Kapitalismus mit Corona (Update)

  • 2018/19 wurden knapp 15 Millionen Grippeimpfungen in D-Land verabreicht und 182.000 Grippeerkrankungen gemeldet. Bei Influenze H1N1 lag die Wirksamkeit dieser Impfungen bei 61 %. Heißt: Bei rund 60 von 100 Geimpften, hat die Impfung eine Ansteckung verhindert. 40 von 100 Geimpften erkrankten trotzdem an Influenza. (Zahlen vom RKI).

    Trotz jahrelanger Impfungen gegen Grippe, ist der Grippevirus immer noch virulent, und niemand, der einmal geimpft wurden ist, ist dauerhaft gegen Grippe immun. Von dem Corona-Virus können wir nichts besseres erwarten.


    Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat angekündigt, für Covid-19-Impfstoffe „eine Wirksamkeit von mindestens 50 Prozent zu verlangen; das heißt, dass sich von einer größeren Gruppe von Geimpften höchstens halb so viele mit der Krankheit anstecken wie in einer vergleichbaren Gruppe von Ungeimpften. Die europäische EMA hat sich diesbezüglich noch nicht festgelegt.“

    Niemand rechnet mit einer vollständigen Wirksamkeit eines Covid-Impfstoffs (90%), und niemand rechnet damit, dass ein Covid-Impfstoff dauerhaft, d.h. länger als ein paar Wochen oder Monate, vor dem Virus schützen wird.


    Es gibt sogar bestätigte Fälle, wo sich Leute kurz hintereinander mit dem neuen Corona-Virus angesteckt hatten, nachdem sie wieder negativ getestet waren. Deshalb können wir nicht mit einer langanhaltenden Immunität rechnen, die entweder durch körpereigene Antikörper oder durch gezüchtete Impfstoffe erreicht werden.


    Covid-19 bleibt uns auf Dauer erhalten. Wir müssen damit leben lernen. Was wird sich also ändern? Was muss sich also ändern? Aus meiner Sicht lehren uns die Corona-Viren die folgenden sechs Aussagen:

    1. Staat und Kapital sind miteinander verwachsen. Das eine funktioniert nicht ohne das andere.

    2. Das angegriffene Ansehen der Wissenschaft ist wieder gewachsen

    3. Die Produktionsverhältnisse sind durchsichtiger geworden

    4. Die kapitalistische Ziele werden zunehmend in Frage gestellt

    5. Die Welt schrumpft wieder

    6. Die Individuen orientieren sich stärker an der ganzen Gesellschaft


    1. Staat und Kapital sind miteinander verwachsen. Das eine funktioniert nicht ohne das andere.

    Weil der normale Lohn nur ein Existenzentgelt ist, hat der Staat die Vorsorge für die Unfälle und Risiken des Kapitalismus übernommen: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter. Auch die staatliche Vorsorge reicht nicht für wirkliche Notfälle. Die staatliche Vorsorge reicht nicht für Wirtschaftskrisen, die staatliche Vorsorge reicht nicht für Katastrophenfälle, die staatliche Vorsorge reicht nicht für Epidemien. Deshalb fehlten zu Beginn der Corona-Pandemie Atemschutzmasken, Schutzkleidung, Beatmungsgeräte, Intensivbetten und vor allem das zusätzliche Personal, das damit umgehen kann.

    Andererseits können nur Staat und Regierung die Katastrophen ausbügeln und die Katastrophenfolgen mildern, auf die der Kapitalismus nicht vorbereitet ist und die der Kapitalismus verschlimmert. Deshalb sind Länder wie China, in denen die Bürger wenig, der Staat aber viele Rechte hat, in Krisenzeiten möglicherweise erfolgreicher. Kapitalismus und Staat sind ineinander verwachsen. Den Kapitalismus loszuwerden, aber den Staat in der heutigen Gestalt behalten zu wollen, wäre ein Trugschluss.


    2. Das angegriffene Ansehen der Wissenschaft ist wieder gewachsen

    Mindestens seit dem Umwelt-Gutachten „Global 2000“ aus dem Jahr 1980 und erst recht in der Diskussion um den Klimawandel wurde viel Kapital und viel Hirn eingesetzt, um das Ansehen von Wissenschaftlern zu untergraben, deren Erkenntnisse die Freiheit des kapitalistischen Eigentums indirekt in Frage stellten.

    In der Corona-Krise folgen mittlerweile alle Regierungen mehr und minder dem Rat der Mediziner, Virologen und Epidemiologen. Auch die Entwicklung eines Impfstoffes gegen den Corona-Virus beweist die zunehmend wichtige Rolle, die Wissenschaftler bei der Bewältigung unserer globalen Probleme haben. Die wichtige Rolle der Wissenschaft reicht vom Klimawandel über die Artenvielfalt und den Folgen von Naturkatastrophen bis zu der wachsenden Bedrohung unserer Gesundheit und dem hohen Ressourcenverbrauch.


    3. Die Produktionsverhältnisse sind durchsichtiger geworden

    Das Kapital beherrscht weitgehend unsere Produktionsverhältnisse: Was profitabel ist, wird produziert, und es wird in der Menge und Qualität produziert, die profitabel erscheint. Wo Profit winkt, werden Arbeitsplätze geschaffen. Ohne Profit für das Unternehmen, keine Arbeit für uns.
    Die Krise des Gesundheitswesens kommt nicht von „Privatisierungen“. Egal ob die Krankenhäuser private oder öffentliche Träger haben, sobald sie der kapitalistischen Effektivität und Profitlogik unterworfen werden, bleiben für Notfälle kein Geld und keine Kapazitäten.

