenhaften Verweigern von Lernen, Begreifen, als überflüssig, dem bauernschlauen Vertrauen in Autoritäten (man weiss schon, wem zu glauben Erfolg verspericht), dem ungebrochenen Zutrauen in die ganz eigene geschickte Weise (nicht zuletzt Quelled es Willens zum Eigentum), grade das Wichtige zu wissen und alles andre ignorieren zu dürfen - von all dem noch ganz zu schweigen.)
    4. Die Menschen können froh sein, wenn sie die nächsten 50 oder 100 Jahre halbwegs ungeschoren überstehen...

  • Hallo,
    ich verstehe vieles in der Debatte nicht. Was sind denn die Bedürfnisse, was wird da voraus gesetzt. Sollte das sich nicht in Debatten der Produzenten entwickeln. Auch denke ich das jede andre Form der Produktion sich an der alten messen lassen müssen und sie muss besser sein, für mich fortschrittlicher, also nach vorne und nicht zurück.
    Ich kann nur sagen das aus meinem Verständnis der Kapitalismus die Produktivkräfte entwickelt hat. Damit hat er auch seine Grenzen entwickelt. Wenn an der Industriellen Produktionsweise Kritik geführt wird, würde es mir helfen wenn es konkret benannt wird, dann könnte ich nachvollziehen ob es an der Produktion liegt oder an den Eigentumsverhältnissen.
    Ein Beispiel: Ich bin Betonbauer und habe zu beginn meines "Arbeitslebens" noch Steine und Mörtel auf den Schultern Leitern hinauf in höhere Etagen geschleppt, da war ich froh das sich Kräne durchgesetzt haben. Es war immer noch ein Mist weil ich jetzt den Beton mit Karren weit herschaffen musste. Dann war ich froh das sich Betonpumpen durchgesetzt haben. Durch die Industrielle Betonmischerei wurde der Beton Qualitativ besser, mit weniger Zement und Wasser. Jetzt gibt es Fertigteile und die sind noch besser, alles vernutzt weniger Menschliche Arbeit.
    Mir ist es wichtig das in einer anderen Gesellschaft die notwendigen Arbeiten möglichst von Maschinen erledigt werden damit ich als Mensch tun kann was ich will. Ich meine die Möglichkeiten sollte es geben.


    gruß Peter

  • Hallo franziska,


    „Die Menschen können froh sein, wenn sie die nächsten 50 oder 100 Jahre halbwegs ungeschoren überstehen...“


    „Die Menschen“ gibt es so nicht - die einen halten sich z.B. dadurch „sauber“, dass sie Dreck und Gift (z.B. Elektronikschrott) nach Nigeria verschiffen .. die Frage ist also, WER kommt ungeschoren davon. Die Menschheit als solche, in dieser totalen Abstraktion, wird ganz sicher überleben (oder meinst du es macht einen Knall und dann ist sie weg?) - aber um den Preis vieler Leidtragender. Um dieses Leiden und die Verschlechterung des Lebens geht es, nicht um die Frage, ob „die Menschen“ überleben. „Die Menschen“ haben auch Weltkriege und Atombomben überlebt.


    Anders als du glaube ich keinesfalls, dass sich ökologischer Wahnsinn von selbst erledigt wegen Erfolglosigkeit oder Leid - sondern treibt bei Problemen erstmal nur neue grausige Blüten: noch mehr Düngeverfahren, Gentechnik, gute Nahrungsmittel eben nur noch als Privileg der Reichen etc.


    Ich sehe - anders als offenbar du - bei ernsthaften Bio-Bauern (damit meine ich nicht solche Euro-Pseudo-Biosiegel) keine Bodenverschlechterungen, wenn der Kreislauf stimmt, z.B. die Proportion zwischen Viehhaltung und Ackerbau und andere wesentliche Kriterien. Du machst da einen ziemlichen Rundumschlag mit vielen subjektiven Prognosen und preist Schlagworte wie Renaturierung als Generallösungen an, die aber auch nur mit viel Arbeit zu haben sind, es sei denn, man dampft seine Bedürfnisse auf ein Minimum zusammen und erklärt solche, die nicht dazu passen, zu „kompensatorischen“.


    Deine low-level-Lebensweise ist allerdings nichts für jedermann, man muss auch weiter gehende Bedürfnisse integrieren können, sonst wird man mit seinem Konzept alleine dastehen. Ich persönlich finde Waschmaschinen ganz ausgezeichnet und sehe (wie Kim) überhaupt keinen Grund, warum man die nicht so bauen könnte, dass sie fast ewig reparierbar sind und alle Einzelteile vollkommen recyclebar. DAS ist eine Frage der politischen Ökonomie: wenn ein (sozialistischer) Staat so eine nachhaltige Produktion verpflichtend organisiert und einfach keinen anderen Mist mehr zulässt, dann ist wirklich Schluss mit Verschwendung und Schrottproduktion an dieser Stelle. Macht man das so mit sämtlichen Maschinen für Haushalt, Landwirtschaft etc., dann sind Natur und Industrie auch kein Gegensatz mehr.

  • Es ist doch klar, dass in diesem Rahmen hier schwierige und durchaus auch noch unerledigte technische Kontroversen etwa zum biologischen Landbau nicht wirklich ausgetragen werden können. Aber etwas in dem Zusammenhang gehört schon hierher: Die Produzenten sollen sich verständigen, sie sollen sich einigen... und eure Vorstellung ist, dass sie im grossen ganzen schon so entscheiden werden wie IHR. Den Rest... setzt dann der demokratisch-sozialistisch verwaltete Staat ("verpflichtend", das Wort ist hier wohl sehr gewichtig und mit Bedacht eingefügt?) durch?
    Genau das ist ein Zusammenhang, auf den ich aufmerksam machen wollte (und daneben noch einer, gleich), nämlich:
    Arbeitsteilige Grossproduktion erfordert Gross- und Global-Strukturen der Entscheidungsfindung.
    Beim "Bestellen" zB darf man als Konsument sehr frei sein, als Produzent wird man aber in die Pflicht genommen.
    Das war nämlich das andre, worauf ich hier (in aller Kürze, gibt ja sovieles, das ansgesprochen werden müsste) hinweisen wollte: Bedürfnisse beim Gestalten der Arbeit selbst scheinen überhaupt nicht ins Verhältnis gesetzt zu werden zu den Konsumwünschen.
    Und die Utopie lautet: Ganz viel Maschinen, die womöglich ("automatisiert" oder 3D-gedruckt) selbst die Maschinen produzieren (und dann ganz haltbare, ja gern, wenn das so geht: Robustheit war ja eins meiner technologischen Hauptziele, da sind wir uns dann schon mal einig), reduzieren dann die leider "notwendige"
    Arbeit. Das heisst, bestimmte Alternativen werden unter Umständen garnicht erst zur Entscheidung gestellt - etwa, ob man vielleicht für eine angenehme Arbeitsweise auch Reduktionen beim Konsumniveau gern inkaufnähme. Und wie, wenn die ienen so und die andern so...? Dann tritt wieder Punkt 1 ein - wenn denn die Mehrheit sich einigen kann. Dafür kann man durch die Art der Fragestellung ja schon mal im voraus sorgen...


    Von der Verständigung, vom Argumentieren, von der Sorgfalt in der gesellschaftlichen Planung beim Umgang mit Erkenntnissen (und der Bewältigung dessen, was womöglich alles berücksichitgt werden muss) war dann noch garnicht die Rede.
    Obwohl sich hinter dem Problem der Fragestellungen für die Gross-Produktion und den vielfältigen Präferenzen dabei (die man auch ignorieren und vom Tisch wischen kann) sich DIESE Schwierigkeit (die der Wissensverarbeitung auf gesellschaftlicihem Niveau und der daran sich anschliessenden Präferenzenbildung - etwa im Umgang mit Risiken) erst recht abzeichnet.
    Und zwar andeutungsweise auch schon in unsern Debatten hier.



  • Hallo franziska,


    "Das heisst, bestimmte Alternativen werden unter Umständen garnicht erst zur Entscheidung gestellt - etwa, ob man vielleicht für eine angenehme Arbeitsweise auch Reduktionen beim Konsumniveau gern inkaufnähme."


    Wie kommst du drauf, dass sowas nicht mit berücksichtigt werden könnte? Jedenfalls lässt sich das (und vieles andere, was du ansprichst) m.E. gut integrieren in ein Gesamtkonzept, das eben auch Technologie enthält. Umgekehrt stelle ich mir das schwerer vor: ist alles erstmal dezentralisiert und renaturiert, stelle ich mir die Beschaffung von Traktoren oder Baumaschinen schwierig vor, und dann gehen die entsprechenden Bedürfnisse derer, die eben damit arbeiten wollen und die lieber mehr Zeit haben möchten für Tätigkeiten, die keinen produzierenden Charakter haben, leer aus.


    Denn was du "angenehme Arbeitsweise" nennst, ist ja außerdem sehr subjektiv. Peter hat aus seiner Sicht beschrieben, was er beim Arbeiten als hart und erschöpfend empfand und wie der Maschinen-Einsatz am Bau dann wesentlich angenehmer und gesünder war. Warum also nicht Verhältnisse schaffen, in denen beide Wege gegangen werden können. Wobei das, was dir vorschwebt, ansatzweise ja schon jetzt machbar ist, wohingegen das mit der sauberen, profitfreien Technologie nicht einfach so per Kommune realisierbar sein dürfte. Aber das ist halt meine Position, das wird hier im Forum z.T. auch anders gesehen, insofern istdeine Redeweise von "ihr" und "euch" ("eure Vorstellung ist, dass sie im grossen ganzen schon so entscheiden werden wie IHR") hier nicht passend.

