Weltmacht China - ein Interview

  • Der chinesische Politologe und KP-Mitglied Professor Yan Xuetong

    über den Aufstieg Chinas zur Weltmacht.


    Auszüge eines Spiegel-Interviews vom 27.01.2021.


    Professor Yan Xuetong im SPIEGEL

    mein Kommentar im Marx-Forum

    Yan: Der Niedergang der USA ... überrascht ... mich (nicht). Die Frage ist, wie er sich entfaltet. Das Vereinigte Königreich war für lange Zeit die führende Macht der Welt, und sein Niedergang war sehr langsam, er dauerte mehrere Jahrzehnte. Die Sowjetunion zersprang wie ein Glas, das auf den Boden fällt. Ich denke, der Niedergang der USA wird eher nach dem Beispiel Großbritanniens ablaufen.

    Kennt Yan Xuetong nur diese zwei Wege des imperialen Abstiegs?

    Der Niedergang des britischen Imperiums wurde bestimmt durch zwei große Kriege gegen den Konkurrenten Deutschland. Diese Kriege hatte Großbritannien zwar nicht verloren, aber sie haben das Land entscheidend geschwächt. Die USA sind nie als direkter Konkurrent von Großbritannien aufgetreten, sondern als Verbündeter und als natürlicher Erbnachfolger. Beides passt so überhaupt nicht auf die Rivalität zwischen China und den USA. Die US-Wirtschaft wird weiter wachsen, wenn auch weniger schnell als China, und bewaffnete Konflikte zwischen den beiden sind nicht ausgeschlossen.

    Yan: Die US-Außenpolitik hat keinerlei Glaubwürdigkeit mehr, Trump hat sie völlig ruiniert. Sein Unilateralismus bedeutete, dass die USA die Interessen anderer Länder ignoriert haben, sogar die ihrer Verbündeten.


    Trump war keineswegs der geschickteste Vertreter des US-Imperialismus. Jede Supermacht stellt sich dar, als würde sie „die Interessen anderer Länder“ nicht ignorieren. China tritt in diese Fußstapfen.

    SPIEGEL: Biden hat wiederholt erklärt, er wolle Amerikas traditionelle Bündnisse reparieren – wohl auch, um gegen China eine Einheitsfront zu bilden, um einen chinesischen Ausdruck zu verwenden.

    Yan: Chinas Regierung hat die Herausforderung erkannt. Sie wird alles tun, um die europäischen Länder, Japan und Südkorea zu ermuntern, ihre eigenen nationalen Interessen an die erste Stelle zu setzen.






    So funktioniert der globale Wettstreit um die Weltherrschaft:

    Du versuchst Verbündete gegen mich zu finden. Ich versuche dir diese Verbündeten abspenstig zu machen. Auch hier gewinnt eine Seite nur, was die andere verliert.

    Yan: Ostasien wird der Schwerpunkt der US-Außenpolitik bleiben. Trumps außenpolitisches Team bestand aus Laien ohne Fachkenntnisse, Bidens Team besteht ausschließlich aus Experten. Sie wissen, dass der Wettbewerb zwischen China und den USA vor allem im Cyberspace stattfindet – nicht zu See, auf dem Land oder in der Luft. China und die USA konkurrieren um digitale Überlegenheit und Marktanteile. Der digitale Markt in Ostasien ist bereits größer als in Europa, und die Digitaltechnologien konzentrieren sich in China, Japan und Südkorea. Diese drei Länder werden über die Wirtschaft der Zukunft bestimmen.


    Beim Cyberspace macht Yan eine besondere Überlegenheit Chinas aus. Das mag richtig sein oder nicht. Jedenfalls konkurrieren hier China und die USA mittels Entwicklung von toter Technologie. Wichtiger als Technologie sind aber die Menschen. China hat kein anderes Entwicklungsmodell und kein anderes Rivalitätsmodell als früher Deutschland und die Sowjetunion.

    China konkurriert nicht um eine gesündere Umwelt, nicht um menschlichere Arbeitsbedingungen, nicht um ein sozialeres Miteinander, nicht um mehr Selbstbestimmung seiner Bürger, nicht um friedliche Entwicklung in der Welt. China will die USA als Weltmacht beerben und erbt damit auch alle Übel der Bevormundung durch die Großen und der Unterdrückung der Kleinen.