    In der jetzigen Krise stellen sich mehr Leute die Frage, welche Produktion und welche Dienstleistungen wichtig, weniger wichtig oder sogar überflüssig bis schädlich sind. Diese Fragestellung ist im Kern kommunistisch.

    Sind Urlaubsreisen in exotische Gegenden wichtiger als Krankenbetten? Sind Musiker und Künstler so "systemrelevant" wie die Krankenschwestern? Bisher waren Bankmanager „systemrelevant“, nun sind es eher die Billiglöhner, die bei Tönnies Schweine zerlegen. Die Region rund um das explodierte Atomkraftwerk Tschernobyl zeigt: Die Anwesenheit radioaktiver Strahlung zerstört weniger Natur als die Anwesenheit einer kapitalistisch geprägten Menschengesellschaft.

    Die künftige Fragestellung heißt: Was soll produziert werden und in welcher Menge? Brauchen wir mehr private PKW oder mehr öffentliche Verkehrsmittel? Brauchen wir mehr Flugverkehr oder lieber Land- und Seeverkehr? Dass solche Fragen nun öffentlich diskutiert werden, ist eine gute Sache.


    4. Kapitalistische Ziele werden zunehmend in Frage gestellt

    Der Kapitalismus dreht sich um Wertproduktion - Kapital muss wachsen. Die Menschen sind an Gebrauchsproduktion interessiert, sie wollen besser leben und weniger arbeiten. Dieser Konflikt, der ein Klassenkonflikt ist, wird sich weiter verschärfen. Durch die Corona-Krise wird unser Lebensunterhalt, das heißt unsere Reproduktion, weiter gefährdet und verschlechtert. Unser Leben wird nicht besser, sondern schwieriger.

    Zu befürchten ist:

    - Verlust von Arbeitsplätzen und von Einkommen durch Pleite vieler kleiner und mittlerer Unternehmen. In Deutschland stehen 50.000 Einzelhandelsgeschäfte vor der Pleite.

    - Verlust von Arbeitsplätzen und von Einkommen durch das beschleunigte Erstarken der effizient wirtschaftenden Großunternehmen z.B. Amazon & Co. auf Kosten von Karstadt & Co.

    - Verlust von Einkommen durch Inflation, weil in der Krise die Staatsverschuldung weiter steigt und irgendwann nicht mehr ausbalanciert werden kann;

    - Verlust von Einkommen, weil die Staatsverschuldung weiter zunimmt und die Regierungen die Steuerschraube anziehen und soziale Leistungen streichen müssen;

    - Verlust von Lebensqualität, weil überschuldete Kommunen stärker sparen müssen (Schließung von Bädern, Theatern etc.)

    Bisherige kapitalistische Krisen trafen vor allem die unteren 30% der Lohnabhängigen durch (zeitweilige) Arbeitslosigkeit, Lohnverlust, prekäre Jobs, Scheidungen, Wohnungsverlust, erhöhte Schuldenlast. Die werden jetzt wieder getroffen. Aber zusätzlich trifft die aktuelle Krise die 30-40% Mittelverdiener durch drohenden Jobverlust, und durch Verlust vieler Annehmlichkeiten, die sich mit Geld kaufen lassen: Theater, Restaurants, exotische Küche, Kino, Live-Musik, Reisen, Urlaub etc. Und es trifft alle privaten Dienstleister und Solo-Selbständige, die diese Annehmlichkeiten für die „Mittelschicht“ gegen Geld zur Verfügung gestellt haben.

    Der britische Finanzminister Rishi Sunak hat kürzlich Musikern, Künstlern, Schauspielern und Kreativen empfohlen, sich andere Arbeit zu suchen. Damit trifft er einen heißen Punkt. Abschaffung aller Klassen heißt auch Abschaffung von Luxus-Dienstleistern (professionelle Künstlerinnen und Musikerinnen). Je kürzer die allgemeine Arbeitszeit für alle wird, desto mehr Menschen könnten neben ihrer "Brotarbeit" sich auch mit Kunst und Kultur befassen.


    5. Unsere Welt schrumpft wieder

    Viele Fluglinien liegen am Boden, viele Kreuzfahrt- und Containerschiffe liegen an Land. Die Welt wird wieder kleiner, weil sich die Menschen, aber auch die Unternehmer wieder stärker an regionalen und lokalen Zusammenhängen orientieren. Die Gefahr ist groß, dass nationalistische Strömungen, die auf Krieg und Konflikt setzen, in einigen Ländern die Oberhand gewinnen. Andererseits zwingt uns die Krise, viel sorgsamer mit unseren Ressourcen umzugehen. Das große Kapital ist auf den Weltmarkt orientiert, die kleinen Kapitalisten und Unternehmer beschränken sich auf den regionalen oder nationalen Markt. Das nationalistische Gedankengut verbündet sich mit den kleinen und mittleren Kapitalisten. Wer am Gebrauchswert (Nutzen) der Wirtschaft interessiert ist, hat ALLE Kapitalisten gegen sich, nicht nur das große Kapital.


