Was macht der Kommunismus mit Mehrarbeit und Mehrprodukt?

  • 1. Was ist Mehrarbeit?

    Karl Marx, Das Kapital I: „Das Kapital hat die Mehrarbeit nicht erfunden. Überall, wo ein Teil der Gesellschaft das Monopol der Produktionsmittel besitzt, muß der Arbeiter, frei oder unfrei, der zu seiner Selbsterhaltung notwendigen Arbeitszeit überschüssige Arbeitszeit zusetzen, um die Lebensmittel für den Eigner der Produktionsmittel zu produzieren ...“ MEW 23, 249.


    Karl Marx: „Ausbeutung heißt, dass die produktiven Arbeiter fremdes Eigentum schaffen und dieses Eigentum über fremde Arbeit kommandiert.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 148.


    Karl Marx, Kapital I: „So entscheidend es für die Erkenntnis des Werts überhaupt ist, ihn als bloße Gerinnung von Arbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Arbeit zu begreifen, so entscheidend ist es für die Erkenntnis des Mehrwerts, ihn als bloße Gerinnung von Mehrarbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Mehrarbeit zu begreifen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 231.


    Karl Marx, Kapital III:„Wir sahen ferner: Das Kapital und der Kapitalist ist nur das personifizierte Kapital und fungiert im Produktionsprozess nur als Träger des Kapitals , also das Kapital pumpt in dem ihm entsprechenden gesellschaftlichen Produktionsprozess eine bestimmte Menge Mehrarbeit aus den unmittelbaren Produzenten oder Arbeitern heraus, Mehrarbeit, die das Kapital ohne Äquivalent (Gegenwert) erhält und die ihrem Wesen nach immer Zwangsarbeit bleibt, wie sehr sie auch als das Resultat freier vertraglicher Übereinkunft erscheinen mag.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 827.


    Mein Resümee:
    Mehrarbeit und das daraus resultierende Mehrprodukt war historisch immer verbunden mit fremder Aneignung der Mehrarbeit, war verbunden mit Ausbeutung und der auf der Ausbeutung basierenden Klassenhierarchie. Wenn also durch die Emanzipation der Arbeitenden Ausbeutung und Klassen verschwinden, sollte man annehmen, dass auch die Mehrarbeit und das Mehrprodukt verschwinden.
    Der Mainstream-Marxismus hat allerdings das Gegenteil behauptet und die Mehrarbeit und das Mehrprodukt mit dem Sozialismus/Kommunismus vereinbar erklärt, ja es zu einem ganz notwendigen Bestandteil des Sozialismus/Kommunismus gemacht.


    Die Begrifflichkeit von Marx und Engels ist allerdings anders.


    2. Was geschieht mit Mehrarbeit und Mehrprodukt im Kommunismus?
    Siehe dazu die folgenden Gedanken:
    F. Engels, Vorwort zu Karl Marx: Das Elend der Philosophie (1884): „Jetzt endlich kommen wir zu dem Punkt, in dem Rodbertus uns wirklich etwas Neues bietet; etwas, das ihn von allen seinen zahlreichen Mitgenossen der Arbeitsgeld-Tauschwirtschaft unterscheidet. Sie alle verlangen diese Tauscheinrichtung zum Zweck der Abschaffung der Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital. Jeder Produzent soll den vollen Arbeitswert seines Produktes erhalten. Darin sind sie alle einig, von Gray bis Proudhon. Keineswegs, sagt Rodbertus. Die Lohnarbeit und ihre Ausbeutung bleibt. Erstens kann der Arbeiter in keinem denkbaren Gesellschaftszustand den ganzen Wert seines Produkts zum Verzehren erhalten; es müssen stets aus dem produzierten Fonds eine Reihe wirtschaftlich unproduktiver, aber notwendiger Funktionen mit bestritten, also auch die betreffenden Leute mit erhalten werden.
    (Das Argument von Rodbertus weist F. Engels zurück, w.b.:) Dies ist nur richtig, solange die heutige Teilung der Arbeit gilt. In einer Gesellschaft mit Verpflichtung zu allgemeiner produktiver Arbeit (...) fällt dies weg. Bleiben aber würde die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds, und daher würden auch dann zwar die Arbeiter, d.h. alle, im Besitz und Genuß ihres Gesamtproduktes bleiben, nicht aber jeder einzelne seinen „vollen Arbeitsertrag" genießen.“ MEW 4, 567




