Was ist produktive und was unproduktive Arbeit im Kapitalismus?

  • Zur produktiven Arbeit zitiere ich aus dem Kar-Marx-Lexikon Produktive und unproduktive Arbeit:


    "

    Steht es frei, ein Beispiel außerhalb der Sphäre der materiellen Produktion zu wählen, so ist ein Schullehrer produktiver Arbeiter, wenn er nicht nur Kinderköpfe bearbeitet, sondern sich selbst abarbeitet zur Bereicherung des Unternehmers. Dass letzterer sein Kapital in einer Lehrfabrik angelegt hat, statt in einer Wurstfabrik, ändert nichts an dem Verhältnis. Der Begriff des produktiven Arbeiters schließt daher keineswegs bloß ein Verhältnis zwischen Tätigkeit und Nutzeffekt, zwischen Arbeiter und Arbeitsprodukt ein, sondern auch ein spezifisch gesellschaftliches, geschichtlich entstandenes Produktionsverhältnis, welches den Arbeiter zum unmittelbaren Verwertungsmittel des Kapitals stempelt. Produktiver Arbeiter zu sein ist daher kein Glück, sondern ein Pech.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 532.

    „Bloß die bürgerliche Borniertheit, die die kapitalistische Formen der Produktion für die absoluten Formen derselben hält – daher für ewige Naturformen der Produktion – kann die Frage, was produktive Arbeitvom Standpunkt des Kapitals aus ist, mit der Frage, welche Arbeit überhaupt produktiv ist oder was produktive Arbeit überhaupt ist, verwechseln und daher sich sehr weise dünken in der Antwort, dass jede Arbeit, die überhaupt etwas produziert, in irgendetwas resultiert, von sich aus produktive Arbeit ist. ... Nur die Arbeit, die sich direkt in Kapital verwandelt, ist produktiv ... Arbeit, die Mehrwert setzt oder dem Kapital als Hebel dient, Mehrwert zu setzen und daher sich als Kapital, als sich verwertenden Wert zu setzen.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 369

  • Hallo bke,


    das, was mit dieser sogenannten "produktiven" Arbeit bewerkstelligt wird, ist nicht direkt der Wert und auch nicht direkt der Bezugspunkt eines Wertes in der Art, dass daraus zwangsläufig Wert gebildet wird. Es ist lediglich ein möglicher Bezugspunkt für eine Wertbeziehung. Die Entscheidung, ob eine Wertbeziehung bezüglich dieser Arbeitsergebnisse aufgebaut wird oder nicht, kann nicht in die Arbeitsergebnisse eingebaut werden. Folglich kann auch kein Wert eingebaut werden. Erst auf dem Markt wird sich zeigen, ob die Arbeitsergebnisse als gesellschaftlich dermaßen nützlich erscheinen, dass eine Wertbeziehung bezüglich dieser Arbeitsergebnisse aufgebaut wird. Und dazu sind Menschen notwendig, die eine entsprechende Nützlichkeit erkennen.

    Um eine hinreichende Nützlichkeit zu erkennen, ist wiederum das Bewusstsein notwendig. U. a. deshalb kann die Herausbildung des Wertes nicht auf die Herstellerseite reduziert werden.


    In dieser Art antworte ich, weil in der Überschrift die Frage steht, ob Wert gegenständlich ist.


    Dein Hinweis darauf, dass nur Arbeit, die sich direkt in Kapital verwandelt, produktiv sei, schließt ein, dass der Wert im Arbeitsergebnis nicht vergegenständlicht werden kann, denn ein Produzent kann, wie oben bereits beschrieben, die Eigenschaft, dass seine Waren verkauft werden, nicht in die Waren einbauen. Die Entscheidung, ob die geleistete Arbeit in Kapital gewandelt wird, also darüber, ob sie produktiv war, wird erst auf dem Markt gefällt: Wird die Ware verkauft, war die Arbeit produktiv, wird die Ware nicht verkauft, war die geleistete Arbeit dafür keine gesellschaftlich nützliche, war also nicht produktiv.

    Damit wird deutlich, dass der Wert nicht in Waren eingebaut, sondern nur mit Waren verknüpft wird.


    Aber der Zusammenhang mit dem Kapital ist etwas übertrieben. Wertäquivalente Abgaben und wertäquivalenten Austausch gibt es seit dem Altertum und mit sehr hoher Sicherheit seit früher Vorgeschichte. Es gibt dafür sogar Beispiele aus dem Tierreich. Wert kann also nicht auf das Kapital reduziert werden.

    Würde man das tun, wäre damit gesagt, dass es in den sozialistischen Staaten keine Wertbeziehungen geben würde.



    Gruß - Rainer

  • Ich klinke mich da erst einmal aus. Sorry. Diese Abstraktionsebene will ich langsam angehen. :)


    Ich war in der Hauspflege tätig gewesen. Diese Tätigkeit könnte auch im Rahmen einer individuellen Anstellung ausgeführt werden. Vgl. einer Dienerschaft. Ich habe diese Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeführt.


    Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob ich ein Dienerarbeitsverhältnis habe oder als Lohnabhängiger diese Tätigkeit ausführe, sowohl gegenüber dem Kunden als auch dem Arbeitgeber. Das geht bis dahin, dass ich nicht nur maximale Zeitvorgaben für alle auszuführenden Tätigkeiten erhalte und diese einzuhalten habe, es heißt auch, dass die Abrechnung nicht über die Zeitvorgaben läuft, sondern über die tatsächliche dokumentierte Arbeitszeit. In der Regel sähe das so aus: 20 Minuten Vorgabe, 15 Minuten Ausführung = 15 Minuten Abrechnung.


    Für mich als Beschäftigten hieß das, dass ich nicht gegenüber dem Kunden verantwortlich bin, sondern gegenüber der Firma. D. h. nicht einfach zur freien Verfügbarkeit des Kunden.


    Ein Dienerschaftsverhältnis wird aus dem Säckel des Auftragsgeber bezahlt und verkonsumiert, ein Arbeitsverhältnis vermehrt den Säckel des Kapitalisten = produktiv.


    So viel zum Thema produktive Arbeit und unproduktive Arbeit.


    Gruß

  • Egal, ob Du diese Arbeit im Rahmen einer individuellen Anstellung oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausführst - wenn Du eine Gegenleistung dafür erhältst, dann läuft das über eine Wertbeziehung. Und würdest Du in einer Dienerschaft nicht produktiv sein, dann würde Dir niemand dafür etwas bezahlen. Wenn Du den Begriff "produktiv" aber nur bezüglich eines kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisses gelten lässt, dann könnet die Dienerschaft unproduktiv sein. Praktisch hätte sie ab er auch produktive Elemente, da Du dem Kapitalisten damit einige Arbeiten für seine Firma ermöglichen würdest, die er sonst nicht erledigen könnte.

    Aber insgesamt finde ich es nicht sinnvoll, "produktiv" nur auf die kapitalistische Produktion zu beziehen.


    Deine Probleme sind mir wohl vertraut. Aus dem Kinderkrankenpflege weiß ich, dass die Krankenschwestern ausgeblutet werden. Dort wirkt wahrscheinlich u. a. der Drang zu mehr Geld bei den leitenden Ärzten, die Prämien bekommen, wenn sie alles mögliche einsparen


    Die Abrechnungen sind ein anderes Übel. Sicherlich sind die wichtig. Aber die Arten, wie heutzutage alles mögliche belegt werden muss, rauben in vielen Bereichen beachtliche Zeitbereiche von den eigentlichen Hauptarbeiten.


    Und - die Manager: Es gab eine Zeit, da hatte ich 3 davon parallel.


    Vielen Dank aber für Deinen Kommentar. Vielleicht gelangst Du noch einmal an dieses Thema.

  • Nachtrag:


    Das Produktive des Lohnarbeiters besteht darin, dass er Mehrwert produziert, den der Kapitalist wieder produktiv kapitalistisch anwenden kann. Verschwindet das Geld in der privaten Tasche, ist es vergeben und verkonsumiert und von daher unproduktiv. Irgendwie wie Gold, das durch Anhäufung unproduktiv, unkapitalistisch ist - dem Kreislauf Kapital entzieht.

    :)

  • Wie bereits geschrieben, dass das "produktiv sein" auf den Lohnarbeiter beschränkt wird, kann, ohne Frage, in der Art definiert werden.

    Damit würde man aber selbständige Handwerker, viele in der Landwirtschaft Tätigen, Selbständige Ingenieure, Trainer usw. zu "unproduktiven Personen" abstempeln. Welchen Gewinn soll man davon haben? Ich sehe keinen. Aus meiner Sicht wäre es besser, Arbeit, die durch eine Gegenleistung abgegolten wird, als "produktiv" zu deklarieren, denn fürs Nichtstun als angebotenes Tauschgut wird kaum jemand etwas bezahlen.

    Die Arbeit als Lohnarbeit könnte dann als "nicht selbständig produktiv" bezeichnet werden.


    Die Anhäufung von Gold kann unproduktiv sein oder sogar zu negativen Belastungen führen. Doch der Goldsammler könnte auch das Ziel verfolgen, einen höheren Goldkurs abzuwarten, um das Gold dann gewinnbringend abzusetzen. Es könnte aber auch sein, dass er einen Krise kommen sieht, und er sich mit dem Gold eine bestimmte Zahlungsstabilität verspricht. Dadurch könnte er in der Krise wiederum produktiver als andere sein und mehr Gewinn als Verlust durch die Goldanhäufung einfahren. Ohne Frage kann Spekulieren schief gehen.

    Will sagen, dass die pauschalen Aussagen nicht immer zutreffen.


    Gruß - Rainer :)

  • Wie bereits geschrieben, dass das "produktiv sein" auf den Lohnarbeiter beschränkt wird, kann, ohne Frage, in der Art definiert werden.

    Damit würde man aber selbständige Handwerker, viele in der Landwirtschaft Tätigen, Selbständige Ingenieure, Trainer usw. zu "unproduktiven Personen" abstempeln. Welchen Gewinn soll man davon haben? Ich sehe keinen.

    Hallo Rainer,

    zunächst: Marx unterschied mehr Klassen und Schichten im Kapitalismus als nur produktive und unproduktive Lohnarbeiter. Außer den Kapitalisten und Lohnarbeitern existieren auch heute noch vorkapitalistische Klassen, das traditionelle Kleinbürgertum, nämlich selbstarbeitende Produktionsmittelbesitzer. Letztere sind auch produktiv. Sie schaffen auch Kapital, aber für sich selbst. Verglichen mit der gesamten Reichtumsproduktion verlieren sie aber zunehmend an Bedeutung.


