Ernesto Che Guevara (1928 - 1967)

  • 14. Mai 1928 (offiziell am 14. Juni 1928) Geburt von Ernesto als erstes Kind einer vormals reichen, nun mäßig begüterten Oberschichtfamilie in Argentinien.
    1930 Ernesto erkrankt an Asthma, das ihn bis zu seinem Tod begleiten wird.
    1937 Auf Verlangen der Schulbehörde kommt Ernesto in die Schule. Bis dahin war er von seiner Mutter unterrichtet worden.
    Der junge Ernesto besaß eine eigene Pistole und ein Motorrad und übte sich in allerlei Sportarten von Golf über Rugby bis Segelfliegen. Er lies viel und querbet.
    Ernesto verfolgte den Verlauf des Spanischen Bürgerkrieges (1936 - 1939) mit großem Interesse. Einer seiner Onkels war als Zeitungskorrespondent in Spanien.
    1939 - 1945 Während des Zweiten Weltkriegs schwankte die argentinische Oberschicht zwischen Neutralität, Sympathien mit dem Faschismus und Antifaschismus. Sein Vater unterstützte die Anti-Hitlerkoalition. Ernesto schloss sich keiner politischen Richtung an.
    1945 Südamerika war anders als Asien und Afrika schon lange von Kolonialherren befreit, aber die herrschenden Klassen in den 22 Einzelstaaten Südamerikas herrschten nicht viel anders als die Kolonialmacht vordem: mit Militärgewalt und eigenem Großgrundbesitz als wirtschaftlicher Basis. Der Staat diente vor allem der Versicherung und der Versorgung der Oberschicht. Um die Staatsmacht konkurrierten ständig "Liberale" und "Konservative". Dabei ging es weniger um Programme als vielmehr um Pfründe und um Macht. Unterhalb dieser Oberschicht lebte ein heterogener sozialer Flickenteppich mit eingedrungenen, eingewanderten, indigenen oder vermischten Bevölkerungsteilen mit jeweils verschiedener Sprache, Kultur und wirtschaftlicher Stellung.
    1946 Söhne der städtischen Oberschicht in Argentinien wurden Anwalt oder Arzt. Es gab einen Überschuss an müßigen Akademikern, die entweder zu Bohemiens oder zu Politikern wurden. Ernesto studierte nach dem Abitur Medizin.
    Gedicht des 18jährigen Ernesto:
    "Dein Schicksal änderst du durch Willenskraft.
    Sterben ja, aber durchlöchert von
    Kugeln, durchstochen von Bajonetten, anders, nein...
    Und im Gedächtnis bleibt, wenn mein Name vergessen,
    dass ich kämpfend starb." [43]
    1953 Nach Abschluss des Medizinstudiums flieht Ernesto Guevara vor dem bürgerlichen Berufsleben in eine (zweite) Abenteuerreise durch Lateinamerika.
    1956 In Mexiko trifft Guevara verschiedene Linke und Parteiführer, darunter auch Fidel Castro, der als "Berufsrevolutionär" eine bewaffnete Invasion auf Kuba plante.
    Guevara heiratet die Marxistin Hilda, führt nach eigenem Eingeständnis ein "Bohemeleben" [137] und macht unzählige Reisepläne - ein Biograf zählte über 150 verschiedene Zielorte, zu denen aber das Geld fehlte.
    Tochter Hildita wird geboren. Che verlässt seine Frau, weil er kein "gelangweilter Familienvater" werden will [137] und schließt sich dem Unternehmen der Castro-Brüder als Truppenarzt an. Ernesto bekommt von den Kubanern den Spitznamen "Che", weil er viele seiner Sätze mit einem "hey!" (spanisch: "che!") begann.
    Che: Dass "ich mich dem Rebellenkommandanten anschloss, mit dem mich von Anfang an eine romantische Abenteuersympathie verband und die Erwägung, dass es sich lohnen würde, an einem fremden Strand für solch ein reines Ideal zu sterben." [95] Das "reine Ideal" war eine "Teilnahme an irgendeiner Revolution gegen einen Tyrannen" (Che) - egal wo und wie. [132]
    Die beiden Castro-Brüder hatten rund 40 Gefolgsleute gesammelt, mit der sie Kuba erobern wollten. Das Geld dafür kam von demokratisch gesinnten Exilkubanern in den USA.
