Walter Rösler

“Historische Mission der Arbeiterklasse“?

Dieser weit verbreitete und allgemein Marx zugeschriebene Ausdruck ist  KEINE  originäre Begrifflichkeit von Marx oder Engels. Sie sprachen von der „weltgeschichtlichen Rolle“ des Proletariats“ (2, 37), über „seine geschichtliche Aktion“ (2; 36 f u. 3; 33f), seine „weltbefreiende Tat“ (19; 228. 20; 265), von „seiner geschichtlichen Aufgabe“ (2; 38), oder vom „geschichtlichen Beruf des modernen Proletariats“ (19; 228. 20; 265. 21; 223 u. 23; 21). Sie nannten diese Rolle auch sogleich „Selbstbefreiung“ bzw. „Selbstemanzipation“ des „Proletariats“ oder „Emanzipation der Arbeiterklasse“ und „der gesamten Gesellschaft“ durch die „Arbeiterklasse selbst“ (2; 641. 9; 171. 16; 14. 17; 440 u. 22; 240). Die selbst- und menschheitsbefreiende Rolle des Proletariats ist ihrer Ansicht nach in seiner ganzen Genesis objektiv enthalten.

Der Begriff „Mission“ (missio, mittere = absenden, schicken) dagegen meint: weihevolle Sendung, höhere Berufung, Bevollmächtigung, ehrenvoller Auftrag, zu überbringende Botschaft etc. Die „Mission“ impliziert Auftraggeber (Gott? Kaiser? Partei?), Verkünder und Empfänger von Botschaften, die geglaubt und auch ohne objektiv erzwingenden Grund befolgt werden sollen.

Die Rolle einer sozialen Gruppe hingegen ergibt sich nach Marx aus ihrem Platz in der Gesellschaft. Zum Proletariat präzisierte Marx: “Es handelt sich nicht darum, was dieser oder jener Proletarier oder selbst das ganze Proletariat als Ziel sich einstweilen vorstellt. Es handelt sich darum, was es ist und was es diesem Seingemäß geschichtlich zu tun gezwungen sein wird. Sein Ziel und seine geschichtliche Aktion ist in seiner eignen Lebenssituation wie in der ganzen Organisation der heutigen bürgerlichen Gesellschaft sinnfällig, unwiderruflich vorgezeichnet.“ (2; 38)[1].

Die Bezeichnung „Historische Mission der Arbeiterklasse“ verfehlt also von vornherein die Auffassungen von Marx und Engels über die weltgeschichtliche Rolle des Proletariats.

Ferner ist dieser Term, der erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts – ohne Zutun von Marx oder Engels - mit dem exoterischen „Marxismus“ aufkam, dann aber, im 20. Jahrhundert, wie hier gezeigt werden soll, vom „Marxismus-Leninismus“ okkupiert worden: mit einem wesentlich veränderten, im Gegensatz zu Marxschen Auffassungen deklarierten Inhalt und mit der dennoch aufgestellten Behauptung, Marx und Engels wären die Erst-Begründer dieser „marxistisch-leninistischen Lehre von der historischen Mission der Arbeiterklasse“ gewesen. Das wirkt heute in den Vorstellungen vieler Menschen irreführend nach.
Es kommt hinzu, daß fortbestehende marxistisch-leninistische Parteien auch heute als Gralshüter einer Lehre von der historischen Mission der Arbeiterklasse agieren, die mit der Marxschen Theorie wenig gemein hat.

Das alles macht die inkriminierte Bezeichnung für die Marx-Rezeption unbrauchbar.

1.
In der Politik und im geistigen Leben waren zu Lebzeiten von Marx und Engels Wörter wie Mission, Berufung, Sendung, Bestimmung, Ideal usw. auch in der proletarischen Bewegung gang und gäbe.
Außerdem begann um die Mitte des 19. Jahrhunderts  - nach einer von der Aufklärung und der Französischen Revolution bewirkten tiefgreifenden Säkularisierungsepoche in Europa - ein neuer Aufschwung der missionarischen Aktivitäten christlicher Orden und Vereine, die nun aber mit sozialkaritativem Wirken verbunden waren und dem Wort Mission neues Ansehen verschafften.

Wie gingen Marx und Engels mit dem Wort „Mission“ um?
In einem ersten Paradigma der Anschauungsweise von Marx und Engels - das nach Heiner Müller auch schon deren „Glutkern“ ist[2] - hieß es, daß die Kritik der Religion zu dem kategorischen Imperativ führt, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist, …“ (1; 385). Marx und Engels konnten also an Wörtern mit ideologischem Subordinationsanspruch keinerlei Gefallen finden.

Doch das Wort Mission gibt es auch in einem nüchternen Alltagssinne, z.B. für Auftragsreisen. Dieses alltagspraktische Wort gebrauchten sie natürlich ganz ungeniert (z.B.: 4; 141. 7; 100, 136, 141, 244. 17; 447. 18; 12, 41, 443 und 19; 441). Und wenn sie von einer Person oder einer Gruppierung berichteten, die sich eine höhere Sendung auferlegt hatte oder auferlegen ließ, dann verwendeten sie das Wort Mission auch spöttisch (3; 508. 18; 12, 49, 663. 21; 220. 23; 664/Anmerkung 75).
Ferner verfaßten sie ihre sachkenntnisreichen Artikel für Zeitungen wie die „New York Daily Tribune“ auch mit Rücksicht auf die Begriffswelt der Leser, was nebenbei die Verwendung eines vielleicht doppelsinnigen, sowohl alltagspraktischen als auch, je nach Lesart, bedeutungsschwanger deutbaren Wortes Mission einschließen konnte[3]. Es war der Vorgehensweise von Engels in seinen „zahmen“[4] Kapital-Rezensionen für bürgerlich-liberale Zeitungen entfernt ähnlich (16; 207-242 und 288 ff).