    Welchen „Gewinn“ bringt nun die Marxsche Unterscheidung von produktiver und unproduktiver Arbeit?

    Marx fragt sich, wofür Geld ausgegeben wird.

    Es macht für ihn einen wesentlichen Unterschied, ob Geld für den eigenen Lebensunterhalt oder für die Ausbeutung fremder Arbeit ausgegeben wird.

    Wenn jemand Geld für seinen Lebensunterhalt ausgibt (egal ob er Kapitalist oder Lohnarbeiter ist), dann tauscht er Geld für Waren ( G – W). Diese Ware (oder Dienstleistung) wird verbraucht und verschwindet. Diese Geldausgabe bringt das Geld zum Verschwinden.

    Wenn jemand Geld für Ausbeutung fremder Arbeit ausgibt, dann kauft er mit dem Geld Waren, die ihm neue, höherwertige Waren herstellen. Damit kann er sein Geld vermehren. Aus seinem Geld wird mehr Geld: G – W ...P ... W‘ – G‘ oder kurz: G – G‘.

    So, wie es für den Kapitalisten einen wesentlichen Unterschied macht, ob er sein Geld produktiv verwendet oder unproduktiv verausgabt, so macht es für die Lohnarbeiter einen wesentlichen Unterschied, ob sie für kapitalistischen Profit arbeiten müssen, oder als häusliche oder städtische Angestellte. Diesen Unterschied hatte bke oben ganz anschaulich geschildert.


    Alle Begriffe, die Marx verwendet, haben eben diesen Zweck und diesen Zusammenhang, dass sie die kapitalistische Gesellschaft durchsichtig machen, dass sie die Gesellschaft in ihrem gegliederten Zusammenhang zeigen. Wenn man das Begriffspaar „produktiv – unproduktiv“ aus der Theorie von Marx herausbricht, zerstört man sein gesamtes Gedankengebäude.


    Aus meiner Sicht wäre es besser, Arbeit, die durch eine Gegenleistung abgegolten wird, als "produktiv" zu deklarieren, denn fürs Nichtstun als angebotenes Tauschgut wird kaum jemand etwas bezahlen.

    Du nennst alles „produktiv“, was als Ware oder als Dienstleistung mit Geld bezahlt wird. So denkt auch die bürgerliche Statistik, wenn sie alle Geldleistungen für alle Waren und Dienstleistungen als Bruttoinlandsprodukt zusammenaddiert (abzüglich der Vorleistungen, die in den Wert von anderen Ware wandern).

    Man kann also „produktiv“ auch als „geldbringend“ definieren. Und "welchen Gewinn" wird man davon haben? Man macht damit alle Menschen zu Warenbesitzern, die auf dem Markt erscheinen und Geld einnehmen. Diese Gesellschaft sieht ganz so aus wie die User von Ebay. Es gibt keine Kapitalisten, keine Lohnarbeiter, keine gesellschaftlichen Klassen. Niemand sieht, woher das Geld kommt. Niemand sieht, wohin das Geld fließt. Die Wirtschaft erscheint als unendlicher und trüber Fluß von Ware und Geld. Da wird nur gekauft und verkauft, nichts produziert.

    Wer will, der kann daraus einen verborgenen Sinn ablesen: Karl Marx versuchte überall die Klassenunterschiede aufzudecken. Die bürgerliche Statistik versucht überall die Klassenunterschiede zu vertuschen.

    Aber auch wer „produktiv“ wie Du als „geldbringend“ definiert, der wird viele Widersprüche und Widersinnigkeiten nicht los:

    Die Putzfrau, die für Lohn eine Wohnung putzt, ist da produktiv. Die Ehefrau, die in ihrer Wohnung die gleiche Arbeit macht, ist unproduktiv.

    Eine Frau, die ein Kind zu Welt bringt, ist unproduktiv, aber die bezahlte Hebamme, die ihr dabei hilft, ist produktiv.

    Wer sein Fahrrad selbst repariert, ist unproduktiv. Wer es in die Werkstatt bringt, ist produktiv.

    Tolle Wissenschaft, deren Begriffe solche Resultate bringt!

    Gruß Wal

  • Hallo Wal, leider erscheint Deine Antwort auf meine Argumentation nicht hier auf der Webseite.

    Von mir aus kann ja die Unterscheidung von "produktiv" und "nicht produktiv" an der Lohnarbeit festgemacht werden. Aus meiner Sicht ist das eine unpassende und nicht notwendige Einschränkung des Begriffs "produktiv".


    Den Zusammenhang der Einschränkung von "produktiv" auf Lohnarbeit" und des Postulats, damit würden die Kapitalisten und Lohnarbeiter, ja sogar die Klassen versteckt werden (und damit ganz sicher auch die kapitalistische Ausbeutung) halte ich für extrem an den Haaren herbeigezogen.

    Die Ausbeutung hat Marx erkannt und beschrieben als Verkauf der Arbeitskraft der Lohnarbeiter und die Generierung von Mehrwert auf dieser Basis. Damit zu begründen, dass z. B. ein selbständiger Musiker, der seine Ware "Musik" verkauft und er dazu unproduktive Arbeit leisten muss, halte ich für abwegig.

    Ob ein selbständiger Musiker seine Musik als Ergebnis "produktiver" oder "nicht produktiver Arbeit" verkauft, ändert doch nichts an der Lohnarbeit von Arbeiter und Angestellten (ich will hier nicht zwischen Lohn und Gehalt trennen) in kapitalistischen Firmen. Es werden damit weder Klassen, noch Lohnarbeiter oder Kapitalisten versteckt. Die Lohnarbeit ist nun mal von der Arbeit Selbständiger verschieden.


    Die Anmerkung, dass Hausarbeit, von einen Familienangehörigen durchgeführt, dann genauso produktiv sein müsste, wie die Hausarbeit eines Lohnarbeiters, der im Auftrag einer Reinigungsfirma die Wohnung reinigen würde und dass diese Gleichstellung zu Widersprüchen und Widersinnigkeiten verknüpft wäre, halte ich für nicht zutreffend: "Produktiv" im ökonomischen Sinne können nur Aktivitäten sein, die auf der gesellschaftlichen Ebene gegen ein Wertäquivalent getauscht werden. Hier, und in der Ökonomie, werden keine privaten Arbeiten, Arbeiten, die für die Gesellschaft im ökonomischen Bereich keine Bedeutung haben, untersucht. Und auch, wenn z. B. die Ehefrau dem Ehemann €50 für eine Wohnungsreinigung geben würde - wenn das nicht auf der gesellschaftlichen Ebene geschieht (Kaufvertrag, Rechnung, Steuern), dann bliebe die Reinigungsaktivität für die Gesellschaft unproduktiv, auch wenn sie sowohl für den Man als auch die Frau den Charakter einer produktiven Arbeit besitzt - sie wäre ökonomisch für die Gesellschaft nicht relevant.


    Außerdem hätte es bei der oben postulierten Einschränkung der "produktiven Arbeit" in den sozialistischen Ländern, insbesondere in der UdSSR und der DDR so gut wie keine produktive Arbeit gegeben. Ein für mich sehr abwegiger Gedanke. Dort wurde "produktiv" nicht so eng aufgefasst und trotzdem wurde die Beschreibung der kapitalistischen Ausbeutung davon überhaupt nicht tangiert.


    Aber wie dem auch sei. Meine Vorstellungen zur "Nicht-Vergegenständlichung" von Wert "funktionieren" auch, wenn der Begriff "unproduktiv" für nicht-kapitalistische Warenproduktion genutzt wird. Der Fakt, dass die Arbeitsergebnisse der entsprechenden Arbeiten gegen ein Wertäquivalent getauscht werden, bleibt bestehen.


    Gruß - Rainer :)

  • Hallo miteinander,


    Bei der Klärung strittiger abstrakter Begriffe sollte doch die Absicht stehen, wie die (ökonomische) Realität mit diesen Begriffen erfasst werden kann. Gleichwohl muss überprüft werden, ob sich der Begriff in der Wirklichkeit bewährt. So kann die produktive Arbeit doch nur als eine solche erklärt werden, die entweder Warenwerte schafft, die sich in der Wirklichkeit realisieren oder als quasi Neben- oder Subarbeit dazu beiträgt, diesen zusätzlichen Wert zu erzeugen. So ist zum Beispiel die Transportarbeit eine produktive Arbeit, solange sie unerlässlich ist, Warenwert zu produzieren und zu realisieren. Außerdem trägt der Transport durch Vereinfachung der Verteilung dazu bei, die gesamtgesellschaftliche Produktivität zu erhöhen. Diese Arbeit leitet sich also nicht aus dem Mehrwert ab, sondern ist, wenn auch nicht immer und nicht genuin, Wert erzeugend. Anders ist es mit der unproduktiven Arbeit. Sie leistet keinen Beitrag zum Warenwert, sondern leitet sich von ihm ab. So ist z. B. die Arbeit der Friseurin zur Verschönerung menschlicher Köpfe eine unproduktive Arbeit, deren Entlohnung allein aus dem Mehrwert bestritten wird, der zuvor bei der Warenproduktion erzeugt wurde. Das gilt aber auch für die Pflegeberufe und die meisten sog. Dienstleistungen. Ist einem der Unterschied klar, dann lässt sich in der Realität u. a. erklären, warum überhaupt ein Niedriglohnsektor möglich ist, oder warum Friseurinnen schon immer zu den Lohnarbeiterinnen mit dem geringsten Lohn zählten und diese auch keine Möglichkeit haben dies zu ändern.


    Beste Grüße

    ricardo

  • Quote

    die Arbeit der Friseurin zur Verschönerung menschlicher Köpfe eine unproduktive Arbeit, deren Entlohnung allein aus dem Mehrwert bestritten wird

    Mehrwert? Wenn ein Lohnarbeiter zum Frisör/zur Frisöse geht, gibt er einen Anteil des Mehrwertes der Frisöse/dem Frisör? Die Entlohnung der Frisöse/des Frisörs erfolgt aus Mehrwert? Auch wenn diese in einem Frisörstudio angestellt und nicht Selbstausbeutend ist?

  • Dein Einwand ist berechtigt, und ich denke deshalb nun, dass die Friseurinnenarbeit nicht dem Mehrprodukt sondern den Reproduktionskosten zugeordnet werden muss. Das heißt ferner, Friseurinnenarbeit gehört zur Sphäre der Konsumgüterproduktion, wodurch sie in den Reproduktionsprozess eingegliedert und damit produktiv ist. Die Erklärung der geringen Bezahlung ist dann eine andere. So in der Kürze würde ich behaupten, sie ist darauf zurückzuführen, dass obwohl sie eine produktive ist, sie eine, weil auf Eitelkeit beruhend, leicht entbehrliche ist und ferner keiner großen Qualifikation bedarf.