    Juni 1956 Castros Wehrsportlager in Mexiko wird von der Polizei durchsucht, die Waffen beschlagnahmt und die Mannschaft samt Che und den Castrobrüdern verhaftet. Mit dem Versprechen, sich an die mexikanischen Gesetze zu halten oder Mexiko zu verlassen, kamen sie frei.
    Die Zeit drängte.
    Bei einem weiteren Bittgang in die USA erhielt Fidel Castro 50.000 US-Dollar für sein Landungsunternehmen. Davon kauften sie eine klapprige Jacht namens "Grandma" und Waffen.
    November 1956 Mit 80 Mann überladen fuhr das Schiff von der Halbinsel Yucatan los und landete nach einer 7tägigen Irrfahrt am Morgen des 2. Dezember in einem Mangrovendickicht vor Kuba. Auf den 200 Metern bis zur Küste ging die Hälfte der Ausrüstungverloren. Ein Küstenwachboot begann die Anlandenden zu beschießen. Nach einigerZeit wurden sie auch aus der Luft verfolgt und beschossen. "Wir hatten die Orientierung verloren und irrten im Kreis ..." (Che) [165]. Ein Bauer, den sie nach dem Weg fragten, alarmierte umgehend das Militär.
    4. Dezember 1956 Das Militär verfolgt sie und entdeckt sie nach zwei Tagen in einem Zuckerrohrfeld. Che erhält einen Streifschuss am Hals. Nur 48 Männer überleben das Gefecht. 22 von ihnen sammeln sich später in den Bergen. Gerettet werden sie von einem halbkriminellen Familienclan von Bauern, Räubern und Schmugglern. Diese"Familienmiliz" bildet mit den 22 Ankommenden die "Vereinten Revolutionsstreitkräfte", wie sie Fidel Castro sofort nannte. [168] Sie hatten 50 Mann unter Waffen.
    Sommer 1957 Die Opposition gegen Battista speiste sich weniger aus der kleinen Guerilla in den Bergen als vielmehr von einer demokratisch gesinnten Stadtbevölkerung.
    Die Castro-Brüder befehligten im Sommer 1957 120 Bewaffnete, im Frühjahr 1958 180 und im Juli 1958 rund 300 Guerilleros. Sie erhielten Zuzug von Bauernsöhnen und von Studenten aus Havanna.
    Im Juli 1958 verpflichtet sich Fidel Castro im "Pakt von Caracas" auf einen demokratischen Übergang mit Mehrparteiensystem und auf den Verzicht von Verstaatlichungen.
    Oktober 1957 Der "Pakt von Miami" zwischen allen kubanischen Oppositionellen sah eine gemeinsame Interims-Regierung und anschließende Neuwahlen vor. Auf Betreiben von Che Guevara verweigerte Fidel Castro schließlich die Unterschrift und nahm Kurs auf seine Alleinherrschaft.
    April 1958 Fidel Castro erklärte in einem Aufsehen erregenden Interview in den Bergen auf die Frage eines US-Reporters, was sein Programm sei: "Wiedereinsetzung der Verfassung von 1940 und freie Wahlen." [173]
    Die kubanische Verfassung von 1940 war die freiheitlichste Verfassung der damaligen Welt.
    Juni/August 1958 Eine Großoffensive mit 10.000 Soldaten gegen eine Guerilla mit einigen hundert Bewaffneten scheitert.
    November 1958 Der demokratische Widerstand gegen Battista boykottiert die Wahl, die den Diktator im Amt bestätigt. Battista verliert alle in- und ausländische Unterstützung.
    Silvester 1958/59 Der Diktator Battista, der sich - wie die Castro-Brüder - mit Gewalt im liberal-demokratischen Kuba an die Macht geputscht hatte, flieht mit mehreren Flugzeugen aus Kuba. In den beiden "Kriegsjahren" waren etwa 500 - 700 Regierungssoldaten und insgesamt 150 - 200 Guerilleros gefallen.