  • Mattis, ich rechne ja mit Vielfalt, und wie weit die Verständigung unter denen, die schon länger hier schreiben, fortgeschritten ist, kann ich im Moment in der Tat nicht beurteilen. Mir geht es auch mehr drum (wie vielleicht auch euch andern), überhaupt einmal eine Ordnung von Fragestellungen oder zu Berücksichtigendem zu finden - vielleicht besonders unter dem Gesichtspunkt der möglichen Konfliktlinien.
    Dass es da auch unter nachkapitalistischen Bedingungen Konflikte geben kann, ist ja, glaub ich, ein Thema, das auch dir besonders wichtig ist. Und es sind gerade die möglichen Konfliktfelder, über die ich mir versuche einen Überblick zu verschaffen.
    Zentralwiderspruch immer wieder, auch jetzt hier: Die individuellen Präferenzen weicihen voneinander ab - gibt man ihnen statt, zersplittert die ganze gepante Gesellschaftlichkeit der gemeinsamen Reproduktion in zahllose Ansätze, die eben nicht miteinander vereinbar sind oder gar integriert. Deswegen halte ich nicht die Regelungen der Beschlussfassung oder Kompromiss-Aushandelung für das Entscheidende, sondern Verständigung, gemeinsame Verarbeitung von Erfahrung/Wissen, und Konsensbildung. Das wiederum hat aus meiner Sicht SEHR viel zu tun mit den "Rest-Widersprüchen" aus (unguter) Arbeitsteilung, die auch nach Wegräumen der Eigentumsschranken verbleiben: "männlich"/"weiblich", Stadt/Land, Kopf/Hand, (fortgeschrittenes) Zentrum/ (zurückgebliebene) Peripherie. Ich glaube, dass es gute Gründe gibt, warum man immer wieder auf diese und nur diese Begriffspaare zurückkommt (und dass ihre Ausbildung etwas zu tun hat mit fundamentalen historischen Epochen bzw. Entwicklungsschritten).
    Diese "Widersprüche jenseits der Klassen- und Eigentumsschranken" sind es vielleicht auch, die einer (dann kollektiven) Umsetzung der von mir immer wieder angeführten Hauptziele (wird mir da eigentlich zugestimmt? fehlen noch welche?) "ökologisch - Ungleichzeitigkeiten/Ungleichgewichte abbauend - bedürfnisorientiert" am meisten entgegenstehen.
    Ich sollte dann vielleicht noch erwähnen, dass ich sehr stark aus einer Perspektive heraus denke, in der der Aufbau einer zwangfrei-kommunistischen Vergesellschaftung zwar durch die bestehenden Verhältnisse behindert wird - wo aber diese Verhältnisse eher als Ausdruck von Mangelzuständen anzusehen sind, die durch den Kommunismus-Aufbau überwunden werden müssen, als dass ihre "Abschaffung" (Mangelzustände kann man ja in dem Sinn nicht "abschaffen") den Weg frei macht für etwas, das dann wesentlich von selbst seinen Gang geht. (Darum stelle ich mir auch als Übergangsmodus eher längere Ko-Existenz eines (wachsenden) kollektivistischen Sektors mit der alten Eigentums-Umgebung vor. Das hat dann schon wieder mit der Idee des langsamen, sorgfältigen Aufbauens zu tun...)


    Noch ein paar Zusammenhänge (nur angedeutet, alles wohl sehr erklärungsbedürftig...)
    Integration heisst "Konfliktbeseitigung", auch: Beachtung vieler Prioritäten zugleich, ohne eine auf Kosten der andern zu verfolgen.
    Das zielt dann in Richtung des andern von mir genannten: "Synergie", vieles befördert sich wechselseitig, wirkt automatisch zusammen, ohne Extra-Aufwand.
    Individuelle "Präferenzen" könnten dannuU darauf beruhen, dass Leute vereinseitigt Prioritäten setzen (und dies als ihre EIGENE Forderung gegen andere durchsetzen wollen, bis hin dazu, dass sie eben "Eigentum" wollen und eine Eigensphäre, wo wenigstens einmal dieser ihr ganz besonderer Eigenwille gilt..)
    Wohingegen das sorgfältige Auf- und Zusammenbauen und Miteinander-Abstimmen VIELER Prioritäten gleichzeitig vielleicht garnicht mehr soviele Wahlmöglichkeiten lässt, sondern eher als Hauptgesichtspunkt Konsens (und als solcher vorher bewusst gemacht) sein müsste.Als Hauptquelle und somit Hauptort für die (gesellschaftliche) Behebung der Prioritätenkonflikte sehe ich aber das EINZELLEBEN an: Von dorther beurteilen ja letztlich alle, ob sie die gemeinsame Gesellschaftseinrichtung nützlich finden (zum Nutzen gehört auch: Minimierung von Risiken, also Angst, Sorge...). So sage ich: Es sind letztlich die vereinseitigten Prioritätensetzungen, die die DIFFERENZEN in der gemeinsamen Planung begründen. Je mehr der Gesichtspunkt der Aufhebung von Vereinseitigung im Einzelleben Platz greift und die Planungs-Grundsätze aller bestimmt, desto mehr wird diese Planung vermutlich auf sich von selbst verstehende Konsensentscheidungen zulaufen. (Das ist eine Hypothese...)
    Das gibt mir zuletzt Gelegenheit, den mir liebsten aller Sprüche von Marx zu zitieren, die Definition von Kommunismus nämlich als jenem Zustand, wo die Entwicklung jedes Einzelnen Bedingung (und Masstab) für die Entwicklung (und Entwickeltheit) ALLER ist.


  • Hallo Franziska,
    dass ich mich an der bisherigen Diskussion wenig beteiligt habe, liegt daran, dass ich von den Themen, die darin vorkommen nur wenig verstehe. Vor allem von Landwirtschaft habe ich keine Ahnung. Deshalb will ich nur ein paar meiner Gedanken in den Raum stellen.


    Ich finde es ganz prima, dass es solche Landkommunen gibt, für die du hier wirbst, auch wenn ich deine Begründungen, nicht immer nachvollziehen kann. Ich sehe solche Landkommunen als soziale und wirtschaftliche Experimente. Deren Erfahrungen sind höchst wertvoll. Ich kann aber nicht absehen, was dabei herauskommen wird, und wieviele dieser Erfahrungen dann Allgemeingut werden.


    Zur Zeit arbeiten rund 3 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in der Landwirtschaft. Das ist aber eine statistische Zahl, die wenig wert ist. Viele Arbeiten im Ernährungssektor zählen heute zur Industrie (Brotfabriken, Schlachthöfe etc.). Ich schätze mal, 10 bis 15 Prozent der gesellschaftlichen Arbeitsmenge reicht gegenwärtig aus, um die Bevölkerung zu ernähren. Eine ökologische und nachhaltige Landwirtschaft wird wohl deutlich mehr Arbeitseinsatz verlangen. Nehmen wir mal an, der Arbeitseinsatz wird sich verdoppeln auf 30 Prozent. Für eine emanzipierte und naturverträgliche Produktionsweise heißt das, dass diese Gesellschaft (und im Prinzip jedes einzelne Individuum) 30 Prozent ihrer/seiner Arbeitszeit (täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich) mit landwirtschaftlichen Arbeiten verwenden muss (oder verwenden darf :) ).
    Die restliche Zeit (70 Prozent) steht dann für andere Betätigung offen: für industriell-technische, künstlerische, pflegerische, haushälterische Tätigkeiten, für Lernen und Reisen etc.


    Wie gesagt, ich verstehe nichts von Landwirtschaft. Ich habe (nach meinem geisteswissenschaftlichen Studium) Werkzeugmacher gelernt und kenne mich daher ein bisschen mit Metallen aus. Überspitzt gesagt ist meine Meinung: Ökologisch ist nicht nur, was gesund zu essen ist. Ich denke, nicht nur Holz und Stein (Beton) sind ganz ökologische Werkstoffe, sondern auch Eisen, Stahl und fast alle Metalle. Bei den chemischen Stoffen kenne ich mich nicht aus, habe aber gelesen, dass es auch einen Kunststoff geben soll, der aufgrund eines bakteriellen Prozesses heranwächst und nachwächst. Letztlich kommen auch alle „Kunststoffe“ aus der Natur.
    Kurz: Meine/unsere Unterstützung für die Landkommunen hast du und ich bin sehr an diesen Erfahrungen interessiert. Ich hoffe, berichtest hier noch viel in deinem Blog davon.
    (Übrigens wurden in den Blogs die Kommentarfunktion für Gäste frei geschaltet, so dass auch Leser in deinem Blog antworten können, die nicht im Marx-Forum registriert sind.)

    Gruß Wal


    P.S. Ich bin wie du der Ansicht, dass sich sehr Vieles ändern muss, und dass die Menschheit nicht weiterwirtschaften kann wie bisher. Aber ich glaube nicht, dass die richtige Produktionsweise schon gefunden sei und die ganze Menschheit keine andere Wahl habe, als so zu leben und zu arbeiten wie es du, Franziska, vorschreibst/vorschlägst. :S

