Zweimal im 20. Jahrhundert meinte die herrschende Elite in Deutschland, sie könne mit Aussicht auf Erfolg um die Weltherrschaft kämpfen. Weniger die Niederlagen in zwei Weltkriegen, als vielmehr die Entkolonialisierung und damit Multipolarisierung der Welt und noch mehr der nachfolgende kapitalistische Boom in Asien und Südamerika („Emerging Economies“) sorgten dafür, dass Deutschlands Gewicht an Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl zu einer Randgröße geschrumpft ist und weiter schrumpfen wird.
1914 wie 1939 lag der deutsche Anteil an der Weltwirtschaft bei 10 %. Im Jahr 2014 liegt er bei 5 % und wird in den kommenden 30 Jahren nach Berechnungen der OECD auf 2 % fallen.
Diese Faktenlage ist für traditionelle Nationalisten eine Tragödie. Das NPD-Parteiprogramm von Bamberg (2010) beginnt mit dem Satz: „Im 21. Jahrhundert entscheidet sich Sein oder Nichtsein des deutschen Volkes.“
Und das Parteiprogramm verspricht Rettung vor der drohenden Katastrophe. Wer oder was da gerettet werden soll und welche Rettungsmaßnahmen vorgesehen sind, soll im folgenden dargestellt werden.
1. Rechte und Pflichten des doitschen Volkes
Das doitsche Volk spielt scheinbar die wichtigste Rolle im NPD-Programm. Dieser Schein trügt. Im folgenden gebe ich eine vollständige Aufzählung, was das doitsche Volk laut NPD-Programm tun soll und tun darf:
1.1 Das doitsche Volk darf sich „eine vom Volk verabschiedete Verfassung geben“.
1.2 Das doitsche Volk soll einen „mit mehr Machtbefugnissen ausgestatteten Präsidenten“ wählen.
1.3 Soweit die Staatsführung es will, wird das doitsche Volk auch zu Volksentscheiden aufgerufen – zum Beispiel zur Wiedereinführung der Todesstrafe.
1.4 Das doitsche Volk soll heiraten (aber nicht gleichgeschlechtlich, das wird von der NPD verboten) und soll Kinder kriegen: „Die Familie – als Trägerin des biologischen Erbes – ist die Keimzelle des Volkes“, heißt es im Kapitel „Intaktes Volk durch intakte Familie“.
1.5 Das doitsche Volk darf und soll die Kinder zu Hause erziehen: „Die erzieherische Verantwortung für Kinder liegt in erster Linie bei der Familie. Für das Kindeswohl ist es am besten, wenn die Betreuung in den ersten drei Lebensjahren hauptsächlich durch die Mutter erfolgt.“ „In der Geborgenheit der Familie können charakterstarke, gemeinschaftsfähige, gesunde und leistungsstarke Kinder heranwachsen.“
1.6 Doitsche Mütter sollen von Lohnarbeit befreit sein: „Mütter sollten nicht aus finanziellen Gründen gezwungen sein, außerhäuslich zu arbeiten.“
1.7 Doitsche Kinder müssen in einem dreigliedrigem Schulsystem mit Rassentrennung lernen: „Im Anschluss an eine gemeinsame Grundschulzeit sind die Schüler entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit in einem mehrgliedrigen Schulsystem zu unterrichten.“ „Die NPD lehnt die gemeinsame Unterrichtung deutscher und ausländischer Schüler ab.“
1.8 Das doitsche Volk - soweit es kein Kapital besitzt - hat die Pflicht zu arbeiten: „Jeder Deutsche hat das Recht wie auch die Pflicht zu arbeiten.“
1.9 Doitsche, die Kapital besitzen, sollen und dürfen Profite erwirtschaften: „Die NPD bekennt sich zu einem freien, aber sozial verpflichteten Unternehmertum als Eckpfeiler einer solidarischen Wirtschaftsordnung.“ „Wir sichern und schaffen Arbeitsplätze in Deutschland, indem wir kurzfristiges Spekulationskapital bekämpfen und Investitionskapital fördern.“ Der kapitalistische Profit soll aber im Lande bleiben: „Produktionsstätten- und Dienstleistungsverlagerungen ins Ausland ... sind zu unterbinden.“
1.10 Das doitsche Volk hat die Pflicht als Soldat in der Armee zu dienen: „Wehrdienst ist Ehrendienst am deutschen Volk.“
1.11 Das doitsche Volk hat die Pflicht im Krieg zu sterben: „Vorbild für die deutsche Armee ist die tapfere Haltung der deutschen Soldaten in allen Zeiten.“
Das ist die vollständige Liste der Rechte und Pflichten, die das NPD-Programm dem doitschen Volk zuerkennt und zubilligt. Diese Rechte und Pflichten gehen nicht über „brav lernen, brav Kinder kriegen, brav arbeiten und – notfalls – als braver Soldat sterben“ hinaus.
