Fleischkost oder vegetarisch - konventionelle oder biologische Landwirtschaft

  • Sarah Joseph, Studentin an der Hamburger HafenCity Universität, hat in ihrer Master-Arbeit untersucht, ob und wie die Menschen in Hamburg regional ernährt werden könnten. Sie vergleicht in dieser Arbeit unterschiedliche Ernährungsstile und prüft, wie groß der jeweilige Flächenbedarf ist.
    Ihre Ergebnisse lassen sich ohne Weiteres auf die gesamte Bundesrepublik übertragen. Um die Sache etwas zu vereinfachen, greife ich nur drei der sechs Ernährungsstile von Sarah Joseph heraus.


    Stil 1: Hoher Fleischverbrauch mit moderner, chemieunterstützter Landwirtschaft:
    Im Durchschnitt verbrauchen wir Deutsche 87 Kg Fleisch pro Kopf und Jahr. Die moderne Agrartechnik benötigt für die Produktion dieser fleischlastigen Ernährung 2.388 qm landwirtschaftliche Nutzfläche für jeden einzelnen Verbraucher. Dabei werden Ressourcen aus aller Welt genutzt: Futtermittel aus Südamerika, Früchte aus Südafrika, Kartoffeln aus Ägypten und Arbeitskräfte in Marokko.


    Stil 2: Hoher Fleischverbrauch mit biologischer Landwirtschaft: Für den heutigen Ernährungsmix benötigte ein biologischer Anbau pro Kopf 3.102 qm Nutzfläche.


    Stil 3: Vegetarische Kost mit biologischer Landwirtschaft:
    Dafür werden pro Kopf 1.939 qm Nutzfläche benötigt.


    Das sind die Daten von Sarah Joseph. Umgerechnet auf die heutige landwirtschaftliche Nutzfläche der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich folgendes Bild:


    1) Mit heutiger Technologie, aber ohne Transporteinsatz um die ganze Welt, könnten auf der Agrarfläche der Bundesrepublik 75 Millionen Menschen mit dem derzeit üblichen Nahrungsmix (Stil 1) ernährt werden.


    2) Sollte der derzeit übliche Nahrungsmix mit biologischer Landwirtschaft in Deutschland produziert werden (Stil 2), dann könnten auf der deutschen Agrarfläche noch 58 Millionen Menschen ernährt werden.


    3) Würden sich die Menschen in Deutschland vegetarisch ernähren, dann könnten mit biologischer Landwirtschaft auf der jetzigen Agrarfläche gut 92 Millionen Menschen ernährt werden.


    Gesunde und naturschonende Ernährung für Alle in Deutschland ist machbar. Man muss allerdings wissen, dass lokale Kost, die nicht aus aller Herren Ländern kommt, auch saisonale Kost bedeutet: keine Tomaten im Winter, keine Äpfel im Frühjahr, kaum Südfrüchte usw, - also Lebensumstände, die für Milliarden Menschen noch heute normal sind und für Europäer über Jahrhunderte hinweg normal waren.





    Siehe auch:
    Gespräche über Hitze sind ein Verbrechen


    Wohin-mit-AKWs-und-Kernenergie?


    Zerstörung der traditionellen Alpenwirtschaft


    Kommunismus-und-Bio


    Kommunistisches-Rechnungswesen-2-Umweltcontrolling-und-Ökounternehmensbilanzen


    Rechnungswesen-einer-kommunistischen Ökonomie-Update


    Kommunistisches-Rechnungswesen-3-ökologischer-Rucksack-und-MIPS-Maßzahl


    Kommunalisierung-der-Lebensmittelversorgung


    Ökologische-Marktwirtschaft


    Atlas der Landwirtschaftskonzerne

  • Nahrungsproduktion ist bis auf weiteres an bodenabhängige Landwirtschaft gebunden.
    Technisch ist auch möglich, die Photosynthese (mittels Sonnenenergie wird aus Kohlendioxid und Wasser Kohlehydrate),die natürlich in der grünen Pflanze stattfindet, synthetisch zu kopieren und darauf aufbauend alle gewollten Nahrungsmittel herzustellen.
    Dies ist z.Z. ökonomisch nicht sinnvoll , aber in Zukunft nicht unmöglich.