Wirklich aufschlußreich ist aber nur folgendes: Als Marx die Inauguraladresse für die Internationale Arbeiter-Assoziation entwarf, die in einer Kommission erörtert wurde, bevor sie der Zentralrat debattierte und als autorisiertes IAA-Dokument verabschiedete, bemühte er sich, das Konzept für die IAA aus den Erfahrungen der proletarischen Bewegung abzuleiten und es so auszudrücken, daß sich die Proletarier mit ihrem Streben, Denken, Empfinden und auch in ihren Worten darin wiederfanden. Denn die IAA sollte nach Marxens Überzeugung keine von einer Leitung mit einer leitenden Theorie reglementierte Dachorganisation sein, sondern umgekehrt: „ein naturwüchsiges Gebild der proletarischen Bewegung, die ihrerseits aus den normalen und unwiderstehlichen Tendenzen der modernen Gesellschaft entspringt“ (16; 322). Deshalb suchte er auch der Denk- und Ausdrucksweise von Lasalleanern, Proudhonisten und Trade-Unionisten gerecht zu werden, die im provisorischen Zentralrat vertreten waren. „Es war sehr schwierig, die Sache so zu halten, daß unsere Ansicht in einer Form erschien, die sie dem jetzigen Standpunkt der Arbeiterbewegung acceptable machte … Nötig fortiter in re, suaviter in modo“ (31; 16), vermerkte er zu seinem Entwurf. Doch Worte wie „Mission“[5]oder später auch „Sendung“ (letzteres wieder gestrichen und gegen „Tendenz“ ersetzt)[6], griff er in allen seinen Entwürfen für die IAA nur auf, wenn damit bewußt gewordene Ziele proletarischer Organisationen einer schon im „vollen Bewußtsein“ ihrer geschichtlichen Rolle handelnden Arbeiterklasse[7] bezeichnet wurden.
In der von Marx selbst verfaßten ersten deutschen Übersetzung der Inauguraladresse, die er der Kommission und dem Rat in Englisch vorgelegt hatte, hieß es im vorletzten Absatz: “Wenn die Emanzipation der Arbeiterklasse das Zusammenwirken verschiedener Nationen erheischt, wie jenes große Ziel erreichen mit einer auswärtigen Politik, …“(16; 13). In der englischen Originalfassung hatte er statt von einem “großen Ziel” noch von einer “great mission” gesprochen (MEGA I.20, S. 11).

Allerdings konnten Marxsche Entwürfe für die IAA – auch das gehört zu den „historischen Schicksalen“ der Marxschen Theorie – mitunter wegen fehlerhafter oder mutwillig verändernder Übersetzungen auch etwas verschlungene Wege gehen:
Im Juli 1870 verfaßte Marx die „Erste Adresse des Generalrats über den Deutsch-Französischen Krieg“, die dann von Wilhelm Liebknecht so fehlerhaft ins Deutsche übersetzt worden ist, daß Marx diese Übersetzung nicht nur korrigieren, sondern teilweise neu schreiben mußte. In diese Adresse wurde der oben angeführte Passus der Inauguraladresse folgendermaßen zitiert: „Wenn die Emanzipation der arbeitenden Klassen ihr brüderliches Zusammenwirken erheischt, wie sollen sie diese große Mission erfüllen, …“ (MEGA 20.1., Apparat, S. 891).

In einer späteren, von F. Engels 1891 angeleiteten deutschen Neu-Übersetzung dieser „Ersten Adresse …“ aber wird der oben angeführte Passus aus der Inauguraladresse geändert: “Wenn die Befreiung der Arbeiterklasse die brüderliche Vereinigung und Mitwirkung der Arbeiterklasse voraussetzt, …“ (17; 3). Hier wurde aus „Zusammenwirken“ von 1864 und 1870 womöglich der grobe Flüchtigkeitsfehler  „Mitwirkung“. Eine Mitwirkung der Arbeiterklasse an ihrer Befreiung? Durch wen? Das stand im Gegensatz zur Marxschen These von der  S e l b s t - Befreiung des Proletariats, die er stets so entschieden vertreten hatte.

Im Interesse einer politischen Verständigung in der proletarischen Bewegung waren Marx und Engels jedenfalls bereit, auf gebräuchliche, auch gehobene Ausdrucksweisen Rücksicht zu nehmen.

Sie selbst hatten sich, wie wir schon sahen, für Wörter wie Rolle, Beruf, Aktion oder Tat entschieden, wenn sie die sich für das Proletariat aus seiner gesellschaftlichen Stellung notwendig ergebende Aufgabe meinten. Doch auch eine Rolle, ein Beruf, eine Aufgabe kann jemandem aufgetragen werden. Deshalb haben Marx und Engels diese Wörter für ihren eigenen Gebrauch zum Arbeitsbegriff definiert. Das erste Mal, wie oben schon zitiert, in der Heiligen Familie (2; 38). Und das zweite Mal in der Deutschen Ideologie. Zu den Wörtern „Beruf, Bestimmung, Aufgabe, Ideal“ der Proletarier und des Proletariats faßten sie nach einer mehrfachen Kritik ihres mystischen Gebrauchs (2; 152. 3; 151, 209, 219, 225, 243, 255) zusammen, daß sie aber auch „die Vorstellung von den revolutionären Aufgaben, die einer unterdrückten Klasse materiell vorgeschrieben sind“ ausdrücken oder auch „der bewußte Ausdruck der Notwendigkeit, in der Individuen, Klassen, Nationen sich jeden Augenblick befinden, durch eine ganz bestimmte Tätigkeit ihre Stellung zu behaupten“ sein können. (3; 405, s. 269-275 und 404-407). Doch „Bestimmung“ oder „Ideal“ verwendeten sie selbst für das Proletariat nicht, nur „Beruf“ und „Aufgabe“.
In ihren eigenen, „selbstautorisierten“ Schriften, in denen sie ihre Auffassungen unumwunden darlegten und begründeten, ließen Marx und auch Engels keinerlei historische oder große „Mission“ des Proletariats oder der Arbeiterklasse zu, in welcher Wortwahl auch immer.