    Bei der Flucht Battistas und der anschließenden "Eroberung" der Städte hatten die Castrobrüder ca. 800 Mann unter ihrem Befehl.
    Diese Machtergreifung war keine Revolution. Die Beteiligten kämpften für einen Regierungswechsel, nicht für einen Systemwechsel.
    1. Januar 1959 Fidel Castro setzt einen Übergangspräsidenten ein und erklärt: "Die Revolution ergreift die Macht, ohne jemandem verpflichtet zu sein." [198] "Die Revolution" - das waren die Castro-Brüder und Che Guevara.
    16. Februar 1959 Nach dem Rücktritt der von Castro eingesetzten provisorischen Regierung erklärt Fidel Castro in seiner Antrittsrede als neuer Ministerpräsident: "Wenn wir die Pläne, die wir haben, realisieren können, ohne dass man uns Schwierigkeiten macht, dann können Sie sicher sein, dass wir im Verlauf weniger Jahre den Lebensstandard der Vereinigten Staaten und Russlands haben werden ..." [189]
    Oktober 1959 Die ersten sowjetischen Berater kommen nach Kuba.
    Februar 1960 Der sowjetische Ministerpräsident Mikojan besucht Havanna und berichtet von seinen Gesprächen mit Fidel und Che: Diese beiden hätten unzweideutig ihre Absicht erklärt, eine sozialistische Revolution durchzuführen, ohne dies vorerst offen sagen zu können. [222]
    Das war also eine "sozialistische Revolution", von der niemand wusste und die niemand machte - außer den Castrobrüdern und Che Guevara. In diesem Kampf könnten sie nach eigenen Angaben "nur mit sowjetischer Hilfe überleben." [222]
    ab Juni 1960 Die Sowjetunion kauft kubanischen Zucker und lieferte dafür Öl und gewährte Fidel Castro einen Kredit von umgerechnet 100 Millionen USDollar. Beginn der sowjetischen Waffenlieferungen an Kuba.
    August 1960 Che erklärt öffentlich, dass Kuba einen Atomkrieg nicht fürchtet. In seiner Broschüre "Der Guerillakrieg" bestimmt Che den kubanischen Weg zum Modell und Muster für ganz Südamerika. Dort heißt es, der bewaffnete Kampf sei der eigentliche Klassenkampf und die Guerilleros seien die "wirkliche revolutionäre Avantgarde." [274]
    Sommer 1961 Nachseiner Asienreise und dem Besuch in Nordkorea erklärt Che: "Der Individualismus als solcher, als isoliertes Handeln eines Menschen ..., muss in Kuba verschwinden. Der Individualismus von Morgen sollte die ... Nutzbarmachung des ganzen Individuums zum uneingeschränkten Wohl der Gemeinschaft sein." [225] Dieses "Wohl der Gemeinschaft" wird allein von den Machthabern definiert.
    August 1961 Che Guevaras ironische Botschaft an die Adresse der US-Regierung: "Danke für die Schweinebucht. Vor der Invasion stand die Revolution auf wackligen Beinen. Jetzt ist sie stärker denn je." [270] Auch hier meint "Revolution" nichts als die persönliche Macht der Castro-Brüder.
    Spätestens seit der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht, wurde jede Kritik an den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in Kuba als "Unterstützung des Imperialismus" strafrechtlich verfolgt.
    Dezember 1961 Fidel Castro bekennt sich erstmals zum "Marxismus-Leninismus".
    März 1962 Die "Goldenen Revolutionsjahre", in denen man mittels eines Raubkommunismus vorhandenen "alten" Reichtum umverteilen konnte, sind vorbei. Ab jetzt kann auf Kuba - abgesehen von sowjetischen Subventionen - nur noch konsumiert werden, was im laufenden Jahr auf Kuba auch produziert wurde. Mittels des "Versorgungsheftes" werden Lebens- und Konsummittel auf einem vorrevolutionären Niveau rationiert.
