Wie geht Kommunismus?

  • Sozialismus hat, wenn er denn mal ist/ sein wird, nichts was noch etwas mit Parlamentarismus = Stellvertreterei zu tun hätte. Da macht in ihm nicht einmal eine Partei Sinn.


    Sozialismus ist, wenn die, die arbeiten, diejenigen sind, die selbst, gemeinsam und allein darüber bestimmen, was sie arbeiten, womit sie arbeiten und für wen und für was sie arbeiten.

    Niemand anderes!

    Niemand für sie oder statt ihrer!

    Nur sie!


  • Klar, da stimme ich zu. Aber wie sieht es eben in der Übergangsphase aus? Die Arbeiterklasse kriegt doch alleine nichts gebacken. Ich stehe auch dem Demokratischen Zentralismus kritisch gegenüber, aber ganz ohne eine Partei werden wir es wahrscheinlich nicht schaffen. Lenin lehrt ja, dass wir uns auch mal die Hände schmutzig machen und mit dem vorhandenen Material arbeiten müssen.

    Sobald der Kapitalismus überwunden wurde und es keinen Klassengegensatz mehr gibt, dann ist selbstverständlich auch die Partei unnötig geworden.

  • @nicotin


    Lenins Lehre hat bitte genau was gebracht?


    Nichts was auch nur annähernd was mit Sozialismus zu tun hat oder hätte. Jedenfalls nicht mehr, als es der Kapitalismus schon hat.


    Lehre aus Lenin ist für mich, daß mit Verachtung/ Mißachtung/ für dumm gehaltenen Menschen resp. arbeitenden Menschen zwar vorübergehend der Kapitalismus beseitigt wird, dafür aber der Sozialismus in noch weitere Ferne rückt.


    Der Demokratische Zentralismus ist die Machtzementierung einer Minderheit über die Mehrheit.

    Ich stehe dem nicht kritisch gegenüber. Er ist Schwachfug oder Betrug oder wie auch immer Du diesen Unsinn nennen willst.

    Er bringt eine kleine Gruppe an die Macht, damit diese dann er-/ umerziehen versuchen kann. Diese Gruppe wird mit den Ergebnissen niemals zufrieden sein (können und aus Machterhaltsgründen auch nicht dürfen).


    Den Kapitalismus überwinden, heißt bei weitem nicht, daß dann die Klassen verschwinden. In einem Staatssozialismus entsteht sogar eine neue herrschende Klasse.


    Es verschwindet bei den Klassen nichts automatisch, auch kein Klassengegensatz mit Waffen.


    Klassen erledigen sich in dem Maße, in dem die Arbeitsteilung keine (mehr) bräuchte. ;)

  • Das klingt sympathisch und auf den ersten Blick einleuchtend, in der Praxis sieht es aber keineswegs so einfach aus. Es ist schlichtweg nicht möglich, dass Millionen von Menschen alles jederzeit mitentscheiden. Dafür reicht bereits, selbst bei einer 30 Stunden Woche, die Zeit nicht aus. Überdies dürfte das Bedürfnis dauernd in irgendwelchen Gremien zu sitzen nicht allzu hoch ausfallen.


    Es müsste also erstmal eine umfassend Reduzierung gesellschaftlicher Komplexität geben, damit deine Perspektive halbwegs umsetzbar ist. Aber selbst dann kann nicht alles vor Ort entschieden werden.


    Eine kommunalistische Gesellschaft wird nicht um Abordnungen umhin kommen, und es wird über-kommunaler Institutionen bedürfen welche eine Koordination der Branchen- und Regionalinteressen ermöglichen, soll die Angelegenheit nicht durch Partikularinteressen auseinanderfallen wie in Jugoslawien der Fall gewesen.


    Meines Erachtens ist das Gegensatzpaar Föderalismus vs. Zentralismus ein Scheingefecht, da es in der Praxis darauf ankommen wird welche Rechtssicherheiten und Institutionen zentral und welche dezentral organisiert werden können und sollen.


