"Lohn, Preis, Profit" - Arbeitslohn und Warenpreis

  • In der Hoffnung, dass hier Leute noch mehr oder weniger aktiv sind...
    Ich habe mir vor kurzem "Lohn, Preis, Profit" durchgelesen. Dort erläutert Marx seine Arbeitswerttheorie und zweifelt die Abhängigkeit zwischen Lohn und Preis an. Der Wert der Ware ergebe sich ausschließlich aus der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit, der Lohn sei zwar Teil des Preises, aber sollte dieser steigen, bewirke das bloß eine Senkung des Profits:


    "Auf ihren einfachsten theoretischen Ausdruck reduziert, lösen sich alle Argumente unsres Freundes ("Bürger Weston") in das einzige Dogma auf: "Die Warenpreise werden bestimmt oder geregelt durch die Arbeitslöhne."


    Ich könnte mich auf die praktische Beobachtung berufen, um Zeugnis abzulegen gegen diesen längst überholten und widerlegten Trugschluss. Ich könnte darauf hinweisen, dass die englischen Fabrikarbeiter, Bergleute, Schiffbauer usw., deren Arbeit relativ hoch bezahlt wird, durch die Wohlfeilheit ihres Produkts alle andern Nationen ausstechen, während z.B. den englischen Landarbeiter, dessen Arbeit relativ niedrig bezahlt wird, wegen der Teuerkeit seines Produkts fast jede andre Nation aussticht. Durch Vergleichung zwischen Artikeln ein und desselben Landes und zwischen Waren verschiedener Länder könnte ich - von einigen mehr scheinbaren als wirklichen Ausnahmen abgesehen - nachweisen, dass im Durchschnitt hoch bezahlte Arbeit Waren mit niedrigem Preis und niedrig bezahlte Arbeit Waren mit hohem Preis produziert. Dies wäre natürlich kein Beweis dafür, dass der hohe Preis der Arbeit in dem einen und ihr niedriger Preis in dem andern Fall die respektiven Ursachen so diametral entgegengesetzter Wirkungen sind, wohl aber wäre dies jedenfalls ein Beweis, dass die Preise der Waren nicht von den Preisen der Arbeit bestimmt werden. (...)


    Es könnte vielleicht bestritten werden, dass Bürger Weston das Dogma aufgestellt hat: "Die Warenpreise werden bestimmt oder geregelt durch die Arbeitslöhne." Er hat es in der Tat niemals ausgesprochen. Er sagte vielmehr, dass Profit und (Grund-)Rente ebenfalls Bestandteile der Warenpreise bilden, weil es die Warenpreise seien, woraus nicht bloß die Löhne des Arbeiters, sondern auch die Profite des Kapitalisten und die Renten des Grundeigentümers bezahlt werden müssen (daraus folgt, dass eine Lohnsteigerung zwangsläufig eine Preissteigerung bewirken müsste) (...)


    Wenn wir Waren als Werte betrachten, so betrachten wir sie ausschließlich unter dem einzigen Gesichtspunkt der in ihnen vergegenständlichen, dargestellten, oder, wenn es beliebt, kristallisierten gesellschaftlichen Arbeit. In dieser Hinsicht können sie sich nur unterscheiden durch die in ihnen repräsentierten größeren oder kleineren Arbeitsquanta, wie z.B. in einem seidenen Schnupftuch eine größere Arbeitsmenge aufgearbeitet sein mag als in einem Ziegelstein. Wie aber misst man Arbeitsquanta? Nach der Dauer der Arbeitszeit, indem man die Arbeit nach Stunde, Tag etc. misst. Um dieses Maß anzuwenden, reduziert man natürlich alle Arbeitsarten auf durchschnittliche oder einfache Arbeit als ihre Einheit. (...)


    Besteht denn in der Tat ein so großer oder überhaupt irgendein Unterschied zwischen der Bestimmung der Werte der Waren durch den Arbeitslohn und ihrer Bestimmung durch die relativen Arbeitsquanta, die zu ihrer Produktion notwendig? Ihr müsst indes gewahr geworden sein, dass das Entgelt für die Arbeit und das Quantum der Arbeit ganz verschiedenartige Dinge sind. (...) Wir unterstellen nun, dass ein Quarter Weizen und eine Unze Gold gleiche Werte oder Äquivalente sind, weil sie Kristallisationen gleicher Mengen von Durchschnittsarbeit (...) sind. Nehmen wir dadurch, dass wir die relativen Werte von Gold und Korn bestimmen in irgendeiner Weise Bezug auf die Löhne des Landarbeiters und des Bergarbeiters? Nicht im geringsten. Wir lassen es ganz unbestimmt, wie ihre Tages- oder Wochenarbeit bezahlt, ja ob überhaupt Lohnarbeit angewandt worden ist. Geschah dies, so kann der Arbeitslohn sehr ungleich gewesen sein. (...)