    Zur sozialistischen Wirtschaftspolitik erklärt Che: Auch im Sozialismus müsse man "zur Durchsetzung ihrer Disziplin Zwang auf die Arbeiter ausüben, nur dass dieser Zwang (so sollte es jedenfalls sein) durch die Erziehung der Massen unterstützt wird." [429]
    Die Lebensbedürfnisse der Menschen ließen sich um so besser mathematisch berechnen und befriedigen, je genauer sich die Produzenten an die Planvorgaben hielten. [309]
    "Um den Kommunismus aufzubauen, müssen wir mit der materiellen Basis gleichzeitig den Neuen Menschen schaffen." Dieser Neue Mensch kennt "keine andere Befriedigung ... (als) seine Pflicht zu erfüllen." [308]
    Planerfüllungist Pflichterfüllung. Die ganze Gesellschaft wird zum willenlosen Werkzeug einer allmächtigen "Avantgarde". Vorbild dafür ist das Militär: "An der Spitze der riesigen Kolonne ... geht Fidel, dann kommen die besten Kader der Partei und unmittelbar dahinter ... geht das Volk." (Che Guevara) [308]
    Kubakrise 1963 Der sowjetische Ministerpräsident sagte zu Che, der selbst um den Preis eines weltweiten Atomkrieges in der Kubakrise nicht vor der US-Regierung zurückweichen wollte: "Wir haben alles getan, damit Kuba nicht zerstört wird. Wir sehen Ihre Bereitschaft, auf schöne Art zu sterben, aber wir glauben, es bringt nichts, schön zu sterben." [301]
    Die Sowjetunion zieht ihre Atomraketen von Kuba ab und erhöhte ihre Subventionen für Castro. Che Guevara, der Industrieminister und Chef der kubanischen Notenbank war, verliert seinen Einfluss auf die Entwicklungsrichtung der kubanischen Wirtschaft. Die Castrobrüder orientieren sich wieder auf die Zuckerproduktion. Kubas Wirtschaft wird in das sowjetische Planungs- und Außenhandelssystem eingebunden.
    1964 Die außen- und wirtschaftspolitischen Differenzen zwischen Fidel Castro und Che Guevara führen zu einer Entfremdung. Che Guevara verschwand aus der Öffentlichkeit. Er reist in Sachen Weltrevolution nach Prag und Algier, wo der kubanische Geheimdienst Auslandsstützpunkte aufgebaut hatte.
    Die mehrmonatige, geheime Reise führt Che auch durch afrikanische Hauptstädte. Che will mit Kuba eine "Internationale der Befreiung" aufbauen. Der Witwe von Frantz Fanon sagte er: "Afrika stellt in diesem Kampf ein, wenn nicht sogar das wichtigste Kampffeld dar." [368]
    Che trifft sich u.a. mit der Oppositionsbewegung im Kongo, deren Führer untereinanderheillos zerstritten sind. Außer bei Laurent Kabila fand Che keine Sympathien für seine Ideen: "Die Reaktion auf meine Rede war mehr als frostig." (Che) [374]
    Januar 1965 Mit Billigung von Fidel Castro organisiert Che eine kubanische Kampftruppe von 30 schwarzen Kubanern.
    31. März 1965 Che schreibt einen Abschiedsbrief an Fidel: "Andere Länder der Welt fordern den Beitrag meiner Bemühungen." [380]
    Tatsächlich hatte ihn im Kongo niemand eingeladen oder gar "angefordert". Er traf mit seinen Kampfgefährten ohne Wissen der Rebellen im Kongo ein.
    Che schreibt: Ich hatte "keinem Kongolesen meine Absicht, in seinem Land zu kämpfen mitgeteilt. ... Ich beschloss also, die Leute vor vollendete Tatsachen zu stellen." [384] Noch eine Revolution, von der keiner was weiß.