    F. Engels, Anti-Dühring: „Alle Entwicklung der menschlichen Gesellschaft über die Stufe tierischer Wildheit hinaus fängt an von dem Tage, wo die Arbeit der Familie mehr Produkte schuf, als zu ihrem Unterhalt notwendig waren, von dem Tage, wo ein Teil der Arbeit auf die Erzeugung nicht mehr von bloßen Lebensmitteln, sondern von Produktionsmitteln verwandt werden konnte. Ein Überschuß des Arbeitsprodukts über die Unterhaltungskosten der Arbeit, und die Bildung und Vermehrung eines gesellschaftlichen Produktions- und Reservefonds aus diesem Überschuß, war und ist die Grundlage aller gesellschaftlichen, politischen und intellektuellen Fortentwicklung. In der bisherigen Geschichte war dieser Fonds das Besitztum einer bevorzugten Klasse, der mit diesem Besitztum auch die politische Herrschaft und die geistige Führung zufielen. Die bevorstehende soziale Umwälzung wird diesen gesellschaftlichen Produktions- und Reservefonds, das heißt die Gesamtmasse der Rohstoffe, Produktionsinstrumente und Lebensmittel, erst wirklich zu einem gesellschaftlichen machen, indem sie ihn der Verfügung jener bevorzugten Klasse entzieht, und ihn der ganzen Gesellschaft als Gemeingut überweist.“ MEW 20, 180.


    Karl Marx, Kapital I: „Die absolute Minimalgrenze des Arbeitstags wird überhaupt gebildet durch diesen seinen notwendigen, aber verkürzbaren Bestandteil. Schrumpfte darauf der ganze Arbeitstag zusammen, so verschwände die Mehrarbeit, was unter dem Regime des Kapitals unmöglich ist.“ (Anmerkung w.b.: Jenseits des Kapitalismus ist also ein Verschwinden der Mehrarbeit durchaus möglich und vielleicht sogar notwendig.)
    Marx fährt an der gleichen Stelle fort: „Die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform erlaubt, den Arbeitstag auf die notwendige Arbeit zu beschränken.“ (Anmerkung w.b. heißt eindeutig: Die Mehrarbeit entfällt!)
    Marx weiter: „Jedoch würde die letztere (notwendige Arbeit, w.b.) unter sonst gleichbleibenden Umständen, ihren Raum ausdehnen. Einerseits weil die Lebensbedingungen des Arbeiters reicher und seine Lebensansprüche größer wären. Andererseits würde ein Teil der jetzigen Mehrarbeit zur notwendigen Arbeit zählen, nämlich die zur Erzielung eines gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds nötige Arbeit.“ MEW 23, 552.


    Karl Marx, Kapital III: „Der wirkliche Reichtum der Gesellschaft und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres Reproduktionsprozesses hängt ... nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedingungen, worin sie sich vollzieht. Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.“


    Karl Marx, Kapital I: „Stellen wir uns ... einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. ... Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Es bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsmitgliedern verzehrt. ... Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution.“


    Mein Resümee daraus:
    Mehrarbeit und Mehrprodukt sind/waren überwiegend die Existenzgrundlage der herrschenden Klassen und sind insofern Merkmale der fremden Aneignung von Arbeit. Im Sozialismus/Kommunismus gehört das gesamte Arbeitsprodukt den Produzenten, die die gesamte Gesellschaft ausmachen. Mehrarbeit und Mehrprodukt, die jenseits der vorhandenen ("notwendigen") Bedürfnisse liegen, verschwinden. Was von der bisherigen "Mehrarbeit" bleibt, ist ein gesellschaftlicher Produktions- und Reservefonds, den Marx (Kapital I.) im Kommunismus zur notwendigen Arbeitszeit rechnete und nicht zur Mehrarbeitszeit.
    Das ist alles, und diese Terminologie hat den Vorteil, dass sie einfach, klar und konsistent ist.


    Gruß Wal Buchenberg

  • Dein Resümee: „Mehrarbeit und Mehrprodukt sind/waren überwiegend die Existenzgrundlage der herrschenden Klassen und sind insofern Merkmale der fremden Aneignung von Arbeit. Im Sozialismus/Kommunismus gehört das gesamte Arbeitsprodukt den Produzenten, die die gesamte Gesellschaft ausmachen. Mehrarbeit und Mehrprodukt, die jenseits der vorhandenen ("notwendigen") Bedürfnisse liegen, verschwinden.“


    Diese Auslegung hatten wir schon mal. Es war die Grundlage der Planwirtschaft des Realsozialismus, die daraus den Sozialismus als das Gesamtsubjekt, als „gesamte Gesellschaft“ eines Arbeiter- und Bauernstaats konstruiert hatte. Dein Resümee ist daher ein fundamentaler Rückschritt in der Diskussion hierüber.
    Mehrarbeit und Mehrprodukt sind nur „die Existenzgrundlage der herrschenden Klassen“, weil und sofern sie über deren Gesellschaftsform, den Mehrwert der Produkte verfügen. Daraus zu folgern, dass es keine gesellschaftlich freie Mehrarbeit im Kommunismus geben soll, stellt die Marx'sche Argumentation auf den Kopf, der ja gerade darauf hinweist, dass Jenseits des „Reichs der Notwendigkeit“ die freie menschliche Kraftentwicklung“ beginnt, „die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann.“ (MEW 25, Seite 827) Dass der Realsozialismus dies nicht begriffen hat, war wohl ein wesentlicher Grund seines Scheiterns.


