Sturm auf das US-Kapitol

  • Drinnen im Kapitol lassen sich gewählte Abgeordnete von jedem einzelnen Bundesstaat der USA Wahlergebnisse vortragen, die sie längst aus allen privaten und öffentlichen Medien kennen. Das lächerliche Verfahren entstammt einer Zeit, als Nachrichten noch persönlich von Boten überbracht werden mussten.

    Draußen versammelt sich ein Mob, der nicht akzeptieren will, dass ihr Favorit die Wahl verloren hat, und sprengt die angestaubte Versammlung der Honoratioren. Schaden da nicht beide Seiten der (Forderung nach) Demokratie?

    Wer eine Mehrheitsentscheidung nicht akzeptieren will, schadet ganz sicher der Demokratie.


    Es schadet aber auch der Demokratie, wenn eine einflussreiche Partei-Clique über die Kandidaten entscheidet, die zur Wahl stehen, und die so einem Terroristen wie Trump erst den Weg ins Präsidentenamt geebnet und ihn dann vier Jahre lang unterstützt hat.

    Es schadet der Demokratie, wenn knappe Wahlergebnisse in einzelnen US-Bundesstaaten in deutliche Wahlsiege verfälscht werden („the winner takes all“).

    Es schadet der Demokratie, wenn eine Wahl nicht einfach durch die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen im ganzen Land („popular vote“) entschieden wird.


    Alle Putins, die Xi Jinpings und die Erdogans können sich ins Fäustchen lachen.

  • Die Impeachment-Debatte

    Gestern Abend verfolgte ich auf CNN die Debatte über das Impeachment für Donald Trump im US-Parlament. Dabei wurde immer wieder betont, dass es bei dem Verfahren gegen den noch amtierenden Präsidenten um „Verteidigung der Demokratie“ ginge. Wie sieht nun diese Demokratie aus, die gegen Trump und seine Anhänger verteidigt werden soll?

    Zwei Stunden lang trat abwechselnd in kurzen Abständen ein Befürworter und ein Gegner des Impeachments ans Mikrofon und las hastig seinen vorbereiteten Text vor. Von den rund 100 Rednerinnen und Rednern sprachen nur drei oder vier ohne vom Blatt abzulesen. Kein einziger Redner ging auf seinen Vorredner und dessen Argumente ein.

    Man sollte meinen, so ein Streit von Pro und Contra habe das Ziel, dass sich am Ende das Wahre und Richtige herauskristallisiert. Davon war bei diesem entscheidenden „historischen Zeitpunkt“ nichts zu spüren.

    Am Ende der formalisierten Prozedur stimmte jeder US-Abgeordnete so ab, wie es vorher absehbar und vorher beabsichtigt war. Die ganze Debatte war nur ein Theaterspiel mit formalisierten Rollen und mit vorher festgelegtem Text für jeden einzelnen Mitspieler. Wer dieses Schauspiel sieht, überlegt, wer wohl die Regisseure und Strippenzieher im Hintergrund seien.

    Für dieses Parlamentstheater könnten sich die Menschen in den USA und in allen anderen Ländern der Welt nicht begeistern. Wer meint, diese verkrustete Demokratie könne ein Land vor autoritären und faschistischen Umsturzversuchen schützen, der liegt daneben.


    Eine Woche vor der Vereidigung des nächsten Präsidenten sind mehr US-Truppen in der US-Hauptstadt Washington stationiert als in ganz Afghanistan. Das spricht Bände über das amerikanische Modell der Demokratie.

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