Staats- und andere Sozialismen

  • Ich finde diese Textpassage beschreibt erste kommunistische Tendenzen bis hin zur DDR in zutreffender Weise:


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    ** ad ibidem. [21]Die Aufhebung der Selbstentfremdung macht denselben Weg wie die Selbstentfremdung. Erst wird das Privateigentum nur in <534>seiner objektiven Seite – aber doch die Arbeit als sein Wesen – betrachtet. Seine Daseinsform ist daher das Kapital, das "als solches" aufzuheben ist (Proudhon). Oder die besondre Weise der Arbeit – als nivellierte, parzellierte und darum unfreie Arbeit – wird als die Quelle der Schädlichkeit des Privateigentums und seines menschenentfremdeten Daseins gefaßt – Fourier, der den Physiokraten entsprechend auch wieder die Landbauarbeit wenigstens als die ausgezeichnete faßt, während St. Simon im Gegensatz die Industriearbeit als solche für das Wesen erklärt und nun auch die alleinige Herrschaft der Industriellen und die Verbesserung der Lage der Arbeiter begehrt. Der Kommunismus endlich ist der positive Ausdruck des aufgehobnen Privateigentums, zunächst das allgemeine Privateigentum. Indem er dies Verhältnis in seiner Allgemeinheit faßt, ist er

    1. in seiner ersten Gestalt nur eine Verallgemeinerung und Vollendung desselben; als solche zeigt er sich in doppelter Gestalt: einmal ist die Herrschaft des sachlichen Eigentums so groß ihm gegenüber, daß er alles vernichten will, was nicht fähig ist, als Privateigentum von allen besessen [zu] werden; er will auf gewaltsame Weise von Talent etc. abstrahieren. Der physische, unmittelbare Besitz gilt ihm als einziger Zweck des Lebens und Daseins; die Bestimmung des Arbeiters wird nicht aufgehoben, sondern auf alle Menschen ausgedehnt; das Verhältnis des Privateigentums bleibt das Verhältnis der Gemeinschaft zur Sachenwelt; endlich spricht sich diese Bewegung, dem Privateigentum das allgemeine Privateigentum entgegenzustellen, in der tierischen Form aus, daß der Ehe (welche allerdings eine Form des exklusiven Privateigentums ist) die Weibergemeinschaft, wo also das Weib zu einem gemeinschaftlichen und gemeinen Eigentum wird, entgegengestellt wird. Man darf sagen, daß dieser Gedanke der Weibergemeinschaft das ausgesprochne Geheimnis dieses noch ganz rohen und gedankenlosen Kommunismus ist. Wie das Weib aus der Ehe in die allgemeine Prostitution, so tritt die ganze Welt des Reichtums, d.h. des gegenständlichen Wesens des Menschen, aus dem Verhältnis der exklusiven Ehe mit dem Privateigentümer in das Verhältnis der universellen Prostitution mit der Gemeinschaft. Dieser Kommunismus – indem er die Persönlichkeit des Menschen überall negiert – ist eben nur der konsequente Ausdruck des Privateigentums, welches diese Negation ist. Der allgemeine und als Macht sich konstituierende Neid ist die versteckte Form, in welcher die Habsucht sich herstellt und nur auf eine andre Weise sich befriedigt. Der Gedanke jedes Privateigentums als eines solchen ist wenigstens gegen das reichere Privateigentum als Neid und Nivellierungssucht gekehrt, so daß diese sogar das Wesen der Konkurrenz ausmachen. Der rohe Kommunist ist nur die <535>Vollendung dieses Neides und dieser Nivellierung von dem vorgestellten Minimum aus. Er hat ein bestimmtes begrenztes Maß. Wie wenig diese Aufhebung des Privateigentums eine wirkliche Aneignung ist, beweist eben die abstrakte Negation der ganzen Welt der Bildung und der Zivilisation, die Rückkehr zur unnatürlichen ||IV| Einfachheit des armen, rohen und bedürfnislosen Menschen, der nicht über das Privateigentum hinaus, sondern noch nicht einma1 bei demselben angelangt ist.


