EU-Wahlen: War da was?

  • Am Sonntag war Wahl und nur jeder Zweite ging hin. Die Wahlbeteiligung lag in Deutschland mit 48% vergleichsweise hoch. Zu der höheren Wahlbeteiligung hat wohl die künstliche Panikmache vor den „Europa-Gegnern“ im Vorfeld beigetragen.


    Als Hinweis: Wenn knapp 50% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben haben, dann kann und muss man alle gemeldeten Wahlergebnisse durch Zwei teilen:
    Von allen Wahlberechtigten in Deutschland haben ihre Stimme abgegeben:


    - für die CDU/CSU = 16,9 %


    - für die SPD = 13,1 %


    - für die Grünen = 5,1 %


    - für die Linke = 3,5 %


    - für die AfD = 3,4 %



    Die staatstragenden Parteien in Deutschland feiern das als Sieg. In Frankreich sieht das vielleicht ein bisschen anders aus, aber ein Oliver Stock kommentiert im Handelsblatt: „Kein Wähler kann mit seiner Stimme eine Entscheidung befördern oder zunichte machen. ... Solange das so bleibt, wird keine europäische Wahl eine Zäsur für Europa bedeuten.“
    Dem habe ich nichts hinzuzufügen,
    meint Wal Buchenberg


    P.S. Die Kritik der EU-Gegner und EU-Skeptiker an "Brüssel" wäre ein eigener Diskussionspunkt. Das Fatale an dieser Kritik ist, dass die Rechten und Linken sich in dieser Kritik nur wenig unterscheiden:
    Beide werfen "Brüssel" vor, dass die EU-Kommission als Staat fungiert. Als Staat erhebt Brüssel Steuern, als Staat unterhält Brüssel eine Bürokratie, als Staat trifft Brüssel Entscheidungen, die in unser Alltagsleben eingreifen. Als Staat betreibt die EU eine Außenpolitik, die (scheinbar!) aggressiver ist als die Außenpolitik jedes einzelnen Landes.


    Indem sie der EU vorwerfen, als Staat zu fungieren, sind sich Rechte und Linke völlig einig.
    In den vorgeschlagenen Alternativen unterscheiden sie sich:
    Die Rechten behaupten, der eigene Nationalstaat sei als Staat weniger schlimm als die EU. Das ist nicht überzeugend und durch Fakten nicht gedeckt.
    Die (Staats)Linken behaupten, der EU-Staat könne und müsse - wie der eigene Nationalstaat - für die soziale Emanzipation und für die Interessen der Mehrheit genutzt werden.
    Auch das ist nicht überzeugend und durch Fakten nicht gedeckt.
    Dann gibt es noch die EU-Kritik der radikalen Linken, die - ähnlich wie die Rechten - im Vergleich mit dem eigenen Nationalstaat in der EU den schlimmeren, gefährlicheren Staat sehen. Von diesen Linken wird die EU als imperialistische Großmacht hingestellt. Auch das stimmt nicht mit den Fakten. Brüssel hat weder eine Armee noch eine einheitliche Außenpolitik. "Größer" ist halt nicht automatisch "gefährlicher" oder "mächtiger".

  • Unsere Regierungsmedien machen aus der Anti-EU-Mücke einen Anti-EU-Elefanten.
    Zwar haben sich die rechten Abgeordnetensitze der EU-Gegner im Straßburger Parlament von 56 auf 108 verdoppelt, aber sie machen bloß 7 Prozent von allen. Auch die rund 43 linken Abgeordneten fallen nicht ins Gewicht. Auf 600 Abgeordneten in Straßburg – 80% – können die EU-Regierungen weiter zählen.


    In der folgenden Grafik sind die Wahlergebnisse zum EU-Parlament nach Ländern aufgelistet.