    Die Ausgangssituation sieht heute folgendermaßen aus:
    Gute Nahrung für alle: ist heute für 7,2 Milliarden Menschen (als Bilanzgröße)möglich.
    Aber:
    1.1.Verteilungsproblem: Im Kapitalismus zählt nur die kaufkräftige Nachfrage, wer kein Geld hat, kriegt nichts. Das ist die Grundlage des Welthungerproblems.


    1.2. Verluste: 1/3 des potentiellen Ertrags geht vor der Ernte (Schädlinge, Krankheiten, Unkrautkonkurrenz ) verloren,10 – 20 % nach der Ernte (Verfaulen, Vorratsschädlinge, etc.) verloren. Dazu kommen Verluste beim Transport (Gemüse), Verarbeitung und Verkauf,+“Überschuss“-Vernichtung aus politischen Gründen.


    1.3. Zerstörung der natürlichen Grundlagen der Produktion:
    Hier ist in erster Linie die Bodenzerstörung zu nennen. Jährlich gehen geschätzte 500.000 – 5.000.000 ha (Größenordnung landwirtschaftliche Nutzfläche Niedersachsen) verloren (Wind – und Wassererosion, Versalzung). Gründe sind vor allem die unsachgemäße Bewirtschaftung (Klimawandel klammere ich aus).Bebauung von Ackerland kommt noch hinzu.


    2.Gegenwärtige Strategien
    Unter den heutigen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen stehen sich zwei Pole gegenüber (mit allen Stufen dazwischen): Konventionell - gnadenlos und ökologisch – gemäßigt.
    Wobei die konventionelle Landwirtschaft industriell auch Lebensmittel von Öko – Qualität produziert und gleichzeitig die Öko-Landwirtschaft „auf dem Markt“ dagegen ankommen muss. D.h. die kapitalistische Konzentration in der landwirtschaftlichen Produktion ist die vorrangige Triebkraft, heute sichtbar bei Milchproduktion – konventionell , im Lebensmittel – Einzelhandel und im Öko – Lebensmittel – Einzelhandel.


    Kurzfristige systemimmanente Politik („Reformpolitik“) auf diese Herausforderung sind heute vor allem Maßnahmen, die Umweltbelastung von großen Ställen einzudämmen, den Erzeugerpreis für Milch zu stabilisieren und die Produktionsbedingungen für (kleine) Öko – Betriebe zu verbessern. Dies ist heute unverzichtbar und unbedingt zu unterstützen, führt längerfristig aber für Lebensmittelproduzenten und Lebensmittelkonsumenten nicht dauerhaft aus der Krise.


    3.Grundsätzlich
    Um auf 1. Zurückzukommen: Technisch ist alles möglich, ökonomisch einiges, politisch (fast) gar nichts.
    Von der Basis einer neuen solidarischen Gesellschaftsordnung aus gesehen wäre eine nichtkapitalistische Öko – high – tec – Agarproduktion als Zentrum mit bäuerlich – genossenschaftlicher Produktion an den „Rändern“(geographisch, gesellschaftlicher Entwicklungsstand, etc) vorstellbar.
    Die Gesamt – Gesellschaft macht global die Vorgaben, von was wie viel bei welcher Qualität produziert wird und gibt den Produzenten hierfür Preis – und (im weiteren Rahmen) Mengengarantien.


    Dies würde u.a. z.B. bedeuten:
    3.1. Abkoppelung der Erzeuger – von den Verbraucherpreisen:
    Will man von der Gesamtgesellschaft aus steuern, muss man die Preise differenzieren: der Agrarproduzent hat nicht automatisch dieselben Interessen wie der Konsument, und übergeordnete (z.B. gesundheitliche) Gesichtspunkte sind auch nicht dem einzelnen Konsumenten streng wissenschaftlich bewusst(Tabak – Hähnchenfleisch) bzw. bestimmen sein Handeln.
    Da wäre es möglich, z.B. bei Milch den heutigen (sehr) niedrigen Milchpreis für die Verbraucher beizubehalten, aber dem Milcherzeuger (bis zu einer bestimmten Menge, die zu einem menschenwürdigen Einkommen führt) einen höheren Preis zu bezahlen.(Hat es in anderen Ländern zu anderen Zeiten sogar im Kapitalismus gegeben).Da wäre nicht nur bei Milch möglich.