Das doitsche Volk ist hier ein geist- und willenloser Körper, der ein staatliches Korsett und einen staatliche Befehlsgewalt benötigt. Das ist das Korsett eines interventionistischen Staates, der alle Verantwortung trägt, alle Geschäfte führt und für alles ein Sorgerecht beansprucht.
Über die Rolle dieses interventionistischen Staates heißt es im NPD-Programm: „Der Staat nimmt die Gesamtverantwortung für das Volksganze wahr ...“ Diese „staatliche Gesamtverantwortung“ geht weit über das „Volksganze“ hinaus und greift bis auf jeden Einzelnen durch. Im NPD-Programm heißt es auch, der Staat müsse „die Geborgenheit des Einzelnen in der Gemeinschaft sichern und den Einsatz des Einzelnen für das Ganze befördern.“ Weiter heißt es: „Der Staat hat die Fürsorgepflicht für alle Deutschen.“ Die NPD propagiert „die grundsätzliche Einheit von Volk und Staat“. Das ist eine Einheit, die aus ganz unterschiedlichen Teilen zusammengesetzt ist: Aus einem passiven, unterwürfigen Teil ("Volk") und einem aktiven, bestimmenden Teil ("Staat").
Die Aufgabe, das unmündige doitsche Volk und jeden einzelnen Doitschen staatlich zu lenken und staatlich zu führen, haben die Mitglieder der NPD für sich und für sich allein vorgesehen. Zu den „Grundgedanken“ des NPD-Programm zählt: „die NPD (strebt) den Austausch der Herrschenden an.“ Die NPD-Leute dienen sich als neue Herrschende an.
Im folgenden wird aufgezeigt, was die Möchtegern-Herrscher der NPD planen.
2. Die Aufgaben des doitschen Nationalstaates
2.1 Autoritäre Staatsstrukturen
Um die „Gesamtverantwortung des Staates für das Volksganze“ und die „staatliche Fürsorgepflicht“ für jeden einzelnen Doitschen effektiv wahrzunehmen, soll der doitsche Staat nach dem Willen der NPD zentralistischer und autoritärer organisiert werden.
Dazu zählen ein direkt gewählter und „mit mehr Machtbefugnissen ausgestatteter Präsident“, die Vereinheitlichung und Zentralisierung des (dreigliedrigen) Schulwesens und die Vereinheitlichung und Zentralisierung eines „staatlich organisiertes Sozialversicherungsmodells“ mit der „Schaffung einer einheitlichen ... Rentenkasse“ und der „Zusammenführung der Vielzahl von Kassen zu einer einzigen Volksgesundheitskasse“.
Der Stärkung der staatlichen Machtstrukturen in Doitschland dienen auch verschärfte Strafandrohungen mit der „Wiedereinführung der Todesstrafe“ und: „Lebenslange Freiheitsstrafe muss tatsächlich lebenslangen Freiheitsentzug bedeuten“ sowie „die Wiedereinführung einer Militärjustiz mit gesondertem Strafrecht“.
Wohlgemerkt: Alle diese Strafandrohungen richtet sich allein gegen das doitsche Volk und jeden einzelnen Doitschen, denn: „Kriminelle Ausländer sind abzuschieben.“
2.2 National organisierter Staat
Besonderes Augenmerk der NPD gilt dem Austritt aus der Europäischen Union, der UNO und der Welthandelsorganisation WHO und der Wiedereinführung der D-Mark: „Das Selbstbestimmungsrecht des Volkes darf nicht durch Rechtsetzungsakte überstaatlicher Organisationen wie der Europäischen Union, der UNO oder der WTO ausgehöhlt werden.“ Das Monopol, durch Rechtssetzung das Volk zu bevormunden, fordert die NPD ganz für sich und ihren NPD-Staat. „Die Mitgliedschaft im Brüsseler EU-Fremdbestimmungssystem muss beendet werden.“
Aus griechischer und zypriotischer Sicht kann ich es verstehen, wenn die EU-Behörden als „Fremdbestimmungssystem“ bezeichnet werden. Aus doitscher Sicht sieht die Sache ganz anders aus. Ohne Beteiligung und ohne Zustimmung der doitschen Regierung wird in Brüssel nichts beschlossen. Aus unserer Sicht, aus Sicht der Lohnabhängigen ist jede Staatsgewalt ein „Fremdbestimmungssystem“, egal ob es seinen Sitz in der Stadtverwaltung, in der Landesregierung, in der Bundesregierung oder in Brüssel hat.