    Die Gemeinschaft ist nur eine Gemeinschaft der Arbeit und die Gleichheit des Salairs, den das gemeinschaftliche Kapital, die Gemeinschaft als der allgemeine Kapitalist, auszahlt. Beide Seiten des Verhältnisses sind in eine vorgestellte Allgemeinheit erhoben, die Arbeit als die Bestimmung, in welcher jeder gesetzt ist, das Kapital als die anerkannte Allgemeinheit und Macht der Gemeinschaft.

    http://www.mlwerke.de/me/me40/me40_533.htm#n21



    Rot von mir.

  • Der Gedankengang von Marx passt wohl besser auf die chinesischen Volkskommunen als auf die DDR.

    Wie dem auch sei, Marx nannte alle diese (untauglichen) Versuche auch "Kommunismus".

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    Dieser Kommunismus – indem er die Persönlichkeit des Menschen überall negiert – ist eben nur der konsequente Ausdruck des Privateigentums, welches diese Negation ist.


    Ich denke deshalb, wer den Staatssozialismus als "Kapitalismus" abtut, macht es sich zu einfach. Ich habe eine detaillierte Geschichte und Kritik des Sowjetsystems geschrieben. Das letzte Kapitel befasst sich mit dem, was andere am Sowjetsystem kritisierten.

    Dort steht dann auch meine "Namensgebung".

    Wenn ich es ablehne, die DDR als "kapitalistisch" zu bezeichnen, dann geht es mir nicht darum, den Anhängern des Staatssozialismus in den Hintern zu kriechen.

    Es gehört aber auch Selbstkritik dazu, bis man erkennt, dass es innerhalb des radikalen Sozialismus und innerhalb der kommunistischen Weltbewegung verschiedene konkurrierende Strömungen und Tendenzen gegeben hat (und teilweise noch gibt), von denen jede einzelne andere Lösungen vorschlägt, um das Kapital und den Kapitalismus loszuwerden.

    Sich von anderen Strömungen als "wahrer" oder "wirklicher" Sozialismus pauschal abgrenzen zu wollen, bleibt hilflos und unkritisch.

    Auch Anhänger von Proudhon, Fourier oder Lenin sind "wahre Sozialisten", auch wenn ihre Lösungsvorschläge nicht sehr weit vom Kapitalismus wegführen.

    Die "Volksmeinung" ist da näher bei Marx als wir, wenn sie alle diese kommunistischen Strömungen in einen einzigen (wenn auch negativen) Begriff fasst.

    Diesem umfassenden Begriff von Kommunismus entkommen wir nicht, wenn wir uns pauschal von diesem und jenem distanzieren wollen.

    Statt dessen müssen wir die anderen, untauglichen "Sozialismen" wir im Detail kritisieren. Polemische Etikettierungen zerstören den Dialog und verkleistern aber auch das eigene Denken.

  • Was meinst Du unter Punkt 8.6 mit:


    Quote

    - der für die gesamte Volkswirtschaft im Voraus geplante Einsatz der Ressourcen des Sozialismus.

    ?

    http://www.marx-forum.de/geschichte/sowjetunion/13.html

    Quote

    Sich von anderen Strömungen als "wahrer" oder "wirklicher" Sozialismus abgrenzen zu wollen, bleibt hilflos und unkritisch.

    Soweit war ich doch noch gar nicht, wieso greifst Du vor? ;-)


    Was meinst Du damit?

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    Die Warenproduktion des Kapitalismus umfasst die ganze Wirtschaft und ist nach dem Profitprinzip organisiert. Die sowjetische Warenproduktion erfasste nur die Konsumtionsmittelindustrie und war nicht vom Profitprinzip beherrscht.

    Was ist mit der Produktion von Produktionsmitteln? Wie z.B. auch die Produktion von Produktionsmitteln die zur Produktion von Konsumtionsmitteln dienen?

  • Was meinst Du unter Punkt 8.6 mit:


    Quote

    - der für die gesamte Volkswirtschaft im Voraus geplante Einsatz der Ressourcen des Sozialismus.

    http://www.marx-forum.de/geschichte/sowjetunion/13.html

    Kapitalisten planen den Einsatz ihrer Ressourcen auf Unternehmensebene. Die Sowjetplaner haben den Resourceneinsatz für das gesamte Land geplant und festgelegt: Wieviel Tonnen Getreide, wieviel kW Strom, wieviel Drehbänke etc. brauchen wir für alle (Staats)Betriebe?