    3.2.Fleisch
    Jetzt erst komme ich zur Fleischproblematik. Dies Thema, hochgradig emotional und ideologisch aufgeladen,ist heute schwer sachlich diskutierbar. Unbestritten ist: Der Fleischkonsum ist zu hoch(1/4 vom heutigen Verbrauch würde reichen),das Fleisch ist zu schlecht (und für mich als Verbraucher) in seiner (auch gesundheitlichen)Qualität nicht beurteilbar.


    Fakt ist:der Mensch braucht tierisches Eiweiß, besonders im 1. Lebensjahr, zur Gehirnausbildung(auch später).Das tierische Eiweiß ist durch (speziell) aufbereitete pflanzliche Nahrung ersetzbar, erfordert aber ernährungsphysiologische Kenntnisse , Disziplin und Konsequenz.
    Auch wird die solidarische Gesellschaft nicht nur aus Nichtrauchern bestehen: Neue Ernährungs- und Gesundheitsverhalten werden sich nur langsam durchsetzen.
    Auch gibt es auf dem Globus überall Gegenden, die sich landwirtschaftlich nur als Grünland nutzen lassen (ca. ¼).Das Gras können nur Wiederkäuer verwerten, dem Mensch wird keine Nahrung weggenommen. Hier wird Milch und eben auch Fleisch produziert, ohne Getreidezufutter denkbar. Das Fleisch wird dann eben auch gegessen. Das müsste dann für den Verbraucher das sein, was er als erstes kauft. Heute ist es umgekehrt.


    Resumee:
    Erst wenn das Thema zu einem Thema der gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung wird und nicht nur Spezialisten interessiert, kommen wir da weiter.
    Die Demo in Berlin „wir haben es satt“ wird hoffentlich ein Schritt in diese Richtung sein.


    Rolf

  • Die Ausgangssituation sieht heute folgendermaßen aus:
    Gute Nahrung für alle: ist heute für 7,2 Milliarden Menschen (als Bilanzgröße)möglich.

    Hallo Rolf,
    als Momentaufnahme ist das sicher richtig. Aber ich denke, wir müssen auch den Entwicklungstrend sehen. Der Entwicklungstrend in der Landwirtschaft geht deutlich in Richtung Monopolisierung: Großbetriebe und Großchemie vernichten Kleinbetriebe und Selbstversorger. Die kapitalistischen Zentren zerstören durch Marktkonkurrenz die Ernährungsselbstversorgung in immer mehr Länder und Regionen in der Peripherie. Die Risiken der Lebensmittelversorgung werden durch diese Entwicklung ständig größer.


    Aber:
    1.1.Verteilungsproblem: Im Kapitalismus zählt nur die kaufkräftige Nachfrage, wer kein Geld hat, kriegt nichts. Das ist die Grundlage des Welthungerproblems.


    Ich würde die Probleme schon früher ansetzen: Du beginnst mit den Verbrauchern und sagst: "Wer kein Geld hat, kriegt keine Lebensmittel." Das ist richtig.
    Vor der Verteilung der Lebensmittel steht aber die Produktion der Lebensmittel.
    Heißt: Wer keinen Zugriff auf (Agrar)Land hat, produziert keine Lebensmittel.
    Wer keinen Zugriff auf Landmaschinen hat, produziert (relativ und absolut) immer weniger Lebensmittel.
    Wer keinen Zugriff auf Agrarchemie und auf industrielles Saatgut hat, produziert (relativ und absolut) immer weniger Lebensmittel. Die Basis der Lebensmittelproduktion wird immer schmaler.



    1.2. Verluste: 1/3 des potentiellen Ertrags geht vor der Ernte (Schädlinge, Krankheiten, Unkrautkonkurrenz ) verloren,10 – 20 % nach der Ernte (Verfaulen, Vorratsschädlinge, etc.) verloren. Dazu kommen Verluste beim Transport (Gemüse), Verarbeitung und Verkauf,+“Überschuss“-Vernichtung aus politischen Gründen.


    Auch das ist richtig. Darin sehe ich jedoch weniger ein Problem. Unsere Lebensmittel müssen immer im Überschuss produziert werden, um für Missernten und andere Unglücke vorzusorgen. Was uns vielleicht Sorgen machen muss, ist die zunehmende Abhängigkeit von Strom (Kühlkette) bei der Aufbewahrung und Haltbarmachung von Lebensmittel. Früher wurden Lebensmittel ganz ohne Strom haltbar gemacht, solche traditionellen Techniken gehen verloren. Strom ist aber keine Ressource, die überall bereit steht, und die dort, wo sie bereit steht, nicht ständig zur Verfügung ist. Stromausfall ist in Deutschland NOCH eine Seltenheit, wird aber künftig häufiger auftreten. In anderen Region gehört Stromausfall zum Alltag.