  • Ein Frisörsalon kann in der Regel ein Mehrwert produzierender Betrieb sein. Die Dienstleistung die dort produziert wird, mit angestellten Friseuren, führt zur Mehrwertproduktion und die verrichtete Arbeit sollte in diesem Sinne produktiv sein.

  • Das Erzielen von Mehrwert, ist weder eine notwendige noch hinreichende Bedingung, um eine Arbeit als produktiv (unproduktiv) einzustufen, sondern alleine die Bedingung, ob sie in den Reproduktionsprozess eingegliedert ist (oder nicht). Dieser Prozess verläuft gem. den Marx'schen Reproduktionsschemata im Zyklus von Konsumgüterindustrie und Produktionsmittelindustrie. Wird der in diesem Prozess erzeugte Überschuss (Mehrwert) für Arbeit verwendet, die nicht zu diesem Zyklus gehört, wie Altenpflege, Staatsdienst, Sicherheitsdienst, Werbung u. a. handelt es sich um unproduktive Arbeit, die nur wegen des Überschusses geleistet werden kann, bzw. diesen mindert und in vielen Fällen deshalb geleistet wird, dass der Zyklus funktioniert.

  • Meines Erachtens hatte Marx zwei Ansätze für die Bestimmung von produktiver Arbeit.

    1) Marx hat einen zentralen „volkswirtschaftlichen“ Ansatz, der bestimmt, welche Rolle eine Teilarbeit in der Produktion und Reproduktion von Kapital spielt. Nach dieser Bestimmung ist alle Arbeit produktiv, die dem kapitalistischen Produktionsprozess dient.

    In diesem Sinn ist auch Transportarbeit produktive Arbeit: „Es ist (Buch II, Kap. VI Die Zirkulationskosten, 2 und 3) auseinander gesetzt worden, wieweit Transportindustrie, Aufbewahrung und Verteilung der Waren in einer verteilungsfähigen Form als Produktionsprozesse zu betrachten sind, die innerhalb des Zirkulationsprozesses fortdauern.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 278f.

    „Nur die Arbeit, die sich direkt in Kapital verwandelt, ist produktiv... Arbeit, die Mehrwert setzt oder dem Kapital als Hebel dient, Mehrwert zu setzen und daher sich als Kapital, als sich verwertenden Wert zu setzen.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I., MEW 26.1, 369.

    Arbeit, „die Mehrwert setzt“ ist unstrittig produktive Arbeit. Allerdings gibt es viele Linke, die Zirkulationsarbeit, mit der sich das Kapital „als verwertender Wert setzt“ als „unproduktive Arbeit" bezeichnen.

    Der Begriff "unproduktive Arbeit" passt überhaupt nicht auf Zirkulationsarbeit:

    „Nur die Arbeit, die Kapital produziert, ist produktive Arbeit. ... Damit ist auch absolut festgesetzt, was unproduktive Arbeit ist. Es ist Arbeit, die sich nicht gegen Kapital, sondern unmittelbar gegen Revenue (= Mittel zum Lebensunterhalt/Privatkonsum) austauscht ...“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 127.

    Zirkulationsarbeiter werden aus Kapital bezahlt, nicht aus Revenue. Ich halte es deshalb für falsch, Zirkulationsarbeiter als unproduktive Arbeiter zu bezeichnen.


    Die meistzitierte Stelle im "Kapital" zur produktiven Arbeit ist folgende:

    „Andererseits aber verengt sich der Begriff der produktiven Arbeit. Die kapitalistische Produktion ist nicht nur Produktion von Ware, sie ist wesentlich Produktion von Mehrwert. Der Arbeiter produziert nicht für sich, sondern für das Kapital. Es genügt daher nicht länger, dass er überhaupt produziert. Er muss Mehrwert produzieren. Nur der Arbeiter ist produktiv, der Mehrwert für den Kapitalisten produziert oder zur Selbstverwertung des Kapitals dient.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 532.


    Zu oft haben Marxisten nur den ersten Teil dieser Bestimmung produktiver Arbeiter zitiert, dass produktive Arbeiter „Mehrwert produzieren“. Dass produktive Arbeit außerdem ("oder"!) zur „Selbstverwertung des Kapitals dient“, wird oft übersehen. Das Kapital kann sich aber nicht selbst verwerten, wenn es nicht den gesamten Kreislauf G - G' durchläuft. Die „Selbstverwertung des Kapitals“ schließt meines Erachtens den gesamten Kapital-Umschlag von G – W ... P ...W' - G‘ ein. Die Zirkulationssphäre dient ganz sicher der "Selbstverwertung des Kapitals", ja sie vermehrt das direkt produktive Kapital sogar:

    „Wie weit das Kaufmannskapital indirekt produktiv sein kann, ist bereits angedeutet und wird später noch weiter erörtert werden.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 293.)

    In diese Kategorie fallen die sogenannten Zirkulationsarbeiter im Handel, bei Banken und Versicherungen, obwohl sie nicht direkt Mehrwert produzieren.

    „Umstände, welche den Durchschnittsumschlag des Kaufmannskapitals verkürzen, z. B. Entwicklung der Transportmittel, vermindern im Ganzen die absolute Größe des Kaufmannskapitals, erhöhen daher die allgemeine Profitrate.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 322.


    2) Daneben und zusätzlich zu dieser „volkswirtschaftlichen“ Bestimmung von produktiver Arbeit, gibt Marx auch eine individuelle, quasi „betriebswirtschaftliche“ Bestimmung. Danach gilt ihm jede Arbeit als produktiv, die im Ausbeutungsverhältnis zu einem Kapitalisten steht und für diesen Kapitalisten den Mehrwert vergrößert.

    „Steht es frei, ein Beispiel außerhalb der Sphäre der materiellen Produktion zu wählen, so ist ein Schullehrer produktiver Arbeiter, wenn er nicht nur Kinderköpfe bearbeitet, sondern sich selbst abarbeitet zur Bereicherung des Unternehmers. Dass letzterer sein Kapital in einer Lehrfabrik angelegt hat, statt in einer Wurstfabrik, ändert nichts an dem Verhältnis. Der Begriff des produktiven Arbeiters schließt daher keineswegs bloß ein Verhältnis zwischen Tätigkeit und Nutzeffekt, zwischen Arbeiter und Arbeitsprodukt ein, sondern auch ein spezifisch gesellschaftliches, geschichtlich entstandenes Produktionsverhältnis, welches den Arbeiter zum unmittelbaren Verwertungsmittel des Kapitals stempelt. Produktiver Arbeiter zu sein ist daher kein Glück, sondern ein Pech.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 532.

    Die volkswirtschaftliche und die betriebswirtschaftliche Bestimmung von produktiver Arbeit passen nicht immer hundertprozentig zusammen. Das sorgte unter den Marxisten für Unsicherheit und Verwirrung.

    Meine Lösung für dieses immer wieder neu diskutierte Problem sieht so aus, dass ich drei Arten von Lohnarbeitern unterscheide: Direkt produktive Lohnarbeiter im Produktionsprozess des Kapitals, das heißt innerhalb des Industriekapitals, dann indirekt produktive Lohnarbeiter im Zirkulationsprozess des Kapitals. Sie beide zusammen bilden das Proletariat, und drittens unproduktive Lohnarbeiter für den Privatkonsum der Kapitalisten wie der Lohnarbeiter. Dazu zählen auch die Staatsdiener.

    „... Auf Basis der kapitalistischen Produktion, wo der größte Teil der materiellen Waren ... unter Herrschaft des Kapitals von Lohnarbeitern produziert werden, (können) die unproduktiven Arbeiten (oder Dienste, sei es der Hure, sei es des Papstes) nur bezahlt werden ... entweder aus dem Lohn der produktiven Arbeiter oder aus dem Profit der Kapitalisten (und deren Teilhaber am Profit)...

    Die produktiven Arbeiter produzieren die materielle Grundlage des Lebensunterhalts und, konsequenterweise, der Existenz der unproduktiven Arbeiter ...“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I., MEW 26.1, 157.

    Soweit diese Dienstleistungen für den Privatkonsum kapitalistisch organisiert sind, (wie in Frisurfabriken, privaten Krankenhäusern und Supermärkten) zählen auch die dortigen Lohnarbeiter zum Proletariat, auch wenn ihr Produkt oder ihre Dienstleistung von den Kunden/Käufern unproduktiv, das heißt für ihren Privatkonsum vernutzt werden. Sie bereichern ihren Kapitalisten und schaffen ihm Profit.

    Auf Basis der kapitalistischen Produktion verbilligen diese kapitalistisch betriebenen Dienstleistungen die Reproduktion der Lohnarbeiter und verbilligen dadurch die gesellschaftlichen Lohnkosten. Insofern können diese kapitalistisch betriebenen Dienstleister auch "indirekt produktiv" heißen.

    Gruß Wal

  • Hallo Wal,


    das hast du sehr gut auf den Punkt gebracht. Jeder, der Probleme mit der produktiven Arbeit hat, sollte sich diesen Text genau durchlesen.


    Beste Grüße

    ricardo

  • Noch zur Ergänzung und Kontrolle. Ich denke, frau muss das immer auch am Einzelfall festmachen, ob die Tätigkeit einen Beitrag zur Reproduktion (der Lohnarbeiterinnen) leistet oder nicht. Um noch mal auf die Friseurinnenarbeit zu kommen. Wird der Kopf bearbeitet, damit die Lohnarbeiterinnen gepflegt am Arbeitsplatz erscheinen und dadurch die Arbeit effektivieren, ist sie indirekt produktive, dient sie, aus welchen privaten Gründen auch immer, lediglich zur Verschönerung, ist sie unproduktive Arbeit. Das müsste doch so stimmen, nicht wahr?