    Preis ist an sich nichts als der Geldausdruck des Werts. (...)


    Andererseits hängen die Schwankungen der Marktpreise bald über, bald unter den Wert oder natürlichen Preis ab von den Fluktuationen des Angebots und der Nachfrage. Adam Smith (äußerte sich in seinem Wealth of Nations dazu. Marx zitiert ihn und es beinhaltet folgendes). (...)


    Es genügt zu sagen, dass, wenn Angebot und Nachfrage einander die Waage halten, die Marktpreise der Waren ihren natürlichen Preisen entsprechen werden (...)."
    - Karl Marx, "Lohn, Preis, Profit" SAV, S.19ff


    Ist das denn überhaupt noch aktuell? Ich bin mir sicher, es hat Gründe, dass Produkte gerne aus Schwellenländern aufgrund ihres niedrigen Preises gekauft werden. Die Lohn-Preis-Spirale gilt als allgemein akzeptiert, Unternehmen beobachten die Löhne der Bevölkerung. Was hätte denn ein Mindestlohn in China oder Bangladesh für Auswirkungen auf die Preise? Ich würde nämlich generell sagen, dass diese daraufhin steigen würden. Ist der Kapitalist nicht ohnehin zu einem Mindestbetrag Profit verpflichtet, da Investitionen erforderlich sind?
    Eventuell hab ich auch etwas falsch verstanden, ich wäre über eine Erläuterung dankbar.

  • Die Lohn-Preis-Spirale gilt als allgemein akzeptiert....

    Hallo Alet,


    Ich kenne keinen Gewerkschafter und keinen gewerkschaftsnahen Wissenschaftler, der das unternehmerische Schreckgespenst „Lohn-Preis-Spirale“ als richtig ansieht - und von denen ist kein einziger ein Marxist.


    Die erste Frage, die sich hier stellt: Wieviel Prozent macht denn der Lohn vom Warenwert?


    Von 100 Euro Warenwert in der Metall- und Elektroindustrie macht der Lohn in Deutschland derzeit rund 16 Euro, also 16 Prozent.
    Jeder Grundschüler kann hier ausrechnen, um wie viel Prozent die Warenpreise in dieser Branche steigen können, wenn der Lohn der Metallarbeiter um 5 Prozent steigt. (Es ist weniger als 1 Prozent.)


    Die zweite wichtige Zahl, die hier eine Rolle spielt, ist die Arbeitsproduktivität.


    Angenommen ein Arbeiter mit 10 Euro Lohn in der Stunde schafft Werte von 25 Euro.
    Ein anderer Arbeiter mit 15 Euro Lohn schafft aber in der gleichen Zeit Werte von 50 Euro. Welcher Lohn ist dann (relativ) höher? Tatsächlich ist dann ein Lohn von 10 Euro (relativ) höher als ein Lohn von 15 Euro.
    "hoch", "höher", "zu hoch" sind alles relative Werte. Wenn dann ein Lohn steigt, stagniert oder fällt, muss man auch angeben können, in Relation zu was steigt, stagniert oder fällt der Lohn. Wer nur meint: Der Lohn steigt, stagniert oder fällt im Vergleich zum bisherigen Lohn, der hat keine Ahnung von kapitalistischer Ökonomie.


    In der Volkswirtschaft werden deshalb nicht einfach Löhne und Lohnhöhen verglichen, sondern Arbeitskosten pro Stück (Lohnstückkosten) oder Arbeitskosten pro BIP-Stunde etc. So treten die Unternehmen auf dem (Welt)Markt gegenseitig in Konkurrenz. Und deshalb sind Produkte aus Deutschland trotz relativ hoher Löhne auch konkurrenzfähig.


    Und noch eins zum Schluss: Seit dem Jahr 2000 haben unsere Reallöhne in Deutschland mehr oder minder stagniert, und dennoch gab es fast jedes Jahr Inflation. Uns Lohnarbeiter für die kapitalistische Preisinflation verantwortlich machen zu wollen, ist wirklich das Letzte!