2.
Mit dem allgemeinen Aufschwung der europäischen Arbeiterbewegung im letzten Drittel des
19. Jahrhunderts wuchs auch das Interesse für die Marxsche Theorie. Es begannen Bemühungen, sie systematisiert sowie gemeinverständlicher darzulegen.
Dabei war seit 1872 - wohl in Anlehnung an den damals populären Darwinismus – auch das Wort „Marxismus“in Mode gekommen, das die Marxsche Theorie und vor allem auch ihre popularisierte Darstellungsform in Schriften von Kautsky und anderen bezeichnete. Plechanow brachte den „Marxismus“ 1883 nach Rußland.[8] Wenn man nun auch von der Marxschen oder marxistischen „Lehre“ zu sprechen begann, griff man ebenfalls ein volkstümliches Wort auf. Und so kam auch die Bezeichnung „Historische Mission der Arbeiterklasse“ (hier fortan: HMdA) für die geschichtliche Rolle des Proletariats vermutlich auf, um mit dem festlichen Wort eindringlicher auf den geschichtlichen Rang des Sachverhalts hinzuweisen. Denn auch in der auf Marx orientierten Arbeiterbewegung waren weiterhin traditionelle, vor allem vom Christentum entlehnte Begrifflichkeiten gebräuchlich.[9]Die Bezeichnung HMdA geht u. a. auf August Bebel, der 1878/79 von der „historischen Mission“ des „moderne(n) Proletariat(s)“ sprach[10], auf  Bernstein[11], auf Plechanow[12] und andere zurück. Später verwendete neben anderen auch R. Luxemburg die „historische Mission“. Man wollte jedoch unter HMdA in jedem Fall nichts anderes als die authentische Marxsche Auffassung vom Proletariat darlegen.
Marx und Engels legten wohl deshalb und wieder aus Rücksicht auf die geistige Selbstentwicklung der Bewegung zumindest kein Veto gegen einzelne Ausdrucksweisen ein.

Die Nivellierung der esoterischen Marxschen Theorie zu einem exoterischen Marxismus seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts schloß jedoch neben berechtigten Vereinfachungen unvermeidbar auch manche Versimpelung und Dogmatisierung ein. Marx merkte mehrfach sarkastisch an: „… ich weiß nur dies, daß ich kein >Marxist< bin!“ (22; 69. 35; 388. 37; 450). Und Engels zitierte >Marxismus< (22; 69) und >Marxisten< (22; 69. 35; 388. 37; 465. 38; 142) nur in Anführungszeichen. Nicht selten kritisierten sie dogmatisierende „Auslegungen“ ihrer Theorie.[13]

Und auch die HMdA übernahmen sie selbstverständlich nicht. Die Verwendung des Wortes Mission oder eines Synonyms davon für die weltgeschichtliche Rolle des Proletariats - irgendeine HMdA oder eine „geschichtliche“ bzw. „weltgeschichtliche Mission des Proletariats“ - wurde in ihren eigenen Arbeiten bisher nicht gefunden. Denn in der Theorie wollten sie sachliche, gegenstandsgemäße Begrifflichkeiten. Zum Beispiel unter „Marxismus“ konnte der Eindruck entstehen, ihre Theorie sei als ein geschlossenes, fertiges und für immer gültiges System zu verstehen und nicht, was sie war und ist, eine offene und nach allen Seiten hin fortentwicklungsbedürftige Gesamtheit aus Fragestellungen, Meinungen, Analysen, Thesen, Hypothesen, Auffassungsweisen und Theorien von verschiedener Evidenz.

3.
Lenin benutzte beide Bezeichnungsweisen. Bekannt ist sein Satz: „Das wichtigste in der Marxschen Lehre (!) ist die Klarstellung der weltgeschichtlichen Rolle des Proletariats als des Schöpfers der sozialistischen Gesellschaft“ (LW 18; 576. Vgl. 1; 297 u. 21; 36). In späteren Angriffen auf Plechanow und Kautsky aber schrieb er: „Die Arbeiterklasse kann ihre welthistorische revolutionäre Mission nicht erfüllen ohne rücksichtslosen Kampf gegen dieses Renegatentum, diese Charakterlosigkeit, diese Liebedienerei vor dem Opportunismus und diese beispiellose theoretische Verflachung des Marxismus (!).“ (LW 21; 313, auch LW 28; 228, s. hier auch 160). Mutete er der Klasse theoretische Fähigkeiten zu, die er in „Was tun?“ bestritten hatte? Kaum. Er meinte vermutlich ein Proletariat, das die Leninsche Führungs-Partei als das neue „Hirn der Klasse“ akzeptiert hatte.

4.
Später avancierte die HMdA zu einer zentralen Kategorie des „Marxismus-Leninismus“ (hier fortan: ML).
Seit Ende der zwanziger Jahre sprach man in der Sowjetunion gelegentlich von marxistisch-leninistischer Theorie (Allunions-Konferenz 1929: marxistisch-leninistische Philosophie). Anfang der dreißiger Jahre kreierte Sinowjew mit Billigung Stalins offiziell den „Marxismus-Leninismus“.
Und das KPdSU-November-Plenum 1938 hob abschließend die „schädliche Trennung“ von Marxismus und Leninismus mit der nun obligatorischen Kategorie ML auf und erklärte den ML zu einem ideologisch-theoretischen System, dessen Inhalt und Propagierung das ZK bestimmt.[14] Man ernannte Marx und Engels - die zu „großen Lehrern“ im Sinne von Verkündern verklärt wurden -  posthum zu den Begründern des ML. Lenin und Stalin stellte man ihnen aber nicht nur gleich, sondern man beförderte sie zu „Führern“, die „die Lehre von Marx und Engels … auf eine neue Stufe gehoben haben.“[15]  Wichtige Bestandteile der Marxschen Theorie[16], wie das in den Frühschriften entwickelte Gedankengut oder die Studien zu Rußlands Geschichte unter dem Einfluß der Mongolenherrschaft, ließ Stalin zurückdrängen oder absetzen. Anderes, wie die dialektisch-materialistische Methode, machte er für seine Zwecke brauchbar.[17]Das Proletariat sei dazu „berufen“, schrieb er, die Massen im „Kampf für den Sturz des Kapitalismus“ zu führen und „die Errichtung der Diktatur des Proletariats sicherzustellen“.[18]Die Parteikader charakterisierte er als mächtigen Schwertträgerorden[19], die Partei als Armee mit Generalität, Offiziers- und Unteroffizierskorps.[20]Die Überlegungen von Marx und Engels über einen friedlichen Weg zum Sozialismus leugnete er strikt: „Marx und Engels lehrten, daß es unmöglich sei, sich auf friedlichem Wege von der Herrschaft des Kapitals zu befreien ...“[21] Neue Aussagen von Lenin und Stalin (Sieg des Sozialismus in einem Land, Rätemacht statt parlamentarisch-demokratischer Republik) erklärte er zu Leitsätzen, die an die Stelle veralteter Marxscher „Formeln“ getreten seien. Andere Thesen gab er als Weiterentwicklungen aus, z.B. die Lehren vom sozialistischen Staatseigentum, vom gesellschaftlichen und individuellen Eigentum im Sozialismus (wofür eine irrtümliche Erklärung von F. Engels Pate stand), von der Partei, vom sich verschärfenden Klassenkampf und vom ständig erstarkenden sozialistischen Staat:

Stalin 1929:  „Die Aufhebung der Klassen wird nicht durch das Erlöschen des Klassenkampfes, sondern durch seine Verstärkung erreicht.  Das Absterben des Staates wird nicht durch Schwächung der Staatsmacht erfolgen, sondern durch ihre  maximale Verstärkung, die notwendig ist, um die Überreste der sterbenden Klassen zu vernichten und die Verteidigung gegen die kapitalistische Umkreisung zu organisieren, …“[22]
Stalin im März 1937, kurz nachdem er im November 1936 den „Sieges des Sozialismus“ verkündet hatte: „Es ist notwendig, die faule Theorie zu zerschlagen und beiseite zu werfen, daß der Klassenkampf bei uns mit jedem Schritt unseres Vormarsches  mehr und mehr erlöschen müsse, … Im Gegenteil, je weiter wir vorwärtsschreiten, je mehr Erfolge wir erzielen werden, um so … eher werden sie (d.h. >die Überreste der zerschlagenen Ausbeuterklassen< W.R.) zu schärferen Kampfformen übergehen, …“[23]

Die neue ML-Doktrin mit ihren Grundlagen, Grundfragen, Formeln, Formulierungen, Gesetzmäßigkeiten, Lehrsätzen sowie Leitsätzen oder Prinzipien[24] bestand nun zum großen Teil – vor allem in der Lehre von der Partei und von der Diktatur des Proletariats, in der Politischen Ökonomie des Sozialismus und in der Sozialismus/Kommunismus-Auffasung - aus ebenso notdürftig begründeten wie apodiktisch verkündeten Lehren, an die unbeirrbar fest zu glauben war.

Die Marxsche Auffassungsweise und Theorie ist eine legitime Erbin der europäischen Aufklärung.
Der Stalinsche ML dagegen war in seinem Ursprungszustand in der UdSSR eine Ausgeburt des alten russisch-asiatischen Fundamentalismus.[25] Das war auch unvermeidbar, wenn zu einer Zeit, als der Sozialismus noch nicht auf der Tagesordnung stand, sogar der große Sprung eines kapitalistisch schwach entwickelten, rückständigen, kriegs- sowie bürgerkriegszerstörten und weitläufigen Landes zu einer Weltindustriemacht staatsterroristisch erzwungen werden sollte. Dann konnte man sich nicht mehr auf Marx, sondern man mußte sich stillschweigend eher auf Iwan den Schrecklichen mit seiner dienstadligen Opritschniki-Garde und alles in allem auf den asiatischen Despotismus orientieren.

Nach Stalins Verstoß aus der Reihe der „Klassiker des ML“ (1956) wurde manches besser.
In vielen gesellschaftswissenschaftlichen Bereichen, vor allem in solchen, die für die Partei- und Staatsoligarchie politisch weniger oder nicht relevant waren, erweiterten sich die Möglichkeiten einer rein gegenstandsbezogenen theoretischen Arbeit. Dennoch blieben nicht nur die fundamentalistischen Grundzüge der ML-Doktrin, nun meist viel moderater angewandt, sondern auch die meisten Lehren, wenig bis stark modifiziert, erhalten. Von Schwertträgern war nicht mehr die Rede, doch behielten die Kader ihre Pistolen. Auch der Vergleich der Partei mit einer Armee kam außer Kurs, doch der reale Partei- und Staatsaufbau und die „Parteisoldaten“ blieben.
Die im Vergleich zu Marxschen Auffassungen absurdeste Lehre wurde fallen gelassen: die Behauptung vom erstarkenden und sich verschärfenden Klassenkampf im Sozialismus. Man hob nun das Bündnis der werktätigen Klassen und Schichten mehr hervor.
Das ließ es aber ideologisch geboten erscheinen, vor allem die „Führungsrolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei“ herauszustellen.

Im offiziellen sowjetischen ML-Lehrbuch hieß es: “Die vollendetste Formulierung der Prinzipien, deren Wahrung für den Sieg des Sozialismus unumgänglich ist, wurde in der Erklärung der Beratung von  Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien (1957) niedergelegt. In ihr werden folgende, die gesamte Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus umfassende Prinzipien und wesentliche Gesetzmäßigkeiten genannt: die Führung der werktätigen Massen durch die Arbeiterklasse, deren Kern  die marxistisch-leninistische Partei ist, …; das Bündnis der Arbeiterklasse mit der Hauptmasse der Bauernschaft und anderen Schichten der  Werktätigen; …“.
Es werden dann noch neun andere Prinzipien  bzw. Gesetzmäßigkeiten deklariert..[26]

Zur Begründung der Führungsrolle der Arbeiterklasse hob man nun also auch die marxistisch-leninistische Lehre von der HMdA hervor, die später parteioffiziell ausführlich ausformuliert wurde. Und obwohl man nun häufig Lenins Satz „Das Wichtigste in der Marxschen Lehre ist die Klarstellung der weltgeschichtlichen Rolle des Proletariats … “, und auch Begrifflichkeiten von Marx und Engels zitierte, kam in den Reden und Schriften von Parteiführern wie W. Ulbricht, E. Honecker, K. Hager, G.N. Ponomarjow  u.a., in Parteibeschlüssen sowie in der parteioffiziellen Literatur so gut wie nur noch die HMdA vor.[27] Diese Formulierung war damit faktisch verbindlich geworden. Sie wurde in der gesamten marxistisch-leninistischen Literatur vorherrschend.