    Überhaupt lässt sich eine gesellschaftliche Revolutionierung nicht aus ihrem Organismus begründen, sondern nur aus der Form, aus der Aneignungsform ihrer Produkte. In der bürgerlichen Gesellschaft ist jeder Gebrauchswert Werträger und jede Arbeit Wertbildner, so die Mehrarbeit natürlich Bildner von Mehrwert, weil der Wert zwischen Produktion und Konsumtion vermittelt, also das wirklich abstrakte Bindeglied ist. Vorstellungen von einem Kommunismus sollten von der Freiheit ausgehen, in der die Notwendigkeiten auch wirklich und immer wieder aufgehoben werden. Das halte ich für fundamental. Dazu braucht es zwar eine Organisation der notwendigen Arbeit, nicht aber die Subsumtion einer Mehrarbeit unter deren Zweck. Dass Mehrarbeit immer sein wird, wie Marx bemerkt, heißt nicht, dass man dazu übergehen müsste, Bedürfnisse ob ihrer Notwendigkeit zu befragen und damit zu haushalten. Sie sind vielleicht genauso „notwendig“, wie die Reproduktion und Vermehrung der Menschen ist. Aber diese Notwendigkeit hat ja die Natur schon längst in Betrieb gesetzt und es sollte doch jedem Menschen frei stehen, wann und wie er dem Folge leistet und was er über das gesellschaftlich nötige hinaus erreichen und wofür er dann auch mehr arbeiten will, ohne dass ihm das von einem gesellschaftlichen Subjekt der Arbeit diktiert wird. Dieses Thema hat doch Marx auch zur Genüge in seiner Kritik an § 2 des Gothaer Programm des Ferdinand Lassalle abgehandelt:


    Zweiter Teil des Paragraphen: “Nutzbringende Arbeit ist nur in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft möglich."
    Nach dem ersten Satz war die Arbeit die Quelle alles Reichtums und aller Kultur, also auch keine Gesellschaft ohne Arbeit möglich. Jetzt erfahren wir umgekehrt, daß keine "nutzbringende" Arbeit ohne Gesellschaft möglich ist.
    Man hätte ebensogut sagen können, daß nur in der Gesellschaft nutzlose und selbst gemeinschädliche Arbeit ein Erwerbszweig werden kann, daß man nur in der Gesellschaft vom Müßiggang leben kann etc. etc. - kurz, den ganzen Rousseau abschreiben können.
    Und was ist "nutzbringende" Arbeit? Doch nur die Arbeit, die den bezweckten Nutzeffekt hervorbringt. Ein Wilder - und der Mensch ist ein Wilder, nachdem er aufgehört hat, Affe zu sein - der ein Tier mit einem Stein erlegt, der Früchte sammelt etc., verrichtet "nutzbringende" Arbeit.
    Drittens: Die Schlußfolgerung: "Und da nutzbringende Arbeit nur in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft möglich ist - gehört der Ertrag der Arbeit unverkürzt, nach gleichem Rechte, allen Gesellschaftsgliedern."
    Schöner Schluß! Wenn die nutzbringende Arbeit nur in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft möglich ist, gehört der Arbeitsertrag der Gesellschaft - und kommt dem einzelnen Arbeiter davon nur soviel zu, als nicht nötig ist, um die "Bedingung" der Arbeit, die Gesellschaft, zu erhalten.“ (MEW 19, Seite 16)

  • Hallo Wolfram,
    führen wir also die unterbrochene Debatte zum Begriff „Mehrarbeit“ fort.
    Ich fühle mich allerdings durch deine Antwort mehr missverstanden als verstanden.


    Mein Gedankengang zum Thema "Mehrarbeit/Mehrprodukt" ist folgender:
    1) Was ist der Inhalt/Zweck der Mehrarbeit in der Klassengesellschaft?
    2) Was bleibt von diesem Inhalt/Zweck im Sozialismus/Kommunismus?
    Meine Schlussfolgerung:
    Da zwischen 1) und 2) ein großer und wesentlicher Unterschied besteht, können/sollen sie nicht mit einem und demselben Begriff bezeichnet werden.


    Soweit ich deine Kritik verstanden habe, gehst du von einer Zweiteilung des Arbeitstages im Sozialismus/Kommunismus aus. Im ersten Teil des kommunistischen Tages wird die „notwendige Arbeit“ verrichtet (welchen Inhalt diese notwendige Arbeit hat, müsste noch geklärt werden) und im zweiten Teil des kommunistischen Tages, die „schöne Arbeit“.


