Meine Sympathie haben die Schüler, wenn sie gegen die herrschende Klimapolitik streiken.
Aber diese Schüler und alle mitstreikenden Erwachsenen befinden sich in einer ähnlichen Situation wie die britischen Parlamentarier: Sie wissen, was sie nicht wollen, aber sie wissen nicht, was sie stattdessen wollen oder können. Das ist das eine. Das andere ist die Naivität, mit der von der Politikerklasse Abhilfe gefordert wird. Auch hier lohnt ein Blick nach London: Diese streitenden Politiker sind unfähig, über anderes zu streiten als über Worte und Paragrafen. Sie sind unfähig, sich Gedanken über anstehende Aufgaben zu machen. Sie sind unfähig, die Folgen ihres Handelns oder NIchthandelns abzuschätzen. Unsere Parlamentarier sind keinen Deut besser.
Das Klima geht nicht nur vor die Hunde, weil die Kapitalistenklasse rücksichtslos und profitgierig ist. Das Klima geht auch vor die Hunde, weil unsere politische Klasse, die „Staatsdiener“, komplett überfordert und unfähig sind.
Und in diesem wirtschaftlichen und politischen Chaos kommt einer daher und ruft:„Wir streiken so lange bis das Klima repariert ist!“ Wer soll denn da was reparieren und womit? Man könnte darüber lachen, wenn die Situation nicht so verfahren wäre.
renée
ich war selbst auf 2 der Demos und möchte das nicht unbeantwortet lassen.
Einerseits sah ich dort fast ausschließlich selbstgefertigte Plakate. Einige davon hatten durchaus mehr zu bieten als "Klima reparieren" sondern gingen - wenn auch noch diffus - in Richtung Systemkritik, u. a. "Change the System, not the Climate" oder benennen den Kapitalismus als "Schuldigen".
Natürlich ist da vieles unausgegoren, kommt aus dem "Bauchgefühl" und wirkt ziemlich hilflos.
Aber andererseits, welche Erwartungen hast du an Kinder und Jugendliche, die noch von ihren Eltern abhängig sind. Der Altersdurchschnitt (abgesehen von den paar mitmarschierenden Eltern) dürfte bei 16 Jahren liegen. Welche tolle Gesellschaftskritik inklusive Handlungsalternativen hat unsereins in diesem Alter zustande gebracht?
"Man könnte darüber lachen, wenn die Situation nicht so verfahren wäre." So geht es mir, wenn ich daran denke, was die gesamte - revolutionäre oder wie auch immer geartete - Linke in den letzten 50 Jahren zum Erkenntnisgewinn der Restbevölkerung beigetragen hat. In dieser Hinsicht hat sich die Linke meiner Meinung nach im Wesentlichen als kommunikationsunfähig oder -willig erwiesen und auch lernresistent. Wer auch beim tausendsten Mal versucht, die Menschen dort abzuholen, wo sie (noch) nicht sind, hat entweder was grundlegend nicht verstanden oder gar kein Interesse an konstruktiver Kommunikation.
Dieser "rant" im letzten Absatz ist allerdings nicht gegen dich gerichtet, du zeigst dich da eher als eine der rühmlichen Ausnahmen. Mir schwebt hier so etwas wie Harald Lesch vor, der über anspruchsvolle Themen aus dem Bereich Atom- und Astrophysik so einfach und anschaulich referieren kann, dass auch Nichtakademiker und Laien das verstehen können, ohne den Inhalt zu verwässern. Meiner Erfahrung nach hat jemand eine Sache selbst erst dann wirklich verstanden, wenn er sie in eigenen Worten wiedergeben kann, ohne exzessive Verwendung von Fachtermini. Papageiengeplapper in Dauerschleife braucht keiner, höchstens zur Belustigung.
Zurück zum Topic möchte ich damit sagen, dass es da halt auch einige Jugendliche mit einem aufkeimenden politischen Bewusstsein gibt, die aber hier erst einmal ihrem Unmut Luft machen. Bei manchen habe ich aber den Eindruck, dass das Thema Klima für sie nur ein Aufhänger ist, da steckt mehr drin, die haben als kleine Kinder bestimmt die Aufregungen um die Finanzkrise miterlebt, auch andere Ereignisse der letzten Jahre, Kinder haben da durchaus feine Antennen, auch wenn sie es kognitiv nicht einordnen können. Diese Jugendlichen haben derzeit viele Fragen - haben wir Antworten?
Meine Tochter hat mich letztens gefragt, welche Zeitung o.ä. ich ihr empfehlen könnte. Leider fiel mir dazu außer Telepolis nichts ein, vor allem nichts, was keine allzu hohen Ansprüche an Vorwissen und Bildungsstand der Leser hat und trotzdem ein höheres als Stammtischniveau. Weiß da jemand was?
Damit erstmal Tschüß
renée
Hey, was war das denn, ich quäle mir hier 'ne halbe Stunde Wörter aus dem Hirn und dann ist die Sitzung abgelaufen? zum Glück konnte ich das noch abspeichern. Wieviel Zeit hat man denn, bevor das passiert?