Die Vorliebe für das weihevolle Wort Mission war nicht verwunderlich. Die Führungskader konnten den Eindruck verstärken, Verkünder hoher Weisheit zu sein und die Menschen missionieren zu müssen. Sie hielten es ähnlich wie es nach Ansicht von Marx und Engels der „Sankt Sancho“ mit dem Wort „Beruf“ tat: Sie gaben die HMdA für etwas „Heiliges“ aus, und die Arbeiterklasse sei verpflichtet, sich zum „Knecht des Heiligen“ herzugeben. Es war auch „die leichteste Manier“ für die Kader, „sich überlegen zu wissen ...“ (3; 271).
Im 19. Jahrhundert hatten Arbeiterfunktionäre sowie Vertreter des exoterischen Marxismus den Menschen vertraute Bezeichnungen und Vorstellungen eher absichtslos benutzt. Die Kader-Elite dagegen nutzte und verstärkte „erzieherisch“ gezielt den Alp des Fundamentalismus im Bewußtsein subalterner Bevölkerungen. Zukunftsverheißung, Pathetik, Weisen-Verehrung, Absolutheit der einzigen Wahrheit, Autoritätsgläubigkeit, Altruismus, Kadavergehorsam, Bekenntniszwang, Bekehrungsstreben, Intoleranz, rigide Bestrafung oder Verstoß von „Abweichlern“ und Feindeshaß blieben die eigentlichen „Grundlagen des ML“, auch wenn sie mit den Jahren immer moderater angewandt wurden.

Der Term HMdA wäre aber nicht ganz so bedenklich gewesen, wenn mit ihm  – wie es Ende des
19., Anfang des 20. Jahrhunderts geschehen war - die Marxsche Auffassung vom Proletariat bezeichnet worden wäre, so daß ihr Inhalt den mangelhaften Namen faktisch richtigstellen konnte. Das Gegenteil geschah. Seit Lenin interpretierten alle Parteiführungen die Marxsche Erkenntnis von der Rolle des Proletariats wesentlich um. Unter HMdA wurden zum großen Teil andere, ja ganz entgegengesetzte Aussagen verkündet.
Das sind m. E. die Hauptpunkte der Neubestimmung:

Die HMdA sei das Kernstück der marxistisch-leninistischen Weltanschauung[28].
Das entspricht Lenins Behauptung, die Entdeckung des revolutionären Subjekts sei das „Wichtigste in der Marxschen Lehre“. Doch in der Marxschen Theorie ist sie nicht das Wichtigste: Ihr Zentrum ist die  - mit den gesellschaftlichen Potenzen der großen Industrie begründete – Erkenntnis, daß nach der von der Bourgeoisie nur eingeleiteten politischen Befreiung die „allgemein-menschliche  Emanzipation“ (1; 351,385ff) und die Aufhebung aller Entfremdung der Menschen voneinander und von sich selbst (3; 34ff. 25; 95 ff u. 40; 510 ff) auf die weltgeschichtliche Tagesordnung getreten sei und das Proletariat die soziale Kraft ist, die diese menschheitsbefreiende Tat vollbringen wird.
Der Partei-Oligarchie dagegen ging es mit der oben zitierten Aussage in Wahrheit um den Kern des Kernstücks, um das für sie Wichtigste im Wichtigsten: um die Verkündung, daß die Partei des Leninschen Typs, d.h. der Parteiapparat, Leiter und entscheidendes Instrument der HMdA sei. Mitunter nannten sie es auch schon einmal kurz die „revolutionäre Mission der Kommunisten“[29].

Dabei wurde Lenins Unmündigkeitserklärung des Proletariats, das sich selbst angeblich nur ein in der bürgerlichen Ideologie verhaftetes Oppositionsbewußtsein erarbeiten könne, zum springenden Punkt in der gesamten Konstruktion von der HMdA: Ein sozialistisches Bewußtsein könne die Klasse nicht hervorbringen, behauptete Lenin. Das  müsse „von außen“ hineingetragen werden (LW 5; 385):
   
Die Arbeiterklasse kann „aus eigener Kraft nur ein trade-unionistisches Bewußtsein hervorbringen“ (LW 5, 386). Es sei die Aufgabe der Sozialdemokratie, „in die spontane Arbeiterbewegung bestimmte sozialistische Ideale hineinzutragen, sie mit sozialistischen Überzeugungen, die auf dem Niveau der modernen Wissenschaft stehen müssen, zu verbinden, mit einem Wort, diese spontane Bewegung mit der Tätigkeit der revolutionären Partei zu einem unauflöslichen Ganzen zu verschmelzen.“ (LW 4, 211) “Von der Sozialdemokratie losgerissen, verflacht die Arbeiterbewegung und verfällt unweigerlich in Bürgerlichkeit;…“, behauptete Lenin (LW 4; 367; vgl. LW 5, 386 u. 436).

