Hallo Wal,
ich denke, dass eine Klärung, was wir als Linke, Kommunisten, Kommunalisten etc. unter Theorie verstehen, keine Privatangelegenheit sein sollte. Linke etc. und vielleicht auch jens, verstehen unter Theorie oft so etwas wie abgehobene Gedankengebilde oder gar Geschwätz von Leuten, die sich intellektuell hervortun wollen, deren Gerede mit der Wirklichkeit aber nichts gemein hat. (Gemeinschaftlich erarbeitete) Theorie ist aber bitter notwendig, wenn die Linke etc. aus ihrem Jammertal herauskommen will.
Für Materialisten, Marxisten, Kommunisten etc. ist Theorie ein Mittel, durch Nachdenken Wege und Methoden zu finden, um die offenen Fragen über das Unverstandene in der Wirklichkeit - zumindest teilweise - beantworten zu können. Hierfür sind wissenschaftliche Begriffsbildung, Systematisierung, Analyse, logisch konsistente Begründung und/oder empirischer Beweis notwendig und (vorläufig) hinreichend. Dann erst lassen sich Verallgemeinerungen ableiten, die in Form von Gesetzmäßigkeiten zu Prognosen führen können. Eine so gebildete Theorie muss aber sich schließlich in der Kritik und/oder an der Wirklichkeit (vorläufig) bewähren.
Daneben gibt es noch zwei andere Arten von Theorien. Die einen sind solche, die ich als positive Theorien bezeichnen würde, welche auf der Grundlage der kapitalistischen Klassengesellschaft anhand der anschau- und überprüfbaren Gegenstände und durch Fakten- und Informationssammlung und Herstellung von Zusammenhängen gesellschaftliche Phänomene beschreiben. Hieraus ergeben sich dann, je aus Sichtweise, unterschiedliche Befunde, wodurch es dann zu einer Theorienkonkurrenz kommt, die in der Gesellschaftswissenschaft als Pluralismus beschrieben wird. So kommt es dann z. B. zu unterschiedlichen Demokratietheorien, deren Schlussfolgerungen, je nach Sichtweise (sozialdemokratisch, christlich, faschistsisch usw.), unterschiedlich ausfallen. Und jede/r kann sich dann aussuchen, was ihrem/seinem Weltbild am meisten entgegenkommt.
Die andere Art sind die normativen Theorien, die systematisch und logisch entweder zu den Letztbegründungen des Seins (Ontologie) vordringen wollen, um hieraus Sinn und Zweck der realen ethischen Prinzipien abzuleiten, nach denen sich die Menschen zu richten haben (Methaphysik). Oder sie befassen sich, insbesondere auf der Grundlage moralischer und ethischer Prinzipien, mit aus der Gegenwart abgeleiteten Sollzuständen, entwerfen entsprechende (Gesellschafts)Systeme und begründen diese logisch konsistent. Auch hier kann sich dann jede/r aussuchen, was ihrem/seinem Weltbild am meisten entspricht, um sich dann mit Leidenschaft für diese oder jene Richtung einzusetzen.
Letzteres meinen viele Linke etc. meistens, wenn sie generell die Theorie verurteilen und daraus den fatalen Schluss ziehen, dass Theorie Quatsch sei, weil frau sich in der Zielsetzung eh einig sei. Nur fällt diese Zielsetzung im Detail dann doch ganz unterschiedlich aus, was erst zur Zersplitterung und dann in der Praxis zu einem erbitterten (Macht)Kampf zwischen den zersplitterten Gruppierungen führt. Aber wenn frau sich zuvor theoretisch geeinigt hat, ergeben sich Zielsetzung und praktisches Handeln von alleine. Ob theoretische Einigung hinreichend für die Bestätigung der Theorie ist, ist eine anders zu diskutierende Frage, aber notwendig ist sie auf jeden Fall.
Beste Grüße
ricardo