    Bitte google erst mal ein paar Sachen, bevor du dich hier wieder zu Wort meldest.


    Gruß Wal

  • Das war eine Verständnisfrage und keine Anklage. Ich habe niemandem irgendetwas vorgeworfen, sondern Theorien angesprochen, die mir kürzlich begegnet sind und ich hier durchblicken wollte, da diese sich gegenüber stehen (und ich habe nicht vor Marx als Dogma auszulegen, ist hoffentlich nachvollziehbar), dafür sind Foren, glaube ich zumindest, auch da. Wenn es anders rüber gekommen ist, dann tut es mir leid, das war aber nicht meine Absicht. Gegooglet habe ich, bin nur auf die Lohn-Preis-Spirale getroffen. Gut, ist auch egal, kommen wir zurück zum Thema.
    Zum Beispiel mit der Metall- und Elektroindustrie, verstehe ich das also richtig, dass der Preis mit der Lohnerhöhung grundsätzlich schon steigt, aber nicht signifikant? Wenn hypothetisch aufgrund sozialer Absicherungen niemand mehr für weniger als 10$ die Stunde arbeiten müsste (ich spreche jetzt über Länder wie China), würden die Preise auch nicht großartig steigen?

  • Hallo,
    hier mal zwei Grafiken zum Thema:





    Zur ersten Grafik: Bei einem Lohnanteil am Umsatz von 15% trägt eine Lohnerhöhung von 1 Euro allenfalls 15 Cent zur Preissteigerung bei. Aber auch das nur, solange falls die Arbeitsproduktivität unverändert bliebe, was selten der Fall ist.
    Und bei allen Lohnarbeitern, deren Produkte exportiert werden, hat ihre Lohnhöhe keinen Einfluss auf das inländische Preisniveau. Ebenso sind alle Waren, die aus dem Ausland importiert werden, von dem Preisniveau bestimmt, das im Herkunftsland herrscht, nicht aber von der Lohnhöhe im Inland.


    Zur zweiten Grafik: In Deutschland sind die Lohnstückkosten seit 1996 gesunken. Die Lohnstückkosten zeigen die realen Konkurrenzverhältnisse an. Wer niedrigere Lohnstückkosten hat, kann seine Waren billiger verkaufen als die Konkurrenz. Wäre das Lohnniveau "schuld" am Preisniveau, müssten wir in Deutschland seit 1996 Deflation haben.


    Im übrigen ist es ökonomisches Allmachtsdenken, wenn du in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung einen Faktor änderst (Lohnerhöhung), und dann behauptest, du könntest die nachfolgende Wirkung präzise vorhersagen (Preiserhöhung).



    In der realen Welt ist es meist so, dass irgendwo Inflation herrscht, und dann und deshalb die Lohnabhängigen mehr Lohn fordern, weil die Inflation ihren Lohn wegfrisst. Sie können für das gleiche Geld immer weniger kaufen.
    In so einer Situation packen die Ideologen des Kapitals dann regelmäßig das Schreckgespenst der Lohn-Preis-Spirale aus, um jede Lohnerhöhung zu diffamieren und zu bekämpfen. Dabei erhöhen diese "Lohnerhöhungen" das Realeinkommen nicht, sondern gleichen allenfalls die Inflationsverlust aus.


    Gruß Wal

  • Kompliment,
    habe den Blog leider sehr spät entdeckt, bin aber oft bei sascha313. Da sich Wessi Linke fast nie für Ökonomie interessieren, sind nachvollziehbare Erklärungen wie von WAL äusserst wichtig. Ich komme aus dem Bereich Kostenrechnung, Steuern, Bilanzen, GUV, Wirtschaftsstatistiken (auch international) seit ca. 35 Jahren. Mit den ME Kapitalbänden seit knapp drei Jahren.
    Der Lohnanteil am Umsatz oder Gewinn ist noch niedriger als man glaubt.
    1) Bei den in der GUV ausgewiesenen Löhnen / Gehältern sind hohe Gehälter für Manager enthalten, die ausser eine Verwandschaft / Freundschaft zu anderen Führungskräften oder Kapitaleignern keine andere Qualifikation nachweisen können.
    2) Der Gewinn wird ebenfalls durch extern Berater verringert, die ebenfalls leistungslos BESCHENKT werden.
    -- Fazit selbst nach bürgerlichen Maßstäben : Der Lohnanteil der arbeitenden Menschen ist real noch geringer. Und der Profit - nach Abzug der Kosten für Freunde / Verwandten - höher.