Marx und Engels dagegen waren der Ansicht, daß Proletarier die künftige Entwicklung ihrer Klasse nicht nur „instinktiv zu antizipieren“ und sich selbst schon als „Partei des Proletariats zu konstituieren“ vermögen (21; 211), sondern daß das Proletariat sich selbst ein Bewußtsein von seiner Klassenlage und von der Notwendigkeit einer besseren Gesellschaft erarbeiten kann. Schon in einem noch „höchst unentwickelt(en)“ Proletariat glaubten sie ein „erste(s), ahnungsvolle(s) Drängen nach einer allgemeinen Umgestaltung der Gesellschaft“ (4; 490) zu entdecken. Sie verwiesen auch auf den „echt proletarische(n) Sozialismus“ in England (2; 452, s. 442-455), auf den „französischen Arbeiterkommunismus“ (21; 207) und auf Weitlings „kommunistisches System“, die „erste selbständige theoretische Regung des deutschen Proletariats“, ein brillantes „Debüt der deutschen Arbeiter“ (21; 209). Doch sie kritisierten zugleich die schweren Mängel dieser Anschauungen und hielten die wissenschaftliche Untersuchung der bestehenden Gesellschaft, ihrer Klassenauseinandersetzungen sowie der proletarischen Bestrebungen für ganz unverzichtbar, um eine theoretische Einsicht in die „Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung“ (4; 474) zu erarbeiten.
Marx hatte die weltgeschichtliche Rolle des Proletariats aber auch in der objektiven sozialen Gerichtetheit seiner spontanen Bewegungen entdeckt. Er erläuterte, daß solche proletarische Forderungen wie die nach gesetzlicher Begrenzung der Arbeitszeit (2; 450. 16; 13 f. 23; 315 – 320) eine politische Ökonomie der Arbeiterklasse zum Ausdruck bringen, die in dem Streben nach „Unterordnung sozialer Produktion unter soziale Ein- und Vorsicht“ besteht, während die politische Ökonomie der Bourgeoisie auf „der blinden Herrschaft der Gesetze von Nachfrage und Zufuhr“ beruht. Völlig unvereinbar sei mit ihr das von den Proletariern geforderte „Recht auf Arbeit“(7; 41/42). Lenin dagegen setzte alle gesetzlichen Ansprüche der spontanen Arbeiterbewegung pauschal den Forderungen jener Kräfte gleich, die das System zu ihren Gunsten ändern, aber nicht überwinden wollen. Und Lenin trieb seinen - unausgesprochenen - Widerspruch zu Marx auf die Spitze: „Kann nun von einer selbständigen, von den Arbeitermassen im Verlauf ihrer Bewegung selbst ausgearbeiteten Ideologie keine Rede sein, so kann die Frage nur so stehen: bürgerliche oder sozialistische Ideologie.“ (LW 5; 395)

Das führte zu der Aussage, daß das Proletariat nicht selbst, sondern erst und nur unter Leitung einer marxistisch-leninistischen Partei - die „das entscheidende Instrument“ der Arbeiterklasse[30] sei und die „Organisation und Leitung des proletarischen Klassenkampfes“ (LW 4, 212) übernehmen müsse –  eine geschichtsmächtige Kraft werden könne. Denn „der spontane Kampf des Proletariats wird nicht zu einem wirklichen >Klassenkampf< werden, wenn er nicht von einer starken Organisation der Revolutionäre geleitet wird.“ (LW 5, 492)
Daraus leitete sich eine hierarchische Struktur der politischen Organisiertheit der Klasse ab: An der Spitze eine zentralistisch organisierte Partei mit einem Kaderkorps aus „Berufsrevolutionären“, die auch konspirativ tätig sind und über „die Zahl der Mitglieder, ihre Auslese, ihre Funktionen usw.“ (LW 5, 493) entscheiden. Zwar hatte Lenin dabei zunächst an die Bedingungen im despotisch regierten Zarenrußland gedacht, doch wurde diese Struktur nach 1917 in der UdSSR und im gesamten „Real-Sozialismus“ bis 1989 beibehalten und perfektioniert.
Ferner müßten sämtliche Organisationen, vor allem die Gewerkschaften, statt das „naturwüchsige Gebild der proletarischen Bewegung“ (16; 322) zu bleiben, von oben betriebene Transmissionsriemen der Partei werden, mit deren Hilfe sie die Aktivitäten der Klasse mobilisiere. Die Arbeiterklasse, und später auch „das gesamte Volk“, müßten in politisch-ideologischer Einheit und Geschlossenheit „fest um die Partei vereint“ werden.
Dann erst wurden der Arbeiterschaft Potenzen attestiert, die fortgeschrittenste Klasse zu werden,  deren Führungsrolle auf dem Wege zum Sozialismus und Kommunismus immer weiter wachse: Sie sei die zahlreichste Klasse, sei mit der fortgeschrittensten Produktionsweise verbunden, ihre Qualifikation und Bildung steige, sie sei am besten politisch organisiert und – geleitet von der Partei – angeblich auch am meisten bewußt. Unter Leitung der Partei sei sie die Hauptkraft der Revolution.
                                             
Das Zentrum der marxistisch-leninistischen Lehre von der HMdA bildete nun also die Lehre von der „Partei neuen Typus“ als einer ideologisch völlig einheitlichen, zentralistisch und straff organisierten, eisern disziplinierten und auch konspirativ tätigen Eliteorganisation aus weisungsberechtigten Parteibeamten und andererseits aus einer streng reglementierten Masse einfacher Mitglieder.
In dieser Partei müsse es einheitlichen Willen, feste organisatorische Geschlossenheit und somit auch ein absolutes Fraktionsverbot geben. F. Engels hatte gewarnt: “Einheit des Gedankens und des Handelns heißt weiter nichts als Orthodoxie und blinder Gehorsam. Perinde ac cadaver.Wir befinden und mitten in der Gesellschaft Jesu“(18; 346). Ferner müßten „strengster Zentralismus mit breiter innerparteilicher Demokratie, die unanfechtbare (!) Autorität der leitenden Parteiorgane mit ihrer Wählbarkeit und Rechenschaftspflicht, die Parteidisziplin mit der schöpferischen Aktivität der Parteimitglieder“[31]  verbunden werden.

“Unter den Bedingungen, da sich die Partei an der Macht befindet, steigen ihre Verantwortung und ihre Rolle unermeßlich und erlangt die Einhaltung der Leninschen Parteiprinzipien … wahrhaft grandiose Bedeutung. Insbesondere gilt das für ihre Rolle als schöpferische ideologische Kraft, die imstande ist, die marxistisch-leninistische Lehre in einer grundlegend veränderten Situation konsequent anzuwenden und theoretische Analysen neuer Erscheinungen rechtzeitig und entschlossen in richtige und für das Volk verständliche politische Entscheidungen umzusetzen. Von außerordentlicher Bedeutung ist die Sorge um die Einheit der Reihen der Partei.Verkörpert doch die Partei den revolutionären Willen der Arbeiterklasse, die unter der Führung der Partei ihre welthistorische Mission erfüllt.“[32]
   
Die Parteiführung entwickle die Theorie weiter, beschließe die Aufgaben der gesellschafts-wissenschaftlichen Forschung, leite und kontrolliere die Gesellschaftswissenschaftler. Die Parteiführung leite und organisiere auch die ideologische Massenarbeit, die Erziehung der Massen. Presse und Literatur unterständen den Weisungen der Parteiführung und müßten sich ebenfalls auf die Erziehungsarbeit unter den Massen konzentrieren.