2.3 Staatlich gelenkte, regionale Wirtschaftsstrukturen
Kapitalistische Profitwirtschaft ist im NPD-Staat erlaubt, ihr werden aber enge Grenzen gesetzt, um den Machtspielraum des Staatsapparates zu erhöhen. Die Überschrift heißt: „Die Wirtschaft muss dem Volke dienen“ – und wir haben ja erfahren, dass Volk und Staat in dieser Denke eins ist. Niemand versteht diese Aussage falsch, wenn er sie so liest: „Die Wirtschaft muss dem Staat dienen“.
Weiter heißt es im NPD-Programm: „Die Wirtschaft ist kein Selbstzweck, sondern dienender Teil des Ganzen. Der Staat muss daher der Wirtschaft einen ordnungspolitischen Rahmen setzen.“ Und dieser Rahmen ist eng, denn: „Die Selbstversorgung (Autarkie) ist als wirtschaftspolitisches Staatsziel zu definieren.“
Die Verlagerung von „Produktionsstätten und Dienstleistungen ins Ausland ... sind zu unterbinden.“„Die deutsche Regierung ergreift geeignete Maßnahmen, die Ausbeutung durch Zinsen zu stoppen und die Börsen- und Finanzwirtschaft zu regulieren.““Innerhalb der raumorientierten Volkswirtschaft werden regionale Wirtschaftskreisläufe gefördert, um Beschäftigung und Kaufkraft im Land zu sichern.““Sämtliche Produkte der Finanzwirtschaft bedürfen einer rechtlich kompetenten Prüfung und Zulassung durch eine unabhängige nationale Behörde.“
Das NPD-Programm fordert auch „die Einführung einer nationalen Devisenbewirtschaftung für Kapitalexporte und –importe...“ Da werden doitsche Not- und Stützprogramme aus der Kriegswirtschaft zweier Weltkriege als Heilmittel für kapitalistische Gebrechen gepriesen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass relevante Teile der doitschen Kapitaleigner sich noch einmal für so ein enges staatliches Stützkorsett begeistern werden – es sei denn, es geht ihnen und den Staatsführern wiederum um die totale Mobilisierung aller sozialen und wirtschaftlichen Mittel für ein erneutes militärisches Kräftemessen in Europa.
2.4 Der Vorsorgestaat
Den Lohnarbeitern in Doitschland verspricht das NPD-Programm, dass „die soziale Schere zwischen Arm und Reich ... sich nicht so weit öffnen (darf), dass Klassengegensätze verstärkt und die Volksgemeinschaft gesprengt werden.“ Daher verspricht die NPD den Lohnabhängigen die bewährte Mixtur aus christlich-sozialen Rezepten und sozialdemokratischen Versöhnungsritualen.
Das ist ein „allgemeiner Mindestlohn“ - ohne Größenangabe. Das ist die Rückkehr zu einer „beitragsgerechten Arbeitslosenhilfe“, die HartzIV ersetzen soll, – wiederum ohne Größenangabe.
Zur staatlichen Vorsorge zählt sowohl eine „einheitliche, beitragsgerechte Rentenkasse“, als auch - im Widerspruch zur geforderten Beitragsgerechtigkeit -, „eine existenzsichernde Grundrente für alle Deutschen“ und außerdem noch eine „Altersrente für Mütter“ – alles ohne Größenangabe.
Hier wird nichts anderes und nichts mehr versprochen als was die anderen Staatsparteien von CSU bis Die LINKE zur staatlichen Absicherung gegen die Risiken der Lohnarbeit versprechen.