  • Ich hol das nochmal hoch, weil mir doch wieder etwas unklar ist: Wie sieht das bei Dienstleistungen aus, die Mehrwert produzieren, was bestimmt da den Wert? Und was würde dagegen sprechen, wenn die Bahn, falls die GDL sich durchsetzt, die Kosten für Fahrtickets erhöht, weil die Lokführer höheren Lohn fordern?

  • Hallo Alet,
    auch Dienstleistungen, die als Ware verkauft werden, setzen sich wie alle Waren in c + v + m zusammen.
    in der Regel liegen die Auslagen für konstantes Kapital c bei Dienstleistungswaren niedriger als bei industriell gefertigten Waren. Ausnahmen sind da zum Beispiel medizinisch-technisches Gerät bei der Computertomografie etc.
    Anders gesagt: Der Anteil menschlicher Arbeit v + m ist bei Dienstleistungen höher.


    Der Nachteil: Die Mehrwertrate (m : v) und mögliche Profitsteigerungen sind deutlich geringer, weil sich die Arbeitsproduktivität im Dienstleistungsbereich weniger leicht steigern lässt als in der Industrie. Die Ausbeutungsrate steigt in der Regel mit der gestiegenen Arbeitsproduktivität.
    Eine Maschinenarbeiterin kann mehrere (halb)automatische Maschinen bedienen und überwachen. Eine Friseuse oder eine Krankenschwester können immer nur einen Kunden/Patienten versorgen.


    Heißt: Der Anteil der aktiven menschlichen Arbeit ist bei Maschinenarbeitern niedrig, aber die Ausbeutungsrate m : v ist hoch. Bei der Krankenschwester ist der Anteil der aktiven Arbeit hoch, aber die Ausbeutungsrate niedrig.


    Ein ungefähres Bild der unterschiedlichen Kapitalzusammensetzung in verschiedenen Branchen und Gewerken gibt das:



    (Der Lohnanteil v wurde hier überall gleich gesetzt, um die Darstellung zu vereinfachen)



    Gruß Wal

  • Leider werden in vielen Statistiken zur Manipüulierung produzierende, Industrie Leiharbeiter als Dienstleistung ausgewiesen. Dass dienstleistende Handwerker wie Tapezierer, KFZ Schlosser, Schreiner, Installateure, Metzger, Bäcker dem MATERIAL was sie ver- / bearbeiten mehr Wert zugeben ist verständlich. Wie es bei angestellte Frseuren aussieht, die sicher für den Boss Gewinn bringen, weiss ich nicht. Ebens mit den meisten Arbeitern in der Freizeitbranche (Gastronomie, Fitnessbranche, Kellner, Reiseleiter) wird ja Gewinn gemacht aber es wird keinem Material mehr Wert gegeben. Wenn ein produzierender Arbeiter aber nach einer erholsamen Urlaubsreise 20 Prozent mehr leistet, zahlen einige Kapitalisten sogar bestimmte Freizeitvergnügen.
    Über die Transportbranche hab ich bei Marx wenig gefunden. Da ist Transport von Material (Rohstoffe, Hilfsstoffe, Betriebsstoffe) und Mensch innerhalb einer Produktionsphäre wird als wertsteigernd erwähnt. Während der Transport von Endprodukten zum Kunden, wie Werbung, Verpackung als etwas lästiges, übles erwähnt wird. GDL / Lokführer usw. : Das Transportwesem um Arbeitskräfte zum Fabrikbesitzer oder Ware zum Endkunden zu bringen war / ist für die Kapitalisten tatsächlich etwas ÜBLES. Deshalb wurden / werden die Kosten für den Bau, die Unterhaltung für Strassen und Schienenverkehr ja der Allgemeinheit aufgebürdet. Der Kapitalist bekommt seine Transportkosten also durch Arbeiter subventioniert. Ebenso wird / wurde die Ausbildung der Lokführer / Schienen- / Strassenbauer subventioniert. Wenn nach einer gewissen Zeit keine Subventionierung mehr nötig ist, wird wie am Beispiel Bahn / POST (nicht nur in Deutschland), das Volksvermögern zu einem symbolischen Wert an Kapitalisten verschenkt.
    Interessant finde ich aber eher die Frage,ob mit Mehrwert Profite (ein angestellte Friseuse gibt die Hälfte des Lohnes dem Boss) gemeint sind, oder das tatsächliche zusätzliche Hinzufügen von mehr Wert (ein Schlosser baut aus blöden Metallteilen einen Ofen als Poduktions-, oder Konsumtionsgut).