  • Quote

    Produktmassen vermehren sich nicht durch ihren Transport. Auch die durch ihn etwa bewirkte Veränderung ihrer natürlichen Eigenschaften ist mit gewissen Ausnahmen kein beabsichtigter Nutzeffekt, sondern ein unvermeidliches Übel. Aber der Gebrauchswert von Dingen verwirklicht sich nur in ihrer Konsumtion, und ihre Konsumtion mag ihre Ortsveränderung nötig machen, also den zusätzlichen Produktionsprozeß der Transportindustrie. Das in dieser angelegte produktive Kapital setzt also den transportierten Produkten Wert zu, teils durch Wertübertragung von den Transportmitteln, teils durch Wertzusatz vermittelst der Transportarbeit. Dieser letztre Wertzusatz zerfällt, wie bei aller kapitalistischen Produktion, in Ersatz von Arbeitslohn und in Mehrwert.

    http://www.mlwerke.de/me/me24/me24_131.htm


    (nach unten scrollen, dann findet man den Text leichter^^)


    Wenn man die Frisörarbeit nur für den Frisör als Selbstausbeuter oder für den Frisörsalonbetreiber als Ausbeuter betrachtet kann die erstere Tätigkeit im kapitalistischen Sinne unproduktiv und die zweite produktiv sein. Im Allgemeinen sind beide produktiv, da beide ein Produkt "Frisierter Kopf" schaffen. Wenn der Erste aber so dermaßen viele Köpfe frisiert, dass er mehr Tauschwert erhält, als er selbst verkonsumiert, ist auch er wieder im kapitalistischen Sinn produktiv. Man muss auch immer trennen, ob man eine allgemeingültige oder für eine spezifische ökonomische Gesellschaftsform gültige Aussage treffen will.

  • Interessantes Zitat (stützt auch meine These bzgl. Transport). Aber mit deinem eigenen Text bringst du m.E. wieder Durcheinander hinein, wenn du produktiv mit Produkt schaffen gleichsetzt. Wals Text und das von dir vorgestellte Zitat macht doch gerade deutlich, dass die notwendige Bedingung für "produktiv" ist, ob sie in die Reproduktion (indirekt) eingeht bzw. auf diese wirkt und so entweder Wert überträgt oder die Reproduktionskosten senkt. Dein letzter Satz ist im Hinblick darauf richtig, dass im Kommunismus keine Wertproduktion stattfindet.

  • ricardo

    Quote

    Aber mit deinem eigenen Text bringst du m.E. wieder Durcheinander hinein, wenn du produktiv mit Produkt schaffen gleichsetzt.


    Vielleicht verwirrt er Dich nur, weil der Satz dazu mitten drin steht. Dieser spricht aber auch von Vorkapitalistischen und Nachkapitalistischen Gesellschaften insgesamt, nämlich mit "im Allgemeinen"^^


    Auch hier ist wieder der Begriff "Wert" allgemein benutzt mMn Verwirrung stiftend. Überträgt Frisörarbeit nun Tauschwert oder Gebrauchswert oder beides oder gar nichts? Ist sie daher im kapitalistischen Sinn oder stets produktiv?

  • Hallo Ricardo. Sorry für meine Hartnäckigkeit, Wal kann ja eingreifen, falls wir uns total verrennen ;-).

    Quote

    Ein Ding kann Gebrauchswert sein, ohne Wert zu sein. Es ist dies der Fall, wenn sein Nutzen für den Menschen nicht durch Arbeit vermittelt ist. So Luft, jungfräulicher Boden, natürliche Wiesen, wildwachsendes Holz usw. Ein Ding kann nützlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein. Wer durch sein Produkt sein eignes Bedürfnis befriedigt, schafft zwar Gebrauchswert, aber nicht Ware. Um Ware zu produzieren, muß er nicht nur Gebrauchswert produzieren, sondern Gebrauchswert für andre, gesellschaftliche Gebrauchswert. {Und nicht nur für andre schlechthin. Der mittelalterlichen Bauer produzierte das Zinskorn für den Feudalherrn, das Zehntkorn für den Pfaffen. Aber weder Zinskorn noch Zehnkorn wurden dadurch Ware, daß sie für andre produziert waren. Um Ware zu werden, muß das Produkt dem andern, dem es als Gebrauchswert dient, durch den Austausch übertragen werden.}(11a) Endlich kann kein Ding Wert sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein. Ist es nutzlos, so ist auch die in ihm enthaltene Arbeit nutzlos, zählt nicht als Arbeit und bildet daher keinen Wert.

    http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_049.htm#Z11a


    Beachte den Klammervermerk von Engels. Das Zinskorn und das Zehntkorn waren Produkte menschlicher Arbeitskraft ohne Waren zu sein.

    Quote

    (11a) Note zur 4. Aufl. - Ich schiebe das Eingeklammerte ein, weil durch dessen Weglassung sehr häufig das Mißverständnis entstanden, jedes Produkt, das von einem andern als dem Produzenten konsumiert wird, gelte bei Marx als Ware. - F. E. <=

    Ich bin der Meinung, dass man den Unterschied zwischen einem Produkt und einer Ware beachten sollte.


    Waren die Bauern in Engels Klammervermerk Produktiv? Schufen sie ein Produkt? Tauscht der Frisörbesucher einen Gegenwert (Geld) mit dem Frisör? Verausgabt der Frisör Hirn, Muskel, Nerv?


    Edit: Ein schönes Beispiel für die Einheit der Widersprüche im dialektischen Denken.

  • Während die Dauerwelle also unklar sein kann, ist also ein Walz-Spezial* für die Bayreuther Filmfestspiele ganz klar unproduktiv.


    *

    Udo Walz ist ein deutscher Friseur. Bekannt ist er durch seine prominente Kundschaft und Auftritte in den unterschiedlichsten Medien. Außerdem veröffentlichte er zwei Bücher.


  • Auch ohne eine detaillierte Erklärung, sollte wenigstens hier klar sein, das bei kapitalistischer Produktionsweise das wesentlichste Merkmal produktiver Arbeit, die Schaffung von Mehrwert ist. Auf der anderen Seite, die unproduktive Arbeit Mehrwert verzehrt.

    Der gesellschaftliche Reproduktionsprozess ist m. E. nur die Sphäre, wo produktive und unproduktive Arbeit stattfinden.

  • Jens: "Auch ohne eine detaillierte Erklärung, sollte wenigstens hier klar sein, das bei kapitalistischer Produktionsweise das wesentlichste Merkmal produktiver Arbeit, die Schaffung von Mehrwert ist."


    Eben nicht. denn sonst hieße das ja, dass eine Ware, die zwar Wert hat aber keinen Profit abwirft, weil ein Unternehmen nicht wettbewerbsfähig ist, nicht mit produktiver Arbeit hergestellt worden wäre.


    "Der gesellschaftliche Reproduktionsprozess ist m. E. nur die Sphäre, wo produktive und unproduktive Arbeit stattfinden."


    Das ist verkehrt. Es wurde doch von Wal eindeutig nachgewiesen, dass nur die Arbeit (indirekt) produktiv ist, die sich auf den Reproduktionsprozess bezieht. Unter kapitalistischen Bedingungen beinhaltete das, dass sie (abstrakten) Wert, aber nicht unbedingt Mehrwert, schafft. Die Arbeit der Staatsdiener, z. B., ist unter dieser Prämisse im allgemeinen eben nicht produktiv. Unproduktive Arbeit hat eben nicht die Reproduktion zum Zweck. Oder findest du dass "die unproduktiven Arbeiten (oder Dienste, sei es der Hure, sei es des Papstes) " (Marx, s.o.) zum gesellschaftlichen Reproduktionsprozess gehören?

  • ricardo: Eine produzierte Ware beinhaltet bereits ihren Wert und somit auch ihren Mehrwert. Wenn der Mehrwert nicht realisiert wird, sprich auf dem Markt nicht der nötige Profit erzielt wird, steht das auf einem anderen Blatt. Auf jeden Fall wurde zur Produktion der Ware, produktive Arbeit verrichtet.

    Dein Beispiel zeigt, das es auch unproduktive Arbeit gibt, die nicht zum Reproduktionsprozess gehört, das ändert aber nichts an meiner Aussage.

  • Quote

    Produktmassen vermehren sich nicht durch ihren Transport. Auch die durch ihn etwa bewirkte Veränderung ihrer natürlichen Eigenschaften ist mit gewissen Ausnahmen kein beabsichtigter Nutzeffekt, sondern ein unvermeidliches Übel.

    Jens

    Quote

    das wesentlichste Merkmal produktiver Arbeit, die Schaffung von Mehrwert

    Welchen Wert, explizit Mehrwert produziert Transportarbeit? Ist Transportarbeit produktiv?


    Quote

    Wenn der Mehrwert nicht realisiert wird, sprich auf dem Markt nicht der nötige Profit erzielt wird

    Kann auch Profit erzielt werden, wenn zu höherem Preis als Wert verkauft werden kann? Und wenn zu niedrigerem Preis als Wert? Oder nur, wie Du behauptest wenn Preis=Wert? Wenn also der Wert der Ware 100+100+100=300, aber nur für 250 verkauft, ist dann die Arbeit unproduktiv gewesen? Ab wann ist sie produktiv? Ab wann gilt der Mehrwert als "realisiert"?

  • Jens


    Eine Ware enthält keinen Wert, sondern der Wert stellt sich als Tauschwert im Verhältnis zu einer anderen Ware dar. Deswegen beinhaltet die Ware auch keinen Mehrwert, sondern der Mehrwert ist der Teil des Werts, der vom Kapitalisten einbehalten wird. Natürlich wird dann auch weder Wert noch Mehrwert "geschaffen" (Marx spricht m. E. nirgends von der "Schaffung" von Wert noch von Mehrwert). Lies bitte hierzu den o. g. Text von Robert Schlosser durch. Erst wenn du den verstanden hast, bringt es etwas, weiterzudiskutieren.


    "Dein Beispiel zeigt, das es auch unproduktive Arbeit gibt, die nicht zum Reproduktionsprozess gehört,..."


    So, dann nenn' mir mal Beispiele von unproduktiver Arbeit, die für den Reproduktionsprozess nötig sind.

  • Quote

    Alle Arbeit ist einerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie den Warenwert. Alle Arbeit ist andrerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in besondrer zweckbestimmter Form, und in dieser Eigenschaft konkreter nützlicher Arbeit produziert sie Gebrauchswerte.(16)

    http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_049.htm#Kap_1_2

  • "und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet (hervorbringen, ricardo) sie den Warenwert."


    Aber nur in diesem Sinn: "Als Kristalle dieser ihnen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz sind sie Werte – Warenwerte.“(ebenda S. 52)" (Schlosser) und nicht im Sinn als Substanz der Waren. Denn ausdrücken kann sich dieser (Waren) Wert immer nur im Verhältnis zu einer anderen Ware und nicht durch sich selbst.


    "und in dieser Eigenschaft konkreter nützlicher Arbeit produziert (schaffen, ricardo) sie Gebrauchswerte."

  • ricardo: So wie es aussieht, bist Du derjenige, der sich noch mal belesen muß. Meine Empfehlung: Karl Marx Lexikon z.B. Wert u. Preis oder produktive u. unproduktive Arbeit oder was Du sonst noch zum Thema findest.