    Seinen Mitkämpfern erklärte er: "Wir würden einer Befreiungsbewegung zu Hilfe kommen, die bereits über gute Organisation verfügte. Unsere Hilfe würde deshalb vor allem in Beratung bestehen." [383]
    Davon war nichts wahr. Die Rebellenführer waren entsetzt, als sie erfuhren, dass Che Guevara persönlich mit ausländischen Söldnern an ihrem Befreiungskampf teilnehmen wollte. Und die Rebellensoldaten erwiesen sich als immun gegenalle kubanischen Belehrungen. Sie wollten ihr bequemes Leben nicht in Gefahr bringen, denn der Bürgerkrieg im Kongo war längst abgeflaut. Der Stellvertreter Ches schreibt: "Wir Kubaner durchbrachen das Gleichgewicht eines bewaffneten Friedens, den die Kongolesen erreicht hatten. Sie waren bewaffnet, aber zu Hause bei Frau und Kindern. Sie kämpften nicht." [396]
    Kabila, der einzige Rebellenführer, der mit Che kooperierte, hielt sich in Kairo auf und machte keine Anstalten, in den Kongo zu kommen. Kabilas Verbindungsmann zu Che wurde von seinen eigenen Leuten umgebracht. Che und seine Truppe waren zur Untätigkeit verdammt. Che notiert in sein Tagebuch: "Im Allgemeinen war mir alles egal, sowohl die erzwungene Untätigkeit als auch dieser unsinnige Krieg ohne jedes Ziel." [391]
    Juli 1965 Die erste Angriffsoperation der Guerilla mit kubanischer Beteiligung endet im Desaster. Vier Kubaner fallen. In ihren Rucksäcken finden die Regierungssoldaten spanische Tagebücher - ein Hinweis auf kubanische Söldner. Das alarmierte die CIA, die auf schnellstem Wege kubanische Contras mit modernster Ausrüstung in das Kongolesische Kampfgebiet schickte. Das kubanische Lager geriet in die Defensive.
    August 1965 Die Moral der Kubaner sank und immer mehr wollten nach Hause. Che verhängte strenge Strafen. Gegen den ausdrücklichen Wunsch aller Rebellenführer beteiligte sich jetzt Che persönlich an den Kämpfen.
    Fidel Castro schickt hohe Emissäre in den Kongo, die sich ein Bild der Lage machens ollen. Sie sind bestürzt über die militärische Lage und die autoritäre Führung Ches. Che "verfiel von Tag zu Tag und war immer schlechter gelaunt." (Benigno) [400] Der ranghöchste Emissär Castros bekommt heimlich einen Zettel von Ches Leuten zugesteckt, auf dem steht: "Che ist verblendet. Du musst ihn hier rausholen." [400]
    Che fordert von den Emissären und von Castro 100 weitere Männer.
    Oktober 1965 Regierungswechsel im Kongo. Tschombe wird entlassen. Die afrikanischen Staaten stellen ihre Unterstützung für die Rebellen im Kongo ein. Mit dem Versiegen des Geldstromes versiegt deren Kampfeswillen. Kuba wird von afrikanischen Regierungen offiziell aufgefordert, seine Unterstützung der kongolesischen Rebellen zu beenden.
    24. Oktober 1965 Der Stützpunkt von Che und seinen Leuten wird von Regierungstruppen erobert. Che kann sich nur mit 13 Mann lebend retten.
    4. November 1965 FidelCastro bittet Che brieflich, die bewaffnete Intervention im Kongo abzubrechen.[402] Che weigert sich: "Wir werden den Kampf nur dann aufgeben, wenn uns die Kongolesen aus triftigen Gründen ... selbst darum bitten." [403] Die Kongolesen hatten Che jedoch gar nicht erst eingeladen, mit ihnen zu kämpfen.