    Dabei sollte es stets lauten: So zentral wie nötig, so dezentral wie möglich. Dänemark und Schweden bieten hier m.E. ein Vorbild, auch wenn es nicht darum gehen kann diese Staaten zu idealisieren und deren instutionelles Arrangement einfach zu kopieren.

  • Wat.


    Da ich momentan wenig Zeit habe, möchte ich zu deiner Frage einige Punkte von Meinhard Creydt zitieren, welche die (vielfach ungeklärten) Probleme der gesamtwirtschaftlichen Planung in einer nachkapitalistischen Gesellschaft treffend zur Diskussion stellen:


    " wie können verschiedene Vorgänge, Güter, Arbeiten gemessen und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden (K o mm e n s u r i e r u n g s p r o b l e m), ohne dass entsprechende Abstraktionen (z. B. durch Bepreisung) sich zum Nachteil der Qualität von Gütern und Arbeiten auswirken? (Vgl. die Debatte um Preise als unterkomplexe Informationskonzentrate. Negative Effekte (auf die Gesundheit, auf ökologische Lebensbedingungen u. a.) lassen sich in Preisen nicht angemessen darstellen. Die sich an Preisen orientierende Marktwirtschaft begünstigt bereits durch mangelnde praktische Aufmerksamkeit für die von ihr ausgehenden Schäden die Schadensverursachung.)


    Wie wird das I n f o r m a t i o n s p r o b l e m gelöst? Entsprechende Fragen lauten: Wie lassen sich Informationen über Bedürfnisse, technische Neuerungen, Lagerbestände, Produktionskapazitäten u. ä. erlangen? Wie kommen diese Informationen dort an, wo sie gebraucht werden? Wie wird eine interkollektive Diffusion von Neuerungen und Erfahrungen (zwischen den verschiedenen Gruppen bzw. Belegschaften) möglich – im Unterschied zu Zurück- oder Geheimhaltung von Informationen vor dem Hintergrund von Ressortdenken, Abteilungs- und Betriebsegoismus? Wie wird der strategische Umgang mit Informationen und Kompetenzen vermieden (Manipulation des Auftraggebers durch die Beauftragten. Letztere haben oft einen Informations- und Kompetenzvorsprung.)?


    wie werden Ressourcen verschiedenen Bereichen, „Leistungsträgern“ und Aufgaben so zugeteilt, dass sowohl die gesellschaftlich effizientesten Effekte entstehen als auch Lösungen, die den gesellschaftlichen Wertvorstellungen möglichst weit entsprechen? (A l l o k a t i o n s p r o b l e m)


    − wie werden S t e u e r u n g s p r o b l e m e gelöst? Wie ist zu gewährleisten, dass Steuerungsimpulse dort ankommen, wo sie wirken sollen? Wie lassen sich bei Vorgaben nichtbeabsichtigte Effekte und sinnverkehrende Verfremdungen vermeiden? (Vgl. z. B. die im früheren „Ostblock“ notorische Verwendung des subventionierten Brotes als Viehfutter)

    − wie werden I n t e g r a t i o n s p r o b l e m e gelöst? Wie ist zu erreichen, dass die verschiedenen gesellschaftlichen Betriebe und Organisationen einander zuarbeiten, also gute Leistungen füreinander erbringen? Wie lässt sich die Kompatibilität der verschiedenen Wirtschaftsaktivitäten ermöglichen?


    Auf einer anderen Ebene formuliert: Welchen Stellenwert werden Märkte in der nachkapitalistischen Gesellschaft haben? Wie geht sie mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Kommensurierungsproblem und der Orientierung an qualitativen Indikatoren um? Machen moderne Informations- und Kommunikationstechnologien Märkte tatsächlich unnötig? Wie verändert sich die Bilanzierung (vgl. z. B. Debatte um die „Gemeinwohlbilanz“) und welche Bedeutung hat das für die gesellschaftliche Steuerung der Wirtschaft? Was heißt ‚Treuhänderverhältnis’ bzw. ‚gegenseitige Repräsentation’? Was sind die Aufgaben der öffentlichen Beratung, Erwägung und Auseinandersetzung unter Bedingungen divergierender Interessen und Perspektiven? (...)