  • Danke Wal für deine wohlwollende Antwort. Ich will gewiss nichts vorschreiben, nur mich mit andern verständigen. Dazu muss ich ausgehen von da, wo ich bin, und ehrlich sagen, wie ich es mir denke (weils mir nach allem, was ich weiss, aber ich weiss gewiss nicht genug, vernünftig vorkommt) - nur dann kann ich ja korrigiert werden, wenn ich falsch liege.
    Darum wäre ich interessiert zu erfahren, was an meinen Begründungen für dich nicht nachvollziehbar ist. Im Kern rede ich ja nicht über Landwirtschaft oder Nahrungsmittelproduktion, als eine wenn auch wichtige (so im Sinne von grosszügig geschätzt/zugestandenen 30% Gesamtarbeitszeit) Branche der Gesamtproduktion, sondern über eben diese Produktion im ganzen. Und das muss ich auch; denn mir scheint, dass die, die hier schreiben, wenigstens darin übereinstimmen, dass in einem eigentumsfreien Zustand die Produzenten, und das heisst jeder einzelne von ihnen, die Grundsätze kennen und beurteilen können sollten, nach denen ihre gemeinsame Produktion eingerichtet ist (und darüber zuverlässig einen vernüftigen Konsens hergestellt haben, einander (darum) vertrauen können usw).
    Wenn du also in deinem PS (mitsamt Zweifels-Smiley) darauf hinweist, die endgültige Produktionsweise sei nicht gefunden, dann kann ich dem nur voll und ganz beipflichten, hingegen wenn du mich elend kleines Individuum Franziska DER MENSCHHEIT gegenüberstellst, dann erwidere ich (und erinnere damit natürlich an den im letzten Beitrag von mir zitierten Marx-Spruch), dass DIE MENSCHHEIT aus lauter Franziskas besteht, die sich nicht zu einer Riesen-Franziska aufbauen, sondern grad soweit jeweils gediehen sind, wie jede einzelne Franziska oder Wal oder Robert, Wat, Kim, Peter, Leser und alle andern, die hier schreiben oder auch nicht schreiben. Und da rede ich jetzt nicht über das Land(wirtschafts-)- oder besser Naturverständnis (von dem auch geredet werden muss), sondern vom Kommunismus: Höhere Einsichten als solche, die Platz in jedermanns, jedesmenschen Kopf haben, können dort nicht erwartet werden. Umgekehrt: Wenn wir am gegenwärtigen Kapitalismus die Klassengesellschaft kritisieren, sollte nicht vergessen werden, dass die keine feudale ist und sich nicht einfach (nicht ausschliesslich) als gottgewollte Zuordnung von Menschen mit angeboren-unterschiedlichem Rang zu Abteilungen gesellschaftlichen Reichtums legitimiert; sondern darüber, dass Profite quasi Lohn sein sollen für überdurchschnittliche Leistungen beim allgemeinwohl-dienlichen Umwälzen der Produktion (durch angeblich geschickte Planung, Erarbeitung und bedarfsgerechten Einsatz von technischen Innovationen) - so die Legitimation; und nicht nur Lohn sollen sie sein, sondern in Gestalt von Entscheidungsbefugnissen wird den Kapital-Besitzern und -Verwaltern auch ein Teil des gesamt-gesellschaftlichen Produktions-Zusammenhangs anvertraut, den sie hoffentlich verantwortungsvoll im Sinne des Profits (also des Marktes, dieses angeblich besten Masstabs für Allgemeinwohldienlichkeit) handhaben (managen) werden...
    So eine zumindest wichtige Variante der Legitimation für ungleiche Eigentumsverteilung.
    Und an der ist mancherlei auszusetzen, was akut und vorrangig zu beseitigen ist, nämlich Massenverarmung und Ausbeutung weltweit, dazu rabiate Beschädigung der natürlichen Lebensbedingungen der lokalen wie globalen Bevölkerung. Aber im Zuge dieser Beseitigung fällt gleich ein auch in linksradikaler Kritik oft übersehener Zug dieser Produktionsweise auf, der mit dem altmodischen Ausdruck "Anarchie der Warenproduktion" nur unzulänglich erfasst wird: der religiöse Wahn von Marktwirtschafts-Befürwortern, gerade durch den NICHT-Zusammenhang, durch NICHT-Organisation den Fortschritt moderner Industriegesellschaften ganz besonders, ja maximal effizient (als wäre das messbar) steuern und optimieren zu können. Das Problem, WIE Produzenten gemeinsam diesen ihren arbeitsteilig-gesellschaftlichen Zusammenhang kontrollieren und sich dafür im Konsens organisieren könnten, erben sie von diesem System, das es sich (oder sich ihm) garnicht erst stellt (weil es angeblich schon bestens gelöst ist). In den Rechnungen, die speziell du, Wal, bislang anstellst (und da denke ich auch an das "Bestellwesen" der Kommune Bochum), kommen, wohl doch noch als Reflex der Marxschen Arbeitswerttheorien, immer bloss Arbeitszeiten (womöglich noch "abstrakt" - jeder kann da jederzeit alles?) vor. Aber zur Entscheidung stehen auch an: Aufwände für Neuanpassung und Umstrukturierung der Produktion; Entwicklungskosten; Prioritäten bei der Verteilung knapper Ressourcen (nicht zuletzt: Ausbildung) und Produktions-Kapazitäten auf Produktivitäts-Steigerungen (oder auch bloss bei der Aufrechterhaltung bestehender Produktion).
    Und jetzt vergessen wir nicht: Abgesehen von der Aufgabe der gesellschaftlichen Kontrolle von Produktion vererbt der Kapitalismus auch das Problem der Konsensbildung unerledigt. Dieses Problem wird die kommunistisch denkende Minderheit der Bevölkerung heimsuchen, ganz gleich, ob sie sich als solche in einer anders und nicht-kommunistisch produzierenden Umgebung auf den Weg macht, oder mit einem Zerrüttungs- oder Zusammenbruchs-Szenario konfrontiert ist (was die Aufgabe keineswegs erleichtert).
    Die Kommunisten sind, obschon sie vermutlich mehr Anlass zur Konsensbildung sehen als irgendein anderer Bevölkerungsteil, heute unter sich in geradezu absurder Weise zersplittert, und zugleich in ihrer derzeitigen Verfassung objektiv unfähig zur Konsensbildung - wie soll das denn mit der vorerst riesigen nichtkommunstischen Umgebung gehen (die wirds in jedem Falle, so oder so, noch längere Zeit geben...)?
    Die grösste Schwierigkeit, ich wiederhole mich, oder geradezu das historische Nadelöhr, durch das der kommunistische Neuanfang durch muss (diese Passage kann wohl als seine historische Bewährungsprobe angesehen werden) ist: dass die Aufgaben einer weitgehend autarken Reproduktion in einer betehenden Umgebung, der Konsensbildung, der Handhabung des Verhältnisses zur Restgesellschaft, bei Nichtüberforderung von Mensch und Ressourcen und mithilfe egalitärer Strukturen bei Aufrechterhaltung der Gesellschaftlichkeit der Gesamt-Produktions alle ZUGLEICH angegangen werden müssen, und in etwa je auf gleichem Niveau gelöst sein müssen, damit es nicht zu Ungleichgewichten kommt.
    Das ist der Grund, warum ich AUCH von Landwirtschaft, aber auch bauökologischer Altbausanierung mit lokal verfügbaren Materialien rede, und dann noch, vielleicht,bestenfalls, von Handwerks- und Manufakturaufgaben, die dezentral und robust von Kommunen in der Grössenordnung von jeweils etwa 1000 Bewohnern gelöst werden können (und das SEHR gerne mit fortgeschrittenem technischem und wissenschaftlichem Sachverstand: Da soll mir jede ökologisch sinnvoll einsetzbare Bakterienkultur willkommen sein! Jede Materialart! Jede Technologie! Wenn sie den Basisanforderungen des kommunistischen Produzierens genügt (um die geht es mir... Natürlich bloss aus Franziskas Sicht; die - wie auch immer verändert - hoffentlich demnächst, irgendwann mit der von Wal, Wat, Robert, Kim, Peter, Leser, Bernd und allen andern übereinstimmt...)


    PS: Gegenüber dem, was wir alle zusammen können und kennen sollten, sind wir allesamt blutige Laien und haben einander nichts wesentliches voraus, egal was wir im einzelnen (schon) draufhaben oder auch nicht.

  • PS: Gegenüber dem, was wir alle zusammen können und kennen sollten, sind wir allesamt blutige Laien und haben einander nichts wesentliches voraus, egal was wir im einzelnen (schon) draufhaben oder auch nicht.

    Hallo Franziska,
    dem letzten Satz stimme ich schon mal uneingeschränkt zu! :S ...
    Deinen anderen Überlegungen weitgehend.
    Das "bestenfalls" Handwerks- und Manufakturaufgaben auf kommunaler Eben gelöst werden können, sehe ich nicht so. Und im übrigen hängt der "fortgeschrittene technische und wissenschaftliche Sachverstand" mit der industriellen Produktion zusammen, hat hier seine Basis. Der bloße Handwerks- und Manufakturbetrieb führt aus meiner Sicht zwangsläufig zum Verlust an technischem und wissenschaftlichem Sachverstand. Das ist aus meiner Sicht nicht Zukunft, sondern Vergangenheit.


    Viele Grüße
    Robert

  • Hallo.
    ich meine das in der Landwirtschaft immer noch zuviel Arbeitskraft gebunden ist. Ich bin fasziniert von der vertikalen Landwirtschaft (bei Google eingeben) und ich habe einen Film über einen Bauernhof gesehen der 3000 ha und von 3 Leuten bewirtschaftet wird. Die Schlepper werden von GPS gesteuert und die Düngung auch über Satelliten gesteuert. Meiner Meinung nach kann es nicht genug davon geben. Für mich gibt es einen Unterschied bei den Eigentumsverhältnissen und nicht bei der Produktion.
    Für mich ist der Satz " Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein" immer zugegen wenn ich mir Gedanken um die Zukunft machen. Wenn ich mit überlege wie der Kommunismus sein wird kann ich nur sagen ich weis es nicht, denn mein Denken ist geprägt durch die Kapitalistische Gesellschaft. Das was ich gelernt habe, ist aus dem Widerspruch der jetzigen Gesellschaft in deren Eigentumsverhältnissen begründet. Deshalb will ich die Gesellschaftsform nicht, wie das geändert werden kann, kann ich nicht sehen.


    So freut mich jeder Schritt wo sich Menschen gegen die Ausbeutung und Unterdrückung stellen und eigene Wege suchen, nur was ich bisher sehen ist das keine Möglichkeit für mich. Ich denke das einen andere Gesellschaft erst eine Chance hat wenn sie mindest "konkurrenzfähig" zum Kapitalismus ist. Wenn ich dann sehe was sich Menschen in der Welt gefallen lassen, fürchte ich, das ich noch ein Leben brauche.

  • Vom kapitalistischen Stress befreit, werden technische Berufe für viele recht spannend sein. Dabei wird dann die Recycling-Technologie mit an der Spitze stehen, zusammen mit der Entwicklung leistungsstarker Strom-Akkus sowie regenerierbaren Baustoffen. Landwirtschaftliche Berufe sollten freilich ebenfalls effizient sein, allerdings nicht auf Kosten von Boden- und Produktqualität. Wenn jemand indessen aus purer Freude an altertümlichen Produktionsweisen viel unproduktiver arbeitet als es mit sauberer Technik machbar ist, dann wird das wohl ein Problem sein, denn er würde ja quasi von den produktiver Arbeitenden subventioniert, man kann auch sagen, sein Hobby wird von der Allgemeinheit bezuschusst, und das ergibt eine Schieflage. Denn auf die konsumtiven Aspekte einer effizienten Produktion (öffentliches Verkehrswesen, modernes Gesundheitswesen etc.) wird derjenige ja im Gegenzug verständlicherweise nicht verzichten wollen.

  • Vom kapitalistischen Stress befreit, werden technische Berufe für viele recht spannend sein. Dabei wird dann die Recycling-Technologie mit an der Spitze stehen, zusammen mit der Entwicklung leistungsstarker Strom-Akkus sowie regenerierbaren Baustoffen. Landwirtschaftliche Berufe sollten freilich ebenfalls effizient sein, allerdings nicht auf Kosten von Boden- und Produktqualität.