    Ohne Kenntnisse über den Warenwert und wie er entsteht, macht die Diskussion tatsächlich keinen Sinn.

    Übrigens sind Stadtwerke o.ä. ganz oder teilweise unproduktive Dienstleister. Einzig aus dem Grund, das sich diese Dienstleistungen nicht profitabel vermarkten lassen.

  • ricardo , bke , Jens ,

    Dass unterschiedliche Linke sich in einer gemeinsamen Diskussion zusammenfinden, das ist ein seltener Glücksmoment, solange die Diskussion sachbezogen bleibt.

    Nicht sachbezogen sind alle personenbezogenen Bemerkungen: was einer ist oder nicht ist, oder was einer tun soll oder nicht tun soll.

    Mit personenbezogenen Bemerkungen wird die sachbezogene Diskussionskultur zerstört.

    Ich hoffe, das halten sich alle Beteiligten noch einmal vor Augen.

    :)

    Als Moderatorinnen verlangen wir Sachlichkeit und Respekt vor den Menschen. Das schließt auch Respekt vor denen ein, deren Ansichten wir kritisieren.

  • Quote

    Von der Arbeit, soweit sie Gebrauchswerte hervorbringt, ist es falsch zu sagen, daß sie einzige Quelle des von ihr hervorgebrachten, nämlich des stofflichen Reichtums sei. Da sie die Tätigkeit ist, das Stoffliche für diesen oder jenen Zweck anzueignen, bedarf sie des Stoffes als Voraussetzung. In verschiedenen Gebrauchswerten ist die Proportion zwischen Arbeit und Naturstoff sehr verschieden, aber stets enthält der Gebrauchswert ein natürliches Substrat. Als zweckmäßige Tätigkeit zur Aneignung des Natürlichen in einer oder der anderen Form ist die Arbeit Naturbedingung der menschlichen Existenz, eine von allen sozialen Formen unabhängige Bedingung des Stoff- <24> wechsels zwischen Mensch und Natur. Tauschwert setzende Arbeit ist dagegen eine spezifisch gesellschaftliche Form der Arbeit. Schneiderarbeit z.B. in ihrer stofflichen Bestimmtheit als besondere produktive Tätigkeit, produziert den Rock, aber nicht den Tauschwert des Rocks. Letztern produziert sie nicht als Schneiderarbeit, sondern als abstrakt allgemeine Arbeit, und diese gehört einem Gesellschaftszusammenhang, den der Schneider nicht eingefädelt hat. So produzierten in der antiken häuslichen Industrie Weiber den Rock, ohne den Tauschwert des Rockes zu produzieren. Arbeit als eine Quelle von stofflichem Reichtum war dem Gesetzgeber Moses sowohl bekannt wie dem Zollbeamten Adam Smith.(9)

    http://www.mlwerke.de/me/me13/me13_015.htm


    Vergesst bitte das von mir fett Markierte nicht.

  • Es fließen die Wertbestandteile c+v+m in jedes Stück Ware hinein und trotzdem gibt es beim Warenwert nichts Substanzielles. Da sollte eigentlich etwas dämmern oder auch nicht.

  • Hallo Jens,


    wenn man in der Abstraktion von gesellschaftlichen Verhältnissen nicht weiterkommt, ist es angebracht zum ganz Einzelnen Sachverhalt zurückzukehren.


    Stell Dir vor, ein Mensch ringt mit der Natur. Er versucht zu überleben. Um das Beispiel ganz einfach zu halten sage ich, er backt täglich ein Brot und verkonsumiert täglich ein Brot.


    Ist er produktiv?


    Ist er im Kapitalistischen Sinn produktiv? Erzeugt er Mehrwert?

  • Ich glaube, wenn wir uns weiter nur um Worte streiten, kommen wir in der Sache nicht weiter.


    Ich will mal einen praktischen Nutzen der Bestimmung von produktiver (industrielle) Lohnarbeit, von indirekt produktiver (Zirkulations)Arbeit und von unproduktiver Arbeit aufzuzeigen.


    1) Am einfachsten ist dies bei der unproduktiven Arbeit:

    Allgemein gesprochen ist unproduktive Arbeit, eine Arbeit, die den gesellschaftlichen Reichtum vermindert, nicht vermehrt. „Die produktiven Arbeiter produzieren die materielle Grundlage des Lebensunterhalts und, konsequenterweise, der Existenz der unproduktiven Arbeiter ...“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I., MEW 26.1, 157.

    Eine große Anzahl unproduktiver Arbeiter ist also ein Kennzeichen für reiche Gesellschaften, die es sich "leisten können" viele unproduktive Esser durchzufüttern. Andererseits klagen die Kapitalisten immer wieder über eine „zu hohe“ Staatsquote. Viele unproduktive Lohnabhängige im Staatsdienst senken die durchschnittliche Arbeitsproduktivität und damit auch die allgemeine Profitrate. Die deutschen Kapitalisten wehren sich ständig und heftig dagegen, dass die Massenarbeitslosigkeit durch mehr Stellen im Staatsdienst gemindert wird. In Griechenland z.B. ist man diesen Weg gegangen - mit schlimmen finanziellen Folgen.

    Die Konkurrenz der Staaten geht unter anderem darum, welches Land möglichst viele produktive und möglichst wenig unproduktive Lohnarbeiter beschäftigt.




    2) Die produktive (industrielle) Lohnarbeiter schafft direkt Mehrwert. Also versuchen die Kapitalisten die Zahl der produktiven Lohnarbeiter insgesamt auszuweiten oder (seit 1975 wenigstens zu halten). Gleichzeitig hat aber ein individueller Kapitalist Konkurrenzvorteile, wenn er gleichen oder höheren Umsatz mit weniger Lohnarbeitern schafft. In diesem Widerspruch bewegt sich die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland seit den 1950er Jahren. Die Weltwirtschaftskrise von 2008 hat Deutschland deshalb relativ gut überstanden, weil hier der Industriesektor relativ größer ist als in anderen europäischen Ländern. Massenentlassungen von produktiven Lohnarbeitern führte in Deutschland immer zu medialer Aufmerksamkeit und auch zum Eingreifen "der Politik".


    3) Die Zirkulationsarbeiter schaffen nicht direkt Mehrwert, aber vermehren in indirekt.

    „Die Zirkulationskosten als solche, d. h. die durch die Operation des Austauschs und durch eine Reihe von Austauschoperationen verursachte Konsumtion von Arbeitszeit oder ... Werten, sind ... Abzug entweder von der auf die Produktion verwandten Zeit, oder von den durch die Produktion gesetzten Werten. Sie können nie den Wert vermehren. Sie gehören zu den toten Kosten der ... auf dem Kapital beruhenden Produktion. ... Insofern das Kaufmannsgeschäft und noch mehr das eigentliche Geldgeschäft diese toten Kosten vermindern, fügen sie der Produktion zu, nicht dadurch, dass sie Wert schaffen, sondern die Negation der geschaffenen Werte vermindern. ... befähigen sie die Produzenten mehr Werte zu schaffen, als sie ohne diese Teilung der Arbeit könnten, und zwar so viel mehr, dass ein Mehr bleibt nach Bezahlung dieser Funktion, so haben sie faktisch die Produktion vermehrt. Die Werte sind dann aber vermehrt, nicht weil die Zirkulationsoperationen Wert geschaffen, sondern weil sie weniger Wert absorbiert haben, als sie im anderen Fall getan hätten.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 526f.

    Nochmals:

    „Sofern die Zirkulationsarbeit zur Abkürzung der Zirkulationszeit beiträgt, kann sie indirekt den vom industriellen Kapitalisten produzierten Mehrwert vermehren helfen. Soweit sie den Markt ausdehnen hilft und die Teilung der Arbeit zwischen den Kapitalisten vermittelt, also das gesellschaftliche Kapital befähigt, auf größerer Stufenleiter zu arbeiten, befördert ihre Funktion die Produktivität des industriellen Kapitals und dessen Akkumulation.

    Soweit sie die Umlaufszeit abkürzt, erhöht sie das Verhältnis des Mehrwerts zum vorgeschossenen Kapital, also die Profitrate. Soweit sie einen geringeren Teil des Kapitals als Geldkapital in die Zirkulationssphäre einbannt, vermehrt sie den direkt in der Produktion angewandten Teil des Kapitals.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 291.


    Die Folge davon ist: Bei gegebener Arbeitsproduktivität wird der industrielle Sektor produktiver, wenn die Zahl der Lohnarbeiter vermehrt wird. Der industrielle Sektor wird aber auch produktiver, wenn der Zirkulationssektor (mit dem die Industriekapitalisten ihren Mehrwert teilen müssen) KLEINER wird.

    Also sind ALLE Kapitalisten bestrebt, dass die Buchhaltung und Warenzirkulation von möglichst wenigen Lohnarbeitern erledigt wird.

    „Das industrielle Kapital verhält sich ... nicht in derselben Weise zu seinen kommerziellen wie zu seinen produktiven Lohnarbeitern. Je mehr von diesen letzteren bei sonst gleich bleibenden Umständen angewandt werden, um so massenhafter die Produktion, umso größer der Mehrwert oder Profit. Umgekehrt dagegen (bei seinen kaufmännischen Arbeitern).“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 310f.


    Heißt: Bei gleichbleibenden Umständen ist der gesellschaftliche Mehrwert oder Profit der Kapitalisten größer, je kleiner der Zirkulationssektor ist und je geringer die Zahl der Zirkulationsarbeiter ist.


    Burschikos ausgedrückt: Wenn Industriekapitalisten Lohnarbeiter entlassen, dann tut das der Kapitalistenklasse insgesamt in der Seele weh. Denn damit geht mehrwertschaffende Arbeitskraft verloren.

    Andererseits: Wenn der Handel Verkäuferinnen oder die Banken Angestellte entlassen, dann schmunzelt der Kapitalist, weil das die Arbeitsproduktivität in allen Branchen insgesamt verbessert und den allgemeinen Profit erhöht und den Mehrwert relativ vergrößert, denn die gesamte Kapitalistenklasse einstreicht.

    Das erklärt dann, dass in Deutschland Massenentlassungen in der Industrie immer irgendwie auf Widerstand stoßen und Diskussionen auslösen, während Massenentlassungen im Zirkulationsbereich mehr oder minder geräuschlos über die Bühne gehen.