    Linke haben schon immer gern die Koordination und Planung in kapitalistischen Konzernen zwischen verschiedenen Betrieben des selben Konzerns als Beleg bemüht für folgende These: Was im Konzern bereits funktioniere (Koordination und Planung), sei auch in der gesamten Gesellschaft möglich. Dieser Schluss übergeht den Unterschied zwischen der Planung und Koordination eines einzelnen Akteurs (und sei er noch so groß) in Bezug auf sein Auftreten auf dem Markt und der gesamtgesellschaftlichen Koordination und Planung."


    Die bisherigen Antworten welche die (radikale) Linke zu diesen Fragen vorbringt sind wenig zufriedenstellend bzw. laufen oftmals auf eine neu aufgekochte Version der Zentralplanung hinaus oder hegen die Illusion es würde "dann schon alles an der Basis entschieden" und eine Massengesellschaft käme vollends ohne Repräsentation und höhere Institutionalisierung der Interessenverhandlung jenseits der Gemeinde-Ebene aus.


  • Hallo Mario,

    in deinem obigen Beitrag schreibst du als Einwand gegen eine klassenlose Gesellschaft:

    Quote

    Es ist schlichtweg nicht möglich, dass Millionen von Menschen alles jederzeit mitentscheiden.

    Daraufhin wurdest du von Angela ganz richtig gefragt:


    Quote

    erkläre mir doch bitte, was Millionen Menschen miteinander entscheiden müssen?

    Statt auf die einfache Frage von Angela zu antworten, wiederholst du (mit anderen Worten) deinen obigen Einwand, es sei "nicht möglich, dass Millionen Menschen alles jederzeit mitentscheiden".

    Du wiederholst diesen deinen Einwand, indem du dich auf Herrn Dr. Creydt berufst, der die Unmöglichkeit jeder zentralen Planung auf ein paar (ganz gut gesehene) Unterpunkte heruntergebrochen hat:

    Da ich momentan wenig Zeit habe, möchte ich zu deiner Frage einige Punkte von Meinhard Creydt zitieren, welche die (vielfach ungeklärten) Probleme der gesamtwirtschaftlichen Planung in einer nachkapitalistischen Gesellschaft treffend zur Diskussion stellen:


    Was du bei Meinhard Creydt nicht verstanden hast: Er kritisiert mit seinen Fragen nicht den Kommunismus, sondern die zentrale Planwirtschaft. Nur in diesem engen Rahmen machen die Fragen von Creydt einen Sinn.


    Linke haben schon immer gern die Koordination und Planung in kapitalistischen Konzernen zwischen verschiedenen Betrieben des selben Konzerns als Beleg bemüht für folgende These: Was im Konzern bereits funktioniere (Koordination und Planung), sei auch in der gesamten Gesellschaft möglich. Dieser Schluss übergeht den Unterschied zwischen der Planung und Koordination eines einzelnen Akteurs (und sei er noch so groß) in Bezug auf sein Auftreten auf dem Markt und der gesamtgesellschaftlichen Koordination und Planung."

    Hierin wird noch einmal gesagt, dass es dir (und Creydt) nur um "gesamtgesellschaftliche Koordination und Planung" geht - "gesamtgesellschaftlich" ist in dieser Sicht identisch mit der kapitalistischen Nationalökonomie.


    Die Vorstellung, dass ein kapitalistischer Konzern "ein einzelner Akteur" sei, ist jedoch völlig falsch. Ein Konzern ist nur aus nationalökonomischer Sicht ein einzelner Akteur. In dieser Sicht wird an einem Unternehmen nur die kapitalistische Spitze der Eigentümer (=Aufsichtsrat + Geschäftsführung) betrachtet. Die Masse der Lohnarbeiter wird als völlig irrelevant ausgeblendet.


    - Die kapitalistische Spitze in Gestalt des Aufsichtsrats und ihrer Geschäftsführung haben tatsächlich das Kommunsurierungsproblem (Begreisungsproblem), weil sie sich mit anderen kapitalistischen Eigentümern abgleichen müssen. Die Lohnarbeiter eines Konzerns haben dieses Problem nicht.