Die Selbstaufhebung des Proletariats - hieß es nunmehr - finde nicht in einer klassenlosen sozialistischen Gesellschaft, sondern zunächst in seiner Wandlung zur sozialistischen Arbeiterklasse statt, die eine führende Rolle unter den sozialistischen Klassen und Schichten ausüben würde (nach Lenin ein „Verhältnis Führer - Partei - Klasse - Masse“ (LW 31,32ff)). Ihre Führungsrolle im Annäherungsprozeß der Klassen und Schichten werde ständig wachsen.

Die Diktatur des Proletariats sei bis zur höheren Phase des Kommunismus notwendig. Die Marxsche Forderung nach Zerstörung jeder bürokratischen Staatsmaschinerie ignorierend, deklarierte man einen ständig erstarkenden sozialistischen Staat, der „wirtschaftlich-organisatorische und kulturell-erzieherische Aufgaben“ bei der Mobilisierung des ganzen Volkes zu erfüllen habe.
An die Stelle der Marxschen Auffassung von der Rücknahme des Staates in die Gesellschaft war praktisch die Lehre von seiner weiteren Verselbständigung auf unabsehbare Zeit getreten.

Das Staatseigentum gab man als die ständig notwendige und höhere Form des Gesellschaftseigentums der Arbeiter und aller Werktätigen aus. Von der Aneignung der gesellschaftlichen Produktionsmittel durch die assoziierten Arbeiter selbst, wie Marx es gesehen hatte, war längst nicht mehr die Rede.

Neu eingeführt wurde die Bezeichnung „internationale Arbeiterklasse“ für die Gesamtheit der unter „Führung der kommunistischen Weltbewegung“ vereinten Arbeiterklassen kapitalistischer und sozialistischer Länder, welche „die weltgeschichtliche Mission des Sturzes des Kapitalismus und der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft ... erfüllen“.[33] Doch vom Universellwerden der proletarischen „Masse der Menschheit“ (3; 34) sprach man nicht mehr. In dieser parteizentrierten Ausdeutung war das nur eine Parodie auf die Marxschen Vorstellung vom universellen Charakter des Proletariats und seiner Bewegung.

“Die wichtigste Gesetzmäßigkeit in der Entwicklung des revolutionären Weltprozesses ist die Hegemonie der internationalen Arbeiterklasse. Diese Gesetzmäßigkeit bringt die welthistorische Mission der internationalen Arbeiterklasse zum Ausdruck. ... Die Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus… trägt internationalen Charakter und ist nur unter der Bedingung zu erfüllen, daß die Arbeiterklasse als internationale Kraft auftritt. Weiterhin beinhaltet diese Gesetzmäßigkeit, daß die Arbeiterklasse ihre historische Mission nur erfüllen kann, wenn sie von einer marxistisch-leninistischen Partei geführt wird. Diese Gesetzmäßigkeit besagt weiter, daß die Arbeiterklasse mit anderen werktätigen Klassen und Schichten ein festes Bündnis eingehen muß, um ihrer historischen Berufung (!) gerecht zu werden.“[34]

W e l t geschichtlich erhielt jetzt also die politische Bedeutung, ein von der kommunistischen Weltbewegung unter Leitung der KPdSU geführter Kampf der internationalen Arbeiterklasse zu sein. Die sozialistische Staatengemeinschaft wurde zum größten Ergebnis der HMdA erklärt.
Man deklarierte einen „proletarischen“ bzw. „sozialistischen Internationalismus“ zur wichtigsten Verpflichtung einer jeden nationalen Arbeiterklasse, in dessen Zentrum die Pflicht zur Verteidigung der UdSSR und der sozialistischen Staatengemeinschaft und zur uneingeschränkten Solidarität mit diesen Staaten stehe. Das Verhältnis zur KPdSU und zur Sowjetunion, die das verbindliche Grundmodell des Sozialismus verkörpere und der führende, fortgeschrittenste sozialistische Staat wäre, sei das wichtigste Kriterium für die Treue zum ML und zum sozialistischen Internationalismus jedes Kommunisten und jeder Partei:

“Die Sowjetunion erfüllt objektiv die Rolle der Avantgarde im revolutionären Weltprozeß. Als Pionier des Menschheitsfortschritts schreitet sie bei der Verwirklichung der Grundsätze des Kommunistischen Manifests voran. Deshalb ist die Stellung zur KPdSU und zur Sowjetunion der entscheidende Prüfstein für die Treue zum Marxismus-Leninismus und zum proletarischen Internationalismus.“[35]

Aus der Marxschen These von der weltgeschichtlichen Rolle des Proletariats war also faktisch eine Ideologie von der welthistorischen Mission der marxistisch-leninistischen Partei sowie der kommunistischen Weltbewegung als des „Führers“, “Erziehers“ und „Organisators“ der Klasse und der Massen im weltweiten „Kampf um den Sozialismus“ geworden. Die „wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt“ (3; 34) zerfiel erklärtermaßen nun doch „in zwei Teile, von denen der eine über ihr erhaben ist ...“ (3; 6):  Einerseits die Parteibürokratie mit den von ihr dirigierten Parteimitgliedschaften, Gewerkschaften und andere Organisationen als „Transmissionsriemen“ der Parteiführungen zur Klasse, ferner der von der Partei geleitete Staat und das Staatseigentum in der Verfügungsgewalt des Politbüros. Andererseits die diesen „Führungs- und Machtorganen“ untergeordnete und zur eigenwillenlosen Realisierung von Direktiven verurteilte Klasse.
Der gesellschaftlichen Praxis des Proletariats, seinen originären Kämpfen, war die Potenz aberkannt worden, proletarisches Klassenbewußtsein zu erzeugen. Eine Selbst-Aufhebung des Proletariats war nicht möglich. Es mußte zu seiner „Emanzipation“ von der Partei vereint und geleitet werden.