    1.3. Zerstörung der natürlichen Grundlagen der Produktion:
    Hier ist in erster Linie die Bodenzerstörung zu nennen. Jährlich gehen geschätzte 500.000 – 5.000.000 ha (Größenordnung landwirtschaftliche Nutzfläche Niedersachsen) verloren (Wind – und Wassererosion, Versalzung). Gründe sind vor allem die unsachgemäße Bewirtschaftung (Klimawandel klammere ich aus).Bebauung von Ackerland kommt noch hinzu.


    "Unsachgemäße Bewirtschaftung" ist noch freundlich formuliert. Es ist die profitable kapitalistische Bewirtschaftung, die die Böden durch Monokultur, Überdüngung, Übersalzung und durch Massentierhaltung (Übersäuerung) ruiniert. Alles, was die industrielle Großlandwirtschaft heute macht, ist "unsachgemäße Bewirtschaftung".


    3.Grundsätzlich
    Um auf 1. Zurückzukommen: Technisch ist alles möglich, ökonomisch einiges, politisch (fast) gar nichts.
    Von der Basis einer neuen solidarischen Gesellschaftsordnung aus gesehen wäre eine nichtkapitalistische Öko – high – tec – Agarproduktion als Zentrum mit bäuerlich – genossenschaftlicher Produktion an den „Rändern“(geographisch, gesellschaftlicher Entwicklungsstand, etc) vorstellbar.
    Die Gesamt – Gesellschaft macht global die Vorgaben, von was wie viel bei welcher Qualität produziert wird und gibt den Produzenten hierfür Preis – und (im weiteren Rahmen) Mengengarantien.


    Das wäre eine zentralverwaltete "sozialistische Marktwirtschaft". Ich befürworte eher Lösungen, die ohne "Preise" auskommen, wo also unser Essen nicht zur Ware wird. Das ist aber ein anderes Thema.


    Solange es beim Essen noch um Preise geht, möchte ich noch auf etwas anderes hinweisen: Wie sehr steigen Lebensmittel im Preis durch das Privateigentum am Boden?
    Für die Mietpreise hat man ausgerechnet, dass die Bodenpreise rund 30% unserer Mietkosten ausmachen, in Großstädten macht der Bodenpreis und die Bodenrente sogar 50% der Wohnkosten aus. Anders gesagt: Wäre aller Grund und Boden nationalisiert, dann stünde er quasi kostenlos zur Verfügung, dann wären die Wohnkosten für alle rund 30% billiger.
    Wieviel macht die Bodenrente aber von unseren Lebensmittelpreisen aus? Ich denke, das ist eine wichtige Frage. Wenn Grund und Boden nationalisiert (oder kommunalisiert) ist, dann müssten die Produktionspreise für Lebensmittel deutlich sinken. Wie viel? Das sollte Mensch mal untersuchen.


    Resumee:
    Erst wenn das Thema zu einem Thema der gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung wird und nicht nur Spezialisten interessiert, kommen wir da weiter.
    Die Demo in Berlin „wir haben es satt“ wird hoffentlich ein Schritt in diese Richtung sein.


    Mein Eindruck ist: Die Lebensmittelproduktion ist längst zu einem "Thema der gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung" geworden, und das fast ganz ohne Beteiligung der Linken.
    Längst zerbrechen sich sehr viele Leute den Kopf, wie Landwirtschaft nachhaltig, das heißt: nichtkapitalistisch betrieben werden kann. Die nichtkapitalistischen Lösungen, die für die Landwirtschaft längst diskutiert werden, unterscheiden sich nicht grundsätzlich von den nichtkapitalistischen Lösungen für die Industrie.
    Von der Diskussion in und über die kapitalistische Landwirtschaft können Traditionslinke eine ganze Menge lernen,
    meint Wal

  • Zur Frage, in welchem Umfang das Privateigentum an Grund und Boden die Lebensmittelpreise erhöht, habe ich mal eine erste Überschlagsrechnung gemacht:


    2014 wurden von den Bauern pro Hektar 250 Euro Pacht bezahlt. Macht für 16,7 Mio ha landwirtschaftliche genutzte Fläche in Deutschland rund 4,2 Mrd. Pachtkosten.