    Hallo Mattis,
    Solche Zukunftsvisionen klingen in meinen Ohren nicht übel, aber ich habe damit das gleiche Problem wie mit den Produktionsvorschlägen von Franziska: Ich denke, da wird ein konkretes Produktionskonzept entwickelt, ohne dass irgendwelche Voraussetzungen dieser Produktion geklärt sind. Da wird das Fell des Bären zerteilt, bevor der Bär erlegt ist.
    So schön diese Überlegungen im Detail sein mögen, ich denke, sie müssen folgenlos bleiben. Sie müssen folgenlos bleiben, weil diese Visionen die Rechnung ohne den Wirt machen, und in allen Produktionsdingen sind die Werktätigen der Wirt. Ohne den geht nix. Die Werktätigen kommen in dem Konzept von Franziska und in deinem Konzept nur am Rande vor. Noch schlimmer, sie kommen als Problem und Hindernis vor, die alle schönen Zukunftsvisionen zunichte machen könnten.
    Auf eine kurze Formel gebracht: Mattis und Franziska befassen sich vor allem mit dem Verhältnis Mensch – Natur/Technik. Die Verhältnisse von Menschen(klassen) zu Menschen(klassen) kommen nur am Rande vor.
    Ich denke, die Probleme, die Menschen(klassen) miteinander haben, sind grundlegender.
    Die Probleme, um die es dabei geht, sind ganz allgemein formuliert: Die Unterwerfung unter einen fremden Willen, und damit die Unterordnung der eigenen Interessen unter fremde Interessen.
    Marx sagte: „Die Unterwerfung fremden Willens ist Voraussetzung des Herrschaftsverhältnisses.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 400.
    Unsere Gesellschaft ist durchzogen von der Unterwerfung fremden Willens. Das beginnt bei der Erziehung im Elternhaus, setzt sich fort in der Schule und kumuliert in der Lohnarbeit. Immer bestimmen andere, was ich zu tun habe.
    In dieser Lage befinden sich die meisten Menschen unserer Gesellschaft. Nun kommen Linke wie Franziska und Mattis und sagen: Was ihr macht ist Schrott! Das zerstört die Natur, das untergräbt eure Gesundheit usw. usf. Die Natur soll geschont werden.
    Und was ist mit der Schonung der Menschen?


    Es gibt millionenfache Erfahrung mit der Diktatur des Kapitals. Es gibt millionenfache Erfahrung mit der linken Parteidiktatur. Aus dieser Sicht erscheinen die Vorschläge von Franziska und Mattis wie eine künftige Ökodiktatur. Das Kapital stellt den Profit in den Mittelpunkt, die Parteidiktatur die Erfüllung des Plans, die Ökodiktatur die Nachhaltigkeit.
    Das sieht ganz so aus, als müsse der Lohnarbeiter seine Herren wechseln, den „Ökos“ folgen - und dann wird alles gut?
    Wenn der Lohnarbeiter "sich zu seiner eigenen Tätigkeit als einer unfreien verhält, so verhält er sich zu ihr als der Tätigkeit im Dienst, unter der Herrschaft, dem Zwang und dem Joch eines anderen Menschen.“ K. Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, MEW 40, 519.
    Im Kapitalismus stehen die Lohnabhängigen „im Dienst, unter der Herrschaft, dem Zwang und dem Joch“ der Kapitalisten. Im „Realsozialismus“ standen die Werktätigen „im Dienst, unter der Herrschaft, dem Zwang und dem Joch“ der Bürokraten. Wer sich von diesen beiden Modellen nicht klar distanziert, bei dem muss befürchtet werden und wird von vielen befürchtet, dass er eine neue Elite, eine neue herrschende Klasse etablieren will, die allen anderen sagt, wo es lang gehen soll.
    Marx dagegen stellte die Emanzipation der Menschen in den Mittelpunkt. Emanzipation heißt Befreiung von Zwang, Befreiung von der Unterwerfung unter einen fremden Willen. Emanzipation heißt Selbstbestimmung. Unterwerfung unter einen fremden Willen ist der Bär, der erlegt werden muss.
    Ja, Selbstbestimmung ist nur negativ definiert und zunächst ohne Inhalt. Selbstbestimmung heißt nur Freiheit von Zwang. Aber ich denke, Selbstbestimmung ist die einzige Basis, auf der unsere Probleme mit den Menschen und mit der Natur gelöst werden können. Selbstbestimmung und Selbstbeteiligung gehören zusammen, und ohne Selbstbeteiligung von jedem Einzelnen, ist die Welt nicht zu retten.
    Oder „klassisch“ formuliert: Ohne grundlegende Änderung der Produktionsweise, ist keine Besserung in Sicht. Ohne die Aneignung aller Produktionsmittel durch Alle, gibt es keine Hoffnung für die Zukunft.
    Deshalb trete ich „für die Vernichtung aller Klassenherrschaft“ (K. Marx, Provisorische Statuten der IAA, MEW 16, 14)
    ein – egal ob diese Herrschaft auf Profit, auf Erfüllung des Plans oder auf Öko-Prinzipien orientiert ist.
    „Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. ... An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“K. Marx: Kommunistisches Manifest, MEW 4, 482. Das ist ein klares Konzept, das sich gegen jede Herrschaft ausspricht - nicht nur gegen Kapitalherrschaft.
    Diese klare und unmissverständliche Gegnerschaft gegen jede Herrschaft ist den linken Konzepten verloren gegangen.

    Früher hat man in der stalinistischen ML-Tradition gesagt: „Der Konflikt zwischen Kapital und Lohnarbeit ist der Hauptwiderspruch.“ Das ist falsch. Richtig muss es heißen: Der Konflikt zwischen Herrschenden und Unterdrückten ist das Hauptproblem – egal wer die Herrschenden sind (in unserer Gesellschaft herrschen im wesentlichen die Kapitalisten, aber es gibt auch Bürokraten, Chauvinisten, Rassisten usw, die Menschen unterdrücken). Wer hier nicht ansetzt, wer nicht gegen jede Herrschaft und dafür kämpft, dass alle Menschen gleichberechtigt und gemeinsam alle Entscheidungen treffen, der bringt keinen Fortschritt.
    Deshalb schrieben wir in unserem Bochumer Programm:
    "Hier und heute steht nicht mehr zur Debatte, welche Minderheit für und über die Mehrheit plant und entscheidet. Hier und heute sind Schritte zur Emanzipation dort zu erreichen, wo Alle gemeinsam und direkt planen und entscheiden."

    Gruß Wal

  • Hallo Peter,


    wenn ich richtig gerechnet habe, machen 3000 ha 30 km² aus. Sagen wir mal eine durchschnittliche Kommune hat eine Größe von 600 km². Dann könnten 60 Leute 20 Produkte anbauen, die sie mengenmäßig nicht brauchen und von denen sie trotzdem nicht leben könnten. Mit Autarkie von Kommunen und dezentraler Bedarfswirtschaft geht so eine größenwahnsinnige Anbauweise auf jeden Fall nicht zusammen.


    Beste Grüße


    Kim

  • Hallo franziska,



    du schreibst:



    franziska: „Ich will gewiss nichts vorschreiben, nur mich mit andern verständigen. Dazu muss ich ausgehen von da, wo ich bin, und ehrlich sagen, wie ich es mir denke (weils mir nach allem, was ich weiss, aber ich weiss gewiss nicht genug, vernünftig vorkommt) - nur dann kann ich ja korrigiert werden, wenn ich falsch liege.“



    Ich denke, du bereicherst mit deinen Beiträgen in diesem Forum die Diskussion um Kommunalisierung und Demokratisierung. Außerdem gefällt mir dein
    Diskussionsstil, den manch einer, einschließlich mir, als ein Beispiel für faire Auseinandersetzung heranziehen könnte.



    franziska; „Höhere Einsichten als solche, die Platz in jedermanns, jedesmenschen Kopf haben, können dort nicht erwartet werden.“



    Höhere Einsichten braucht es allerding auch nicht. Gerade der Kommunismus (auch Kommunalisierung) ist ja keine höhere Einsicht sondern ein wirkliche, am menschlichen Leben orientierte Bewegung, die versucht den jetzigen unerträglichen Zustand aufzuheben. Dazu braucht es eigentlich nicht allzu viel, außer den jetzigen politökonomischen Zustand zu verstehen und richtig zu erklären. Und dafür gibt es ja den guten Karl Marx, der sich für die Nachlebenden schon den Kopf darüber zerbrochen hat. Nein, kommunistische Einsichten können und brauchen wir von den Jedesmenschen
    nicht erwarten, es würde ausreichen, wenn sie endlich verstünden, dass sie eigentlich sowohl materiell als kulturell ein elendes Leben führen, aber ein angenehmes Leben führen könnten. Sie müssten lediglich die kapitalistische Wirklichkeit ernst nehmen und nicht mit höheren Wahrheiten herumhantieren. Aber wenn das neunzig Prozent der „Kommunisten“ bzw. der radikalen Linken nicht verstanden haben, wie sollen es dann die Milliarden franziskas, Kims usw. verstehen.?



    franzika: „In den Rechnungen, die speziell du, Wal, bislang anstellst (und da denke ich auch an das "Bestellwesen" der Kommune Bochum), kommen, wohl doch noch als Reflex der Marxschen Arbeitswerttheorien, immer bloss Arbeitszeiten (womöglich noch "abstrakt" - jeder kann da jederzeit alles?) vor. Aber zur Entscheidung stehen auch an: Aufwände für Neuanpassung und Umstrukturierung der Produktion; Entwicklungskosten; Prioritäten bei der Verteilung knapper Ressourcen (nicht zuletzt: Ausbildung) und Produktions-Kapazitäten auf Produktivitäts-Steigerungen (oder auch bloss bei der Aufrechterhaltung bestehender Produktion).“



    Aber eins muss doch klar sein: dass es sich bei den Kommunen nicht um abgeschlossene Räume einer Art weiter entwickelter Bürgerlichkeit handeln kann, in denen sich lediglich die Form der Produktivkräfte und die gemeinschaftliche Verfügung darüber geändert hat, aber die Wertform, also die Form worin Waren gesellschaftlich in ihrer Wertbestimmung relativ auf ihre allgemeine Wertbestimmung bezogen sind, beibehalten wird, weil geglaubt wird, dass allein die Änderung der Produktivkräfte ausreicht, die Bedürfnisse der Menschen in ausreichendem Maß zu befriedigen, insbesondere Not und Mangel zu überwinden. Wo, wie im Kapitalismus, Not und Mangel allerorten herrscht, hängt deren tatsächliche Aufhebung nämlich davon ab, worin ihr Grund erkannt wird. Ist also nicht erkannt, dass die Produktion für einen allgemeinen Wert, die Ursache dafür ist, werden Not und Mangel weiter bestehen und so einen Zustand etablieren, aus dem unwillkürlich eine politische Elite hervorgeht, deren Aufgabe darin bestehen muss, das gesellschaftliches Elend zu verwalten, mit dem Ergebnis, daraus ein moralisches System abzuleiten, das deren Herrschaft möglichst auf
    alle Zeiten festigen soll.