    Diese Zweiteilung kann ich gut nachvollziehen. Aber ich habe größte Bauchschmerzen den „schönen Teil“ des kommunistischen Tages mit dem Begriff "Mehrarbeit" und "Mehrprodukt" zu kennzeichnen, der in der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte wesentlich mit Ausbeutung und Unterdrückung verknüpft und verbunden war. Ohne Ausbeutung und Unterdrückung gab es in der bisherigen Geschichte der Menschheit noch niemals Mehrarbeit/Mehrprodukt.
    „Das Mehrprodukt ... , das übrig bleibt, nachdem die Arbeiterklasse ihren Anteil von ihrer eigenen jährlichen Produktion erhalten hat, bildet die Substanz, von der die Kapitalistenklasse lebt. K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 419.


    Mein Vorschlag zur Terminologie der kommunistischen Arbeit wäre:
    Der erste Teil des kommunistischen Tages kann/soll „notwendige oder nützliche Arbeit“ heißen, und diese notwendige Arbeit umfasst neben der Reproduktion der Gesellschaft(smitglieder) und ihrer materiellen, produktiven Basis auch die Vorrathaltung und den Fonds für Erweiterung bzw. Verbesserung der Produktionsmittel. All dies ist für eine sozialistische Gesellschaft wirklich notwendig.
    „Als Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit daher eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 57.


    Der zweite Teil des kommunistischen Tages kann/soll "freie oder schöpferische/künstlerische Arbeit" heißen.
    Siehe dazu Karl Marx:
    „Intensität und Produktivkraft der Arbeit gegeben, ist der zur materiellen Produktion notwendige Teil des gesellschaftlichen Arbeitstags umso kürzer, der für freie, geistige und gesellschaftliche Betätigung der Individuen eroberte Zeitteil also umso größer, je gleichmäßiger die Arbeit unter alle werkfähigen Glieder der Gesellschaft verteilt ist, je weniger eine Gesellschaftsschicht die Naturnotwendigkeit der Arbeit von sich selbst ab- und einer anderen Schicht zuwälzen kann. Die absolute Grenze für die Verkürzung des Arbeitstags ist nach dieser Seite hin die Allgemeinheit der Arbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 552.


    Durch gemeinschaftliches Wirtschaften wird möglich „die freie Entwicklung der Individualitäten, und daher ... die Verkürzung der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum, der dann die künstlerische, wissenschaftliche etc. Ausbildung der Individuen durch die für sie alle freigewordene Zeit und geschaffenen Mittel entspricht“. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 593.


    Das ist mein Verständnis des kommunistischen Tages und meine Terminologie.


    Ich hätte auch volles Verständnis dafür, wenn wir den ersten Teil des kommunistischen Tages als "Arbeitszeit" bezeichnen und den zweiten Teil des Tages als "freie Zeit".
    Damit wären beide Zeitabschnitte nach ihrem unterschiedlichen Zweck benannt. Das ist ebenso nahe bei Marx wie beim üblichen Sprachgebrauch und verzichtet auf Wortklauberei.


    Im übrigen als Anmerkung:

    Diese Auslegung hatten wir schon mal. Es war die Grundlage der Planwirtschaft des Realsozialismus, die daraus den Sozialismus als das Gesamtsubjekt, als „gesamte Gesellschaft“ eines Arbeiter- und Bauernstaats konstruiert hatte. Dein Resümee ist daher ein fundamentaler Rückschritt in der Diskussion hierüber.


    Du unterstellst mir, dass meine Begrifflichkeit „die Grundlage der Planwirtschaft des Realsozialismus“ sei.
    Ich kann diese böse Unterstellung nicht nachvollziehen. Ich habe mich noch nie positiv auf die DDR und das Sowjetsystem bezogen, an dem ich eine ausführliche und gründliche Kritik vorgelegt habe.


    Auch sachlich trifft diese Unterstellung mich nicht. Denn die Theoretiker des Staatsozialismus waren wie du der Ansicht, dass es im Sozialismus und Kommunismus Mehrarbeit und Mehrprodukt geben könne und geben müsse:


    Ökonomie des Sozialismus. Moskau 1971. Berlin 1973.
    Zur „Mehrarbeit im Sozialismus“
    S. 202: „Das Produkt der Mehrarbeit dient, wie Karl Marx betonte, stets der Befriedigung allgemeiner gesellschaftlicher Bedürfnisse ....“
    Diese Erklärung halte ich für eine einseitige und irreführende Interpretation von Marx.


    Zur „notwendigen Arbeit“ heißt es a.a. O. S. 229:
    „Jener Teil des Produkts, der für die persönliche Konsumtion der Werktätigen ... bestimmt ist, wird als notwendige Produkt bezeichnet.“
    Auch diese Erklärung halte ich für eine unvollständige und fehlerhafte Interpretation von Marx.


    a.a.O. S. 230: „Die andere Quelle für den Unterhalt der in der nichtproduktiven Sphäre beschäftigten Werktätigen ist das Mehrprodukt. Es wird auch für die sozialistische Akkumulation ... verwendet.“ Und
    „Einen Teil des Produktes für die Gesellschaft erhält der Werktätige der Produktionssphäre zurück ... Der andere Teil des Produktes für die Gesellschaft bildet das Mehrprodukt.“
    Auch diese Erklärung halte ich für eine falsche Interpretation von Marx.