Soweit aber die NPD vorhat, einzelne Sozialleistungen zu erhöhen und gleichzeitig steigende Kosten für Sozialleistungen zu begrenzen, sind Einsparungen durch Zentralisierung und Vereinheitlichung der Versicherungskassen, und durch eine Sonderbehandlung der nichtdoitschen Lohnabhängigen vorgesehen:
„Ausländer sind aus dem deutschen Sozialversicherungswesen auszugliedern und einer gesonderten Ausländersozialgesetzgebung zuzuordnen.“
2.5 Staatlich gelenkte Landwirtschaft, Versöhnung von Ökologie und Ökonomie
Über die Landwirtschaft heißt es im NPD-Programm: „Eine verfehlte Wirtschaftspolitik ließ Ökonomie und Ökologie in einen unnötigen Gegensatz geraten.“ Also auch hier haben nach Meinung der NPD nur Politik und Staat versagt, nicht das kapitalistische Profitsystem.
Den Gegensatz von privatem Profit und gesellschaftlichem Interesse an Naturschutz meint die NPD mit folgenden Maßnahmen beseitigen zu können: „Weitest gehende nationale Selbstversorgung (ist) anzustreben“.
„Die industrielle Massentierhaltung ist abzulehnen. Die kleinteilige bäuerliche Landwirtschaft ist dagegen zu fördern.“ “Bei der Produktion sind bestmögliche ökologische Herstellungsbedingungen zu beachten.“ Genetisch veränderte Lebensmittel sollen verboten werden bzw. verboten bleiben. Erbgut darf nicht patentiert werden. Tierversuche sind nur „in begrenzter Zahl zu gestatten“. Tierschutz muss „in der Verfassung verankert werden“. "Handlungsbedarf sieht die NPD in der konsequenten Eindämmung des Flächenverbrauchs, in der mischwaldorientierten Forstpolitik und in einem präventiven ökologischen Hochwasserschutz.“„Der Aufrüstung der bereits vorhandenen Kraftwerkstechnik“ - einschließlich der AKWs! - „vor Neubauvorhaben ... ist der Vorzug zu geben.“
2.6 Aggressive Außenpolitik, aber beschränkt auf Europa
Außenpolitisches Ziel der NPD ist die „Wiedervereinigung Deutschlands innerhalb seiner geschichtlich gewachsenen Grenzen.“ Zur „Friedenssicherung“ verlangt die NPD zuallererst doitsche Atomwaffen: „Erst bei Besitz und der Fähigkeit zur Anwendung von Atomwaffen (ist) von einer vollständigen staatlichen Souveränität zu sprechen.“ Die doitschen Atomwaffen sollen vor allem „ein Interventionsverbot für raumfremde Mächte in Europa gewährleisten“. Interventionsverbote für Doitschland und andere Mächte, die in Europa nicht raumfremd sind, gibt es nicht: Erstens soll die „Preisgabe deutscher Gebiete“ rückgängig gemacht werden und dann sollen mit militärischen Mitteln „die Außengrenzen unseres Landes“ geschützt werden. Diese „Außengrenzen“ sind nach Vorstellung der NPD die Grenzen des deutschen Reiches von 1937: „Die NPD bestreitet die Rechtmäßigkeit der durch die Alliierten erzwungenen Grenzanerkennungsverträge.“ Darüber hinaus sollen die „Einsatzgrundsätze“ der doitschen Streitkräfte „die äußere Sicherheit des europäischen Raumes sicherstellen“.
Das ist eine geopolitische Strategie, die klar auf eine militärische Vorherrschaft Doitschlands in und über Europa abzielt, und die damit die außenpolitischen Ziele des Dritten Reiches kopiert. Bei dieser Ausrichtung zielen die NPD-Strategen ausgerechnet auf Russland als engsten Bündnispartner ab: „Auf die Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen ist vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen und den Notwendigen in Gegenwart und Zukunft auf den Gebieten der Politik, Wirtschaft und Verteidigung besonderes Augenmerk zu legen.“ „Eine strategische Energieallianz mit Russland ist anzustreben.“
Vielleicht ist Putin ja auch das NPD-Vorbild für ihren doitschen Präsidenten „mit mehr Machtbefugnissen“.
Kurz: Die NPD ist eine interventionistische Staatspartei mit Zielsetzungen, die aus dem Müllhaufen der doitschen Geschichte stammen, meint Wal Buchenberg.
P.S. Im Dateianhäng steht dieser Text ("NPD.pdf") als PDF-Datei zum Ausdrucken.
Außerdem das NPD-Parteiprogramm von 2010.
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