Habermas hilf!
Die angestaubten linken „Blätter für deutsche und internationale Politik“ wollen von ihrem Mitherausgeber Jürgen Habermaswissen, „wie man dem Rechtspopulismus den Boden entzieht“.
Habermas weiß, dass es einen Konflikt gibt zwischen "kapitalistischem Wachstum" und einer „als sozialgerecht akzeptierten Teilhabe der Bevölkerung“. Er weiß, dass "diese beiden Elemente ... immer wieder in Konflikt geraten". Er weiß: Kapitalismus ist nicht sozial.
Habermas meint: Das Soziale komme erst durch den Staat in den Kapitalismus herein: „Der Ausgleich zwischen kapitalistischem Wachstum und einer auch nur halbwegs als sozial gerecht akzeptierten Teilhabe der Bevölkerung am durchschnittlichen Wachstum hoch produktiver Wirtschaften konnte nur durch einen demokratischen Staat herbeigeführt werden, der diesen Namen verdient.“ Diese Meinung ist das Glaubensbekenntnis aller linken Eliten.
Habermas weiß auch, dass dieser „soziale Staat“, der einen Ausgleich schafft zwischen Reich und Arm, zwischen Lohnarbeit und Kapital, eine seltene Eintagsfliege ist: „Eine solche Balance ... war aber, historisch gesehen, eher die Ausnahme als die Regel. Schon deshalb war die Idee einer globalen Verstetigung des „amerikanischen Traums“ eine Illusion.“
Habermas weiß, dass die Linke sich von ihrem Anspruch als Interessenvertreter der Lohnabhängigen längst verabschiedet hat und zunehmend zum Interessenvertreter des Kapitals geworden ist: „Die Sozialdemokratien sind seit Clinton, Blair und Schröder auf eine im ökonomischen Sinne systemkonforme Linie eingeschwenkt... Dafür haben sie die Tolerierung der langfristig wachsenden sozialen Ungleichgewichte in Kauf genommen.“
Habermas weiß, dass der Kapitalismus der Kernzone in der Krise ist: „Die wirtschaftliche Globalisierung, die Washington in den 1970er Jahren mit seiner neoliberalen Agenda eingeleitet hat, hatte im globalen Maßstab gegenüber China und den anderen aufgestiegenen BRICS-Staaten einen relativen Abstieg des Westens zur Folge.“
„Die neue Unordnung der Welt, die Hilflosigkeit der USA und Europas angesichts der zunehmenden internationalen Konflikte ist beunruhigend...“
Habermas weiß, dass die politischen Eliten im Westen und unsere Politikerklasse auf diese Situation nicht vorbereitet sind und mit dem Schwund ihres Einflusses in der Welt nicht zurecht kommen: „Unsere Gesellschaften müssen die Wahrnehmung dieses globalen Abstiegs, zusammen mit der technologisch bedingten, explosiv zunehmenden Komplexität der erlebten Alltagswelten, innenpolitisch verarbeiten.“
Habermas fragt sich in dieser krisenhaften Lage: „Wie erlangen wir gegenüber den zerstörerischen Kräften einer entfesselten kapitalistischen Globalisierung wieder die politische Handlungsmacht zurück?“
Ebenso könnte man fragen: Wie erlangen wir gegenüber dem zerstörerischen Altersprozess unsere Jugend zurück? Oder: Wie erlangen wir gegenüber einem zerstörerischen Krebsgeschwür unsere Gesundheit zurück? Das sind Fragen, auf die es keine Antwort gibt.
Habermas träumt von der „guten alten Zeit“, als die Sozialdemokraten noch - in Regierungsbänken oder von Oppositionssitzen aus - am Ruder waren und es für alle so aussah, als hätte die Demokratie „politische Handlungsmacht“.
Habermas hofft auf die Wiederkehr des „sozialdemokratischen Zeitalters“, als die Kapitalakkumulation boomte und damit Spielraum ließ für kräftige Lohnerhöhungen und deutliche Arbeitszeitverkürzungen, als die Steuereinnahmen des Staates noch sprudelten und die Politiker immer neue soziale Versprechungen machten, die aber langfristig in die Staatsverschuldung führen mussten.
Habermas will wieder „zurück zum Sozialstaat!“
Zu Beginn wusste Habermas noch von dem Konflikt zwischen Reich und Arm, zwischen Lohnarbeit und Kapital.
Habermas hatte auch eine Ahnung davon, dass es möglicherweise für diesen Konflikt keine dauerhaften Lösungen gibt, die beide Seiten zufrieden stellen. Er ahnte, dass dieser soziale Ausgleich eine Illusion ist.
Am Ende kehrt Habermas aber wieder zur sozialstaatlichen Hoffnung - zur „Harmonie von Lohnarbeit und Kapital“ zurück.
Aber Habermas kennt nicht den Weg dorthin.
Ich denke es gibt keinen Weg dorthin.
Wal Buchenberg, 14.12. 2016