    Yan: Ich glaube, dass die Atomwaffen einen direkten Krieg zwischen China und den USA verunmöglichen. Selbst Stellvertreterkriege werden im digitalen Zeitalter unwahrscheinlicher. Kern der Konkurrenz zwischen China und den USA ist nicht die ideologische Expansion, sondern die technologische Überlegenheit. Ich sage einen angespannten Frieden voraus.


    Auch hier übernimmt Yan unbesehen die Ideologie des Kalten Krieges. Ob mit oder ohne Krieg – bei dieser Rivalität kann die eine Seite nur gewinnen, was die andere verliert.

    Die aktuellen Probleme der Welt (Ausbeutung von Menschen, Klimawandel, ungesunde Ernährung, Umweltzerstörung, Pandemien, Bevormundung und Gewalt, Migration, Nationalismus, Sexismus und Rassismus usw.) erfordern alle globale Kooperation, nicht Kalter Krieg und globale Konkurrenz.

    Je mehr China sich in die Rivalität der Macht mit den USA verbeißt, desto weniger kann die Menschheit von China bei der Lösung ihrer dringendsten Probleme erwarten.

    SPIEGEL: Die Inseln im Südchinesischen Meer liegen fern von Chinas Landmasse. Man kann argumentieren, dass China in Asien nun nachholt, was die USA in Nord-, Mittel- und Südamerika seit einem Jahrhundert tun: Es setzt in einer als Einflusssphäre definierten Region den eigenen Willen durch. Eine chinesische Version der Monroe-Doktrin, wenn Sie so wollen.


    Yan: Viele Leute nehmen an, die Hoheit über eine Insel würde durch die Entfernung zum Festland entschieden. Wenn das der Fall ist, wie kann Frankreich dann Inseln im Pazifik besitzen und Großbritannien welche vor der Küste Argentiniens? China hat seine Ansprüche auf die Inseln im Südchinesischen Meer erstmals 1947 offiziell erhoben und sie spätestens seit der Qing-Dynastie kontrolliert.





    Das unbedeutende Frankreich besitzt weit entfernte Inseln. Warum darf dann das große China keine weit entfernten Inseln besitzen? Was dem einen Imperialisten recht ist, ist dem anderen Imperialisten billig!

    Yan: Nach dem Kalten Krieg sind die USA zur einzigen Supermacht und zum reichsten Land der Welt aufgestiegen. Deshalb glauben viele Menschen, dass Amerika in jeder Hinsicht recht hat. Aber jetzt, wo Chinas Wirtschaft schneller wächst als die der USA, wo China Covid-19 besser bekämpft als die USA, beginnen die Menschen, uns in einem anderen Licht zu sehen. Deine Leistungen entscheiden über deine Autorität.

    SPIEGEL: Dann sollte China in Zustimmung baden. Die Umfragen belegen das genaue Gegenteil.

    Yan: China ist in vielen Aspekten immer noch deutlich schwächer als die USA – bei der Technologie, bei Innovationen, Wohlstand, Bildung und natürlich beim Militär. Noch kann China die USA nicht als Vorbild für die Welt ersetzen.

    In meinen Jahren in China lernte ich dort viele intelligente US-Amerikaner kennen, die fast alle konsterniert waren über das schlechte Image der USA im Ausland. Sie meinten, die USA würden so viel Gutes tun für die Welt, warum werden wir nicht geliebt?

    Ganz genau so meint Yan: „Die Menschen in aller Welt werden China lieben, wenn China erst deutlich stärker ist als die USA.“


    Die Chinesen haben ein schönes Sprichwort:

    南 辕 北 辙 Nan Yuan Bei Che – „Sein Ziel ist im Süden – sein Wagen fährt nach Norden“.

    Und als jemand den Wagenführer auf seinen Fehler aufmerksam machte, hielt er entgegen: „Ich habe das beste Fahrzeug, die teuerste Ausrüstung und Geld im Überfluss! Was soll mir schon passieren!“ – und er fuhr weiter gen Norden.


    Warum fährt China nach "Norden"? Weil die USA auch in diese Richtung fahren!

    Und die Rivalität zwischen China und USA geht nun darum, wer schneller fährt – nicht wer die richtige Richtung hat.

    Wal Buchenberg, 3.2.21

  • Danke, dass ich durch ihren Block hinter die Bezahlschranke kam :-). Ihr letztes Kommentar ist interessant, diesen neuen Gedanken werde ich mir behalten. Ich glaube, dass sie schon eine andere Richtung nehmen, jetzt spontan weiß ich auch nicht welche. Ich glaube aber das sie in Reden hoher Parteifunktionäre beschrieben wird und dass es schon andere sind.

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