    Gruß Wal


    P.S. Ich hatte versucht, ein paar Daten zusammenzutragen, die diese Thesen stützen (z.B. Umsatz und Beschäftigte im Lebensmitteleinelhandel - Vergleich Deutschland - Frankreich), aber ich musste feststellen, dass immer mehr statistische Daten im Internet zahlungspflichtig sind und so dem nichtkapitalistischen Zugriff entzogen werden.:cursing:

  • Es fließen die Wertbestandteile c+v+m in jedes Stück Ware hinein und trotzdem gibt es beim Warenwert nichts Substanzielles. Da sollte eigentlich etwas dämmern oder auch nicht.

    Hallo Jens,

    das ist tatsächlich die Schwierigkeit, die es zu erklären gibt. Wenn du irgend eine einzelne Ware in die Hand nimmst, wirst du an ihr und in ihr keine "Wertsubstanz" finden. Der Warenwert zeigt sich erst im Vergleich mit allen anderen Waren.

    Nehmen wir als Beispiel die berühmten Glasperlen, mit denen Kolonialvölker früher betrogen worden sind.

    Im Vergleich mit den Produktionsmöglichkeiten eines Kolonialvolkes waren diese Glasperlen tatsächlich ungeheuer wertvoll. In Industrieländern kostete die Herstellung der Glasperlen nichts. Dieselbe Ware kann also - je nach Umständen - ganz verschiedene Werte repräsentieren. Das macht sich jeder Kapitalist zunutze, der in seine Ware durch höhere Arbeitsproduktivität einen geringeren individuellen Wert hineinsteckt, aber auf dem Markt den höheren Durchschnittswert bezahlt bekommt.

    Wert wird in der Produktion geschaffen. Da lässt Marx keinen Zweifel. Aber wie hoch ist dieser geschaffene Wert? Die Höhe des geschaffenen Wertes erweist sich immer im Vergleich zu allen anderen Waren. Die Arbeitszeit, die in einer einzelnen Ware steckt, bestimmt nicht ihren Wert. Der Wert einer Ware ist nicht fest verbunden mit einer einzelnen Ware. Das ist das Falsche an der Vorstellung vom "Wert als Substanz der Ware". Wert wird von der gesamten kapitalistischen Wirtschaft produziert. Wert ist deshalb etwas Gesellschaftliches. Sichtbar wird das allerdings beim Verkauf.

    Obwohl ein Einzelkapitalist ziemlich genau weiß, wie viel Arbeitszeit in seine Ware steckt, bekommt er im Austausch mit anderen Waren niemals exakt den Gegenwert für seine individuell verbrauchte Arbeitszeit zurück. Der Wert seiner Ware hängt davon ab, mit welcher Arbeitszeit alle anderen, entsprechenden Waren geschaffen wurden. Das nehmen die einen zum Anlass, zu behaupten: "Wert gibt es gar nicht!"

    Andere, wie Michael Heinrich, nehmen das zum Anlass, zu behaupten, dass Werte nicht in der Produktion, sondern erst in der Zirkulation entstehen. Sie entstehen dort nicht, sondern werden dort bemessen.

    Rainer Lippert behauptet hier, dass Werte nur "im Kopf" entstehen. Das mag sein. Aber warum entsteht notwendig diese Vorstellung vom Wert im Kapitalismus? Und was ist das Maß dieser Werte, die "im Kopf entstehen"? Da kommen von Rainer nur Allgemeinplätze.

    Beide - Michael Heinricht und Rainer Lippert - beseitigen den Wert und begnügen sich mit dem Preis. Das reicht für den Hausgebrauch, das reicht für den Wochenendeinkauf, aber nicht für eine Kritik des Kapitals.

    Die Aussage, "der Wert ist keine Substanz der Einzelwarte" meint nur das: Der Wert ist ein gesellschaftliches Ding. Der Warenwert entsteht nicht durch Arbeit an einem einzelnen Produkt. Der Warenwert entsteht durch die gesamte gesellschaftliche Arbeit aller Waren. Ein Handwerker, der selber ein Fahrrad oder ein Auto baut, kann zum Beispiel genau sagen, wie viel Arbeitszeit er in dieses Produkt gesteckt hat. Aber die individuelle Arbeitszeit, die in ein einzelnes Produkt steckt, bestimmt nicht seinen Wert. Der Warenwert wird bestimmt durch die Arbeitszeit, die in allen Fahrrädern und allen Autos steckt. Der Handwerker hat vielleicht 1000 Arbeitsstunden in sein Produkt gesteckt, bekommt aber auf dem Warenmarkt nur den Gegenwert von 10 Arbeitsstunden bezahlt. Der Warenwert entsteht in der Produktion, aber nicht in der Produktion einer Einzelware, sondern in der Produktion einer ganzen Volkswirtschaft. Wie ich z.B. in meinem anderen heutigen Diskussionsbeitrag gezeigt habe, entscheidet nicht nur die Arbeit in der Produktion über die Warenwerte, sondern auch die Arbeit in der Zirkulation.


    Gruß Wal


    P.S. Es gab und gibt eine Tradition im Marxismus, die sich fast nur auf die Ausführungen von Marx im ersten Band des Kapitals stützt. Das war vielleicht unvermeidbar, weil es lange gedauert hat, bis der 2. und 3. Band des Kapitals erschienen sind. Und noch länger hat es gedauert, bis diese Folgebände zur Kenntnis genommen wurden. Das hat der marxistischen Tradition nicht gut getan. Haben z.B. Lenin oder Trotzki Band 2 und 3 des Kapitals studiert? Ich habe da meine Zweifel. Heute jedenfalls kommt kein Marxist mehr ohne Studium aller drei Bände des Kapitals über die Runden.

  • Hallo Wal,

    im nachhinein muß ich einräumen, das ich mich mit dem Beispiel einer einzelnen Ware, unglücklich ausgedrückt habe. Natürlich drückt Wert ein gesellschaftliches Verhältnis aus. Es ändert aber m. E. nichts daran, das der Wert nach der Produktion der Ware (auf gesellschaftlicher Ebene) , bereits vorhanden ist. Diesen vorhandenen Wert bezeichne ich als Substanz . Auch wenn es hier nur um eine Abstraktion geht, ändert sich nichts daran, das Wertbestandteile in die Gesamtwarenproduktion eingehen. Daraus habe ich geschlußfolgert, ausgehend von der Gesamtwarenmenge, fließt eine Teilmenge des Gesamtwerts in die einzelne Ware ein. Umgekehrt geht diese Rechnung natürlich nicht auf.

    Wert (sicherlich auch der Mehrwert) wird in der Produktion geschaffen, ich nehme an, Du meinst damit durch die produktive Lohnarbeit.

    Gruß Jens

  • Hallo Jens,

    ja, für mich ist diese Sache damit zwischen uns geklärt.

    Wenn jemand sagt: "Wert ist die Substanz der Ware", dann darf man "Ware" hier allenfalls als kollektiven Singular verstehen. Marx sagt so etwas missverständliches übrigens nie.

    Eine einzelnes Arbeitsprodukt hat keinen Wert. Siehe das folgende Marx-Zitat, das auch Rainer zitiert hat und aus dem der Wikipedia-Artikel "Arbeitswerttheorie" ganz falsche Schlussfolgerungen zieht:

    "Ein Arbeitsprodukt, für sich isoliert betrachtet, ist also nicht Werth, so wenig wie es Waare ist. Es wird nur Werth, in seiner Einheit mit andrem Arbeitsprodukt, oder in dem Verhältniß, worin die verschiedenen Arbeitsprodukte, als Krystalle derselben Einheit, der menschlichen Arbeit, einander gleichgesetzt sind." Karl Marx: MEGA II/6, 31 (zit. n. Wikipedia)


    Interessehalber habe ich mal ALLE Stellen im ersten Band des Kapitals, wo Marx "Substanz" auf "Wert" bezieht, hier aufgelistet:


    „Die zwei Faktoren der Ware: Gebrauchswert und Wert (Wertsubstanz, Wertgröße)“. S. 49.

    „Diese Dinge stellen nur noch dar, daß in ihrer Produktion menschliche Arbeitskraft verausgabt, menschliche Arbeit aufgehäuft ist. Als Kristalle dieser ihnen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz sind sie Werte - Warenwerte.“ S. 4

    „Wie nun die Größe seines Werts messen? Durch das Quantum der in ihm enthaltenen „wertbildenden Substanz", der Arbeit.“ S. 53

    „Die Arbeit jedoch, welche die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung derselben menschlichen Arbeitskraft.“ S. 53

    „Wir kennen jetzt die Substanz des Werts. Es ist die Arbeit.“ S. 54, Anm.

    „Als Werte sind Rock und Leinwand Dinge von gleicher Substanz, objektive Ausdrücke gleichartiger Arbeit.“ S. 58.

    „Wertsubstanz“ S. 67.

    „Was ist das Gleiche, d.h. die gemeinschaftliche Substanz, die das Haus für den Polster im Wertausdruck des Polsters vorstellt?“ S. 74.

    „Oder in 1 Pfd. Kaffee steckt nur 1 /4 soviel Wertsubstanz, Arbeit, als in 1 Pfd. Tee.“ S. 81

    „Goldtitel und Goldsubstanz, Nominalgehalt und Realgehalt beginnen ihren Scheidungsprozeß.“ S. 139

    „Das Münzdasein des Goldes scheidet sich völlig von seiner Wertsubstanz.“ S. 140.

    „Wenn in der einfachen Zirkulation der Wert der Waren ihrem Gebrauchswert gegenüber höchstens die selbständige Form des Geldes erhält, so stellt er sich hier plötzlich dar als eine prozessierende, sich selbst bewegende Substanz, für welche Ware und Geld beide bloße Formen.“ S. 169-

    „Dennoch, wenn dieser Abfall von 15 Pfund normal, von der Durchschnittsverarbeitung der Baumwolle unzertrennlich ist, geht der Wert der 15 Pfund Baumwolle, die kein Element des Garns, ganz ebensosehr in den Garnwert ein, wie der Wert der 100 Pfund, die seine Substanz bilden.“ S.220.

    „Aller Mehrwert, in welcher besondern Gestalt von Profit, Zins, Rente usw. er sich später kristallisiere, ist seiner Substanz nach Materiatur unbezahlter Arbeitszeit.“ S. 556

    „Die Arbeit ist die Substanz und das immanente Maß der Werte, aber sie selbst hat keinen Wert.“ S. 559

    „Es mußten erst, hier Besitzer von Wert oder Geld, dort Besitzer der wertschaffenden Substanz; hier Besitzer von Produktions- und Lebensmitteln, dort Besitzer von nichts als Arbeitskraft, einander als Käufer und Verkäufer gegenübertreten.“ S. 595.



