Zur China-Debatte

  • Ich finde, wir können und müssen uns die Frage, ob wir „China unterstützen“ wollen oder nicht, einfacher machen. Ich finde erstens, wir müssen den Chinesinnen und Chinesen selber die Analyse überlassen, welche Gesellschafts- und Wirtschaftsform in China herrscht, und wo und wie die Chinesinnen und Chinesen dort eingreifen können/sollen, um sich individuell und als Gesellschaft weiter zu emanzipieren. Wir außerhalb Chinas sind keine Komintern und sind mit einer solchen Aufgabe ganz klar überfordert. Zweitens haben wir keinen Grund, China und der Sowjetunion Vorwürfe zu machen, dass sie nicht die Fragen gelöst haben, an denen die Kommunisten in Deutschland und Europa gescheitert sind, und die uns weiter auf den Nägeln brennen.

    Was an internationalen Fragen zu beantworten bleibt:

    - war die Beendigung des Kolonialismus und die Erringung mindestens formeller nationaler Unabhängigkeit in Südamerika, Asien und Afrika ein Fortschritt für die Emanzipation der ganzen Menschheit? Ich meine: Ja.

    - war der Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland und der Sieg Chinas über das imperialistische Japan ein Fortschritt für die Emanzipation der ganzen Menschheit? Ich meine: Ja.


    Und nun? Immer noch herrschen kapitalistische Warenproduktion und die Ausbeutung der Lohnarbeit in der ganzen Welt. Ist es aber kein Fortschritt für die Emanzipation der ganzen Menschheit, wenn besonders rückständige Formen der Unterdrückung: mangelnde Rechtsgleichheit, Faschismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Frauenunterdrückung usw. zunehmend beseitigt werden? Damit ist noch nicht der Kapitalismus beseitigt, aber besonders schmerzhafte Schwierigkeiten.

    Je mehr diese besonderen und besonders rückständigen Formen der Unterdrückung beseitigt sind, desto deutlicher treten dann die zugrunde liegenden Klassenverhältnisse hervor. Desto deutlicher wird, dass die Klasse der Produktionsmittelbesitzer alle Vorteile der Gesellschaft (Einfluss, Selbstverwirklichung, Genuss, freie Zeit, Reichtum etc.) für sich monopolisieren, während es die Gemeinsamkeit aller übrigen Menschen ist, dass sie nichts besitzen als ihre Arbeitskraft und deshalb in Abhängigkeit und in Unsicherheit leben müssen.

    Gruß Wal Buchenberg


    (meine Antwort auf Klaus Dallmer)


    P.S. Ich denke, dass es nur im Ausnahmefall gerechtfertigt ist, dass eine soziale Bewegung sich solidarisch mit einer (fremden oder eigenen) Regierung erklärt. Die Pariser Commune war so ein seltener Ausnahmefall und auch die Spanische Republik.

    In allen anderen Fällen greift eine solche Solidaritätserklärung mit einer Regierung nur in die kapitalistische bzw. imperialistische Staatenkonkurrenz ein - was mindestens ein hilfloses, wenn nicht ein schmutziges Unterfangen ist. Im schlimmsten Fall macht sich die soziale Bewegung dann von dieser (fremden oder eigenen) Regierung abhängig - so geschehen mit der "Solidarität mit der Sowjetunion".

    Unsere "Internationale Solidarität" gilt grundsätzlich emanzipatorischen Bewegungen in der Welt, nicht einer Regierung.

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