24 Wochenarbeitsstunden reichen


  • Seit 1947 stieg die durchschnittliche Arbeitsproduktivität pro Arbeitsstunde in der Gesamtwirtschaft der USA um das Dreifache, in der Industrie allein sogar um das Achtfache.

    In der FAZheißt es zum Thema Produktivität:

    „Produktivität gibt das Verhältnis des Arbeitsvolumens zu den dafür benötigten Arbeitsstunden an. Schafft es ein Autohersteller, 750 statt bisher 500 Autos in einer Stunde vom Band zu lassen, hat sich die Produktivität um fünfzig Prozent verbessert. Zwischen der Entwicklung der Arbeitsproduktivität und dem materiellen Wohlstand einer Volkswirtschaft besteht ein enger Zusammenhang...“

    Weil die Arbeitsleistung pro Stunde entsprechend gestiegen ist, könnten die US-Lohnarbeiter den Lebensstandard von 1980 in einer Wochenarbeitszeit von rund 24 Stunden schaffen - in der Hälfte der Arbeitszeit von 1947. 1980 betrug die Arbeitsproduktivität pro Stunde das Doppelte von 1947.

    Für den Lebensstandard von 1947 müssten sie heute nur noch 16 Wochenstunden arbeiten - ein Drittel der Arbeitszeit von 1947.


    Im Kapitalismus wird aber unsere Arbeitszeit kaum verkürzt. Statt dessen lassen die Kapitalisten auf Teufel komm raus weiterproduzieren (ein bisschen von unserer gestiegenen Arbeitsleistung kriegen auch wir Lohnarbeiter durch steigende Reallöhne ab).

    Vor allem aber werden "überflüssige" Arbeitsplätze gestrichen. An den fehlenden Industriearbeitsplätzen sind nicht "die Chinesen" schuld, sondern unsere eigenen Kapitalisten.

    Und sowieso "fehlen" diese Arbeitsplätze nur, wenn man in kürzester Zeit den maximalen Profit machen will.

  • Hallo Wal,


    zwei Fragen:

    a) Bedeutet die Beibehaltung der vollen Arbeitszeit und nur geringe Lohnerhöhung bei Verdreifachung der Arbeitsproduktivität, dass sich der Mehrwert den die Kapitalisten erwirtschaften auch verdreifacht hat?

    b) Wo bleibt der erhöhte Mehrwert der Kapitalisten gegenüber 1947? Falls a) stimmt hätten sie das doppelte an freien Werten zusätzlich gegenüber 1947 zur Verfügung. Das kann nicht alles in den Luxuskonsum gehen.


    Gruß Wanderer

  • Hallo Wal,


    zwei Fragen:

    a) Bedeutet die Beibehaltung der vollen Arbeitszeit und nur geringe Lohnerhöhung bei Verdreifachung der Arbeitsproduktivität, dass sich der Mehrwert den die Kapitalisten erwirtschaften auch verdreifacht hat?

    Hallo Wanderer,

    nein, der Mehrwert der Kapitalisten hat sich nicht verdreifacht, weil während der Nachkriegszeit der Reallohn schneller gestiegen ist als der Mehrwert.

    In den „Goldenen Nachkriegsjahren“ erhielten die Lohnarbeiter von dem „wachsenden Kuchen“ (das heißt von der gestiegenen Arbeitsproduktivität) einen größeren Anteil als die Kapitalisten. Die Gewerkschaftsführer nennen das den "Verteilungsspielraum".

    Die Realeinkommen der Lohnabhängigen stiegen in der Nachkriegszeit schneller als die Gewinnmargen. Die Lohnquote (das ist der Anteil der Löhne am jährlich geschaffenen Neuwert) stieg. Seit Mitte der 1975er Jahre stieg aber der Anteil der Kapitalisten am Produktivitätszuwachs. Die Lohnquote ist seither wieder gefallen.

    Der FAZ-Autor Rainer Hank schreibt dazu in dem schon in meinem Eingangsposting verlinkten Artikel:

    „Ihren Höhepunkt erreichte die Produktivitätsverbesserung weltweit in den goldenen Jahren der Nachkriegszeit, was man in dem Bestseller des amerikanischen Ökonomen Robert Gordon „The Rise and Fall of American Growth“, 2016, nachlesen kann. Die fünfziger und sechziger Jahre sind die Jahre des „Wirtschaftswunders“, nicht nur hier, auch in Amerika...

    Nie mehr vorher – und nie mehr später! – stiegen die Löhne so sehr an wie in diesen schönen Nachkriegsdekaden.“

    Hank weiter:

    „Dass die Macht der Arbeitnehmer im Schwinden ist und die der Konzerne zunimmt, zeigt sich schließlich auch in der sogenannten Lohnquote. Lange Zeit galt es als „eine Art Wunder“ (John Maynard Keynes), dass den Arbeitnehmern etwa zwei Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung zufließen, den Eigentümern des Kapitals dagegen ein Drittel. Seit etwa drei Jahrzehnten sinkt der Anteil der Arbeitnehmer: Im Amerika liegt die Lohnquote inzwischen bei unter 60 Prozent. In Deutschland ging sie von 74 auf heute etwa 66 Prozent zurück.“

    „Das zu verteilende Geld wächst langsamer als früher, und der Anteil, den die Beschäftigten davon erhalten, sinkt seit den achtziger Jahren.“

    b) Wo bleibt der erhöhte Mehrwert der Kapitalisten gegenüber 1947? Falls a) stimmt hätten sie das doppelte an freien Werten zusätzlich gegenüber 1947 zur Verfügung. Das kann nicht alles in den Luxuskonsum gehen.

    Wie Karl Marx gezeigt hat, kann der kapitalistische Mehrwert absolut auch bei fallender Profitrate steigen. Der Mehrwert der Kapitalisten ist gegenüber 1947 absolut deutlich gestiegen, aber nicht immer relativ zu den Löhnen.

    Aber: Der Mehrwert der Kapitalisten wandert nie insgesamt in ihren Konsum. Ein gewisser Anteil des Mehrwerts wird neu investiert und vergrößert das "Kapitalvermögen" im In- und Ausland. Dieser Anteil des Mehrwerts wird sichtbar in der Investitionsquote. Diese ist allerdings in den letzten Jahrzehnten (im Inland) gefallen. Ein wachsender Teil des Mehrwerts wandert als Kapitalexport ins Ausland.


    Habe ich deine Fragen zufriedenstellend beantwortet?


    Gruß Wal

  • Newly created posts will remain inaccessible for others until approved by a moderator.