    Gruß Wal


    P.S. Die Sowjet- und DDR-Planer gingen von der falschen Vorstellung aus, dass sich der Wert einer einzelnen Ware unabhängig und selbständig bestimmen und damit auch planen ließe. In der "Politischen Ökonomie des Sozialismus" (1971) heißt es in Kapitel "5.5. Die Wertgröße in der sozialistischen Wirtschaft": "Der Wert einer Ware ist geronnene abstrakte Arbeit. Er zerfällt in zwei Teile. Der alte, übertragene Wert verkörpert den Aufwand an vergangener Arbeit... Der zweite Teil ist der Neuwert. Er verkörpert den Aufwand an lebendiger Arbeit, die bei der Herstellung der betreffenden (!! w.b.) Ware verausgabt wird. So ist zum Beispiel in einer solchen Ware, wie einem Anzug, der alte Wert, vor allem der Wert des Gewebes, während der Neuwert erst von den Werktätigen der Konfektionsfabrik geschaffen wurde. Der alte Wert und der Neuwert zusammengenommen bilden den Gesamtwert oder den vollen Wert der Ware." S. 173.

  • Hallo Wal,


    Zu dem was du über die produktive und die indirekt produktive Arbeit geschrieben hast stimme ich dir voll zu. Ich will mich ergänzend noch mal mit der unproduktiven Arbeit befassen.


    Ich denke der Begriff der produktiven Arbeit sollte nicht auf die kapitalistische Produktionsweise eingeengt werden, wie Marx es getan hat, weil hierdurch Widersprüche auftreten. Marx hat m. E. den Begriff nur aus Sicht der Kapitalisten bestimmt: für die ist alle Arbeit produktiv, die sich für sie rechnet, ihnen nützt, ihr Kapital vermehrt, Mehrwert erzeugt. Am Rest haben sie kein Interesse. Aber das stimmt nicht ganz, auch an der unproduktiven Arbeit haben sie ein Interesse, denn die lässt sich auch ausbeuten. Und hier fängt das Problem an, weil auch in dieser Sphäre Mehrwert erzeugt wird.


    Erst soll noch einmal festgestellt werden, dass es die unproduktive Arbeit nur deshalb gibt, weil es ein Mehrprodukt gibt, das von den Lohnarbeitern erwirtschaftet wurde, was Marx damit ausdrückt, dass die produktiven Arbeiter die materielle Grundlage für die unproduktiven Lohnarbeiter erwirtschaften. Das soll noch mal anders ausgedrückt heißen, dass unproduktive Arbeit gar nicht möglich wäre, gäbe es kein zusätzliches, über die Reproduktionskosten der produktiven Lohnarbeiter hinausgehendes Produkt bzw. Konsummittel, welche die Existenz der unproduktiven Lohnarbeiter ermöglichen. Es handelt sich also um eine von der gesellschaftlichen Reproduktion losgelöste Sphäre mit “Eigengesetzlichkeiten”, die, umso größer sie ist, Ausdruck des Reichtums eines Landes ist, wie du schon festgestellt hat. Damit wird auch deutlich, dass beide Sphären unterschiedlich hinsichtlich Lohn- und Preisbildung, Prekarität, Armut und ähnlichem betrachtet und behandelt werden müssen, damit kann der Niedriglohnsektor plausibel erklärt werden etc.. Die Unterscheidung macht also Sinn.


    Wenn nun Marx durchgängig die produktive Arbeit dadurch charakterisiert, dass sie Mehrwert erzeugen muss, kommt es zu einem Widerspruch, wenn die unproduktive Arbeit, von einem Kapitalisten organisiert wird, der die unproduktiven Arbeiter zu Lohnarbeitern macht, damit eine Ware erzeugt, Wert bildet und ausbeutet bzw. Mehrwert erzielt. Denn nun liegt einerseits unproduktive Arbeit vor, die sich praktisch dadurch auszeichnet, dass diese beim Lohnarbeiter außerhalb seiner Reproduktionskosten oder als Abzug vom Mehrwert beim Kapitalisten in Anspruch genommen wird, und andererseits wird Wert gebildet und darüber Mehrwert erzielt. Die Marx'sche Beschränkung der produktiven Arbeit auf die Eigenschaft der Mehrwertbildung, greift hier nicht und führt zur Verwirrung, was m. E. zu der ewig geführten und bis jetzt nicht abgeschlossenen Streiterei über die richtige Abgrenzung zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit geführt hat.


    Es bietet sich deshalb an, den beschränkten Marx'schen Begriff auf die höhere Ebene der Reproduktion zu verallgemeinern. Auf dieser höheren Ebene lässt sich der Begriff widerspruchsfrei zur Erklärung politischer und ökonomischer Phänomene anwenden. Dann kann z. B. die Arbeit der Friseurin, wenn sie nur der Verschönerung dient, sowohl in ihrer Funktion als Lohnarbeiterin als auch als freischaffende Dienstleisterin als unproduktiv eingestuft und entsprechende ökonomische und politische allgemeine Folgerungen daraus geschlossen werden.


    Beste Grüße

    ricardo

  • Hallo ricardo,

    ich habe leider noch nicht verstanden, wo du ein Problem siehst, und um welches Problem es sich handelt.


    Mein Ansatz war, eine volkswirtschaftliche Sicht von einer betriebswirtschaftlichen Sicht auf die verschiedenen Formen der Lohnarbeit zu unterscheiden.

    Volkswirtschaftlich gesehen gibt es erstens den Produktionsbereich, in dem der gesellschaftliche Mehrwert produziert wird, der mit allen anderen Kapitalisten geteilt wird. Daneben gibt es den Zirkulationsbereich und außerhalb des Kapitalkreislaufs noch den Staatsbereich.


    1) Für den Zirkulationsbereich gilt: Dass das (produktive) Kapital und der Mehrwert, der an die Industriekapitalisten fällt, um so größer ist, je kleiner der Zirkulationsbereich ist. Umgekehrt umgekehrt.

    „Im Übrigen muss angenommen werden, dass mit der Teilung zwischen kaufmännischem und industriellem Kapital Zentralisation der Handelskosten und daher Verringerung derselben verbunden ist.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 303.


    2) Ich denke, die selben Verhältnisse wie zwischen Zirkulation und Produktion gelten auch für die unproduktiven Bereiche. Wenn eine Autobahn von Kapitalisten als Kapitalanlage genutzt wird, muss davon ausgegangen werden, dass diese kapitalistische Nutzung ökonomischer, das heißt mit weniger toten Kosten verbunden ist als wenn wie bisher der Staat das organisiert. Falls nicht, geht der Kapitalist halt pleite. :thumbsup:

    Der Autobahnkapitalist streicht zwar aus diesem unproduktiven Bereich Profit (keinen Mehrwert!) ein, aber dieser Profit ist ein Anteil des gesellschaftlichen Mehrwerts der als verhältnismäßiger Anteil verteilt wird, nach dem Größenverhältnis seines Kapitals zum Gesamtkapital.

    Dasselbe gilt auch für Schulen oder das Gesundheitswesen oder sogar für die Armee. In den USA gibt es ja schon kapitalistische Söldner.

    In allen diesen unproduktiven Bereichen werden tote Kosten durch die kapitalistische Verwaltung reduziert und damit zusätzliches Kapital freigemacht, von dem dann der Kapitalist innerhalb dieser unproduktiven Sparte seinen Anteil erhält.


    3) Betriebswirtschaftlich stehen sich im Zirkulations- wie im unproduktiven Bereich Lohnarbeit und Kapital gegenüber, wenn ein Kapitalist dort den Betrieb übernimmt. Die Lohnarbeiter sind dort wie überall dem Kommando ihres Kapitalisten unterworfen.

    Für die Ausbeutung der Lohnarbeiter im Zirkulations- wie im unproduktiven Sektor gilt aber: Sie schaffen nicht direkt Mehrwert, aber durch unbezahlte Arbeit vermindern sie die toten Kosten der kapitalistischen Produktion. Das vergrößert indirekt das produktive Kapital und den gesellschaftlichen Mehrwert – siehe oben.

    „Der kommerzielle Arbeiter produziert nicht direkt Mehrwert. Aber der Preis seiner Arbeit ist durch den Wert seiner Arbeitskraft, also deren Produktionskosten, bestimmt, während die Ausübung dieser Arbeitskraft, als eine Anspannung, Kraftäußerung und Abnutzung, wie bei jedem anderen Lohnarbeiter, keineswegs durch den Wert seiner Arbeitskraft begrenzt ist. Sein Lohn steht daher in keinem notwendigen Verhältnis zu der Masse des Profits, die er dem Kapitalisten realisieren hilft. Was er dem Kapitalisten kostet, und was er ihm einbringt, sind verschiedene Größen. Er bringt ihm ein, nicht indem er direkt Mehrwert schafft, aber indem er die Kosten der Realisierung des Mehrwerts vermindern hilft, soweit er, zum Teil unbezahlte, Arbeit verrichtet.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 311.


    Bei all dem kommt man nicht voran, wenn man den Unterschied von Mehrwert und Profit nicht kennt.

    Vielen Marxisten ist jedoch unbekannt, „dass Ursachen den Profit erhöhen oder erniedrigen, überhaupt beeinflussen können, wenn der Mehrwert gegeben ist ...“. K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 378.


    Dafür ein Beispiel:

    Ein Kapital besteht aus 60 c + 20 v + 20 m.

    Der Kapitalist schießt also 80 c+v vor, und erhält dafür einen Warenwert von 100. Sein Mehrwert ist wieder 20.

    (Wir sehen davon ab, dass er den Mehrwert mit anderen Kapitalisten teilen muss.)

    Jetzt treten neue Umstände ein:

    Die Rohstoffpreise sinken. Der Kapitalist benötigt nur noch 55 statt 60c.

    Er schießt nun 55c + 20v vor und erhält dafür 95. Sein Kapital hat sich dann nicht um 20, sondern um 25 erhöht. Die 5 hat er ja noch als Kapital in der Hand.

    Sein Profit hat sich erhöht und sein Kapital hat sich über den Mehrwert hinaus vermehrt, obwohl der Mehrwert gleich geblieben ist. wzbw.

    Dasselbe funktioniert, wenn wir nicht von einem Einzelkapital ausgehen, sondern von einem gesellschaftlichen Kapital, wo die Reproduktionsbedingungen (Infrastruktur, Zirkulation usw.) als tote Kosten in das konstante Kapital eingehen.

    Wo immer bisherige (tote) Kosten verringert werden, vergrößert sich die „Fruchtbarkeit des Kapitals“.