    18. November 1965 Der Belagerungsring um Che und seine Leute wird immer enger. Che flieht mit dem Boot über den Tanganjika-See: "Es war ein trostloses und ernüchterndes Schauspiel. Männer, die mich anflehten, mitfahren zu dürfen, musste ich zurückweisen. Nicht die Spur von Größe lag in diesem Rückzug ..." (Che) [404]
    Januar 1966 In Havanna findet die "Erste Tricontinentale Konferenz der Völker Afrikas, Asiens und Lateinamerikas" statt, aber der Cheftheoretiker der "Tricontinentalen", Che Guevara, nimmt nicht teil. Als Theoretiker des "Tricont" hatte Che behauptet, dass der "Hauptwiderspruch unserer Epoche" nicht zwischen Lohnarbeit und Kapital, sondern "zwischen ausbeutenden Staaten und ausgebeuteten Völkern besteht." [408]
    Die Lohnarbeiter in den kapitalistischen Metropolen wären "beteiligt an den Gewinnen der Ausbeutung der anderen Völker". Diese Arbeiterklasse sei "selbst ein Teil der Ausbeuter" und lebe "auf Kosten der abhängigen Länder". [428]
    Che versteckte ich mehrere Monate lang in der kubanischen Botschaft in Daressalam.
    März bis Juli 1966 Che versteckt sich, begleitet von seinen Leibwächtern, bei Prag in einem Gebäude des tschechischen Geheimdienstes und lässt seine vom Kongo mitgebrachten Hauterkrankungen behandeln.
    Dort erhält er den Auftrag von Fidel Castro, er solle inkognito nach Kuba zurückkehren und dort eine handverlesene Truppe für seine nächste Expedition zusammenstellen und dann nach Bolivien gehen. Che stimmt dem Vorschlag nur zögerlich zu. [416]
    Im Jahr 1965 hatte es in Venezuela, Kolumbien, Peru und anderen südamerikanischen Ländern kurzlebige Aufstandsbewegungen gegeben. Che wäre lieber nach Peru gegangen. Fidel bestand auf Bolivien, weil er dort Kontakt hatte mit der bolivianischen KP.
    4. November 1966 Che trifft mit falschem Pass, verändertem Aussehen und 18 Getreuen in Bolivien ein. Zuvor hatte er veranlasst, dass zwei Farmen in einem abgelegenen Gebiet gekauft und dorthin Waffen und Ausrüstung geschafft werden. Der Plan sah so aus: Einhalbes Jahr sollten sich bolivianische Guerilleros unter der Führung der 18 Kubaner auf dem Stützpunkt sammeln und trainieren. Im Juli 1967sollte als revolutionäres Fanal eine Regierungskaserne gestürmt werden. Dann sollte der bewaffnete Kampf weiter nach Argentinien, Peru, Brasilien, Uruguay und Paraguay getragen werden.
    Januar 1967 Zu den 18 kubanischen "Offizieren" stoßen nur zwei Dutzend Bolivianer und vier Peruaner. Sehr schnell begann der Besitzer der Nachbarfarm misstrauisch zu werden. Er glaubte, die nächtlichen Transporte dienten dem Drogenhandel.
    Dann fiel die verschlüsselte Kommunikation mit Havanna aus.
    Und es gab Streit mit der bolivianischen KP-Führung, die auf der Unterordnung der Guerillatruppe unter ihre Leitung bestand. Dazu war Che nicht bereit. Damit brachen alle Unterstützungslinien der Guerilla in die Städte ab. Die Guerilla war isoliert und auf sich allein gestellt.
    1. Februar 1967 Ches Truppe bricht mit voller Ausrüstung zu einem 3wöchigen Erkundungsmarsch auf. Es stellt sich heraus, dass ihre Karten nichts taugen. Das Berggebiet, das sie erkunden, ist - anders als das revolutionäre Stützpunktgebiet der Sierra Maestra auf Kuba - fast unbewohnt. Es ist unbewohnt, weil es ganz unwirtlich ist - ohne Nahrungsquellen, teilweise sogar ohne Wasser.
    10. Februar 1967 Sie treffen auf die erste menschliche Behausung, ein junger Bauer mit sechs Kindern, dem sie 2 Schweine und Mais abkaufen. Che verlangt von dem Bauern, dass er mit ihnen kooperiert. Er solle gegen Bezahlung im Tal Lebensmittel für sie kaufen und auf seinem Land mehr Kartoffeln anbauen. Der Bauer bekam 40.000 Pesos in großen Scheinen, was bei seinem ersten Großeinkauf im Tal sich sofort herumsprach. Die Polizei verhörte den Mann und gewann ihn zum Informanten.