    Gruß Wal

  • Diese Zweiteilung kann ich gut nachvollziehen. Aber ich habe größte Bauchschmerzen den „schönen Teil“ des kommunistischen Tages mit dem Begriff "Mehrarbeit" und "Mehrprodukt" zu kennzeichnen, der in der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte wesentlich mit Ausbeutung und Unterdrückung verknüpft und verbunden war. Ohne Ausbeutung und Unterdrückung gab es in der bisherigen Geschichte der Menschheit noch niemals Mehrarbeit/Mehrprodukt.
    Das Mehrprodukt ... , das übrig bleibt, nachdem die Arbeiterklasse ihren Anteil von ihrer eigenen jährlichen Produktion erhalten hat, bildet die Substanz, von der die Kapitalistenklasse lebt. K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 419.“


    Es geht mir nicht um die Aufteilung von „schöner“ oder „unschöner“ Arbeit und nicht um eine Tageseinteilung in einer sozialistischen oder kommunistischen Gesellschaft, sondern um das Verhältnis von Notwendigkeit und Freiheit zwischen Individuum und Gesellschaft, das von der Wertform befreit ist, also kein Klassenverhältnis mehr zur Grundlage haben soll. Von daher erübrigen sich alle Zitierungen von Mehrproduktion in einer Mehrwert produzierenden Gesellschaft, worin natürlich die herrschende Klasse das Mehrprodukt als Mehrwert aneignet und darüber hinaus dessen Macht über den Arbeitsprozess dazu verwendet, die Menschen für die Geldvermehrung jenseits der Mehrproduktion arbeiten zu lassen.


    Bei einer Diskussion hierüber sollte die Kritik daran und auch die Bedingungen einer Aufhebung der gegenwärtigen Gesellschaft klar formuliert sein. Es geht bei einer Kritik der politischen Ökonomie implizit natürlich auch um Vorstellungen von einer klassenlosen Gesellschaft, die eine Geschichte überwunden haben soll, in welcher Klassenkämpfe die gesellschaftliche Triebkraft ausmachen. Im Hintergrund bleibt der Hinweis von Marx, dass es notwendige Arbeit und Mehrarbeit immer geben wird. Bei der Diskussion um die Frühsozialisten hat er auch deutlich gemacht, dass es überhaupt falsch ist, eine Gesellschaft wie ein Subjekt abzuhandeln, weil sie endlich als menschliche Objektivität begriffen werden muss, als Resultat und Ursprung der Verhältnisse von Menschen, die sich darin sowohl vergegenständlichen wie auch sich bilden und fortbilden. Es geht also um eine Umkehrung der bisherigen Geschichte, in der das Verhalten einer objektiven gesellschaftlichen Macht und ihrer Produktivkraft das Leben der Menschen bestimmt hat, indem die Produktivkraft von den Menschen angeeignet wird, um damit ihre notwendige Arbeit zu bewältigen und sie ansonsten gesellschaftlich freigestellt sein sollen, ihre darüber hinausgehenden Bedürfnisse und Arbeiten frei zu erfinden und zu entwickeln, so dass „die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben (kann): Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ (MEW 19, Seite 20*ff)


    Und wenn man aus der Kritik der politischen Ökonomie Vorstellungen hierzu entwickeln will, so hat sie Marx beispielsweise auch im Kapital zunächst mal als eine sozialistische Vereinigung erschlossen:
    „Stellen wir uns ... einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. ...
    Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Es bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsgliedern verzehrt. Er muss daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besonderen Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten.“ (MEW 23, S. 92)


    Da geht es nicht um einen Status der Produktion und der Verteilung ihrer Produkte, sondern um ein geschichtliches Verhältnis von Werden und Vergehen, worin das Nötige gesellschaftlich organisiert wird, um zur Bildung eigener Geschichte und Sinne frei zu sein und die Reichhaltigkeit der gesellschaftlichen Beziehungen und Sachen fortzubilden.