    6. Die Individuen orientieren sich stärker an der ganzen Gesellschaft

    Der gesellschaftliche Zusammenhang ist durch die Corona-Krise übersichtlicher geworden. Es wurde deutlicher, wie alles und alle miteinander zusammenhängen. Es wurde deutlich, dass die Wohnverhältnisse von Tönniesarbeitern, die Arbeitszeiten von Krankenschwestern und die Schutzkleidung von Altenpflegern oder Lehrern uns alle angehen, weil wir alle in diese Arbeitsteilung wie in einen Organismus eingebunden sind, so dass alle Teile der Gesellschaft Schaden erleiden, wenn irgend ein Teil der Gesellschaft leidet.

    Andererseits ist das Private gewachsen und stärker geworden. Während des Lockdowns verbrachten wir viel mehr Zeit mit unserer Familie als früher. Wer ohne Familie lebt, war noch stärker auf sich selbst bezogen als früher. Der normale Kontakt in der Firma und mit Freunden wurde geschwächt. Durch die unsichtbare Drohung der Corona-Viren wächst wieder das Bewusstsein vom eigenen Tod. Das alles ist für jeden von uns eine Belastung, aber gleichzeitig eine Aufforderung, die eigene Rolle nicht nur in den engen privaten Grenzen als Partner, Eltern oder Geschwister zu sehen, sondern die eigenen Aufgaben für die Gesamtgesellschaft besser zu begreifen, und sich stärker um Wohl und Wehe aller anderen Gesellschaftsmitglieder zu kümmern. Das hat Auswirkungen, nicht nur, wie wir unsere Jobs erledigen, sondern auch, wie wir unseren Konsum und unsere Freizeit gestalten.


    Wal Buchenberg, 20.10.2020


    Frühere Texte und Diskussionen zu Corona:

    Was uns die Corona-Krise bisher gebracht hat


    Corona-Pandemie und Solo-Selbständigkeit


    Konsumeinbruch durch Corona


    Was kommt nach dem Shutdown?

    Ich schaue mit Optimismus in die Zukunft, auch wenn sie ohne mich stattfindet.

    The post was edited 1 time, last by Wal Buchenberg: "Luxus-Dienstleister" eingefügt ().

  • "Den Kapitalismus loszuwerden, aber den Staat in der alten Gestalt behalten zu wollen, wurde ein Trugschluss."

    Ich habe Ihren Kommentar in M. Roberts 'Blog gelesen und jetzt habe ich diesen sehr umfassenden Artikel von Ihnen gelesen. Es ist ein sehr guter Artikel mit hervorragenden Analysen mehrerer wichtiger Themen. In Bezug auf Punkt 1, das gemeinsame Wachstum des Staates und der kapitalistischen Unternehmen, kann ich einen Kommentar abgeben, von dem ich glaube, dass er diese Frage vertieft und einige mögliche falsche Vorstellungen über den Staat beseitigt.


    1. Idee. Ja, wie er sagt, Kapitalismus und Staat funktionieren nicht ohne einander. Zum Beispiel braucht der Staat kapitalistische Unternehmen (insbesondere große Unternehmen), um die Rechnung für ihre Produktion von Waren und Dienstleistungen zu erheben (ihre Steuern sind). Ohne diese Steuererhebung würde der Staat nicht überleben. Daher achtet der Staat sehr darauf, seine kapitalistischen Kunden, die ihre Rechnung bezahlen, nicht zu sehr zu stören. Er achtet besonders darauf, große Unternehmen nicht zu stören.


    2. Idee. Aus dem oben genannten Grund und durch Untersuchung ihrer historischen Entwicklung seit der Verfassung der Staaten vor ungefähr 10 Jahrhunderten können die Staaten als das erste existierende produktive Unternehmen definiert werden. Ursprünglich waren die Staaten Unternehmen in Privatbesitz - Könige, Kaiser usw. Heute ist der Staat eine Zwischengesellschaft zwischen kapitalistischem Eigentum (Privateigentum einiger weniger) und sozialistischem Eigentum aller. Die Staaten sind die ersten Unternehmen, die ihre Domäne auf das gesamte Gebiet jedes Landes übertragen haben. Der Rest der Unternehmen (die heute kapitalistische Unternehmen sind und früher feudale Unternehmen waren) ist einfach hinter und hinter dem Staat zurückgeblieben.


    3. Idee. Der Staat und die kapitalistischen Unternehmen brauchen einander heute, aber sie haben weder geglaubt noch wachsen sie, noch werden sie "zusammen und Hand in Hand" "in glücklicher Harmonie wachsen. Das Wachstum des Staates widerspricht in Wirklichkeit dem Wachstum kapitalistischer Unternehmen. Und umgekehrt. Dieses widersprüchliche Wachstum hat immer stattgefunden, wird aber im 20. Jahrhundert besonders intensiv beobachtet. Im 20. Jahrhundert produzierte der Staat im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts 10% des BIP pro Jahr und in den meisten Ländern 50% des BIP. Mit anderen Worten, das Wachstum des Staates im 20. Jahrhundert ging zu Lasten des Marktes und der Kunden kapitalistischer Unternehmen, kapitalistischer Unternehmen, die ihre Beteiligung an der Wirtschaft von heute 90% des BIP / Jahr auf 50% reduzierten. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts befinden sich der Staat und die kapitalistischen Unternehmen im umgekehrten Prozess, und jetzt ist es der Staat, der reduziert (privatisiert) und der Kapitalismus die Produkte und Märkte des Staates übernimmt. Dieser Prozess der Erweiterung und Verkleinerung des Staates hat eine erklärende Theorie (die Theorie des Zyklus des Klassenkampfes), aber es ist jetzt nicht der Moment, dies zu kommentieren. Im gegenwärtigen Marxismus fehlt es an erklärender Theorie darüber, warum, wann und wie diese Bewegungen des Staates erzeugt werden, und die Theorie des Klassenkampfzyklus sollte von marxistischen Autoren als Hauptthese untersucht werden.


