Pandemie und Inflation

  • Manche machen sich Sorgen wegen langfristiger Folgen durch den Corona-Virus. Das können langfristige Folgen für die Gesundheit der Infizierten sein, längerfristige Folgen für die Gesellschaft, aus der dieser Virus nie vollständig verschwinden wird und längerfristige Folgen für die kapitalistische Wirtschaft.

    Für alle Lohnabhängigen sind solche Sorgen berechtigt: Die Maßnahmen gegen den Corona-Virus brachten nicht nur Einschränkungen der persönlichen Freizeit, sondern auch Einbußen beim Einkommen, die möglicherweise dauerhaft sind, wenn der prekäre Arbeitsplatz in Zukunft ganz wegfällt. Die Wirtschaftsjournalisten, angefangen mit dem „Economist“, machen sich Sorgen um eine drohende Inflation. Auch eine Inflation ist nicht ausgeschlossen, aber negative Folgen hat eine Inflation zunächst und vor allem für alle großen Geldbesitzer, deren Geldbesitz an Wert verliert.

    Wie man an Japan sieht, reicht eine hohe Staatsverschuldung allein nicht aus, um eine Inflation auszulösen.

    Die klassische, kapitalistische Erklärung für Inflation sind hohe Lohnsteigerungen. Nach dieser Theorie ziehen erhöhte Löhne dann erhöhte Preise nach sich. Karl Marx und die historischen Fakten haben diese Theorie längst widerlegt. In aller Regel war es umgekehrt: Erhöhte (Lebensmittel)Preise hatten die Lohnabhängigen gezwungen, zusätzliche Lohnerhöhungen durchzusetzen.

    Der Economist schätzt jedoch die Möglichkeit von "übertriebenen" Lohnerhöhungen nach Abklingen der Corona-Epidemie als gering ein. Durch die Pleitewelle und durch Sparmaßnahmen vieler verschuldeter Unternehmen wird überall die Arbeitslosigkeit zunehmen. „Most forecasts suggest it will take some time for employment to find its pre-pandemic level...“ (Economist). Gestiegene Arbeitslosigkeit ist ein Bleigewicht an allen Lohnforderungen.

    Bleibt ein anderes Argument der Ökonomen: “The private sector will thus find itself flush with cash as vaccinated economies reopen...” (Economist). Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen, aber wir sollten da näher hinsehen.
    Allgemein gesprochen steigen die Preise, wenn die Produktion hinter der Nachfrage zurückbleibt - zum Beispiel wenn sich die Produktionsbedingungen allgemein verschlechtern, wenn die Versorgung im zivilen Sektor durch Kriegsproduktion oder Kriegszerstörung knapp wird oder wenn irgendwo die zahlungskräftige Nachfrage das Angebot übersteigt.
    Die Mehrzahl der Lohnabhängigen, die während der Pandemie von Kurzarbeit betroffen waren und künftig von Arbeitsplatzverlust bedroht sind, werden keinesfalls „find itself flush with cash“ – ganz im Gegenteil. Zwar wurde in diesen Haushalten im Jahr 2020 weniger Geld für Kleidung und persönliche Dienstleistungen ausgegeben, aber solche Einsparungen werden kaum durch doppelte und dreifache Käufe im kommenden Jahr kompensiert werden. Wer 2020 auf den Kauf eines neuen Mantels verzichtet hat, braucht 2021 nicht zwei neue Mäntel. Wer in 2020 seine Friseurtermine halbiert hat, wird kaum 2021 doppelt und dreimal so oft zum Friseur gehen wie vor der Pandemie.

    Wo das Geld tatsächlich lockerer sitzen wird, das ist bei den Wohlhabenden und Reichen. Wenn daher Preise in die Höhe gehen werden, dann beim Luxuskonsum dieser Leute. Das betrifft die Immobilienpreise, Luxusautos, Gold, Luxusreisen, Wertpapiere, Kunst, Weine etc. In diesem Luxussegment werden die Preise weiter hoch bleiben oder noch steigen.

    Meine Überzeugung ist weiterhin:

    Preissteigerungen wird es dort geben, wo überschüssiges, exzessives Geld hinfließt und zusätzliche, exzessive Nachfrage schafft. Das wird nicht der durchschnittliche Konsumgütermarkt sein, mit dem die normale Inflationsrate gemessen wird.


    Wal Buchenberg, 19.12.2020

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