    Die Entfremdung der Menschen von ihrer Gesellschaft hat mit der Verarmung ihrer Lebensmöglichkeit extensiv und intensiv zugenommen und hat längst eine kritische Masse erreicht, die auch über die klassischen Bestimmungen der Klassenlagen hinausreicht. Um die darin entstandenen und entstehenden sozialen Bewegungen zu einem radikalen Bewusstsein ihrer Lebensverhältnisse anzustoßen, muss endlich der proletarische Narzissmus überwunden werden, der auf einem Ausbeutungsverständnis beruht, dass nur die Ausbeutung der unmittelbar produktiven Arbeitskraft diese Entfremdung betreibt. Von daher ist gerade heute Kulturkritik als Kritik der politischen Kultur nötig und eine Internationalisierung der Wirtschaft auf der Ebene der einfachsten Lebensverhältnisse: internationale Kommunalwirtschaft. (http://kulturkritik.net/index_allgem.php?code=pfrwol131)

  • Ich denke, Wolfram möchte darauf hinweisen, dass es in einer sozialistischen/(anarcho-/libertär-)kommunistischen Gesellschaft nicht darum gehen kann, dass alle bloß für die Reproduktion arbeiten, sondern es die Möglichkeit geben muss sich mit eigenen Projekten aus dieser heraus zu setzen um so etwas zur Gesellschaft beizutragen, das ihren materiellen und/oder geistigen Reichtum vermehrt und somit Fortschritt erst ermöglicht wird. Hierbei ist dieses "Unternehmertum ohne Kapital" ebenso verpflichtet seinen Teil zum gesellschaftlichen Gesamtkuchen beizutragen.


    So habe ich es jedenfalls verstanden. Sollte ich falsch liegen, so bitte ich um Aufklärung.


    Nebenbei gesagt: Begriffliche Klarheiten in allen Ehren, aber die ständigen Grabenkämpfe wer "seinen Marx" besser verstanden hat oder die größere Auslegungsgenauigkeit beanspruchen kann und wie welche Begriffe denn in höchster Detailausführung richtig seien - das sind genau die Punkte weshalb die (radikale) Linke (zumindest in Deutschland) so wenig Zulauf hat. Anstatt sich Zitate an den Kopf zu werfen sollte einfach jeder klar, und möglichst allgemeinverständlich-simpel, darlegen, was er denn meint. Das kann natürlich Bezug auf Marx haben oder durch dessen Gedanken inspiriert sein. Am Ende sollte aber jeder für sich sprechen.

  • Ja gut. Dabei könnten wir es belassen. Ich denke aber, dass wir damit der Auflösung der dahinter stehenden Diskussionen nicht näher gekommen sind. Da geht es ja um sehr viel mehr. Vor allem die Frage, was will man erreichen und wo kann man hierfür ansetzen und wie kann man das organisieren und warum sollte man das tun? All das zusammen macht das Geschichtsverständnis aus, in welchem wir diese Gesellschaft ändern wollen.
    Für mich jedenfalls ist es sonderbar, warum mein umfassendes Diskussionsangebot hierzu auf diese Seite hier verwiesen wurde, als ich einen Teil des Mehrprodukts auf mehr arbeitende Individuen zurückvermittelt sehen wollte. Ich halte es gerade nach den „Erfahrungen“ mit dem Realsozialismus für unabdingbar, dass eine Grundsicherung für alle, also die Reproduktion des bestehenden Lebensstandards, von der Gemeinschaft geplant und als Subsistenzwirtschaft organisiert wird, und alle Fortbildungen der Gesellschaft dem freien Engagement und der Initiative von entsprechend begabten Menschen überlassen bleibt und auch der Bereicherung entsprechend durch Anteil am Fortschritt zukommen soll. Ein Aufrechnen und Verhaushalten von Bedürfnissen, wie sie in Wals Vorstellung der „Kommune Bochum“ vorgestellt wird, ist hierzu m.E. völlig irrwegig.

  • Ich stimme zu, die dahinterstehenden Fragen nach der Entwicklung der Gesellschaft jenseits der Reproduktion sind damit nur unzureichend bis gar nicht beantwortet. Auch ich habe gegenüber dem von Wal herausgearbeiteten Modell der "Kommune Bochum" einzuwenden, dass eine Vorausplanbarkeit von Bedürfnissen so gar nicht immer machbar ist. Ich sehe es jedenfalls nicht unbedingt als Fortschritt an wenn ich stets vorab wissen muss was ich mir denn als nächstes zulegen will. Viele Bedürfnisse sind spontan und gesellschaftliche Fortentwicklung bedarf eines gewissen Freiraums des Experimentierens.


    Hierbei stellt sich ja die alte Frage wie freie (!) Assoziierung möglich sein soll und dennoch eine Planbarkeit der (Re-)Produktion gewährleistet. Ob wir das nun Reservefonds oder Mehrprodukt nennen ist unwichtig. Klar sollte aber sein, der Reservefonds kann nicht nur meinen einen Fonds für Notfälle parat zu halten, sondern dass die Gesellschaft Mittel vorschießen kann mit welchen sich Menschen kommunal und interkommunal bis transnational vernetzen können um selbstorganisierte Projekte hochzuziehen.


    Soweit mir bekannt sprachst du, Wolfram, von der Idee einer Art "umgekehrten Aktiengesellschaft" bzw. "sozialistische Aktiengesellschaft" und formulierst das im Kulturkritischen Lexikon wie folgt:


    "Hierdurch werde Vermögen, das der Realisation des gesellschaftlichen Mehrprodukts entspringt, in das kreative und produktive Vermögen der Gesellschaft und ihrer Idividuum, sofern sie neue und eigentümliche Beziehung auf die Produktion haben, quasi genossenschaftlich übertragen. (...)


