M. Roberts: Globale Profitrate seit 1960

  • Die Profitrate ist laut Marx das wichtigste Steuerelement des Kapitalismus. Marx wies darauf hin, dass der Kapitalismus mit der Entwicklung und Ausdehnung des konstanten und des zirkulierenden Kapitals eine Tendenz zum Fall der Profitrate hat. Marx wies andererseits darauf hin, dass das Auf und Ab in der Entwicklung der Profitrate zu dem Auf und Ab im Wachstum des Kapitals und in der Entwicklung des Kapitalismus (Aufschwung oder Krise) führt.

    Der orthodoxe britische Marxist präsentiert hier eine neuere Untersuchung über den Fall der Profitrate im Weltmaßstab.


    Globale Profitrate 1960-2020


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    Die Grafik deckt den Zeitraum ab von 1960 bis 2020 (jedes senkrechte Feld ist ein Zehnjahreszeitraum)


    Profitrate des kapitalistischen Zentrums (G20-Staaten)

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  • Hallo Wal


    Ich schreibe hier, weil ich keine passende Rubrik zur Verelendungstheorie gefunden habe:

    7. Abschnitt, 23. Kapitel: Allgemeines Gesetz der kapitalistischen Akkumulation, 2. Relative Abnahme des variablen Kapitalteils & 3. Progressive Produktion einer relativen Übervölkerung:


    Die Zusatzkapitalien werden wieder als konstantes oder variables Kapital angelegt, wobei Marx sagt, dass durch die Akkumulation das Verhältnis von konstantem zu variablem Kapital immer grösser wird.

    • Warum darf er das behaupten?
    • Begründet er diese Behauptung nur aus dem Zwang der Vergrösserung der Produktivkräfte? Ist dies seine einzige elementartheoretische Begründung?
    • Ist dieser Zwang von Zeit zu Zeit tatsächlich immer wieder gegeben?
    • Warum? Könnte es nicht sein, dass eine Firma (abstrakt betrachtet) immer etwa gleich gross bleibt und daher ihr Kapital einfach reproduziert?
    • Wenn man aber die Totalität betrachtet, müsste z.B. eine kleine Bäckerei irgendwann aufgekauft (Zentralisation) oder verdrängt (Konzentration) werden. Wie kann hier theoretisch begründet werden, dass Zentralisation und Konzentration zu einer überproportionalen Zunahme des konstanten Kapitals führen?
    • In den vorigen Kapiteln beweist Marx anhand von elementartheoretischen Beispielen immer wieder seine Thesen ("Der Tageswert der Arbeitskraft beträgt 6 Schilling..."). Meines Erachtens beweist er die Verelendungstheorie ("Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend") anhand von theoretischen Beispielen. Ich sehe in diesen Kapiteln nur den einen Grund für die Verelendung, nämlich den Zwang zur Erhöhung der Produktivkraft. Reicht das aus? Weisst du von anderen Abschnitten oder gar Autoren, die die Verelendungstheorie elementarer theoretisieren können?

    Vielen Dank und viele Grüsse

    Fabian

  • Hallo Fabian,

    Quote

    Die Zusatzkapitalien werden wieder als konstantes oder variables Kapital angelegt, wobei Marx sagt, dass durch die Akkumulation das Verhältnis von konstantem zu variablem Kapital immer grösser wird.

    • Warum darf er das behaupten?
    • Begründet er diese Behauptung nur aus dem Zwang der Vergrösserung der Produktivkräfte? Ist dies seine einzige elementartheoretische Begründung?
    • Ist dieser Zwang von Zeit zu Zeit tatsächlich immer wieder gegeben?
    • Warum? Könnte es nicht sein, dass eine Firma (abstrakt betrachtet) immer etwa gleich gross bleibt und daher ihr Kapital einfach reproduziert?

    Die Zusammensetzung des Kapitals, also das Verhältnis von konstantem zu variablem Kapital, bestimmt die Arbeitsproduktivität. In der Regel steigt die Arbeitsproduktivität mit zusätzlichem Einsatz von Technologie. Die Arbeitsproduktivität steigt aber nur, wenn die zusätzliche Technologie lebendige Arbeit (relativ oder auch absolut) einspart. Gleichzeitig macht das Kapital mit höherer Arbeitsproduktivität einen Extraprofit. Es kann dieselben Waren zu gleichem oder gar niedrigerem Preis verkaufen wie die Konkurrenz und trotzdem denselben oder gar einen höheren Profit machen. Das ist der innerkapitalistische Ansporn zur Verbesserung d.i. Ausweitung der Technologie.

    Sie im Karl Marx-Lexion: Extraprofit.


    Die andere Seite der steigenden Akkumulation des Kapitals und der dadurch veränderten Zusammensetzung des Kapitals ist aber das Sinken der allgemeinen Profitrate. Sie dazu die obigen Analysen von Michael Roberts.


    Weiter:

    Quote

    In den vorigen Kapiteln beweist Marx anhand von elementartheoretischen Beispielen immer wieder seine Thesen ("Der Tageswert der Arbeitskraft beträgt 6 Schilling..."). Meines Erachtens beweist er die Verelendungstheorie ("Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend") anhand von theoretischen Beispielen. Ich sehe in diesen Kapiteln nur den einen Grund für die Verelendung, nämlich den Zwang zur Erhöhung der Produktivkraft. Reicht das aus? Weisst du von anderen Abschnitten oder gar Autoren, die die Verelendungstheorie elementarer theoretisieren können?