    Außerdem wechselten 2014 gut 100.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche den Eigentümer. Dafür wurden im Schnitt 18.000 Euro pro Hektar bezahlt. Macht einen Kaufpreis von 1,8 Mrd. in diesem Jahr insgesamt.


    Also betrug im Jahr 2014 der landwirtschaftliche Aufwand für Grund und Boden 1,8 + 4,2 = 6 Mrd. Euro in Summe.


    Bezogen auf den landwirtschaftlichen Produktionswert des Jahres von 40 Mrd. Euro, macht der Bodenanteil 15 %.


    Nach dieser Rechnung könnten alle Lebensmittel um 15% billiger werden, falls der gesamte Grund und Boden nationalisiert/kommunalisiert würde und den jeweiligen Nutzern kostenlos zur Verfügung steht.


    Gruß Wal

  • 1.“Zentralverwaltungswirtschaft“
    Bin ich auch dagegen. Es geht aber darum, in einer zukünftigen, nichtantagonistischen Gesellschaft die Interessen der Gesamtgesellschaft mit den Interessen der Agrarproduzenten in Einklang zu bringen. Diese sind nicht von Natur aus identisch.


    2.Grundrente
    EU – weit wird überwiegend gar keine Grundrente realisiert, ich schätze mal bei 50% der Fläche. Landwirtschaftlich nutzbare Flächen in Südeuropa liegen sogar brach. Die Erzeugerpreise für die Landwirtschaft sind so niedrig, daß die Landwirte in der jetzigen Struktur nicht davon leben können. Um nicht noch mehr Brache zu bekommen und die ländlichen Räume noch mehr zu entvölkern, subventioniert die EU flächenbezoge, je nach Güte des Bodens und Standorts je Hektar und Jahr zwischen 230€ (bester Boden) und bis zu1000€ (Alpen),so daß der Landwirt die Flächen überhaupt bewirtschaftet.


    „Profit“ unter diesen Produktionsbedingungen erzielt nur der größere Agrarbetrieb auf besserem Boden mit Getreide (vollmechanisiert) und Zuckerrüben(Produktion beschränkt).Diese Betriebe realisieren eine Grundrente, hier gibt es auch einen Pachtpreis.
    Die Preise sind so niedrig, weil die Landwirtschaft insgesamt unter dem sog. “ungleichen Tausch“ leidet (wie die 3.Welt bei Rohstoffen und Agrarprodukten) weil mit politischer und ökonomischer Macht dem schwächeren Partner die Preise diktiert werden, sie aber die “teuren“ Produktionsmittel kaufen müssen.
    Aber: Ausnahme ist seit der „Energiewende“ die Subventionierung der Stromerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen, vor allem wird Silomais in großem Umfang angebaut,z.B.im Landkreis Soltau – Fallingbostel auf 70% der Ackerfläche. Dadurch können z.Zt. auch schlechtere Böden profitabel bewirtschaftet werden.


    3. Direkte Übernahme der landwirtschaftlichen Produktion durch den Kapitalismus
    Eine neuere Tendenz (seit 10 – 20 Jahren)ist, daß auch hier (in den Schwellenländern und Randzonen schon länger und intensiver: Brasilien,Ukraine) beginnt der Kapitalismus direkt in die landwirtschaftliche Produktion einzugreifen. Bisher war es profitabler, den Kleinbauern schuften zu lassen und ihm sein Produkt „unter Preis“ abzuluchsen und ihm gleichzeitig überteuerte Produktionsmittel zu verkaufen.
    Hierbei unterscheide ich 3 Motive:
    1.Parken von überschüssigem Kapital
    2.Investition in eine Zukunftsindustrie mit Spekulation auf steigende Preise
    3.Landgrabbing zur Sicherstellung der heimischen Ernährung(China in Äthiopien).