    4. Idee. Sie sagen zu Recht, dass es ein Missverständnis für die Arbeiterklasse wäre, den Kapitalismus loszuwerden und den Staat in seiner jetzigen Form zu halten. Wiederum fehlt meiner Meinung nach im gegenwärtigen Sozialismus viel Theorie darüber, wie die Arbeiterklasse die Entscheidungsgewalt (Befehl, Dominanz und Kontrolle) über den sozialistischen Staat erlangen kann.


    Mit freundlichen Grüßen.

  • Eine neuere britische Studie zeigt, dass die Zahl der Antikörper gegen Covid-19 im Körper von geheilten und virenfreien Patienten im Laufe einiger Wochen „stetig abgenommen“ hat.

    Das lässt vermuten, dass eine Immunität gegen Covid-19 nicht dauerhaft und nicht flächendeckend zu erreichen ist.

  • Vordem hatte ich geschrieben: „Die Produktionsverhältnisse sind in der Corona-Krise durchsichtiger geworden.

    Spätestens mit diesem zweiten Shutdown im November zeigt sich, welche Tätigkeiten und Aufgaben in unserer Gesellschaft „systemrelevant“ sind. Was nicht systemrelevant ist, kann notfalls geschlossen werden.

    - Geschlossen wird der gesamte Unterhaltungs- und Freizeitbereich – außer Fernsehen und Radio.

    - Geschlossen wird der Urlaubsbereich (Hotels, Reisegewerbe)

    - Geschlossen wird das Gastronomiegewerbe.


    Daran wird zweierlei deutlich:

    Erstens: Wir Lohnarbeiter sollen unbedingt arbeiten, aber weniger Party machen.

    Zweitens: Die gut zwei Millionen Solo-Selbständige in Deutschland, die den Unterhaltungsbereich am Leben halten, aber nur für sich selber verdienen, sind verzichtbar.


    Nicht verzichtbar ist die Lohnarbeit, die für Andere Profit (Mehrwert) schafft. Nicht verzichtbar ist die Lohnarbeit, die den Machtapparat „am Laufen hält“. Nicht verzichtbar ist der Nachwuchs an qualifizierter Lohnarbeit, der in unseren Schulen und Hochschulen ausgelesen und herangezüchtet wird.

    Produktive und unproduktive Lohnarbeit sind der Kernbereich der kapitalistischen Gesellschaft. Das wird in diesem Shutdown sichtbar.


    Florian Rötzer findet jedoch in den vorgesehenen Maßnahmen keinen Zweck zur Bekämpfung einer Epidemie innerhalb der kapitalistischen Profitlogik , sondern eine Umerziehungsnahme an der Bevölkerung: „Die verhängten Anti-Corona-Maßnahmen zielen auf puritanische Einschränkungen und die Vereinzelung im Privaten“. Da wird eine mögliche (Neben)Wirkung zum angestrebten und beabsichtigten Zweck erklärt. Das ist das Muster einer Verschwörungstheorie.


    Jana Frielinghaus findet dagegen weder Sinn noch Logik in den aktuellen Maßnahmen gegen die Pandemie. Sie schreibt im ND:

    „Geradezu skandalös ist es jedoch, wenn etwa jede »touristische« Beherbergung untersagt wird, während »notwendige« Auswärtsübernachtungen erlaubt bleiben. Wenn Restaurants, Kinos, Theater schließen sollen, während man am Arbeitsplatz, zu dem man in vollen Bahnen und Bussen fährt, weiter acht Stunden täglich mit den Kollegen verbringen darf. Während Geflüchtete nach wie vor in beengten Sammelunterkünften leben müssen. Und während durch das Offenhalten der Kitas und Schulen die uneingeschränkte Verfügbarkeit von Eltern im Job garantiert wird und Lohnersatzleistungen für sie gespart werden.

    All das könnte Hunderttausenden Selbstständigen, Künstlern und Kleinunternehmern finanziell den Rest geben. Gastronomen, Veranstalter, Kino- und Reisebürobetreiber werden so doppelt bestraft, denn sie haben mehrheitlich teure - und wirksame - Hygienekonzepte umgesetzt.“


    Frielinghaus leidet mit den Klein- und Solo-Selbständigen. Normale Lohnarbeit sieht bei ihr aus wie Kaffekränzchen, wo man "acht Stunden täglich mit den Kollegen verbringen darf".


  • Covid-19-Tote in Europa

    Stand 25. Oktober 2020


    Altersgruppe

    Corona-Verstorbene

    0-14

    1000

    15-24

    4000

    25-49

    85.000

    50-64

    224.000

    65-79

    390.000

    80+

    918.000

    Summe

    1,62 Millionen Verstorbene


    Quelle: The Economist 7.11.2020 (Zahlen gerundet)


  • Hallo Wal,


    die angegebenen Zahlen stimmen nicht mit denen der John-Hopkins-University überein. Die John Hopkins gilt doch als sichere Quelle.

    Heute wird derzeit die Anzahl der an und mit Corona Verstorbenen mit 1,252 189 Toten weltweit angegeben.

    Die Zahlen des Economist sind unklar. Sollte es sich bei der in der Headline genannten Summe um 1,62 Millionen Covid-19-Infizierte in Europa handeln, dann könnte das für den 25. Oktober seine Richtigkeit haben; würde aber dramatisch die Entwicklung der letzten 14 Tage unterstreichen.