    Erst wenn das verstanden ist, kann es darum gehen, ein kommunales Reproduktionssystem aufzubauen, das den Menschen ein gesundes, angenehmes, komfortables Leben auf einem, jeweils kommunal bestimmten, kulturellen Niveau sichert. Um das für die absehbare Zukunft zu gewährleisten, wird der Menschheit wohl nichts anderes übrig bleiben, als die Produktionsbereiche Landwirtschaft, Handwerk, Manufaktur und Industrie notwendigerweise in
    Kreisläufen zu organisieren (die sich natürlich überschneiden), wobei Kreislauf bedeutet, dass die Produkte, die in diesen Produktionsbereichen hergestellt werden, sich immer wieder im Kreislauf reproduzieren. Diese Art Produktion ist aber in seinem Kern etwas ganz anderes, als wenn der technologisch-industrielle Apparat einfach aus der Marktwirtschaft - etwas umgemodelt und von Arbeiterführern verwaltet - im Akt einer gewaltsam militärischen Aktion in eine kommunistische Gesellschaft übertragen würde. Und da wird auch der gesellschaftlich-arbeitsteilige Zusammenhang nicht so übernommen, wie ihn die Marktswirtschaft vorschreibt, sondern ist Arbeitsteilung - ohne großartiges Aufbauschen als eine der Menschheit größten Segnungen - ganz bescheiden als eine Zeit und Mühe sparende Methode zur Herstellung von Gebrauchswerten aufzufassen.


    Ich meine wie du (wenn ich dich richtig verstanden habe), dass die kapitalistischen Strukturen nur aus dem Inneren der Gesellschaft aufgelöst werden können. Der größte Teil der Lohnarbeiter lebt in sozialer Not und nicht im Wohlstand. Das ist die Wirklichkeit und das muss erst einmal ganz deutlich verstanden sein und nicht die ideologisch Verklärung, den Lohnarbeitern ginge es gut, weil sie auf einem Wasserklo sitzen und Bananen
    essen können, für wirklich zu halten. Am der kapitalistischen Produktionsweise entspringenden Elend der Lohnarbeiter nämlich müssen die
    sozialemanzipativen Forderungen ansetzen, um diesen unerträglichen Zustand umzukehren. In diesem Prozess halte ich, neben anderen, den sukzessiven Aufbau von unabhängigen Kommunen, die sich selbst versorgen und selbst organisieren, für einen wichtigen Beitrag für den Anfang vom Ende des Kapitalismus, weil dort wegen des Wegfalls eines möglichen Existenzverlustes, die Menschen nicht mehr sozial erpressbar sind und sich aus der Errichtung von neuen Reproduktionsstrukturen sich schon die neuen gesellschaftlichen Grundstrukturen aus den alten ergeben
    können.



    Beste Grüße


    Kim

  • Hallo Kim, hallo Franziska,
    beide sprecht ihr von Autarkie. Die halte ich weder für möglich noch für wünschenswert.


    Z. B.:


    1. Alle Metalle, die man für Stahlproduktion und die Legierung von Stahl braucht (Eisen, Chrom, Nickel, Mangan etc.) sind über den Erdball verstreut. Autarkie würde bedeuten, dass die meisten Kommunen ohne Stahl auskommen müssten. Ohne Stahl aber auch nicht einmal "Handwerkzeuge" mit denen man etwa Holz etc. bearbeiten könnte. usw. Das alles geht gar nicht!


    2. Warum sollten sich autarke Kommunen überhaupt vernetzen??? Eine großräumige Vergesellschaftung der Produktion fände nicht statt. Aus meiner Sicht keine wünschenswerte Perspektive.


    Soweit, so kurz fürs erste und heute.


    Viele Grüße
    Robert

    The post was edited 1 time, last by Kim B.: Schreibfehler Atonomie in Autonomie ().

  • Ich komm grad nicht nach mit Antworten, irgendwo ist aber glaub ich alles wesentliche im folgenden angesprochen, auch wenn es immer noch ausführlicher behandelt werden könnte (oder sollte..)


    Hallo Robert, uneingeschränktes Dankeschön für deine Zustimmung, anonsten eingeschränkte Gegenrede meinerseits: Die Restriktionen im Produktionsniveau, von denen ich spreche, sind aus zwei Vorannahmen abgeleitet: Erstens, die primären und im Rahmen ihrer Mittel zur Not (!) autarken "Kommunen" meines Szenarios sind nicht grösser als 1000 Personen), da kann man (noch) keine grossen industriellen Sprünge machen, zweitens, die Technologien der kapitalistisch betriebenen Industrie sind durch die von mir genannten "Rücksichtslosigkeiten" charakterisiert, für die nötigen Korrekturen wird allerdings erheblicher Sachverstand zu mobilisieren sein. Was nun die Kommune-Grösse angeht, würde ich fast sagen: Wenn auch nur IRGENDWO tatsächlich einmal 100.000 Personen so produzieren (also 100 zu einer Gross-Kommune zusammengewachsene 1000-Personen-Klein-Kommunen*)), dass sie den von mir genannten Voraussetzungen genügen (lokal weitgehend autark ("zur Not"), fähig zur schnellen gemeinsamen Informationsverarbeitung und Konsensbildung, einigermassen stabil unangefochten sich in der Restgesellschaft behauptend und erweiterungsfähig, robust/mit Reserven/ohne Überforderung von Ressourcen, angefangen bei der eigenen Handlungsfähigkeit, reproduktionsfähig; egalitäre Kontrolle der Gesamtproduktion ausübend im Konsens ALLER beteiligten Produzenten) - dann.. naja, vielleicht noch nicht ganz aber beinah... hat der Kommunismus gewonnen.
    (Die Pointe dabei ist, dass ich damit rechne, dass als Resultat kulurellen und synchronisiert-biographischen Lernens der Angehörigen moderner Industriegesellschaften den kommunistischen Strukturen auch Tendenzen entgegenkommen, von der nicht in jeder Hinsicht (weil zu Über- und Fehleinschätzungen führend) willkommenen Strahlkraft einer wirklich funktionierenden Kommune ganz zu schweigen.)
    *) wichtige praktische Fragestellung: Wieviele Zwischenstufen sind nötig für welche je nächsten Produktionserweiterungen über die aller-nötigsten reproduktionsaufgaben hinaus?


    Noch ein Wort zum Zusammenhang von Kontrolle der Produktionsweise durch die Produzenten und "Industrie": Was ich am Bestell-Modell unter anderm problematisch finde, ist die Trennung zwischen "uns" als Konsumenten, und "uns" als Produzenten. Vermittelnd dazwischen treten von "uns" offenbar nicht ohne weiteres einsehbare und von selbst bestehende Zusammenhänge der Art: Wenn ihr (alle zusammen, das war ja der Fortschritt des Bestellens) DIESES wollt, dann müsst ihr JENES tun. Den Punkt, dass damit nur ein geringer Teil des Gesamt-EntscheidungsBEDARFS abgedeckt ist, hatte ich schon angesprochen, aber wichtiger ist doch, dass da so garkeine FREIHEITEN den versammelten Produzenten eröffnet werden. Der Schlüsselbegriff für den Mangel an Freiheiten ist dann immer: Industrie. Lese ich dann, etwa in Wikipedia, etwas zum Begriff, gibt es nur sehr wenig Stichworte: Mechanisierung - Automatisierung - Massenproduktion (dazu gehört: Standardisierung, Normung, Ersetzbarkeit von Einzelteilen).
    Wieso aber sollte es vormodern sein, Technologien zu entwickeln, die - das mag nun industriell heissen oder nicht - folgenden technischen Ansprüchen genügen:
    - Energie- und Materialeffizienz, vollkommene Recyclebarkeit: Kreislaufwirtschaft
    - Modularität und Synergie, geplante Integration verschiedenster Produktionszweige
    - Robustheit, Nachhaltigkeit, lange Lebensdauer von Produkten
    - dezentrale/lokale Produktions-Optionen, "subsidiäre" Form von Arbeisteilung (es wird immer nur das an die nächsthöhere Einheit delegiert, was "selbst" nicht gemacht werden kann; dies die Antwort auf Roberts Stahlproblem; bei weitergehender Autarkie geht es nicht um erwünschte sondern vorübergehend uU erzwungene Notfälle)
    - "raffiniertes low tech", geringe Fertigungstiefen
    - erleichterte Lehr- und Lernbarkeit der nötigen Qualifkationen (auch hier: Modularität der Kenntnisse)
    - ökologische Ausrichtung der Produktion (das ist in "Kreislaufwirtschaft" schon sehr weitgehend mitenthalten)
    - Ausrichtung der Produktion auf die Bedürfnisse von Werktätigen als Konsumenten UND Produzenten.
    -------------------------------
    Wal, ich rede hier von gleich zu gleich, unter kommunistisch eingestellten Werktätigen, und berate mich mit euch darüber, was wir als solche vernünftigerweise tun und wie uns verhalten sollten. Da ist kein Herrschafts- und Beherrschungswunsch. Meinen Überlegungen liegen Analysen zugrunde, die in der Tat von andern Voraussetzungen (und vermuteten Tatbeständen) ausgehen als das klassische linke Revolutions-Szenario. Ich habe diese Voraussetzungen aber durchaus schon genannt:
    Erstens. Der Bevölkerungsteil, der sich kommunistisch organisieren will, hat schon heute gewisse, wenn auch noch stark eingeschränkte Möglichkeiten das zu tun, und sollte sie nutzen. Obwohl er vermutlich wachsen wird, muss er auf längere Fristen mit einer nicht-kommunistisch wirtschaftenden Umgebung zurechtkommen. Das gilt AUCH für mögliche Zusammenbruchs- und Chaos-Szenarien, unter anderm deretwegen plane ich die Notoption Autarkie so stark in meinen Vorschlägen mit ein.