    Aus Rache für diesen Verrat wurde dieser Bauer zwei Jahre darauf von der nächsten Guerillageneration ermordet.
    20. März 1967 Ches Truppe kommt erschöpft zu ihrem geheimen Stützpunkt zurück. Die Farm war in der Zwischenzeit schon zweimal von der Polizei durchsucht worden. Che wollte trotzdem neue Rekruten gewinnen und sie "ein oder zwei Jahre lang hier abhärten". [449]
    24. März 1967 Che verliert die ersten (bolivianischen) Deserteure, die sich der Polizei stellen. Eine Militäreinheit greift die Farm an. Che war vorbereitet und kann den Angriff abwehren. Die Angreifer verlieren 7 Mann, 17 wurden gefangen genommen und in Unterhosen freigelassen.
    26. März 1967 Die Farm wird von Flugzeugen bombardiert.
    Es gibt Streit zwischen den kubanischen Genossen. Che degradiert seinen Stellvertreter und nimmt vier Bolivianern, einfache Bergarbeiter, die er "Abschaum" nennt, die Waffen ab. Sie sind faktisch Gefangene.
    Che wandte sich mit dem "Kommunique Nr. 1" an die bolivianische Öffentlichkeit, um zu erklären, dass sich in Bolivien "das bewaffnete Volk" zum Kampf gegen die "verbrecherischen Militärmachthaber" erhoben hat. Seine vier folgenden Kommuniques fanden nicht mehr den Weg aus dem Bergland.
    4. April 1967 Das Militär rückt in größerer Zahl an und erobert die Farm. Zum erstenmal taucht der Verdacht auf, dass Che Guevara die flüchtigen Guerilleros befehligt.
    Zunächst blieb Che mit seinen Leuten noch in der Nähe der Farm. Bei zwei weiteren Gefechten fallen drei seiner kubanischen Gefährten. Der CIA sendet seine Leute in die bolivianische Hauptstadt.
    17. April 1967 In Havanna wird ein Text von Che Guevara publiziert, den er vor seiner Abreiseverfasst hatte. Darin werden die US-Imperialisten als "ungeheure Verbrecher" gebrandmarkt und angekündigt, "zwei, drei Vietnams" zu schaffen. [455]
    Die nächsten Informanten werden den bolivianischen Behörden frei Haus geliefert. Der Franzose Debray, ein plötzlich bei der Guerilla aufgetauchter ominöser Brite und der Kubaner Bustos sollen sich als Journalisten getarnt nach La Paz durchschlagen, wurden aber schon wenige Stunden nach ihrem Aufbruch verhaftet. Sie bestätigen, dass Che Guevara der Chef der Guerillagruppe ist.
    24. Juni 1967 Das bolivianische Militär richtet mit fast 100 Toten ein Massaker an streikenden Bergarbeitern an. Die Gewerkschaften beenden daraufhin den Streik.
    Che und seine Truppe ist auf der Flucht. Die Bauern, die sie treffen, laufen vor ihnen davon und weigern sich zu kooperieren. Es kommt immer wieder zu Feuergefechten mit Einheiten der Armee, die sie zwar siegreich, aber mit immer neuen eigenen Verlusten überstehen.
    Anfang Juli 1967 Die Asthma-Medizin von Che ist verbraucht. Sie überfallen eine Kleinstadt und durchsuchen das örtliche Krankenhaus, weil Che dringend Medikamente braucht. Che notiert: "Bei den Medikamenten keines der von mir benötigten!" [468] Che beschließt umzukehren, um seine bei der Farm in verborgenen Erddepots gelagerten Medikamente zu holen.
    Ende Juli 1967 In einem Gefecht werden zwei Kubaner getötet und einer verwundet. Das Marschtempo wird immer langsamer.
    8. August 1967 Che schickt einen Getreuen los, der seine Medizin holen und dann zu der Gruppe zurückkehren soll. Die Depots waren jedoch alle von der Armee entdeckt worden. Sie fanden dort auch viele Dokumente, Fotos und falsche Pässe.