    Die Tabelle des Economist müsste demnach die Zahl der Infizierten und deren altersmäßigen Zusammensetzung darstellen.

  • Hallo bke,

    Die John-Hopkins-Uni ist sicherlich eine gute Datenquelle, aber halt nicht die einzige.

    Trotzdem ist deine Rückfrage berechtigt, erstens, weil es sich hier um gerundete Zahlen handelt, und zweitens weil ich die Zahlen aus der Tabelle des Economist herausgerechnet hatte.

    Der Economist gibt in seiner Tabelle die Gesamtzahl der Erkrankten (einschließlich geschätzte Zahlen) an und rechts daneben den Prozentsatz der Todesfälle in den Altersgruppen ("Fatality rate") .

    Der Prozentsatz der Todesfälle multipliziert mit der Zahl der Erkrankten ergibt die Zahl in meiner Tabelle. Meine Zahlen geben eine Größenvorstellung der Covid-Toten in den einzelnen Altersgruppen, ohne Anspruch, auf die Hundert genau zu sein.


    Tabelle aus dem Economist steht im Anhang:

    Covid19-Tote.JPG

  • Bezweifelst du diese Zahlen? Gestützt auf was?

    Im Groben entspricht es dem allgemeinen Urteil der Soziologen und der allgemeinen Lebenserfahrung , dass wir in Deutschland in einer "Drittel-Gesellschaft" leben.

    In meinen Worten:

    Das untere Drittel der Menschen in Deutschland kämpft ums (Über)Leben - das mittlere Drittel lebt mehr oder minder sorgenfrei - das obere Drittel lebt im Überfluss.

    Je nach (willkürlicher) Definition von "Armut" wird das untere Drittel mal kleiner und mal größer dargestellt.

    Ein Überblick ist hier:



    Gruß Wal

  • Die Einkommensverhältnisse decken sich jedoch nicht mit den Klassenverhältnissen. Es gibt auch (ein paar) arme (überschuldete) Kapitalisten und einige reiche Lohnabhängige. Klassen werden bei Marx allein durch ihre Einkommensquellen definiert, nicht durch ihre Einkommenshöhe.

    Die Klassenverhältnisse in Deutschland sind hier abgebildet: Ungefähr 10 % Kapitalisten (=Kapitaleigner plus Kapitalfunktionäre) zu 90% Lohnabhängige.


  • Covid_Science.JPG

    Die Grafik macht auch eine Wende in der internationalen Politik deutlich:

    Jedes Land entwickelte seine eigene, von anderen ganz unterschiedene Antwort auf die Corona-Krise. Internationale oder wenigstens regionale Kooperation zählte nichts. Die Gesundheitsorganisation der UNO (WHO) gab nur ein Startsignal "Wir haben eine Pandemie!" - ansonsten wurden ihre Reden und Vorschläge ignoriert. Das umso mehr, als die WHO in der Anfangszeit vom Tragen von Mund-Nasen-Masken abgeraten hatte ("das gäbe ein falsches Sicherheitsgefühl")

    Mit der Coronakrise erleben wir einen wiedergeborenen Nationalismus - bis dorthin, dass Staatsgrenzen geschlossen wurden und Ausreiseverbote ausgesprochen wurden. Es ist ein "sozialer Nationalismus", der angeblich die Gesundheit der jeweils "eigenen" Bürger schützen will und schützen kann. Je "sozialer" dieser Nationalismus daherkommt, desto verführerischer wirkt er.

    Einerseits machen sich Journalisten noch lustig über Trumps "America first", während längst in den europäischen Hauptstädten eine Politik von "Deutschland first!", "Frankreich first!", "Polen first!", "Österreich first!" usw. verfolgt wird.

    Je spürbarer die Wirtschaftskrise wird, die der Coronakrise notwendig folgen wird, desto mächtiger erleben die Nationalstaaten ihre Wiederauferstehung.

  • Eine Kritik an der Entwicklung von Corona-Impfstoffen bleibt stumpf, wenn sie sich darauf beschränkt, dass „Big Pharma“ und „Big Money“ die Richtung vorgeben. Dass das große Kapital die Richtung vorgibt, ist im Kapitalismus normal. Diese Normalität wird erst recht allgemein akzeptiert, wenn „Big Pharma“ jetzt und in dem vorliegenden Fall wirklich auf ein brennendes Problem – auf die Corona-Pandemie reagiert und eine Impfung ermöglicht – wenn auch mit teurer staatlicher Unterstützung.

    Die FAZ kommentierte z.B. „Die Entwicklung der Covid-Impfstoffe ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte, der viel zu wenig Würdigung zuteilwurde. Für einen kurzen Moment sollten alle Nebengeräusche auf stumm gestellt werden, die von den großen Leistungen von Pharmakonzernen, Forschern, Behörden und Regierungen ablenken.“

    Der Skandal mit und hinter den Impfstoffen ist aber das Privateigentum: Das Privateigentum an einem Impfstoff macht es nötig, dass alle wichtigen Informationen geheim bleiben, und dass deshalb viel Geld verschwendet wird, weil rund 50 Impfstoffe gleichzeitig und nebeneinander entwickelt werden müssen.


    A criticism of the development of corona vaccines remains blunt if it is limited to the fact that "Big Pharma" or "Big Money" are leading the way. It is normal in capitalism for big capital to lead the way. This normality will be generally accepted if “Big Pharma” reacts to a burning problem now and in this case – a vaccination against the corona pandemic - albeit with expensive government support.