    Für alle Einsparungen beim Lohn (niedrigere Lebensmittelpreise als im Ausland etc.) gilt Entsprechendes.



    Gruß Wal

  • Hallo Wal,


    das Problem ist der Widerspruch, dass auch mit unproduktiver Arbeit Wert erzeugt und Mehrwert erzielt werden kann, obwohl Marx die unproduktive Arbeit so charakterisiert, dass mit ihr kein Mehrwert erzielt wird.


    Wenn du sagst, "In allen diesen unproduktiven Bereichen werden tote Kosten durch die kapitalistische Verwaltung reduziert und damit zusätzliches Kapital freigemacht, von dem dann der Kapitalist innerhalb dieser unproduktiven Sparte seinen Anteil erhält." dann handelt es sich hier, immer um die Sphäre der indirekten produktiven Arbeit, die dazu beiträgt, dass der kapitalistische Laden läuft, bzw, die Produktivität erhöht wird. Das gilt aber nicht für den von dir erwähnten kapitalistischen Söldner, der als unproduktiver Lohnarbeiter die Ware (negative) Zerstörung produziert und damit genau das Gegenteil erreicht. Trotzdem wird mit seiner unproduktiven Arbeit Mehrwert erzielt.


    Beste Grüße

    ricardo

  • Das gilt aber nur, wenn er seine Ware immer noch für 100 verkauft. Wenn er sie für 95 verkauft (wenn diese Art der Produktion allgemein geworden ist), gilt: 100 in der Hand macht 55+20+20=95. Er kriegt 95 für seine Ware+5 die er behalten hat=100.


    Edit:

    Ich vergaß:

    Quote

    Sein Profit hat sich erhöht und sein Kapital hat sich über den Mehrwert hinaus vermehrt, obwohl der Mehrwert gleich geblieben ist.

    Sein Kapital bleibt gleich, obwohl der Mehrwertgleich bleibt, müsste meine Antwort lauten. Nur so lange, wie er seine Ware für 100 verkaufen kann, erhöht sich sein Kapital. Also ist der Mehrwert weiterhin 20 und er hat 105 solange er für 100 weiterverkaufen kann. 100 für die Ware und 5 von vorher. Der Mehrwert bleibt bei 100%, gleich. Er hat von seinem vorher realisierten Profit 5 übrig behalten.


    Übrigens, wieso muss das im Mehrwert verrechnet dass er einen Extraprofit von 5 machen kann? Er verkauft für 100, obwohl er nur 95 Warenwert hat. Er verkauft zu höherem, als allgemein anerkanntem Warenwert. Muss das in den Mehrwert berechnet werden?

  • Das gilt aber nur, wenn er seine Ware immer noch für 100 verkauft. Wenn er sie für 95 verkauft (wenn diese Art der Produktion allgemein geworden ist), gilt: 100 in der Hand macht 55+20+20=95. Er kriegt 95 für seine Ware+5 die er behalten hat=100.


    Übrigens, wieso muss das im Mehrwert verrechnet dass er einen Extraprofit von 5 machen kann? Er verkauft für 100, obwohl er nur 95 Warenwert hat. Er verkauft zu höherem, als allgemein anerkanntem Warenwert. Muss das in den Mehrwert berechnet werden?

    Hallo Uwe,

    mit deiner Rechnung bin ich nicht einverstanden.

    Nach dem ersten Kapitalumschlag bleiben dem Kapitalisten 20 m in der Hand,

    weil 60 c + 20v + 20 m = 100.

    Wenn der Wert von c um 5 fällt, fällt auch der Gesamtwert der Waren um 5. Da wir annehmen, dass zum Wert verkauft wird, verkauft er für 95.

    Danach hat der Kapitalist aber 20 m + 5 p in der Hand, macht 25. Sein akkumulierbares Kapital hat sich nicht nur um 20, sondern um 25 vergrößert,

    weil er 75 c+v vorschießt und daraus wieder 20 m zieht. Dazu kommen die 5, die er nicht mehr als c vorschießen muss.

    Das ist zwar nur eine einmalige, aber doch verlockende Sache. Die Ökonomisierung des konstanten Kapitals spielt aber im Kapitalismus eine bedeutende Rolle.

    Gruß Wal

  • Hallo Wal,


    das Problem ist der Widerspruch, dass auch mit unproduktiver Arbeit Wert erzeugt und Mehrwert erzielt werden kann, obwohl Marx die unproduktive Arbeit so charakterisiert, dass mit ihr kein Mehrwert erzielt wird.

    Ich denke, da liegt ein Gedankenfehler vor. Marx sagt nirgends, dass im Zirkulationsbereich "Mehrwert erzeugt" wird. Er sagt, der kommerzielle Kapitalist "schafft Profit, indem er Mehrwert realisiert".

    „Der kommerzielle Arbeiter produziert nicht direkt Mehrwert. Aber der Preis seiner Arbeit ist durch den Wert seiner Arbeitskraft, also deren Produktionskosten, bestimmt, während die Ausübung dieser Arbeitskraft, als eine Anspannung, Kraftäußerung und Abnutzung, wie bei jedem anderen Lohnarbeiter, keineswegs durch den Wert seiner Arbeitskraft begrenzt ist. Sein Lohn steht daher in keinem notwendigen Verhältnis zu der Masse des Profits, die er dem Kapitalisten realisieren hilft. Was er dem Kapitalisten kostet, und was er ihm einbringt, sind verschiedene Größen. Er bringt ihm ein, nicht indem er direkt Mehrwert schafft, aber indem er die Kosten der Realisierung des Mehrwerts vermindern hilft, soweit er, zum Teil unbezahlte, Arbeit verrichtet.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 311.


    Wenn du sagst, "In allen diesen unproduktiven Bereichen werden tote Kosten durch die kapitalistische Verwaltung reduziert und damit zusätzliches Kapital freigemacht, von dem dann der Kapitalist innerhalb dieser unproduktiven Sparte seinen Anteil erhält." dann handelt es sich hier, immer um die Sphäre der indirekten produktiven Arbeit, die dazu beiträgt, dass der kapitalistische Laden läuft, bzw, die Produktivität erhöht wird. Das gilt aber nicht für den von dir erwähnten kapitalistischen Söldner, der als unproduktiver Lohnarbeiter die Ware (negative) Zerstörung produziert und damit genau das Gegenteil erreicht. Trotzdem wird mit seiner unproduktiven Arbeit Mehrwert erzielt.

    Hier findet nach meiner Meinung dasselbe Verhältnis statt wie zwischen Industriekapital und Zirkulationskapital.


    Machen wir ein Beispiel auf:
    Ein gesellschaftliches Kapital bestünde komplett aus Industriekapital. Heißt: Innerhalb der Industrieunternehmen werden auch alle Handelsgeschäfte mit Geld und mit Waren vom Industriekapitalisten gesteuert. (Wo früher der Kapitalist einen ganzen Ort oder eine Region beherrscht und dominiert hat, gab es solche Verhältnisse.)

    Das Gesamtkapital sei 60c + 20v + 20m.


    Dann wird das Zirkulationskapital ausgegliedert. Marx sagt dazu:

    „Im Übrigen muss angenommen werden, dass mit der Teilung zwischen kaufmännischem und industriellem Kapital Zentralisation der Handelskosten und daher Verringerung derselben verbunden ist.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 303.


    Wir behalten z.B. ein industrielles Kapital von

    1) 50c + 15v + 20 m

    und ein kommerzielles Kapital von

    2) 5 c + 5 v + 5 p. Das bedeutet:


    Die Produktivität in 1) ist gestiegen.

    Der produzierte Mehrwert ist immer noch 20 m. Davon erhält der I-Kapitalist 1) 15 Profit, der Z-Kapitalist erhält 5 Profit.

    Das gesamt vorgeschossene Kapital betrug vorher 80 c+v und beträgt nun 75 c+v.

    Es bleibt ein zusätzliches Kapital von 5 in Händen der industriellen Kapitalisten, obwohl der erbeutete Mehrwert sich nicht geändert hat.

    In dieser Ökonomisierung der Kapitalverwendung liegt die (indirekte) Kapitalvermehrung durch das Zirkulationskapital. (In dem obigen Beispiel wurde nur konstantes Kapital eingespart. Wahrscheinlich ist, dass auch Lohnkosten eingespart werden.)


    Soweit erstmal.


    Ich denke, diese Wirkung lässt sich ceteris paribus auch auf Staatsausgaben anwenden.

    Eine Söldnerarmee schafft keinen Mehrwert, schafft aber vielleicht denselben oder größeren (erhofften) Gebrauchswert (Beherrschung einer bestimmten Region/Menschenmenge) mit geringeren Kosten als eine Wehrpflichtarmee, die weniger Schrecken verbreitet. Wo (scheinbar) notwendige Kosten eingespart werden, wird das verfügbare Kapital vermehrt. So verschafft eine Söldnerarmee ihrem Eigentümer Zugriff auf Mehrwert, der anderswo geschaffen worden ist. Er macht Profit und "realisiert" Mehrwert.


    Gruß Wal

  • Der Kapitalist hat 80 Kapital. Er kauft damit 60c und 20v. Dazu kommen bei einer Mehrwertrate von 100% nach Verkauf 20m. Das macht nach Aktion 1 100 Kapital.


    Er hat jetzt 100.


    Jetzt fällt der Wert von c um 5. Um die gleiche Aktion noch einmal durchzuführen braucht er 55c. Der Wert der Ware Arbeitskraft ist weiterhin 20v und die Rate des Mehrwerts 100%, daher also 20m. Der Wert der Ware ist 95. Verkauft er diese jetzt zu 95, hat er auch nur 95. Dadurch dass er nach der ersten Aktion 5 behalten hat, hat er 100.


    Jetzt sinkt der Wert von c um 20. Er schießt also von 100 Kapital 40c und 20v vor. Die Rate des Mehrwerts bleibt 100%, ist also 20m. 40+20+20=80. Verkauft er die Ware zu 80 hat er durch das Einbehalten der 20 wieder 100.


    Jetzt macht er die ganze Aktion mit Verkauf zum vorherigen Wert:


    er hat 80


    60+20+20=100


    55+20+20=95+5einbehalten=100+5zuHundertverkauft=105


    Nach Allgemeinwerdung der Preissenkung des konstanten Kapitals:

    55+20+20=95Differenz zu 105 ist 10, daher hat er jetzt 105.


    Meine Frage war, wieso realisiert er bei diesem Beispiel höheren Mehrwert? Er kann seine Ware über Wert verkaufen, solange seine konstanten Kapitalteile geringer sind, als die der Anderen.

  • Newly created posts will remain inaccessible for others until approved by a moderator.