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    Die Warenproduktion des Kapitalismus umfasst die ganze Wirtschaft und ist nach dem Profitprinzip organisiert. Die sowjetische Warenproduktion erfasste nur die Konsumtionsmittelindustrie und war nicht vom Profitprinzip beherrscht.

    Was ist mit der Produktion von Produktionsmitteln? Wie z.B. auch die Produktion von Produktionsmitteln die zur Produktion von Konsumtionsmitteln dienen?

    Ein kapitalistisches Elektrizitätswerk zum Beispiel produziert auch den Strom, den es selber verbraucht. Diese Elektrizitätsmenge für den Eigenverbrauch gelangt nicht als Ware auf den Markt und wird nicht verkauft.

    So ähnlich war die Produktion von Produktionsmitteln in der UdSSR organisiert. Kohle, Stahl etc. gelangte nicht als Ware auf den Markt und suchte dort Käufer, sondern wurde direkt von einem Staatsbetrieb in den anderen geliefert. Diese Produktionsmittel fanden immer Abnehmer.

    Die Konsumgüterindustrie war dagegen eine "Marktwirtschaft". Jeder Betrieb, der Konsumgüter herstellte, brachte seine Waren auf den Markt und suchte dort Käufer. Das konnte dazu führen, dass diese Waren keine Abnehmer fanden.

    Die Konsumgüterindustrie war zwar Warenproduktion, aber dennoch nicht nach dem Profitprinzip organisiert, denn die Preise wurden zentral von den Sowjetplanern festgelegt und spiegelten nicht die individuellen betrieblichen Kosten wider. Etliche Waren des täglichen Bedarfs wurden subventioniert, und damit ohne Profit, vielleicht sogar unter den Kostpreisen verkauft.


    Das alles wird im Detail erklärt, wenn du in die einzelnen Kapiteln meiner Abhandlung schaust.


    Zur Kritik des Sowjetsystems


    Gruß Wal

  • Hallo Wal,


    ich bin noch beim Studium Deines Werkes, aber vorab möchte ich Dir noch einige Fragen, welche mir eingefallen sind darstellen.


    1. Ist es möglich, dass ein Kapital als Monopolist oder Trust oder Aktiengesellschaft für eine Gemeinschaft von 16 Millionen Menschen als Gesamtkapitalist fungiert?


    2. War dies bei der DDR der Fall, wenn man folgendes bedenkt:


    "Seit Anfang der siebziger Jahre hatten die Staaten des RGW wichtige Fortschritte bei der Verwirklichung des Komplexprogramms der sozialistischen ökonomischen Integration erreicht. Der Außenhandelsumsatz zwischen ihnen stieg 1970-1975 auf fast das Doppelte."

    (Geschichte der SED, Abriß, Dietz Verlag Berlin 1978, S. 646, letzter Absatz)


    War es möglich, dass 9 Gesamtkapitalisten (später kam Vietnam dazu 1978 und Jugoslawien gehörte nur teilweise dazu laut Wikipedia) miteinander auf kapitalistische Weise Waren austauschen und dadurch kapitalistisch agierten (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe-RGW)?


    https://de.wikipedia.org/wiki/…nseitige_Wirtschaftshilfe


    Ist es möglich, dass sich die Ostblockstaaten noch auf andere Weise ökonomisch betätigten? Erfolgte dies auf andere Weise, als bei kapitalistischen Staaten?


    http://www.fdj.de/pdf/ausstellung_ddr_oekonomie_okt2005.pdf


    (Blatt 11)


    Gruß Uwe

  • Hallo Uwe,

    Ich habe mir bei meiner Kritik des Sowjetsystems keine Gedanken gemacht, was möglich, sondern nur darüber, was wirklich war. Wohin soll denn die Frage nach der Möglichkeit führen?

    Im übrigen beschränkt sich meine Untersuchung auf die Wirtschaft der Sowjetunion, weil die sich zum politischen und wirtschaftlichen Modell des Staatssozialismus entwickelt hatte. Von diesem Modell mag die DDR mal mehr, mal weniger abgewichen sein, aber damit "verunreinigt" der Blick auf die DDR nur die kritische Theoriebildung. Man kann die DDR verstehen, wenn man zuvor das System der Sowjetunion verstanden hat. Umgekehrt funktioniert das nicht.

    Gruß Wal

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