    2. September 1967 Che und seine Gruppe erfahren über Radio von der völligen Vernichtung der sogenannten "Nachhut", die sich die gesamte Zeit in der Nähe des Ausgangslagers vor dem Militär versteckt gehalten hatte. Darunter war auch die DDR-Deutsche Tamara Bunke.
    27. September 1967 Überall, wohin die Guerilleros kommen, wissen die Bewohner von ihnen und wollen nicht kooperieren. Als sie in das Bergdorf Higuera kommen, sind alle Bewohner geflohen.
    28. September 1967 Che und seine Leute brechen von Higuera auf und geraten in einen vorbereiteten Hinterhalt der Armee. Che flüchtet in eine unwegsame Seitenschlucht. Dort kann er sich mit einigen Leuten einige Tage lang verstecken. 1.800 Regierungssoldaten haben sie umzingelt.
    8. Oktober 1967 Als sie aus dem Umschließungskreis ausbrechen wollen, werden sie entdeckt. In dem Gefecht wird Che am Bein verwundet und kann nicht mehr laufen. Einer der Bolivianer (ein "Abschaum") schleppt Che aus der Kampfzone. Als sie entdeckt werden, ruft der Bolivianer: "Das ist Kommandant Guevara! Sie müssen sein Leben schonen." [494]
    Die Gefangenen werden entwaffnet und gefesselt, während der Kampf bis zum Abend ringsum weitergeht. Am Abend werden die Gefangenen und einige tote Guerilleros nach Higuera zurückgebracht und in der Dorfschule bewacht.
    Nur sechs Leute bleiben unentdeckt und können nach einer wochenlangen Odyssee lebend entkommen. Alle anderen sind tot oder gefangen.
    Die Armeeeinheit telegrafiert noch am Abend an die Regierung und bittet um Anweisung, was mit Che geschehen soll. Die Regierung entscheidet sich für seine sofortige Tötung.





    In der Nacht betritt ein Sergeant, der sich als Henker gemeldet hatte, den Raum, in dem Che gefangen ist und schießt ihm eine Kugel ins Herz. Der Kopf sollte für die Weltpresse unversehrt bleiben. Auch die anderen Gefangenen waren noch vor Che erschossen worden.
    9. Oktober 1967 Ches Leiche wird mit dem Hubschrauber in die Kleinstadt Vallegrande geflogen und dort der Presse präsentiert. Hohe Militärs lassen sich mit dem toten Che ablichten. Man sammelt erste Reliquien. Tage später werden der Leiche sogar die Hände abgeschnitten und in Formalin verwahrt.
    15. Oktober 1967 Fidel Castro gibt in einer TV-Ansprache den Tod von Ernesto Che Guevara bekannt und ordnet eine dreitägige Staatstrauer an.
    Anschließend schickte Castro die Möchtegern-Guerilleros aus Peru, Chile, Argentinien, Brasilien und Uruguay nach Hause, die in Kuba als der "Mutter aller Guerillas" für den bewaffneten Kampf ausgebildet wurden.
    Anfang 1968 wurde das letzte kubanische Kontingent, das sich im venezolanischen Urwald aufhielt mit einer hochprofessionellen Rettungsaktion nach Kuba zurückgebracht.
    In den folgenden Jahren verzichteten die Castro-Brüder auf weitere revolutionäre Abenteuer im "Tricont".




    Wörtliche Zitate aus:
    Gerd Koenen, Traumpfade der Weltrevolution. Das Guevara-Projekt. 2. Aufl. Köln 2008.



    Alles Andere ist im Wesentlichen mein Text.
    Wal Buchenberg

  • Hallo Wal, danke für die Chronik aus dem Leben eines Berufsrevolutionärs. Sehr interessant. Es ist faszinierend, dass ein kleiner, scheinbar extrem unprofessioneller Haufen wie die "Vereinten Revolutionsstreitkräfte" die Macht in Kuba an sich reißen konnte.


    Gruß Wanderer

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