    Daher muss es eine gesellschaftlich kontrollierte Aktie als Vertragsform und Mittel des Vorschusses für eine spekulierte Entwicklungsleistung (z.B. für Projekte in freien Kooperationen) geben, die nicht über Kreditgeber mit Kreditverpflichtung vergeben wird, sondern noch über ein Gemeinwesen als Gesellschaftsspekulation von wertbedingter Konkurrenz frei bleibt und sich auf die Individuen oder in kooperativen Zusammenhängen befindliche Menschen anteilig zum Wert des Vorschusses vermittelt.


    Die so gebildete Darlehensform macht sich in dem Maße überflüssig, wie sich hierin die "freie Assoziation" der arbeitenden Gesellschaft überhaupt ergibt, das Wechselwirken von Einfall, Begabung und Arbeit, Reproduktion und Produktion in einem. Solche Auffasung von Gemeinwesen gibt es schon seit längerem unter dem Begriff des Kommunalismus. Dies würde auf internationaler Eben in einen Kommunismus übergehen, wenn es keiner Geldform der Arbeitsprodukte mehr bedarf."


    Siehe: Wikipool.net -> Sozialistische Aktiengesellschaft

  • Dein Resümee: „Mehrarbeit und Mehrprodukt sind/waren überwiegend die Existenzgrundlage der herrschenden Klassen und sind insofern Merkmale der fremden Aneignung von Arbeit. Im Sozialismus/Kommunismus gehört das gesamte Arbeitsprodukt den Produzenten, die die gesamte Gesellschaft ausmachen. Mehrarbeit und Mehrprodukt, die jenseits der vorhandenen ("notwendigen") Bedürfnisse liegen, verschwinden.“


    Diese Auslegung hatten wir schon mal. Es war die Grundlage der Planwirtschaft des Realsozialismus, die daraus den Sozialismus als das Gesamtsubjekt, als „gesamte Gesellschaft“ eines Arbeiter- und Bauernstaats konstruiert hatte. Dein Resümee ist daher ein fundamentaler Rückschritt in der Diskussion hierüber.
    Mehrarbeit und Mehrprodukt sind nur „die Existenzgrundlage der herrschenden Klassen“, weil und sofern sie über deren Gesellschaftsform, den Mehrwert der Produkte verfügen.
    ...


    Für mich jedenfalls ist es sonderbar, warum mein umfassendes Diskussionsangebot hierzu auf diese Seite hier verwiesen wurde, als ich einen Teil des Mehrprodukts auf mehr arbeitende Individuen zurückvermittelt sehen wollte. Ich halte es gerade nach den „Erfahrungen“ mit dem Realsozialismus für unabdingbar, dass eine Grundsicherung für alle, also die Reproduktion des bestehenden Lebensstandards, von der Gemeinschaft geplant und als Subsistenzwirtschaft organisiert wird, und alle Fortbildungen der Gesellschaft dem freien Engagement und der Initiative von entsprechend begabten Menschen überlassen bleibt und auch der Bereicherung entsprechend durch Anteil am Fortschritt zukommen soll. Ein Aufrechnen und Verhaushalten von Bedürfnissen, wie sie in Wals Vorstellung der „Kommune Bochum“ vorgestellt wird, ist hierzu m.E. völlig irrwegig.


    Hallo Wolfram,


    wie auch immer im Realsozialismus das ganze ausgelegt war, Fakt ist: Die Produzenten verfügten gerade nicht(!) über ihr gemeinsames Arbeitsprodukt.


    Nun mag das eine starke Verkürzung der Argumentation sein, aber für mich ist etwas solange Ausbeutung, wie die, die Herstellen/Produzieren, nicht diejenigen sind, die darüber bestimmen (können), was damit geschieht, wozu sie das ganze überhaupt machen und wer davon nutznießen soll.


    Nun könnten wir (aus meiner Sicht unnötigerweise) seitenlang darüber diskutieren, wie es anders gegangen wäre... - wäre es damals nicht/ hätte es damals nicht.


    Wir könnten diskutieren, wie es zukünftig anders ginge, warum es anders gehen können muß.
    ... Ob, das entscheiden wieder die Menschen, die so leben wollen/können/möchten.


    Eine Grundsicherung (das Wort bringst Du in die Diskussion ein) klingt erstmal 'vernünftig' - nur - wer schafft denn diese, wer arbeitet dafür, wer bestimmt, wer da macht und wer da kriegt.
    Das sind/ wären für mich die entscheidenden Fragen.


    Ist das (also das Bestimmen/Entscheiden/sich einigen darüber) irgendwer anders, als die, die das dann gemeinsam machen - bin ich nach meinem Verständnis in einer Neu-Auflage von Realsozialismus.
    Ich nenne das immer Staatssozialismus.