    The scandal with and behind the vaccines, however, is private property: Private ownership of a vaccine makes it necessary that all important information remains secret and that a lot of money is wasted because

    around 50 vaccines will be developed simultaneously and side by side.

  • Im Blog von Michael Roberts hat ein Peter Wrigt den „Stein der Weisen“ entdeckt, der für uns Linke aus der Corona-Krise mit einem Schlag eine bessere, neue Welt schafft:

    Dear Peter, you said:

    “However, a determined government in countries with under-used productive capacity could engage in ramping up investments in renewable energy generation and subsidise the production of infrastructure to distribute and consume renewable energy in a way that reduces costs for the private sector and households.”

    My answer:

    Your suggestion comes with an ease that hides all deep-seated problems.

    Yes, the state can make or subsidize additional investments. However, only those investments that bring profit for companies are “sustainable”. So let us assume that the state itself makes and promotes investments that bring profit to the capitalist economy. But profit is an excess over costs. Yes, the state can partially cover the costs. But who bears these costs? If the capitalist corporations are relieved, these costs will be incurred elsewhere. Who else will it be than the “households” - that is, the non-capitalists?

    Reducing costs “for the private sector and housholds” is squaring the circle - or the art of making gold out of lead.


    Meine Antwort (auf Deutsch):

    Lieber Peter,

    Dein Vorschlag kommt mit einer Leichtigkeit daher, die alle tiefsitzenden Probleme ausblendet.

    Ja, der Staat kann zusätzliche Investitionen tätigen oder subventionieren. „Nachhaltig“ sind aber nur solche Investitionen, die für kapitalistische Unternehmen Profit bringen. Unterstellen wir also, dass der Staat Investitionen selbst tätigt und fördert, die der kapitalistischen Wirtschaft Profit bringen. Profit ist aber ein Überschuss über die Kosten. Der Staat kann teilweise Kosten übernehmen. Aber wer trägt diese Kosten? Wenn die kapitalistischen Unternehmen entlastet werden, fallen irgendwo anders diese Kosten an. Wer anders wird das sein als die „Haushalte“ – sprich die Nichtkapitalisten.

    Kosten zu reduzieren „for the private sector and housholds“ ist die Quadratur des Kreises – oder die Kunst aus Blei Gold zu machen.

  • Eine Impfung schützt einen selbst und andere


    Im Straßenverkehr hängt es nicht nur von der eigenen Vorsicht und der eigenen Rücksichtnahme ab, wie hoch unser Unfallrisiko ist. Rücksichtslose Raser und Drängler können uns trotz eigener Vorsicht ums Leben bringen. In der Corona-Pandemie ist es nicht anders: Wenn in unserer Umgebung eine größere Zahl von „Covid-Zweiflern“ und Pandemieleugnern herumlaufen, die keinen Abstand halten und keine Maske tragen wollen, dann erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass Corona-Viren verbreitet werden.

    Einen Teil der unterschiedlichen Infektionszahlen in Deutschland und anderen Ländern lässt sich mit einem unterschiedlichem Niveau an gegenseitiger Rücksichtnahme erklären.

    Wenn es denn einen (wirksamen) Impfstoff gegen Covid-19 geben wird, hängt es noch mehr vom Verhalten aller anderen ab, ob das eigene Erkrankungsrisiko deutlich gesenkt wird.

    – Muss ich hier darauf hinweisen, dass gute Impfstoffe in großem Umfang Leben retten? Wer es anders meint, sollte sich den Rückgang der Todesfälle bei Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten oder Masern anschauen, gegen die Impfstoffe in großem Umfang eingesetzt wurden.


    Die Bereitschaft sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, zeigt folgende Übersicht:

    corona_impfung.JPG

  • Wollen unsere Politiker "Leben retten"?

    Unsere Politiker behaupten, im Kampf gegen den Corona-Virus würden sie „Leben retten“ – das ist falsch.

    Wollten unsere Politiker „Leben retten“, dann hätten sie nicht Krankenhäuser privatisiert und das Gesundheitswesen dem Profitzwang unterworfen. Wollten unsere Politiker „Leben retten“, dann würden sie nicht den Kauf von privaten PKWs öffentlich fördern, sondern überall den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und dessen Nutzung verbilligen. Wollten unsere Politiker „Leben retten“, dann hätten wir längst Tempo 100 auf den Autobahnen und Tempo 30 in den Städten; wollten unsere Politiker „Leben retten“, dann würden sie nicht den landwirtschaftlichen Raubbau an der Natur fördern; wollten unsere Politiker „Leben retten“, dann wäre die Förderung und Verbrennung von Braunkohle längst verboten.


    Aber auch die simple gegenteilige Behauptung ist falsch, die Behauptung, unsere Politiker „gingen über Leichen“ und wollten nur die Interessen des Kapitals erfüllen.


    Ich denke, die Politiker wollen nur eines: Den Status quo erhalten. Der Status quo besteht in Deutschland in einem prekären Gleichgewicht zwischen den Interessen der Lohnabhängigen und den Interessen des Kapitals.

    Die Erhaltung des Status quo in Zeiten von Corona verbietet flächendeckende Zustände, wie sie in den Schlachtereifabriken von Tönnies & Co. herrschen; die Erhaltung des Status quo in Zeiten von Corona verbietet aber auch Fernurlaub und nächtelange Aprè-Ski-Partys, deren Ansteckungsketten das ausgedünnte Gesundheitswesen in den Kollaps treibt.