    Rolf

  • 2.Grundrente
    EU – weit wird überwiegend gar keine Grundrente realisiert, ich schätze mal bei 50% der Fläche. Landwirtschaftlich nutzbare Flächen in Südeuropa liegen sogar brach. Die Erzeugerpreise für die Landwirtschaft sind so niedrig, daß die Landwirte in der jetzigen Struktur nicht davon leben können. Um nicht noch mehr Brache zu bekommen und die ländlichen Räume noch mehr zu entvölkern, subventioniert die EU flächenbezoge, je nach Güte des Bodens und Standorts je Hektar und Jahr zwischen 230€ (bester Boden) und bis zu1000€ (Alpen),so daß der Landwirt die Flächen überhaupt bewirtschaftet.



    Rolf

    Hallo Rolf,
    diese Aussage bedürfte weiterer Untersuchung und Daten. Wo landwirtschaftliche Nutzfläche brach liegt, können wir zu Recht annehmen, dass keine Bodenrente realisiert wird. Aber überall, wo Boden wirtschaftlich genutzt wird (egal ob für Landwirtschaft, für Industrie oder für Privatkonsum/Wohnen) müssen/können wir davon ausgehen, dass Bodenrente realisiert wird. Die Bodenrente entsteht ja durch bloßes Eigentumsmonopol. Der Bodenbesitzer erzwingt seine Rente, auch wenn der Bodennutzer keinen oder geringen Profit macht.
    Allerdings kalkuliert der Bauer die Bodenrente nicht in seine Buchhaltung ein.
    Folgende Berechnung aus Niedersachsenrechnet ALLEN Erlös, der über einen unternehmerischen Gewinn von "mindestens 50 bis 150 Euro je Hektar" hinausgeht, zur (rechnerischen) Grundrente, die an den Bodeneigner fällt. Der Bodeneigner kann der Bauer selbst sein oder er pachtet Fremdboden, dann muss er die komplette Grundrente als Pacht zahlen.


    "Nicht Kapital oder Arbeitskräfte sind das knappste Gut, vielmehr ist es das Land nach dem sich alle reißen. Dabei treiben die Nachfrager nach Pachtflächen – und das sind zumindest in unserer Region in aller Regel vielfach die Pächter selber - die Preise in die Höhe. ... Außer der Bodengüte bestimmen ebenso die Lage und Erreichbarkeit sowie die Hof-Feld-Entfernung den Wert einer Pachtfläche. Große und rechteckig geformte Schläge sind effizienter zu bewirtschaften. Vorteilhaft kann auch sein, wenn sich durch die Pachtfläche eine Möglichkeit des freiwilligen Landtausches ergibt. Daneben sind die Versorgung mit Nährstoffen und die Wasserreserven der Fläche Güte bestimmend. Eine Drainage, die in Ordnung ist, ist auf jeden Fall ein Pluspunkt und eine vernässte Fläche sollte weniger wert sein.


    Wie ich richtig kalkuliere: Die langfristig zahlbare Pacht oder was ist eine gerechte Pacht?
    Die Berechnung wird anhand zwei verschiedener betrieblicher Fruchtfolgen durchgeführt. Dabei entsprechen die Ansätze für Erträge, Erlöse sowie Kosten einem Durchschnitt. Da nicht jeder Standort Rüben fähig ist, rechnen wir mit einer Rüben- und einer Rapsfruchtfolge. Als Direktzahlungshöhe werden perspektivisch 200 € veranschlagt und einbezogen.
    Ein maximal vertretbarer Pachtpreis, also die nachhaltig leistbare Barpacht entspricht hier der Höhe der Grundrente. Wenn man als Landwirt mit mehr als einer schwarzen Null aus dem Geschäft gehen möchte, muss und sollte sich jeder einen Unternehmergewinn von mindestens 50 bis 150 € je Hektar zugestehen, der noch von der Grundrente abzuziehen ist....
    Im Schnitt der Jahre ist im Beispiel der Rübenfruchtfolge mit einer durchschnittlichen Grundrente von 570 € zu rechnen (Tabelle 1). Gesteht man sich als Bewirtschafter der Fläche einen Unternehmergewinn von 100 € zu, bleiben nachhaltig, also im Schnitt der Jahre, 470 € je Hektar für die Pachtzahlung übrig..."
    Quelle



    Im folgenden habe ich ein noch paar Daten über Agrarbetriebe in Sachsen, bei denen immer Flächenkosten (=Grundrente) einberechnet sind:


    https://www.landwirtschaft.sac…eitrag_RBS_VKR_140610.pdf



    Aber wie gesagt: Bodenrente ist ein blinder Fleck im linken Weltbild - mich nicht ausgenommen.


    Gruß Wal

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