Capitalism today - Delivery Hero und andere...

  • Im Deutschen Aktienindex DAX sind 30 der "wertvollsten" deutschen Unternehmen versammelt. Es ist der Stolz von Qualitätsarbeit „Made in Germany“.



    Dass das Schwindelunternehmen Wirecard 2018 in den DAX aufgenommen wurde, war schon eine Blamage. Dass der Bilanzbetrug von Wirecard aufflog und das Unternehmen aus dem DAX flog, war nicht weniger blamabel. Die Tradition des deutschen Kapitalismus beruhte auf dem hohen Ansehen der Ingenieure und der breiten technischen Ausbildung der Lohnarbeiter. Dieser sozialdemokratische Kapitalismus - „gute Profite ermöglichen auch gute Löhne“ - ist am Ende.


    Jetzt nimmt „Delivery Hero“ den Platz von Wirecard im DAX ein. Delivery Hero ist kein Industrieunternehmen mit deutscher Qualitätsarbeit, sondern ein Makler – eine Bestellplattform für Essen auf Rädern. Angeblich arbeiten weltweit über 12.000 „Mitarbeiter“ für die Firma, aber das sind miserabel bezahlte Fahrer ohne Ausbildung, ohne feste Arbeitszeiten und ohne festes Gehalt, die ihr privates Fahrzeug und ihr privates Smartphone benutzen müssen, um Essen von Restaurants in die Wohnungen zu bringen. Mit dieser Dienstleistung wollen alle drei Seiten Geld verdienen: die Restaurants, die Internetplattform und die Fahrer.


    Delivery Hero ist nicht nur wie Wirecard ein Internet-Business, es ist auch wie Wirecard ein Verlustgeschäft. Seit 2013 vermeldet Delivery Hero jedes Jahr steigende Verluste, die sich bis 2019 auf ein Minus von über eine Milliarde Euro aufaddieren. Das ist der Kapitalismus von heute: Das Unternehmen verkauft kein Produkt, sondern eine Dienstleistung, und es macht damit Verlust.

    Warum sind dann die Aktien dieses Unternehmens so teuer?

    Es ist eine doppelte Wette auf die Zukunft.

    Die Unternehmensstrategie ist doppelt: Erstens setzt Delivery Hero auf das Auslandsgeschäft. Seine deutschen Tochterfirmen Foodora, Lieferheld und Pizza.de hat Delivery Hero längst verkauft. Im letzten Jahr brachten die Geschäfte in Nordafrika und dem Nahen Osten 50% des Firmenumsatzes, die Geschäfte in Asien 30% des Firmenumsatzes. Nur 12 Prozent der Einnahmen von Delivery Hero stammen aus Europa.

    In Deutschland und Europa sind die Profitraten seit den 1960er Jahren gefallen. Höhere Profite winken im Ausland.



    Die Deutschland AG ist nur deshalb so erfolgreich, weil sie das Auslandsgeschäft forciert hat. In dieser Erfolgsspur bewegt sich auch Delivery Hero.


    Die zweite Strategie von Delivery Hero zielt auf eine Monopolstellung. Durch Preise, die nicht kostendeckend sind, sollen möglichst viele Mitbewerber aus dem noch jungen Internetgeschäft geworfen werden. Irgendwann möchte man dadurch ein Monopol erreichen wie Amazon, Google oder Facebook. Dieses Monopolstreben schafft viele Verlierer und nur wenige Gewinner. Die Kapitalisten von Delivery Hero und ihre Aktionärseigner hoffen, dass sie irgendwann zu den Gewinnern zählen.

    Der traditionelle Industriekapitalismus existiert freilich weiter, wenn auch mit niedrigen Wachstums- und Profitraten. Daneben und darunter entwickelt sich jedoch ein gnadenloser Casino-Kapitalismus, dessen Geschäftsmodell heißt: Gib uns deine Kohle (durch Aktienkauf, Bonds oder Kredit), und wir vermehren dein Geld ohne Mehrarbeit, einfach durch Trick und Geschick!

  • New Economy:

    Mit einem Werbevideo wollte die börsennotierte Startup-Firma Nikola, an der auch Bosch mit 100 Millionen Dollar beteiligt ist, zeigen, dass der Prototyp ihres E-Lastwagenmodells ONE „voll funktionsfähig“ sei.

    Ein Video zeigt den Lastwagen, wie er in schnellem Tempo eine einsame Wüstenstraße entlangfährt. Tatsächlich hatte der LKW keinen Motor. Nikola hatte das Fahrzeug auf einen Hügel geschleppt und von dort emissionsfrei hinabrollen lassen. Im Video hatte es ausgesehen, als sei die Straße flach gewesen.

    Nikola gab die Sache zu, rechtfertigte sich aber, die Firma habe nicht behauptet der LKW „fahre mit eigenen Antrieb“. (FAZ)

    Edit: Trevor Milton, der Gründer des Wasserstoff-Start-ups Nikola Motor, ist zurückgetreten.

  • Ein großer Finanzdienstleister der Apotheken, der Rezeptabrechner AVP, wurde von der Finanzaufsicht letzten Dienstag für insolvent erklärt, nachdem AVP im letzten Monat seinen rund 3.500 Kunden 420 Millionen Euro schuldig blieb.

    Bei einem Rezeptabrechner reichen Apotheken ihre Medikamentenkosten ein und bekommen sofort die Kosten für die eingereichten Rezepte erstattet. Dann holt sich der Rezeptabrechner das abgerechnete Geld bei den Krankenkassen zurück. So wird der Geldfluss zwischen Krankenkassen und Apotheken beschleunigt.

    Wie der AVP-Chef Mathias Wettstein (nomen est omen) ein so krisensicheres und margenarmes Geldgeschäft innerhalb eines Monats mit 420 Millionen Euro in die Miesen geschäftsführern kann, ist eine spannende Frage.


    Nach Dieselbetrug und nach der Pleite von Wirecard ist das ein weiterer Beleg, dass ohne Lug und Betrug im chronisch profitschwachen Kapitalismus kein goldener Blumentopf mehr zu gewinnen ist.

  • Nächster Fall der "New economy":

    Die German Property Group mit ihren rund 100 Tochterfirmen sammelte mit hohen Renditeversprechen mehr als eine Milliarde Euro von Anlegern ein, die in Immobilien investiert werden sollten. Die Anleger haben aber bisher keinen einzigen Cent ausgezahlt bekommen.

    Das Unternehmen hatte mehrmals Namen und Firmensitz geändert. Bei einer kürzlichen Überprüfung wurde festgestellt, dass die Firma wertlose Ackerflächen gekauft hatte, nur 50 Altimmobilien besitzt und noch rund 200.000 Euro Vermögen hat.

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