    Das ist nur zum Teil richtig.
    Als Karl Marx seine Kapitalismuskritik schrieb, stand der Kapitalismus nach ziemlich am Anfang seiner Entwicklung.
    Marx zieht durchaus Vergleiche im Lohnniveau und vor allem auch in der Arbeitszeit zu vor- und frühkapitalistischen Verhältnissen und stellt dabei fast überall eine Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen fest. Was die künftige Entwicklung des Kapitalismus angeht, konnte sich Marx nur auf seine theoretische Analyse verlassen. Grundsätzlich versuchte Marx aber alle seine Theoreme in der Empirie zu belegen.


    Als F. Engels in späteren Jahren die Kapitalbände II und III herausgab, ging er im Vorwort auch auf die Frage ein, dass sich die Lebensbedingungen der Lohnarbeiter seit 1850 teilweise gebessert haben.


    In der Zeit zwischen 1950 und 1980 haben sich die Lebensbedingungen in Westeuropa ganz sicherlich gebessert.
    Man muss aber zwei Dinge im Kopf behalten:

    Erstens die Frage, ob diese Aufwärtsentwicklung dauerhaft/nachhaltig ist?
    Und zweitens: In welchem Maße der relative Wohlstand, den wir in Deutschland erlebt haben, auf Kosten von Kapitalexport und der Ausbeutung in der zweiten und dritten Welt erfolgt ist. Wir müssen uns auch fragen, inwieweit unser relativer Wohlstand auf der verschärften Ausbeutung der Natur hier und anderswo beruht.

    Fakt ist, dass die Einkommens- und Lebensverhältnisse der Lohnarbeiter in ungeheurem Maße gespreizt wurden von den Kranken und Aussortierten in HartzIV über die prekär Beschäftigten bis zu den angestellten Hochverdienern in den Führungsetagen.



    Die offizielle Lohnquote zeigt/beweist die relative Verelendung in Deutschland. Der Anteil der Arbeiterklasse an dem von ihnen erarbeiten Reichtum nimmt ab:



    Siehe auch im Marx-Lexikon: Verelendung



    Gruß Wal

  • Hallo Wal


    Vielen Dank für die einleuchtenden und ausführlichen Antworten.

    Eine Frage bleibt noch: Ist es nicht möglich, dass durch die (westliche) Politik der Verwendung von zusätzlichem konstanten Kapital irgendwann mal Grenzen gesetzt werden, wenn sie die signifikant steigende Arbeitslosigkeit nicht mehr leugnen kann? Kann dann nicht bloss einfache (oder begrenzt erweiterte) Reproduktion stattfinden? Oder setzen sich dann zwangsläufig irgendwann einmal die anderen Faktoren durch, welche die Profitrate weiter senken?


    Grüsse,

    Fabian

  • Da ich keine Antwort erhalten habe, werde ich anhand der Diskussion mit meinem Freund folgende These aufzustellen:

    Der Anstieg des konstanten Kapitals und damit des fixen Kapitals insgesamt führt mittel- und langfristig zu einem Rückgang des variablen Kapitals, so dass das Prinzip der Wertschöpfung selbst immer mehr angegriffen wird, wenn man die Kernthese teilt, dass nur lebendige Arbeit wirtschaftlichen Wert produziert. Die Politik kann hierbei zeitweilige Entgegenkommen finden, aber sie kann nicht das Wesentliche angehen, da die Kapitalisten durch den Diebstahl des unbezahlten Mehrwerts Profit machen wollen. Die gesamte soziale Maschinerie basiert auf der Steigerung der Profitrate, aber dieses Wachstum ist ad vitam aeternam nicht möglich, da das Prinzip der lebendigen Arbeit, um sie durch tote Arbeit zu ersetzen, angegriffen wird. Und die institutionelle Politik kann diesen Widerspruch nicht lösen, ausser durch eine Revolution. Wie auch immer, alle wichtigen westlichen institutionellen politischen Parteien werden wirtschaftlich von verschiedenen Arten von Kapital unterstütz. Es ist eine völlige Illusion (abgesehen von der Ignoranz und Entfremdung der Eliten), dass die politischen Eliten diesen grundlegenden Widerspruch zwischen lebendiger und toter Arbeit in einem gesellschaftlichen Rahmen, in dem nur der kurzfristige Profit zählt (da der Wettbewerb und der Weltmarkt dazu zwingen, den Profit in einem kurzen Zeitraum (1-5 Jahre) zu sehen), anpassen können(!). Es gibt Hunderte von Beispielen seit der digitalen Revolution (die bereits in den 80er Jahren begann, deren Auswirkungen aber erst in den 2000er Jahren sichtbar wurden). Es ist also in erster Linie ein ontologisches Problem.


    Gruss, Fabian

  • Hallo Fabian,

    du schreibst:

    Quote

    Da ich keine Antwort erhalten habe....

    Ich kann und will nicht auf alle (hypothetischen) Fragen eingehen, die dir durch den Kopf gehen. Du kannst dennoch hier deine Fragen formulieren. Oft hilft es, eine Antwort zu finden, sobald man die Fragestellung gefunden hat.


    Gruß Wal

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