    Es ist, zweitens, bei mir unterstellt, dass der Aufbau einer von den Produzenten beherrschten, gesellschaftlich-arbeitsteiligen Produktionsweise erheblich grössere Schwierigkeiten macht, als die klassische marxistische Rede von den durchs Kapital entwickelten Produktivkräften vermuten lässt. Immerhin wird durchaus auch von den selben marxistischen Linken zugegeben, dass sich die kap.Produktionsweise rücksichtslos gegen Mensch, (lebende) Natur, Ressourcen verhält; die Analysen gehen aber nicht ins (technische) Detail, sodass hier wenig Klarheit darüber besteht, wie eine "rücksichtsvollere" Umrüstung der Produktion aussehen müsste. Da aber ist dann die Rede von Risiken (wenn schon nicht von unmittelbaren Sachzwängen), und wie die Produzenten (oder Werktätigen) der frei assoziierten Kommunen sich dazu stellen, kann ich in der Tat nicht vorwegnehmen. Es könnte bloss sein, wenn die Kommunen wirklich frei assoziiert sind, dass sich eben Gleichgesinnte zusammenfinden, die sich über bestehende Risiken einig sind. Das gilt übrigens in gleicher Weise (noch so ein Sachzwang) für die Art, wie sie die von ihnen gemeinsam betriebene Produktion regulieren. Auch da gibt es Präferenzen für sorgfältigen Aufbau und solche, die andere Prioritäten setzen. Auf das GLEICHZEITIGE Berücksichtigen mehrerer Anforderungs-Dimensionen wurde in meinen Aufbau-Szenarien grosser Wert gelegt. Manche Kommunisten mögen das anders sehen. Vielleicht gründen sie dann neue Kommunen. Wenn herrschaftsfrei agiert wird, lässt sich das kaum verhindern. Die Grössen- und Produktivitätsphantasien kann man sich abschminken, wenn da kein Konsens ist, es sei denn, man will ihn (ich will das ganz sicher nicht) erzwingen.
    Es hat aber, Wal, wenig Sinn, ständig davon zu reden, dass da jemand die Rechnung ohne "die Werktätigen" macht. Ich bin werktätig und mache andern Werktätigen Vorschläge. Ich begründe das auch, und führe meine Begründungen im einzelnen gerne auch noch weiter aus. Ich weiss nicht, welche andere Position ich den andern Werktätigen gegenüber einnehmen könnte.


    Mattis, nein, du hast in deinem letzten Punkt nicht recht, was mich anlangt: Die Konsequenzen meiner Vorschläge versuche ich wohl zu bedenken, und bin persönlich auch bereit, sie zu tragen. Nicht zu leben von Erzeugnissen von Leuten, die so arbeiten, wie ich es nicht wollen würde, ist einer der obersten Grundsätze, aufgrund deren ich überhaupt Vorschläge mache.


    Peter, die von dir beschriebene Landwirtschaft führt in wenigen Jahren zur Wüstenbildung (wenn man diese Art Plantage nicht schon selbst Agrarwüste nennen will). Boden, der so bearbeitet wird, ist extrem erosionsanfällig, nimmt Wasser sehr schlecht auf; mineralgedüngte Pflanzen, erst recht in Monokultur, sind extrem anfällig in jeder Beziehung und müssen ständig mit hohem (Herbizid, Pestizid ua) Aufwand "geschützt" werden. Über die Ernährung, die auf diese Weise zustandegebracht werden soll (vermutlich mit massiver Fleischproduktion), ist damit noch garnichts gesagt. Nur ein Detail: Der "gute" Phosphat-Anteil am Minderaldünger ist grade ausgegangen. In den verbliebenen Lagerstätten gibts leider nur noch uran- und cadmiumhaltigen. Schau dir mal im Wikipedia-Artikel "Mineraldünger" an, wieviel zig-tausend TONNEN Uran allein dadurch auf deutschen Böden jährlich ausgebracht werden.
    Aber diese Fachdebatten sind im Moment noch zweitrangig gegenüber dem Gesichtspunkt: Wie verwerten die Kommunarden in ihrer Produktion überhaupt Wissen? Schliesse ich mich mit Leuten zusammen, die mit Information weniger sorgfältig umgehen als ich? Wie zuverlässig sind solche Mit-Produzenten?
    (Und... nicht vergessen: Zwangs-Einbindung in Kommunen ist dann auch wieder Herrschaftsausübung. Wenn der Eintritt in eine Kommune freiwillig sein soll, muss jedem erstmal Subsistenz ausserhalb der Kommune möglich sein. Das wäre übrigens ein Grundsatz, den nicht-autoritäre Kommunisten mit rein Libertären teilen.)
    Aber solche Fragen ergeben sich immer nur aus Szenarios, wo flächendeckend grosse Teile der Reproduktion einer Bevölkerung schlagartig kommunalisiert werden. Weder halte ich dies Szenario für wahrscheinlich, noch für wünschenswert. Über diese Voraussetzungen (wahrscheinlich? wünschenswert?) sollte hier vielleicht noch genauer nachgedacht werden.

  • Hallo,
    ich komme nicht auf die Idee zu sagen wie Bauern produzieren sollen, mir geht es auch nicht darum nachzurechen wie es am besten gehen könnte. Ich habe lesdiglich aufzeigen wollen was möglich ist und ewas in Konkurrenz zu dem steht wenn anders Produziert werden soll.
    Für mich ist, in der jetztsituation, das Problem das das Kapital millionen von Tonnen Lebensmittel wegschmeisst. Den Menschen ist es antreniert worden nicht nur unmengen Fleisch und Zucker zu essen sondern überhaupt zuviel. Ich weis das es auch aus Psychischen Problemen herühren kann, die das ergebniss der kapitalistischen Produktionsweise sind.
    Ich wünschte mir es gäbe keine Werbung und Verpackung mehr. Es wird sich mehr ändern müssen als die Produktionsform und Eigentumsverhältnissen.


    Unten ein Link zu erner Kommune mit 27 Tsd Mitgliedern


    https://www.youtube.com/watch?v=iM0ti-5Rh7E


    Auf dem Weg http://www.diebuchmacherei.de/…ien/bisher_erschienen.htm


    Gruß Peter

  • Hallo franziska,

    Und jetzt vergessen wir nicht: Abgesehen von der Aufgabe der gesellschaftlichen Kontrolle von Produktion vererbt der Kapitalismus auch das Problem der Konsensbildung unerledigt. Dieses Problem wird die kommunistisch denkende Minderheit der Bevölkerung heimsuchen, ganz gleich, ob sie sich als solche in einer anders und nicht-kommunistisch produzierenden Umgebung auf den Weg macht, oder mit einem Zerrüttungs- oder Zusammenbruchs-Szenario konfrontiert ist (was die Aufgabe keineswegs erleichtert).
    Die Kommunisten sind, obschon sie vermutlich mehr Anlass zur Konsensbildung sehen als irgendein anderer Bevölkerungsteil, heute unter sich in geradezu absurder Weise zersplittert, und zugleich in ihrer derzeitigen Verfassung objektiv unfähig zur Konsensbildung - wie soll das denn mit der vorerst riesigen nichtkommunstischen Umgebung gehen (die wirds in jedem Falle, so oder so, noch längere Zeit geben...)?
    Die grösste Schwierigkeit, ich wiederhole mich, oder geradezu das historische Nadelöhr, durch das der kommunistische Neuanfang durch muss (diese Passage kann wohl als seine historische Bewährungsprobe angesehen werden) ist: dass die Aufgaben einer weitgehend autarken Reproduktion in einer betehenden Umgebung, der Konsensbildung, der Handhabung des Verhältnisses zur Restgesellschaft, bei Nichtüberforderung von Mensch und Ressourcen und mithilfe egalitärer Strukturen bei Aufrechterhaltung der Gesellschaftlichkeit der Gesamt-Produktions alle ZUGLEICH angegangen werden müssen, und in etwa je auf gleichem Niveau gelöst sein müssen, damit es nicht zu Ungleichgewichten kommt.

    An der Stelle sehe ich auch ziemliche Schwierigkeiten auf uns zukommen. Leider ist auch die Diskussionskultur überwiegend konkurrenz- statt lösungsorientiert. Hinderlich finde ich auch, perfekt ausgearbeitete Pläne zu fordern oder ausarbeiten zu wollen, dazu ist das zu komplex.


    Bei manchen Diskussionen gehen aber m.E. anscheinend verschiedene Sachen etwas durcheinander, nämlich der Ist-Zustand, der Übergang (mit evtl. unterschiedlichen "Zuständen) und ein möglichst "besserer" zukünftiger Zustand.


    (Sorry, mein Netzzugang wird wackelig, darum sende ich das jetzt schnell ab :huh: )


    cu
    renée

  • Hallo zusammen,


    "Hier und heute steht nicht mehr zur Debatte, welche Minderheit für und über die Mehrheit plant und entscheidet. Hier und heute sind Schritte zur Emanzipation dort zu erreichen, wo Alle gemeinsam und direkt planen und entscheiden." (von Wal zitiert, Bochumer Programm)


    Ich sehe eine zu große Vorgabe darin, Kommunen als Bedingung für eine antikapitalistische Gesellschaft anzusetzen. Ich kenne ja die entsprechende Szene und weiß, dass vielen schon die Niederkaufunger Größenordnung (ca. 80 Leute) zu unübersichtlich ist und zu anstrengend die ständige Abstimmung aller Vorhaben mit allen Kommune-Mitgliedern. Einigen ist da auch zu wenig Selbstbestimmung, denn eigentlich handelt es sich um eine gemeinschaftliche Bestimmung - die Gruppe muss zustimmen - es ist also nicht der Einzelne, sondern die Gemeinschaft, die hier das "Selbst" darstellt, und da fühlt sich mancher auch nicht gehört und verlässt dann eben die Kommune, weil der "Konsens" eben nicht seiner individuellen Position entspricht. Konsens heißt ja nicht und kann auch nicht heißen, dass letztendlich immer die Interessen eines jeden Beteiligten befriedigt werden! Auch in einer Kommune gibt es "Zwang", jedenfalls den Zwang zu vielen Kompromissen. Da ist selbst die idealistische Geduld mancher KommunardIn dann mal am Ende.


