In einem Interview im Roar-Magzine sagt David Harvey: „Die Linke muss ihren theoretischen und taktischen Ansatz neu überdenken!“
Das hat mich interessiert.
Harvey sagt dort: „Die Linken organisieren sich in derselben Weise, wie die Kapitalakkumulation organisiert ist.“ Typisch für die industriellen Großbetriebe der Vergangenheit seien gewerkschaftliche Großorganisationen gewesen. Die Mehrzahl der Lohnabhängigen in den kapitalistischen Metropolen malocht jedoch nicht mehr in riesigen Fabriken, sondern in kleinen Betrieben an der nächsten Straßenecke.
Mit der Dezentralisierung und Verlagerung der kapitalistischen Unternehmen könnte und müsste sich auch die linke Oppositionsbewegung dezentralisieren und verlagern. „Die Arbeiter bei McDonalds sind die Stahlarbeiter des 21. Jahrhunderts“, sagt Harvey. Weil es aber höchst schwierig sei, diese verstreuten Lohnarbeiter an ihren Arbeitsplätzen zu organisieren, müsste und sollte die Linke versuchen, sich und die Lohnabhängigen in den Stadtvierteln zusammenzuschließen und zu organisieren.
Soweit die Argumente von David Harvey.
Ich finde, die Vorschläge von David Harvey gehen irgendwie in eine gute Richtung, aber sie sie beruhen auf einer mangelhaften und vereinfachten Analyse der Situation und auf einer vagen und falschen Zielsetzung.
Wofür, für welche Ziele, sollen sich die Leute in „Stadtteilräten“ zusammenschließen?
David Harvey beruft sich – ziemlich falsch – auf den Band Zwei des „Kapitals“ von Marx, indem er behauptet: „Klassenkampf für bezahlbaren Wohnraum ist für die Arbeiterklassegenauso wichtig wie der Kampf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.“
Und Harvey setzt noch eine Verleumdung gegen Karl Marx obendrauf, wenn er behauptet: „Alles, womit Marx zu tun hatte, war die Frage, wie die Arbeiterklasse mit einem Armutslohn überleben konnte.“ Das sei ja nicht mehr unser Problem.
Ich denke, es ist ein Fehler, den Kampf für höhere Löhne gegen den Kampf um bezahlbare Mieten zu setzen und gegeneinander auszuspielen. Ich denke, Harvey macht den Fehler, die Kämpfe im Stadtteil ebenso ökonomistisch zu begründen wie die Lohnkämpfe in den Unternehmen.
Weiter als bis zu dem reformistischen Argument: Wir wollen mehr von dem, was der Kapitalismus schafft!, geht die Argumentationvon Harvey in dem Roar-Interview nicht.
Bei Marx liest sich das ziemlich anders. Marx bezeichnete die Forderung „Ein guter Lohn für gute Arbeit“ als „konservatives Motto“ (Lohn,Preis und Profit, MEW 16, 151), das durch die revolutionäre Losung ersetzt werden muss: „Nieder mit dem Lohnsystem!“.
Das Lohnsystem werden wir aber nicht los, wenn wir Linke nur die Lohnarbeiter in kapitalistischen Betrieben organisieren und außerdem für bezahlbare Mieten eintreten. Das sind Forderungen, die die Lohnarbeit nicht antasten und in Frage stellen.
Das Lohnsystem werden wir eher los durch eine Selbstorganisation in den Kommunen, wo wir uns um unsere eigenen elementaren und nächsten Bedürfnisse kümmern, - sowohl um materielle Bedürfnisse wie um kulturelle, politische und soziale Bedürfnisse
meint Wal Buchenberg.