    Die Grafik zeigt, dass die (rechten) Gegner der EU in den großen und reichen Ländern beheimatet sind: in England, Frankreich und Italien. Relativ zu seinem Sitzanteil schickt das reiche Dänemark die meisten Gegner ins EU-Parlament, dann folgt gleich Österreich.
    Die kleineren EU-Südländer schicken (mit Ausnahme von Griechenland) überhaupt keine EU-Gegner nach Straßburg.


    Man sieht: der reiche Norden und die großen Staaten (mit Ausnahme von Deutschland) sind eher EU-kritisch. Der arme Süden und die kleinen Staaten sind (mit Ausnahme Griechenland) EU-freundlich. Irland, Portugal und Zypern sind angeblich die größten EU-Opferstaaten, dennoch schicken sie keinen einzigen EU-Gegner nach Straßburg.


    Ich denke, die in Parteien organisierte Gegnerschaft gegen die EU speist sich eher aus der Sorge von Wohlhabenden, die fürchten, durch die EU und in der EU an Einfluss und an Wohlstand zu verlieren. Es sind die bisherigen EU-Gewinnler, die in den jetzigen und kommenden Krisenzeiten Europas ihre Privatschäfchen aus einer EU, der die Schuldenflut bis zum Hals steht, ins Trockene bringen wollen.


    Wie im Ukraine-Konflikt haben radikale Linke auch bei der EU große Schwierigkeiten, sich gegen Rechts abzugrenzen. Wenn Linke meinen, sie könnten mit billigen Anti-EU-Slogans punkten, dann sind sie auf dem Holzweg,
    meint Wal Buchenberg

  • Ich stimme zu, dass die Linke sich überflüssig macht wenn sie sich wie die Rechte artikuliert. Meiner Meinung nach kann ein Aufspringen auf den Wagen der "nationalen Rückbesinnung" wenn man einen trans-/internationalistischen Anspruch pflegt und sich staatskritisch artikuliert (was wohl die etatistisch fixierte Linke ausschließt) nicht drin sein.


    Dennoch frage ich mich welche Losung und Position du vorschlägst, Wal. Zu meinen die EU wäre reformierbar, wie es die Linkspartei verlautbart, halte ich jedenfalls für illusionär.

  • Hallo Mario,
    du erwartest von mir Losungen zur oder gegen die EU. Genausogut könntest du von mir Losungen zur Fußball-WM oder zur Modellpolitik von BMW verlangen.
    Die EU ist eine kapitalistische Veranstaltung, bei der sich die beteiligten Regierungen auf gemeinsame Konkurrenzbedingen einigen (freier Verkehr von Kapital und Lohnarbeit, gemeinsame Produkt-Standards etc.) - teils um Profithemmnisse in Europa zu beseitigen, teils um sich nach außen abzuschotten.
    Ein Soziales Europa ist eine ebensolche Illusion wie ein Sozialer Kapitalismus.
    Allerdings setzt die EU auch einen erweiterten Rahmen für soziale Bewegungen. In den Nachbarländern wurde die deutsche Ökobewegung kopiert. Und wir bekommen bald einen gesetzlichen Mindestlohn, der EU-weit längst eingeführt ist. Die EU erleichtert es im Einzelfall, höhere soziale, demokratische und ökologische Standards aus dem Ausland nach Deutschland zu importieren. EU-weit lassen sich jedoch immer nur Mindeststandards durchsetzen. Deshalb ist für jede soziale Bewegung nicht die EU, sondern die eigene Regierung immer der erste Ansprechpartner.
    Das umso mehr, als die EU immer noch nach dem Konsensprinzip funktioniert. Gegen den Willen der beteiligten Regierungen wird keine EU-Maßnahme beschlossen.
    Wenn in Spanien, Griechenland oder Portugal Brüssel (und Berlin) als der große Diktator hingestellt wird, dann fallen die Linken auf nationalistische Ablenkungsmanöver herein., mit denen sich die dortigen nationalen Regierungen von ihrer Verantwortung für die Krise freiwaschen wollen


    Gruß Wal

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