    Diejenigen, die sich größere Einheiten wünschen, wissen nach meiner Kenntnis noch gar nicht, wie da die "Selbstbestimmung" überhaupt noch aussehen könnte. Ein wöchentliches Plenum mit Diskussion aller anstehenden Fragen ist ja dann nicht mehr möglich. Auch die Frage der gemeinsamen Ökonomie ist dann ein Problem, denn ich kann eher die Ressourcen teilen mit Menschen, die ich gut kenne, und wenn die mal einen Sonderbedarf haben, kann das mit denen besprochen und gebilligt werden. Das Budget der Kommune ist außerdem der nachvollziehbare äußere Rahmen bei allen bisherigen - relativ winzigen - Kommunen; was aber ist der äußere Rahmen, wenn sich Kommunen zusammenschließen, und wie ist dann noch plausibel diskutierbar, was für den Einzelnen "drin" ist an "Konsum" und was nicht? Der Lebensstandard der Kommunen dürfte sich dann auch sehr unterschiedlich entwickeln und unschöne Fluktuationsbewegungen nach sich ziehen.


    Ich sehe Aufhebung von Herrschaft jedenfalls nicht zwingend damit verbunden, dass man alles und jedes selbst im Detail mitentscheidet und mitorganisiert. Wer das möchte, soll das tun, aber eine Koppelung lehne ich ab. Eine Kommune muss eine absolut freiwillige Sache sein, und wer das nicht will, egal ob Mehrheit oder Minderheit, soll trotzdem ohne das Diktat der Kapitalverwertung leben können. Also braucht man ein umfassenderes, komplexeres Modell als nur die Absichtserklärung einer schwer fassbaren "Selbstbestimmung".


    Zur Kapitalverwertung noch: die meisten Kommunen haben ordentlich Schulden, müssen mit einem Teil der nach außen zu verkaufenden Produkte die Zinsen und Tilgung bedienen. Da treten dann "realsozialistische" Mechanismen auf: die besseren Früchte werden ausgeliefert, der Rest ist nur intern brauchbar. Das erinnert mich dann doch an gewisse Devisen-Beschaffungsnöte im Osten und die praktischen Folgen für die eigene Bevölkerung. - Bei den Kommunen ist das vergleichbar: Dienste für die Kreditgeber. Diese Kommunen sind für sich selbst genommen also nicht wirklich reproduktionsfähig, sie kommen von den Schulden und Hypotheken nicht weg, sind also nicht wirklich frei und selbstbestimmt; und die potentiellen Mäzene, die franziska erwähnt hat, scheinen sich da auch nur selten einzufinden (bei zunehmender Zahl von Kommunen würden ohnehin die wenigen bereitwilligen Geldgeber rasch zur Neige gehen).

  • Danke Mattis, dass du diese Probleme immer wieder ansprichst - auch mir ist das sehr wichtig. Vom Standpunkt eines sorgfältigen Aufbaus (den ich in Niederkaufungen eben grade nicht sehe, sonst wär ich dort, und würde nicht hier drüber schreiben, wie mans stattdessen machen sollte) sind Personenzahlen von auch nur 1000 derzeit wahnwitzige Utopien. Und genau darum entwerfe ich ja solche verwickelten Strategien - in denen das technische Beherrschen je erst- und nächst-wichtigster Produktionsthemen einhergeht mit der inneren Abstimmung, wie das zu handhaben sein soll - solang, bis Freiräume für den nächsten Schritt entstehen. Die Zins-Probleme entstehen nicht, wenn Selbstversorgung von Anfang an Bedingung ist und ohne entsprechendes Eigentum nicht gestartet wird. Nach meiner Kenntnis sind es nicht wenige Geldgeber, sondern die überzeugenden Konzepte fehlen. (Ich bin, wie gesagt, in Projekten tätig, die unter anderm den Zweck haben, Geldgeber mit potentiellen Selbstversorger-Kollektiven zusammenzubringen...)
    Wir reden hier bisher sehr wenig über die Motive, die Leute tatsächlich nachhaltig dazu bringen (oder abhalten), und über Voraussetzungen, die sie letztendlich auch dazu befähigen (oder daran scheitern lassen), gemeinschaftlich und im vernünftigen, zwanglosen Gruppen-Konsens bewältigbare Reproduktions-Aufgaben zu lösen (und das mit einer weitergehenden und letztlich umfassenden Perspektive).
    Und, wie ich immer wieder andeute... wir bewegen uns da in der Zone der verbleibenden "Rest-Widersprüche" aus möglicherweise unguten Formen der Arbeitsteilung: männlich/weiblich, Stadt/Land, Kopf/Hand, Zentrum/Peripherie... Unter radikalen Linken wird bislang darüber nur sehr wenig nachgedacht. (Was wiederum mit der Erwartung zusammenhängt, die aktuelle Eigentumsform sei das Hindernis (sie ist eins, keine Frage! und obendrein Ausdruck, Symptom von vielem weiterem Hinderlichen...), nach dessen Wegräumung im grossen Stil alles Ungute sich in Wohlgefallen auflöst.)


  • Hallo franziska,



    Konsens findet und bildet sich immer dann, wenn die Beteiligten einen Gegenstand oder Sachverhalt gleichermaßen beurteilen. Auf die Kommunisten oder Linken bezogen hieße das, sich über die polit-ökonomische Bestimmungen des Kapitalismus einig sein zu müssen, dass es also erst dann Konsens unter ihnen geben kann, sobald verstanden ist, was es bedeutetet, wenn in einer Gesellschaft für Wert produziert wird. Hätten es alle Linken verstanden, würden wohl 90 % aller Diskussionen und Streitereien unter ihnen hinfällig, wohl auch zwischen dir und mir. Falls das nicht verstanden ist, pflanzen sich die in den Hirnen vorhandenen falschen Vorstellungen über den Wert auch in den Kommunen fort und vom Ziel der Kapitalismusüberwindung wird dann sehr schnell keine Rede mehr sein, denn auch ohne Privateigentum kann es Wertform geben, wie der Realsozialismus bewiesen hat, dann bestimmt eben der Staat oder die Kommune darüber, wie Produktion für einen allgemeinen Wert stattzufinden hat. Deshalb sehe ich es genau umgekehrt wie du: nicht die Arbeitsteilung oder industrielle Organisation verhindert die Konsensbildung sondern die Produktion für Wert. Setzt man an der Arbeitsteilung an, dann wird es nie Konsensbildung - die ohnehin, wenn überhaupt, nur nach ganz bestimmten demokratischen Verfahren erreicht werden kann - über die wichtigen gesellschaftlichen Entscheidungen einer Kommune geben, und da kann sie noch so klein sein.


    Arbeitsteilung heißt doch Teilarbeit, die in ihrer Gesamtheit zu einem Arbeitsprozess für ein ganzes Produkt wird. Damit ist Arbeitsteilung lediglich
    ein organisatorischer Beitrag zur Erzielung gesellschaftlichen Reichtums. Ihr haftet erst einmal politökonomisch weder ein negatives noch positives Moment an. Erst unter kapitalistischen Bedingungen erfährt sie einen Doppelcharakter, nämlich einerseits an der Herstellung von Gebrauchswerten und andererseits an der Erzeugung von Wert beteiligt zu sein. Sie kann deshalb eine von ihrem organisatorischen Beitrag abgetrennte eigenständige Form annehmen, die sich im Kapitalismus in Gestalt von Berufen, Handarbeit, Kopfarbeit, Teilzeitarbeit, Frauenarbeit usw. offenbart und dort auf Märkten angeboten wird, wo sie sich allein durch den Wert gesellschaftlich zueinander verhalten, und nur so ihren Beitrag zur Herstellung des gesellschaftlichen Reichtums leisten können. Den Lohnarbeitern „erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen." (MEW Bd. 23, S.87)



    Im Kapitalismus wird also der Zusammenhang der Einzelarbeiten nur über den Wert, praktisch über Waren und Geld, vermittelt. Nur deshalb existiert der
    Arbeitszusammenhang hier gesellschaftlich als Teilung der Arbeit, wobei sich die Einzelteile völlig gleichgültig gegeneinander verhalten. Unter der
    Wertproduktion existieren so die durch die Arbeitsteilung voneinander getrennten Einzelarbeiten dann aber auch ganz unabhängig von den Bedürfnissen der Menschen. Die Arbeitsteilung entwickelt sich so zu einer Art objektiven Macht gegen die handelnden Subjekte selbst, zu einer fremden Kraft, die sich paradoxerweise aus ihrem eigenen individuellen Handeln speist. Und daraus wiederum entwickeln sich eigene Bedürfnisse und eigene Lebenswelten und trennen sich die Lebensverhältnisse nicht nur in Klassen sondern auch in die von dir angesprochenen: Stadt / Land, Kopf / Hand usw. - und selbst das ursprünglichste menschliche Verhältnis, das zwischen Mann und Frau, ist durch die kapitalistische Arbeitsteilung auf die Spitze einer negativen Gegensätzlichkeit getrieben.