  • “Ein Schauspieler … ist ein produktiver Arbeiter, wenn er im Dienst eines Kapitalisten arbeitet …, dem er mehr Arbeit zurückgibt, als er in der Form des Salairs von ihm erhält, während ein Flickschneider, der zu dem Kapitalisten ins Haus kommt und ihm seine Hosen flickt, ihm einen bloßen Gebrauchswert schafft, ein unproduktiver Arbeiter ist. Die Arbeit des erstren tauscht sich gegen Kapital aus, die des zweiten gegen Revenue. Die erstre schafft einen Mehrwert; in der zweiten verzehrt sich eine Revenue.”
    (Marx-Engels-Werke Bd.13, S. 625)

  • Alet: „Die Lohn-Preis-Spirale gilt als allgemein akzeptiert, Unternehmen beobachten die Löhne der Bevölkerung.“


    Güter produzierender Bereich.


    Wenn es tatsächlich so wäre, stellte sich die Frage, warum sich die Kapitalisten gegen Lohnerhöhungen wehren. Wenn sie sie einfach über die Preise weitergeben könnten, kann es ihnen ja gleich sein, wie hoch die Erhöhung ausfällt, denn ihr Profit bliebe ja unangetastet. Dass Lohnerhöhungen zu Preiserhöhungen führen m ü s s e n, ist Ideologie.


    Die Preisbildung der Waren findet in praxi durch c+v+m statt. Unter diesen Gesichtspunkt würden sich über die Erhöhung von v die auch die Preise erhöhen. Aber abstrakt bilden sich die Preise gemäß der Werttheorie und werden endgültig auf dem Warenmarkt unter Angebots- und Nachfragebedingungen f e s t g e s t e l l t. Dabei konkurrieren die anbietenden Kapitalisten untereinander durch Unterbieten der Preise von gleichen Produkten. In diesem (abstrakten) Preisbildungsprozess spielen Lohnerhöhungen, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle (z.B. bei „extremen“ Lohnforderungen). Gut geführte und erfolgreiche Unternehmen planen in ihren Budgets ohnehin Lohnerhöhungen ein, die nicht selten über denen der späteren Gewerkschaftsforderungen liegen.


    Entscheidend für die Kapitalisten sind nicht die absoluten Lohnkosten, sondern dass sie im Konkurrenzkampf die Kostenfaktoren c und v als G e s a m k o s t e n niedrig halten. In diesem Zusammenhang ist der Faktor v aber nicht nur ein Fall für die Kostenrechnung und Preiskalkulation, sondern insbesondere ein Fall für Fertigungsverfahren bzw. deren Planung. Dabei stehen aber nicht die absoluten Lohnkosten bzw. Lohnerhöhungen im Mittelpunkt sondern die Arbeitsproduktivität. D. h., die Löhne können, ohne die Profite zu beschneiden, ohne weiteres steigen, wenn es den Kapitalisten gelingt, die Arbeitsproduktivität überproportional zu steigern.


    Der Hauptgrund, warum sich kapitalistischen Verbände gegen Lohnerhöhungen stets lauthals wehren, liegt in der i n t e r n a t i o n a l e n Konkurrenz. Denn natürlich wird der Wettbewerb mit anderen Ländern durch das allgemeine höhere Lohnniveau erschwert, wenn man davon ausgeht, dass die Arbeitsproduktivität in den kapitalistisch höchst entwickelten Ländern etwa gleich hoch ist bzw. konvergiert und die Währung stabil bleiben soll. Deshalb liegt es auch im Interesse des Staates als kapitalistischer Standort, dass das allgemeine Lohnniveau möglichst niedrig gehalten wird. Und zu einer guten Standortpolitik gehört ein konkurrenzfähiges Lohnniveau(s. Agenda 2010). Am Maßstab der Arbeitsproduktivität der kapitalistischen Nationen richten sich letztlich die Lohnerhöhungen aus - sowohl aus Sicht der Kapitalisten als auch der Gewerkschaften. Und da gilt immer: die eigene Nation muss konkurrenzfähig bleiben.


    National indessen gilt, dass der Lohn als Kost zählt. Dann ist er als das Lebensmittel, auf den die Arbeiter angewiesen sind, dabei stets die zu minimierende Größe. Das heißt, dass hier die Reproduktionskosten der Arbeiter der Maßstab für Lohnerhöhungen sind.