    Die Erhaltung des Status quo in Zeiten von Corona ist ein ständiger Eiertanz, bei dem hier einmal zu wenig und dort einmal zu viel verlangt wird.

    Das schafft überall Reibungsflächen und jeder Journalist, Blogger und Netzpolitiker kann ein Dutzend Gründe vorbringen, warum dieses oder jenes nicht bedacht, dieses oder jenes verkehrt gemacht wird.

    Es macht aber wenig Sinn, in diese Kakophonie einzustimmen. Es macht wenig Sinn, eine „bundeseinheitliche Lösung“ den regionalen oder lokalen Ansätzen gegenüberzustellen. Es macht wenig Sinn, „längerfristige Lösungen“ oder eine "stärkere Beteiligung des deutschen Bundestages" zu verlangen.

    Das alles sind Formfragen, die ausblenden, dass unserer Nachkriegs-Lebensmodell von der Naturmacht eines Virus unterhöhlt wird und möglicherweise daran zerbricht.

    Wer sich wirklich Gedanken machen will, der soll nicht mit der kurzsichtigen Frage kommen: „Was kommt nach dem 10 Januar?“. Wer sich wirklich Gedanken machen will, der soll sich überlegen, wie lange das „Weiter so!“ die kapitalistische Profitkrise in Deutschland und Europa hinausschieben kann; - der soll sich überlegen, ob nicht das kapitalistische Lebensmodell der letzten 150 Jahre in Deutschland und Europa weit über seine Verhältnisse gelebt hat.

  • Die Lockdown-Dikatur

    Manche Leute stellen entsetzt fest, dass unsere Regierung uns ganz legal vorschreiben kann, wo wir essen, was wir anziehen, wen wir treffen, mit wem wir ausgehen und mit wem wir feiern dürfen.

    Ich denke, diese Fremdbestimmung ist kapitalistischer Alltag. Kleidervorschriften, Kontakt- und Ausgehverbote und hundert andere Verhaltensvorschriften beherrschen die Arbeitswelt acht Stunden am Tag in jedem kapitalistischen Betrieb. Neu und ungewöhnlich ist nur, dass mit jedem Lockdown, diese Fremdbestimmung auch auf die angeblichen zwei oder drei Stunden „Freizeit“ am Spätnachmittag und Abend ausgedehnt wird.

    Die Diktatur-Schreier leben so selbstverständlich in der kapitalistischen Umwelt, dass sie die „Diktatur“ nur in der zwei- bis dreistündigen Fremdbestimmung entdecken, nicht aber in der achtstündigen Fremdbestimmung.

    Dieses Entsetzen der Leute akzeptiert tagtäglich Unfreiheit und Fremdbestimmung in der Arbeitswelt, was der Profitmacherei dient, schreien lauthals „Diktatur“, wenn dieselbe Fremdbestimmung auf die zwei oder drei Stunden „Freizeit“ ausgedehnt wird, um dem eigenen Gesundheitsschutz, also der Erhaltung des gesellschaftlichen „Arbeitskräftekörpers“ zu dienen.



    Some people are horrified to find that our government can legally dictate where we eat, what we wear, who we meet, who we go out with, and who we can party with.

    I think this heteronomy is everyday capitalist life. Dress codes, bans on contact and going out and a hundred other rules of conduct dominate the world of work eight hours a day in every capitalist company. What is new and unusual is that with each lockdown, this external control is also extended to the alleged two or three hours of “free time” in the late afternoon and evening.

    These people live so naturally in the capitalist environment that they see the “dictatorship” only in the two to three-hour external control, but not in the eight-hour heteronomy.

    This horror of the people accepts daily lack of freedom and external determination in the world of work, which serves profit-making, but shout out loud “dictatorship” when the same external determination is extended to the two or three hours of “free time” in order to protect one's own health, i.e. to preserve the social "workforce".

  • "An Corona" oder "mit Corona" verstorben?

    Die offiziellen Sterbedaten des RKI in Deutschland zählen bei den derzeit knapp 25.000 Corona-Toten auch Verstorbene mit, bei denen der Corona-Virus nachgewiesen wurde, aber die genaue Todesursache unklar blieb. Von Corona-Leugnern wird gerne auf diese statistische Unsicherheit verwiesen. Damit erwecken die Corona-Leugner den Anschein, als seien ihre Ansichten präziser und wissenschaftlicher als der Mainstream. Stichproben zeigen: Das ist Quatsch.

    Die Gesundheitsbehörden von Bayern meldeten z.B., dass in der ersten Dezemberwoche nur bei 5 Prozent der Corona-Toten die Todesursache unklar blieb. Von den 95 Prozent, bei denen die Todesursache bekannt sei, seien 87 Prozent „an Corona“, 13 Prozent „mit Corona“ verstorben. Zahlen aus Baden-Württemberg und NRW sehen ganz ähnlich aus. Beide meldeten, dass rund 80 Prozent der Verstorbenen „an Corona“ verstorben seien, rund 10 Prozent seien „mit Corona“ verstorben, und bei weiteren 10 Prozent sei die Todesursache unklar geblieben.

    Wem das nicht als Beweis für die Gefährlichkeit von Covid-19 genügt, der könnte sich ja als Helfer melden, um jeden Leichnam „mit Corona“ einer genauen Obduktion zu unterziehen.

  • Corona-Infizierte in Deutschland nach Altersgruppen



    Das Infektionsgeschehen im letzten Sommer ist vor allem auf Infektionen und Infektionsverbreitung der Jüngeren (15- 59 Jahre) zurückzuführen.