    Dann gäbe es auch Mehrarbeit, möglicherweise sogar in Deinem Sinne @Wolfram, was die Teilhabe an Fortschritt etc. betrifft - aber eben nicht in 'meinem' Sinne, weil es dann eben doch nicht wirklich freie Arbeit aus meiner Sicht wäre.


    Möglicherweise einigen sich Menschen ja gemeinsam auf eine Art Grundsicherung (ich meine natürlich auch keine in Geld), ziemlich sicher sogar, wenn das ein 'Etwas' sein soll, das gemeinsam so weit wie möglich (auch oder zuallererst) die Lebensrisiken absichert.
    Wie sie das gestalten, finde ich schon wieder zuviel Glaskugelguckerei...


    Denn ein(ig)e Frage(n) sei(en) mir als Einwurf außerdem gestattet:


    Wo fängt denn Grundsicherung an und hört sie auf?
    Ab wo/wann ist etwas nicht mehr nur Grundsicherung?
    Wer bestimmt das?
    Wonach könnte sich das (auch ansonsten) richten?


    Wo kämen die Mittel für das darüber hinaus her (Produktionsmittel, Rohstoffe etc) - wer bestimmt das.
    Hier wieder: Wo wäre da eine Grenze - können wir die hier vom 'Schreibtisch ziehen'.


    Für mich(!) ist Sozialismus/Kommunismus das gemeinsame füreinander Machen, nicht das gerechtere oder andere Verteilen.


    PS - ich versuche mich an dem Wort Mehrarbeit so wenig wie möglich zu stören - denn es stört mich gewaltig - so weit es einen Nebenschauplatz aufmacht, möchte ich aber wenigstens versuchen, auf weitere 'Wortklauberei' zu verzichten, die sie für mich nicht ist.


    Liebe Grüße - Wat.

  • Stalin wollte, dass Arbeiter "Herren" genannt werden. Stalin wollte selbst nicht "Herr" genannt werden. Weil Stalin wollte, durften die Arbeiter in der Sowjetunion nicht fremdbestimmten Malocher genannt werden, die für fremde Interessen und für fremde Herren schuften. Weil Stalin wollte, hieß Mehrarbeit nicht mehr Mehrarbeit und Mehrprodukt nicht mehr Mehrprodukt:


    Stalin sagte: „Mehr noch, ich denke, es ist notwendig, auch einige andere Begriffe über Bord zu werfen, die dem „Kapital“ von Marx entnommen sind, wo Marx sich mit der Analyse des Kapitalismus beschäftigt hat, und die unseren sozialistischen Verhältnissen künstlich angeheftet werden. Ich denke hier unter anderem an Begriffe wie „notwendige“ Arbeit und „Mehr“arbeit, „notwendiges“ Produkt und „Mehr“produkt, „notwendige“ Arbeitszeit und „Surplus“arbeitszeit. Marx hat den Kapitalismus analysiert, um die Quelle der Ausbeutung der Arbeiterklasse, den Mehrwert aufzudecken und der der Produktionsmittel beraubten Arbeiterklasse die geistige Waffe für den Sturz des Kapitalismus zu geben. Es ist klar, dass Marx dabei Begriffe (Kategorien) verwendet, die den kapitalistischen Beziehungen völlig entsprechen. Aber es ist mehr als sonderbar, jetzt mit diesen Begriffen zu operieren, da die Arbeiterklasse der Macht und der Produktionsmittel nicht nur nicht beraubt ist, sondern umgekehrt, die Macht in ihren Händen hat und die Produktionsmittel besitzt. Jetzt, bei unserer Ordnung, klingen die Worte von der Arbeitskraft als Ware, vom „Dingen“ der Arbeiter recht absurd: als ob die Arbeiterklasse, die die Produktionsmittel besitzt, sich selbst dingt und an sich selbst ihre Arbeitskraft verkauft. Ebenso sonderbar ist es, jetzt von „notwendiger“ Arbeit und „Mehr“arbeit zu sprechen: als ob unter unseren Bedingungen die Arbeit der Arbeiter, die für die Gesellschaft geleistet wird und die der Erweiterung der Produktion, der Entwicklung des Bildungswesens, des Gesundheitsschutzes, der Organisierung der Verteidigung usw. gilt, für die Arbeiterklasse, die heute an der Macht steht, nicht ebenso notwendig wäre wie die Arbeit, die für die Deckung des persönlichen Bedarfs des Arbeiters und seiner Familie verausgabt wird.“ Stalin, Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR.


    Stalin behauptete, die "sozialistische Ökonomie" folge seiner juristischen Wortklauberei.
    Merke: Wo ein Einzelner (oder eine Minderheit) bestimmt, was für alle anderen Menschen notwendig ist und was für die anderen Menschen nötig ist zu tun, dort haben also diese anderen Menschen "die Macht in ihren Händen"?

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