    Beste Grüße


    Kim

  • Hallo Kim, wir sprechen hier über aus bestimmten Arbeits- oder sogar Lebensteilungs-Verhältnissen ("männlich"/"weiblich" (im gender-Sinn), Stadt/Land, Kopf/Hand, Zentrum/Peripherie) resultierende "Widersprüche". (Teilung hier mehr im Sinn von Trennung, Zerreissung, Ausschluss, nicht von Kooperieren, gemeinsam haben; obwohl es da vertrackte praktische Überschneidungen gibt, wenn man an das "Geschlechterverhältnis" denkt... und die zeigen sich bei den andern Dualismen, Dichotomien, Polaritäten... nicht weniger.).
    Über diese Widersprüche liegen derzeit "polit-ökonomisch" noch wenig Aussagen vor, und wenn, dann sind sie vermutlich eher umstritten.
    Nun sagst du: Einzig Arbeitsteilung, welche den Anforderungen der Wertproduktion gemäss eingerichtet ist, erzeugt diese Konflikte als solche ZWISCHEN Personen oder Personengruppen. Dem möchte ich garnicht widersprechen, denn ein ganz anderer Satz liegt mir mehr am Herzen: Selbst wenn sich diese Konflikte in einer eigentumsfrei durch die Produzenten zwangfrei selbst geplanten gesellschaftlich-arbeitsteiligen Reproduktion nicht mehr ZWISCHEN ihnen entfalten, dann doch immer noch IN ihnen - darum, weil sie fundamentale menschliche Bedürfnisrichtungen verkörpern, die nicht so sehr durch "Freizeit"-Konsum befriedigt werden, sondern durch die produktive Lebenstätigkeit der Betreffenden selbst. Und die steht, aufgrund etlicher historischer Entwicklungsschritte auch schon vor Modernisierung/Industrialisierung (aber erst recht mit ihr), zerrissen zwischen Wünschen und Lebensentwürfen der je einen und der andern Art, und bekommt sie (seit den jeweils Epoche-machenden Trennungsschritten) nicht mehr in den Griff.


    So. Von meiner Seite aus ist damit genug angedeutet. Wenn du, Kim, oder andre darüber (oder auch zu meinen theoretischen Überzeugungen zum Thema "Wertproduktion", damit habe ich mich immerhin 40 Jahre lang herumgequält) mehr lesen wollt, könnt ihr auf meine Website gehen oder mir persönliche Fragen per Mail schicken, ich antworte gern. ABER... nun kommt das Aber:
    Ich schlage vor, dass wir bei der Erörterung praktischer Fragen der Art: Was sollten wir kommunistischen Werktätigen (wenn Wal nicht wäre, würd mir "Kommunisten" auch reichen, oder auch "Befürworter zwang- und eigentumsfrei-moderner oder auch nachmoderner gesellschaftlicher Verhältnisse") jetzt tun? die grossen theoretischen Konfessionen nur da und soweit auspacken, wo damit nicht allgemein offensichtliche Hindernisse für bestimmte praktische Vorschläge erklärt werden, durch die diese Vorschläge von vorneherein als nicht oder kaum durchführbar erwiesen werden. Es versteht sich, dass alle Praktiken, die mit AGITATION im weitesten Sinn befasst sind, oder auch bloss Erklärungen gegenüber der Restbevölkerung, warum man das will und macht, was man will bzw macht, es mit Inhalten im allgemeinen zu tun bekommen. Die PRAKTISCHE Frage, die sich für mich da freilich seit langem anschliesst, ist: Welche Rolle spielt eigentliich Kenntnis und Erkenntnis beim Übergang zum Kommunismus? Warum sind WIR Kommunisten geworden oder von Anfang an immer schon gewesen?
    Die Leute, mit denen ich zeitlebens über Kommunismus geredet habe, sind so gut wie nie angetreten mit einer Position der Art: Wir haben da so ein unüberbietbar tolles System, besser kanns garnicht gemacht werden. So reden eigentlich immer nur aktuell oder zukünftig "Verantwortliche" und Führungspersönlichkeiten. Fast alle, mit denen ich gesprochen habe, waren voller Zweifel und Skepsis gegenüber Marktwirtschaft und Demokratie, natürlich auch dem Realsozialismus gegenüber, den sie als einzige Alternative kannten. Aber ALLE interessierten sich vorrangig für die Frage: Wie wollt ihr das einrichten, oder (soweit ihr es schon macht) wie macht ihr es? Würde mir das gefallen, oder was würde mich abhalten/abstossen?
    Von diesen Leuten nun mal weggeblendet zurück zu uns...
    Von meinen Ausflügen in philosophische Sekundärliteratur kenne ich den (durchaus nicht sarkastisch gemeinten) Satz (oder seine praktische Umsetzung) "die genaueste Form der Erklärung des Textes ist das Zitat". Robert hat das - zu deiner, Kims, Zufriedenheit - hier gerade praktiziert. Aber bitte... ist hier wirklich jemand, euch beide, Robert, Kim, eingeschlossen, der sagen kann: die theoretischen Probleme im Zusammenhang mit den Themen K1-3 (oder die Pendants der MEGA.. nichtmal der Textkanon steht ja fest), geschweige denn den nicht von Marx abgehandelten Themen Staat, Nation, Imperialismus ua. sind gelöst und bloss nicht zur Kenntnis genommen? In Roberts Homepage lese ich eine lange Liste von Aufsätzen zu anderen linken Meinungen. Für Robert mag sich da manches geklärt haben, für die andern (die Leser wie die Kritisierten) auch? Kim, du sagst: Die Wertproduktion wird nicht verstanden. Gibt es eine verständliche Erklärung, warum wird sie dann nciht verstanden, und wenn keine, obwohl sie möglich wäre, warum wird sie nicht verfasst? Und... wie wichtig ist das alles, neben welchem anderm Wichtigen?
    Wollen die Leute die Wertproduktion begreifen, fragen sie danach?
    Sollten sie sie begreifen, müssen sie sie begreifen, sollten sie dazu gebracht werden (wie?) danach zu fragen...?
    Und, wie gesagt, bei der Wertproduktion bleibt es ja noch nichtmal...
    Begreifen ist sehr wünschenswert, sich Verständigen auch... man kann sein Leben damit zubringen, ich weiss, wovon ich rede.
    Es gibt aber noch andre Wünsche...
    Und vielleicht ahnt IHR jetzt (an einem Punkt zumindest), wovon ich da oben rede.


    PS: Das ist übrigens der Punkt, an dem ich es unterlasse, hier die ganz grosse Debatte über die Marxsche Ökonomie zu eröffnen, so wünschenswert das (für mich, für andre weniger) wäre, und so sehr mir hier Anlass geboten wurde, es zu tun. Die öffentliche Aufmerksamkeit ist nun mal nicht unbegrenzt.

  • Hallo Kim,
    das mit dem Verständnis der "Wertproduktion" als zentralem wunden Punkt - wie ist das zu verstehen? Und inwiefern liegen darin die Differenzen oder sogar Unvereinbarkeiten zwischen den sozialistischen / kommunistischen Positionen? Würden deinen Ausführungen zur Arbeitsteilung nicht fast alle Linken zustimmen?

  • Hallo Kim,
    ich habe nur eine Ahnung, was du mit deiner trocken und abstrakt formulierten These meinst.
    Ein wichtiges Thema ist es allemal.
    Vielleicht beginnst du mit diesem Text einen neuen Thread. Dieser Diskussionsfaden hat schon Hochwasser.


    @franziska und renee:
    Ich sehe bei der Kooperationsbereitschaft weniger schwarz als ihr. Ja, Linke können nur schwer miteinander kooperieren. Das liegt meiner Meinung daran, dass sie kein gemeinsames Ziel verfolgen (hierher gehört wohl das Thema Wertkritik von Kim!) - obwohl wir hier im Marx-Forum schon ganz ordentlich miteinander kommunizieren trotz unterschiedlicher Ausgangsstandpunkte. Ich denke, das Marx-Forum könnte hier eine Vorbildfunktion für die linke Szene bekommen. :)
    Wo die Kooperationsbereitschaft besser klappt als in der linken Szene, ist im Arbeitsalltag der Lohnarbeiter. Zwar werden die (Produktions)Ziele im Kapitalismus von oben vorgegeben, aber diese Ziele werden nolens volens ja von den Lohnarbeitern akzeptiert und daher legen sie sich nicht ständig gegenseitig Steine in den Weg. Wer das doch tut, wird als "Kollegenschwein" isoliert. Die Kooperation im Arbeitsalltag wird noch viel leichter werden, wenn man sich vor Arbeitsbeginn über gemeinsame Ziele verständigen kann und dann für einen gemeinsamen Plan = gemeinsames Ziel arbeitet.



    Nebenbei: Die Kooperation innerhalb eines Unternehmens war für Marx eine der großen Fortschritte, die Marx am Kapitalismus hervorgehoben hat. Siehe im ersten Band: Vierter Abschnitt. Die Produktions des relativen Mehrwerts, MEW 23, 331 - 527. Kooperation ist die Brücke, die die Teilarbeiter verbindet. Über diese Brücke wird auch die Zerrissenheit der Teilarbeiter, die Unterschiede der Berufe und Fähigkeiten in einer nachkapitalistischen Gesellschaft mehr und mehr überwunden.
    Was die Verständigung über gemeinsame Ziele in der Zukunft angeht, bin ich auch optimistischer als Franziska und Mattis, weil ich keine so fixen Vorstellungen darüber habe, was sich die Menschen einer nachkapitalistischen Gesellschaft zum Ziel setzen sollen - deshalb schert sich mein Modell der Bedarfswirtschaft auch nicht um neue, nachkapitalistische Produktionszwecke. Aufs erste wäre ich mit jedem Ziel zufrieden, das gemeinsam gefunden und bestimmt wird, und habe dabei den Optimismus, dass die Erfahrung und Einsicht wächst, so dass auf Dauer eine solidarische und naturschonende Wirtschaftsweise gewählt wird.


    Gruß Wal

  • Hallo Mattis,


    bzgl. der Arbeitsteilung stimme ich dir zu. Ich wollte hier auch nur meinen (etwas schematischen) Standpunkt gegenüber Franziska vertreten. Bzgl. der Werteproduktion werde ich Wals Vorschlag folgen und in einem gesonderten thread Stellung nehmen. Bis dahin brauche ich noch etwas Zeit.


    Beste Grüße


    Kim


  • Hallo Wal,


    ich stöbere grade in alten Diskussionen ;)


    Ich habe ja schon in vielen Bereichen und mindestens zwei Berufen gearbeitet. Meine Erfahrung: in der Produktion und den technischen Abteilungen geht es ziemlich lösungsorientiert und kooperationsbereit zu. In den kaufmännischen Bereichen der Industriebetriebe ist dann schon sehr viel mehr Konkurrenzdenken und Profilierungsstreben zu erkennen, im Vertrieb herrscht Hauen und Stechen. In Banken besteht ein guter Teil der Arbeit aus Intrigenspielen, zum Glück war ich da nicht lang.


    Produktionsarbeiter, Techniker und Ingenieure wissen halt, sie können einer Maschine noch so viel versprechen, wenn das Ding falsch konzipiert/gebaut wurde, dann funktioniert es nicht.


    renée

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