Unser Kriseneuropa 2014/2015


  • Die Flüchtlingskrise ist nicht die einzige Krise in Europa. Eigentlich ist überall in Europa Krise, und betroffen sind Millionen Menschen.
    Die Grafik zeigt nur eine Auswahl von Daten aus einer Bertelsmann-Studie über "Soziale Gerechtigkeit in Europa".


    Angemeldete User können sich hier die komplette Studie (auf Englisch) downloaden.


    Gruß Wal


    Bertelsmann_EU_2014.pdf

  • 1. Akt: Die Europäische Union versinkt (2008) in der Krise, weil Banken und Regierungen viel Geld für Dinge ausgegeben hatten, die kein Geld (zurück)bringen.


    2. Akt: Banken werden gerettet (bail out), Regierungen nicht.
    Manche Zuschauer gehen nach Hause, weil sie glauben, das sei es mit Happy-End gewesen.


    Große Pause im Theater mit einigen Kleinszenen vor, neben und hinter der Bühne (2008 bis 2014). Ein paar Regierungen wechseln, andere Regierungen bleiben. Griechische Schauspieler haben ein paar starke Szenen.
    Die Zuschauer auf den hinteren Rängen (Nordafrika, Afghanistan, Syrien, Irak) werden nervös. Sie erfahren: Alle ihre Darsteller, die in einigen Szenen („Menschenrecht und Wohlstand für Alle!“) Nebenrollen spielen durften, wurden aus dem Script gestrichen. Der Spielleitung geht das Geld aus, um diese vielen Darsteller und Szenen weiter zu bezahlen und am Laufen zu halten. Das Stück wurde während der Aufführung umgeschrieben und zusammengestrichen. Es kommen erste Buh-Rufe, aber die Zuschauer auf den besseren Plätzen stehen nicht auf, aus Sorge, andere könnten ihre Polstersitze besetzen.


    3. Akt: Die Zuschauer auf den Stehplätzen in der Galerie sind müde und haben Hunger, dürfen aber nicht ans Buffet. Sie bekommen den Eindruck, dass sie von diesem Spiel nichts mehr zu erwarten haben. Sie verlassen die Galerie, wollen ans Buffet und auf die Bühne. Die Zuschauer im Parkett rufen nach der Spielleitung und nach ORDNUNG und sind empört, dass ihre Lachsbrötchen von Hinterbänklern verzehrt werden.
    Jeder streitet mit jedem. Es geht drunter und drüber, aber manche halten auch das noch für ein abgekartetes Spiel und geben Szenenapplaus. (Modernes Theater! Da weiß man nie!)
    Andere suchen die Notausgänge und finden keine.



    Das ist der Stand heute, 9. November 2015
    Wal Buchenberg.
    P.S. am 10. November:
    Mit Helmut Schmidt verstarb heute der letzte Schauspieler/Politiker, dem man noch große Rollen zugetraut hat - einer, der die Schauspielerei/Politik so sehr beherrschte, dass die Zuschauer/Wähler sich einbilden konnten, er und sie seien mitten im Leben.


  • Zu diesen Daten meldet das regierungs- und kapitalnahe Deutsche Institut für Wirtschaft DIW:


    „... dass sich das Wirtschaftswachstum pro Kopf in vielen entwickelten Volkswirtschaften bereits seit den 1980er Jahren verlangsamt hat. Untersuchungen deuten darauf hin, dass dieser Rückgang zu einem bedeutenden Teil auf ein geringes Wachstum der Produktivität zurückzuführen ist. Die Produktionsfaktoren wie Arbeit und Kapital werden zwar laufend produktiver eingesetzt – die Zuwächse sind aber im historischen Vergleich gering. Das abnehmende Produktivitätswachstum dürfte insbesondere seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 auch zu dem in vielen Ländern verhaltenen Anstieg der Unternehmensinvestitionen beigetragen haben. Auch für die kommenden Jahre werden verschiedentlich niedrige Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts, der Produktivität sowie der Investitionen vorausgesagt. Dies veranlasst einige Ökonomen dazu, von einer möglicherweise säkularen – also lang andauernden – Stagnationsphase zu sprechen.“


    Zum Kurvenverlauf will ich noch anmerken:
    Seit dem Jahr 1981 brechen in der kapitalistischen Kernzone die Zuwächse der Arbeitsproduktivität stark ein. Das war nach meiner Überzeugung der Auslöser für die „neoliberale“ Wende der staatlichen Wirtschaftspolitik: Deregulierung des Arbeitsmarktes, Senkung der Löhne, Senkung der Kapitalsteuern usw. Das brachte für die Profitwirtschaft nur eine kurzfristige Erholung.


    Ab 1990 stürzen die Zuwächse weiter ab. Die globale Öffnung der Kapitalmärkte in China und in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion öffnete den Kapitalisten höhere Wachstumsraten im Ausland. Die kapitalistische Peripherie bringt den Kapitalisten noch Zuwächse, die in der Kernzone nicht mehr zu bekommen sind. Die Lohnarbeiter der Kernzone konkurrieren zunehmend mit der billigen Lohnarbeit der Peripherie. Das betrifft längst nicht mehr nur die gering qualifizierte Lohnarbeit.


    Zur Lage der höher qualifizierten Lohnarbeit weiß das DIW zu berichten:
    „Der Arbeitsmarkt war ... trotz guter Konjunktur nicht in der Lage, das zusätzliche Arbeitskräfteangebot aufzunehmen, denn die Zahl der arbeitslosen Akademiker mit einem Abschluss in einem technischen oder naturwissenschaftlichen Fach hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Die Zuwächse sind zwar nicht gewaltig, der prozentuale Anstieg lässt aber deutlich zunehmende Beschäftigungsprobleme bei naturwissenschaftlich-technischen Akademikerberufen erkennen. So ist die Zahl der arbeitslosen IT-Experten in den vergangenen drei Jahren um ein Drittel auf 8.500 gestiegen. Ähnlich war die Veränderungsrate bei Ingenieuren, die in der Industrie eingesetzt werden können. Hier gab es im Oktober 2015 etwa 18.000 Arbeitslose. Ein noch höheres Tempo hatte der Anstieg der Arbeitslosigkeit unter Ärzten (plus 50 Prozent oder 1.400 Personen) und Physikern (plus 50 Prozent oder 700 Personen). Eine erhebliche Zunahme der Unterbeschäftigung gab es auch bei Chemikern (plus 24 Prozent oder 500 Personen)."

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