  • Pandemie und Freiheit


    Es gibt eine radikale linke Denktradition, nach der alle staatlichen Regelungen und Maßnahmen Eingriffe in die individuelle Freiheit seien.

    In dieser Denktradition sind auch alle staatlichen Regelungen und Maßnahmen zur Eindämmung einer allgemeinen Gesundheitsgefährdung von Übel und deshalb abzulehnen. In dieser Denktradition ist „individuelle Freiheit“ ein absolutes Gut, das über allem steht.

    Andere linke Denktraditionen, die stärker mit der Arbeiterbewegung verbunden sind, fragen weniger nach der Form („staatlicher Zwang gegenüber Individuen“), sondern mehr nach dem Inhalt und Zweck einer Maßnahme: Gegen wen richtet sich staatlicher Zwang und wer ist der (Haupt)Nutznießer?

    Meilensteine in dieser linken Tradition waren gesetzliche Unfallschutzmaßnahmen in Betriebsstätten und gesetzliche Beschränkungen des (Lohn)Arbeitstages. Beides richtet sich gegen kapitalistische Überausbeutung und Nutznießer beider Zwangsgesetze sind die Lohnarbeiter. Kein Wunder, dass liberale Kapitalvertreter gegen diese Regelungen Sturm gelaufen sind.


    Neben solchen Gesetzen, die regulierend in die kapitalistische Arbeitswelt eingreifen, gibt es auch Regeln und Maßnahmen, die dazu beitragen, dass die unvermeidlichen Kollisionen innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft vermindert oder gedämpft werden.

    Darunter fallen unter anderem Verkehrsregeln, aber auch Teile des Strafrechts, insoweit sie sich gegen eine Gefährdung der Unversehrtheit einer anderen Person richten.

    Das heißt keineswegs, dass alle diese staatlichen Vorschriften gut und nützlich sind. Sie verdienen jedoch eine sachgerechte Beurteilung.


    Leuten, die sich während der Corona-Pandemie über die Verpflichtung zum Abstandhalten und zum Mundschutztragen aufregen, aber sich ohne zu Murren zum Beispiel an innerstädtische Tempobeschränkungen halten, solchen Leuten kann man vorwerfen, dass sie ihren absurden Freiheitsbegriff ziemlich willkürlich einsetzen.

    Oder müssen wir annehmen, dass Leute, die das Maskentragen ablehnen, sich auch an keine Verkehrsregeln halten?


    Wal Buchenberg, 27.2.2021

  • Corona-Arbeitslosigkeit


    In den USA verloren im Jahr 2020 während dem Corona-Lockdown rund 2,2 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz - deutlich mehr Frauen als Männer. (Daten aus "Economist")


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    In Deutschland wurde das Schlimmste durch Kurzarbeit aufgefangen - im April 2020 waren rund 6 Millionen Lohnabhängige in Kurzarbeit -, aber das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit geht von einem Arbeitsplatzverlust von einer halben Million Stellen in Deutschland in den kommenden fünf Jahren aus. Auch hierbei werden lohnabhängige Frauen stärker betroffen sein als Männer.

  • Kurzarbeiter und Arbeitslose

    Das IFO-Institut schätzt, dass derzeit 2,8 Millionen Lohnabhängige (8,5 %) in Kurzarbeit sind. Im Dezember 2020 waren es noch 2,4 Millionen. Hinzu kamen im Februar 2021 noch knapp 3 Millionen ohne Job (6,3 % Arbeitslosigkeit).


    Vom ArGe werden keine aktuellen Kurzarbeiter-Zahlen mehr gemeldet, die sind auf Corona-Tauchstation – oder heißt das Home-Office?

  • Eine einfache Rückkehr zur "Normalität" wird es nicht geben. Das zeigen die immer kurzatmigeren Diskussionen in den Staatsmedien, die irgendwelche Politikerpläne schon in Frage stellen, bevor sie beschlossen wurden. Das zeigen auch die katastrophalen Umfrageergebnisse der beiden großen Staatsparteien SPD und CDU. Aus gesellschaftskritischer und antikapitialistischer Sicht ist eine Rückkehr zur bisherigen "Normalität" gar nicht wünschenswert.


    Laut einer aktuellen Untersuchung aus London hat Covid-19 die Menschen "überall in Europa intoleranter gegenüber der herrschenden sozialen Ungleichheit" gemacht. (Economist, 1. Mai 2021, Seite 60). Während der Corona-Pandemie setzt sich das noch nicht in politische Proteste um.


    Die Corona-Leugner zählen nicht, denn die sind nicht gesellschaftskritisch. Die Covidioten berufen sich auf ihr egoistisches Privatinteresse, nicht auf ein soziales Interesse. Trotzdem finden diese Privat-Proteste hohe Aufmerksamkeit. Wenn die Pandemie halbwegs überstanden ist, werden sich auch wieder gesellschaftskritische Stimmen melden.


    Der Weltwährungsfonds IWF hat kürzlich verschiedene regionale Pandemien seit dem Jahr 2001 in 133 Ländern der Welt analysiert und festgestellt: "Soziale Unruhen als Folge einer Pandemie scheinen im zweiten Jahr nach Ende einer Pandemie ihren Höhepunkt zu erreichen." (Economist, 1. Mai 2021, S. 60).


    Das wäre in Europa dann wohl im Jahr 2023. Wir werden sehen.

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