    Ausländische Produktion


    Alet: „Was hätte denn ein Mindestlohn in China oder Bangladesh für Auswirkungen auf die Preise?“


    Ceteris paribus auf die importierenden Länder keine, denn China und Bangladesh konkurrieren mit anderen Nationen. Wenn das Lohnniveau in China erhöht wird, ist China auf dem internationalen Markt weniger wettbewerbsfähig und das Geschäft machen dann die Länder mit den niedrigeren Lohnkosten, die zu niedrigeren Preisen anbieten können.



    Alet: „Wenn hypothetisch aufgrund sozialer Absicherungen niemand mehr für weniger als 10$ die Stunde arbeiten müsste (ich spreche jetzt über Länder wie China), würden die Preise auch nicht großartig steigen?“



    Bei „niemand“ setzt du ja quasi ein Kartell voraus, also eine Absprache zwischen Ländern über einen gemeinsamen Mindestlohn. So ein Gedanke ist nicht nur hypothetisch sondern eigentlich Unfug, weil er den gleichen kapitalistischen Reproduktionsstandard in allen Ländern voraussetzt.


    Dienstleistungen


    Alet: „Ich hol das nochmal hoch, weil mir doch wieder etwas unklar ist: Wie sieht das bei Dienstleistungen aus, die Mehrwert produzieren, was bestimmt da den Wert? Und was würde dagegen sprechen, wenn die Bahn, falls die GDL sich durchsetzt, die Kosten für Fahrtickets erhöht, weil die Lokführer höheren Lohn fordern?“



    Der Wert ist auf der einen Seite durch die (abstrakte) Arbeit als Tauschwert bestimmt und drückt auf der anderen Seite ein gesellschaftliches Verhältnis aus, das durch einen Moment beschrieben ist, in dem Menschen Güter bzw. Geld zu bestimmten Proportionen austauschen.


    Was für die Güter zutrifft, gilt auch für produktive Dienstleistungen, denn es ist die gleiche Eigenschaft die Dienstleistungen mit anderen Dienstleistungen, mit Gütern und schließlich mit Geld vergleichbar macht, nämlich dass sie Produkte unterschiedslos menschlicher Arbeit, also Waren sind. Die Preisbildung findet in diesem Sektor deshalb gemäß der Werttheorie statt, wobei die Wertgröße durch die gesellschaftlich notwendige Arbeit bestimmt wird und die Preise schließlich durch die Konkurrenz festgelegt werden. Weil durch produktive Arbeit Wert darstellend, lässt sich mit ihnen deshalb auch Mehrwert durch unbezahlte Arbeit erzielen und mit ihnen Kapital akkumulieren.


    Das heißt, dass auch in diesem Sektor die Preisbildung von anderen Faktoren und nicht von Lohnerhöhungen abhängt bzw. Lohnerhöhungen nicht einfach über die Preise weiter gereicht werden können, letztlich also die Konkurrenz für die Preisfeststellung entscheidend ist. Allerdings kann auch hier die Arbeitsproduktivität und damit der (relative) Mehrwert erhöht werden, sodass Lohnerhöhungen ausgeglichen oder überkompensiert werden können. Dies geschieht vor allem a) durch direkte Erhöhung der Arbeitsintensität (Antreiben von Reinigungskräften etc.), b) durch Anwendung neuer Technik und Technologie (Reinigungsmaschinen, Küchenroboter etc.) oder c) durch strukturelle Änderungen (Ersetzen des traditionellen Versandhandels durch Onlinehandel (Amazon!) etc.).


    Außerdem ist der Spielraum für Preiserhöhungen durch Konkurrenz mit andern (Dienstleistungs)sektoren begrenzt. Das ist insbesondere bei der DB der Fall, die mit anderen Transportsektoren konkurriert.

  • Um nochmal darauf zurückzukommen, wie lässt sich die Phillipskurve aus marxistischer Sicht erklären? Allgemein wird nämlich die Lohn-Preis-Spirale zur Hilfe genommen, die ich aber, wie ich gelernt habe, ausschließen sollte. Nun ist es ja so, dass die Phillipskurve empirisch auch nicht immer zutrifft bzw. nur kurzfristig, mein VWL-Lehrer spricht aber dann davon, dass Modelldenken nie zu 100% in die Realität übertragbar ist, jedoch immer wiederkehrende Tendenzen festzustellen sind.

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