    - Die kapitalistische Spitze eines Konzerns hat tatsächlich ein Informationsproblem. Die Lohnarbeiter in ihrer Gesamtheit haben dieses Problem nicht.


    - Die kapitalistische Spitze eines Konzerns hat ein Allokationsproblem, die Lohnarbeiter in dem Konzern haben dieses Problem nicht.


    - Die kapitalistische Spitze eines Konzerns hat ein Steuerungsproblem und ein Integrationsproblem. Die Lohnarbeiter des Konzerns haben das nicht.


    Alle diese Probleme kommen daher, dass die Leute, die alle Entscheidungen treffen, andere sind, als die Leute, die die Arbeit machen (müssen). Und da hat Herr Creydt ganz recht: Auf diese Weise kann Kommunismus nicht funktionieren.

    Alle Fragen des Herrn Creydt wurden von Marx wie folgt beantwortet:

    „Nur wo die Produktion unter wirklicher vorherbestimmender Kontrolle der Gesellschaft steht, schafft die Gesellschaft den Zusammenhang zwischen dem Umfang der gesellschaftlichen Arbeitszeit, verwandt auf die Produktion bestimmter Artikel, und dem Umfang des durch diese Artikel zu befriedigenden gesellschaftlichen Bedürfnisses.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 197.

    Marx spricht hier von "der Kontrolle der Gesellschaft" als einem einzigen Akteur.


    Die Widersprüche und Fragen des Herrn Creydt entstammen der kapitalistischen Gesellschaft, wo viele einzelne Akteure separat – ohne, neben und gegen alle anderen Akteure tätig sind.

    Alle diese Widersprüche verschwinden, sobald wir uns die handelnden Menschen als eine kooperierende Gemeinsamkeit denken. Die Voraussetzung für diese gesellschaftliche Einheit, ist das Verschwinden von Herren und Untertanen, von Kapitalisten und Lohnarbeitern. Diese Vereinheitlichung ist nur möglich, indem alle zu Arbeitern werden:

    „Einmal die Arbeit emanzipiert, so wird jeder Mensch ein Arbeiter, und produktive Arbeit hört auf, eine Klasseneigenschaft zu sein.“ K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 342.


    Wo und indem diese Arbeitergesellschaft denkt, plant, entscheidet und handelt wie „ein einzelner Akteur“, dort sind die Widersprüche des Herrn Creydt verschwunden.

    „... Die ganze, aus lauter Arbeitern bestehende Gesellschaft wird Besitzerin des gesamten Produkts ihrer Arbeit, das sie teilweise zur Konsumtion unter ihre Mitglieder verteilt, teilweise zum Ersatz und zur Vermehrung ihrer Produktionsmittel verwendet und teilweise als Reservefonds der Produktion und Konsumtion aufspeichert.“ F. Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 222.


    „Gemeinschaftliche Produktion vorausgesetzt, bleibt die Zeitbestimmung natürlich wesentlich. Je weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu anderer Produktion, materieller oder geistiger. Wie bei einem einzelnen Individuum, hängt die Allseitigkeit ihrer Entwicklung, ihres Genusses und ihrer Tätigkeit von Zeitersparnis ab. Ökonomie der Zeit, darein löst sich schließlich alle Ökonomie auf. Ebenso muss die Gesellschaft ihre Zeit zweckmäßig einteilen, um eine ihren Gesamtbedürfnissen gemäße Produktion zu erzielen; wie jeder Einzelne seine Zeit richtig einteilen muss, um sich Kenntnisse in angemessenen Proportionen zu erwerben oder um den verschiedenen Anforderungen an seine Tätigkeit Genüge zu leisten. Ökonomie der Zeit, sowohl wie planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiedenen Zweige der Produktion, bleibt also erstes ökonomisches Gesetz auf Grundlage der gemeinschaftlichen Produktion. Es wird sogar in viel höherem Grade Gesetz.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 89.


    Gruß Wal

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