Letztlich handelte es sich darum, auch die Marxsche These von der weltgeschichtlichen Rolle des Proletariats in der verzerrten Gestalt der marxistisch-leninistischen Lehre von der HMdA vollständig in eine kunstvoll formulierte Apologetik für die mehr oder minder despotische Herrschaft der Politbüros in den real-sozialistischen Staaten zu verwandeln. Außerdem ging es darum, die koordinierte Tätigkeit der in der kommunistischen Weltbewegung vereinten und vom KPdSU-Politbüro dirigierten Parteien auf allen Kontinenten zu rechtfertigen, die auf die Verteidigung und auch Erweiterung des sowjetischen Einfluß- und Machtbereiches ausgerichtet war.

Die „historische Mission der Arbeiterklasse“, einst von einigen Verfassern eines exoterischen Marxismus wohl mehr nur ein wenig gedankenlos - ohne Beachtung der Marxschen Intentionen - verwendet, nunmehr aber mit dem implantierten neuen Kernstück: der Leitung durch die marxistisch-leninistische Partei als dem entscheidenden Instrument ausgestattet und auf die welthistorische Mission der internationalen Arbeiterklasse unter Führung der kommunistischen Weltbewegung erweitert, avancierte in dieser Neufassung zur wichtigen Kategorie der – realitäts-verschleiernden und daher phrasenhaft verklausulierten - marxistisch-leninistischen Herrschaftsideologie.

Das alles war und ist ganz unvermeidbar, sobald die politischen Führungen einer Bewegung, die von Marx herkommt und sich ihm verpflichtet erklärt, unbedingt, wann und wo auch immer, aber möglichst bald, die Herrschaft an sich reißen wollen, obwohl die Voraussetzungen, die Verhältnisse und die Bewegung selbst noch bei weitem nicht reif genug und alle sich von der eigenen Bewegung absondernden und über sie erhebenden Führungen selbst gänzlich ungeeignet dafür sind. Sie können dann alles Mögliche, nur keinen Sozialismus hervorbringen, falls sie es überhaupt noch wollten. Die Marxsche Theorie muß dann unweigerlich gegen eine Apologetik ersetzt werden, die sich nur noch zum Schein auf Marx beruft.

5.
Die Ideologie Marxismus-Leninismus und ihre Kategorie HMdA wirken auch heute noch weiter.
Sie werden von marxistisch-leninistischen Theoretikern und Parteien vertreten.
Manche von ihnen verwenden die Bezeichnung ML schon weniger gern und sprechen oft lieber von Marxismus.

Solche Skrupel haben Kommunistische Parteien des originär stalinistischen Typs, wie die ostdeutsche KPD und die unbeirrbaren Verfechter der „Lehren von Marx, Engels, Lenin, Stalin, Mao tse Tung und Kim Il Sung“ – wie W.I. Kluschin, N. Andrejewa, und K. Gossweiler - nicht.

Die marxistisch-lenistische Lehre von der HMdA ist auch in der Juche-Ideologie enthalten und wird dort z.B. von Kim Jong Il folgendermaßen bis zu dem springenden Punkt, der unbeirrbaren Ergebenheit der Menschen für ihren großen Führer, forterzählt:
“Mitte des 19. Jahrhunderts begründeten Marx und Engels den Marxismus, markierten die historische Mission der Arbeiterklasse, erhellten ihren Weg zur Befreiung … und leiteten so den Beginn der internationalen kommunistischen Bewegung ein.“ Zur Partei und ihrem Führer schreibt Kim Jong Il: „Die Partei der Arbeiterklasse ist der Generalstab der Revolution, und der Führer der Arbeiterklasse steht am  Steuer der Revolution. … Nur unter der klugen Lenkung der Partei und des Führers können die Arbeiterklasse, die Volksmassen den … revolutionären Kampf … entfalten, …“  Und das Wichtigste in der Juche-Ideologie bestimmt er so: „Den Kern der Juche-Anschauung … bildet die Treue zur Partei und zu dem Führer. Bahnbrecher der großen Sache, des Sozialismus und Kommunismus, sind die Führer, und sie wird von der revolutionären Partei und von ihnen geleitet, was die Voraussetzung für den Sieg der revolutionären Bewegung ist. Darum kommt es auf die unwandelbare Treue zur Partei und zum Führer an, …“[36]In der offiziellen Biographie dieses Führers erfahren wir dann, daß das koreanische Volk sogar „seinen höchsten Lebenssinn darin sieht, ihn hoch zu verehren und ihm ewig die Treue zu halten.“[37]

Selbstverständlich üben solche Parteien heute nur einen geringen Einfluß aus, von der KPD ganz zu schweigen. Dennoch tragen sie in allen ihren ideologischen Verschiedenheiten dazu bei, die Kategorie HMdA für jede Marx-Rezeption gänzlich ungeeignet zu machen.

6.
Die Behauptung, Marx und Engels hätten für das Proletariat eine historische Mission gesehen, wird aber auch noch von anderen erhoben. Marx-Kritiker, welche seine Auffassung vom Proletariat – die sich in der bisherigen Geschichte nicht wie erwartet erwiesen hat und überprüfungsbedürftig ist – jedoch a priori für falsch halten und sie pauschal verwerfen, verwenden nicht selten statt der Marxschen Begriffe den Term HMdA als wäre er von Marx. So z.B. schrieb M. Brie, daß Marx eine „historische Mission des Proletariats“ erfunden habe, die eine mit „Mißtrauen“ zu betrachtende „suggestive Losung“ sei.[38]
Kritiker sagen, die alte Arbeiterklasse mit ihrem Kern, der Industriearbeiterschaft sei im Schwinden. Richtig, sie schrumpft mit der Arbeit. Doch die proletarischen „Massen“ (1; 390. 3; 35, 36, 39, 40, 42 usw.), das Proletariat? Es scheint nun wirklich zur großen „Masse der Menschheit“ (3; 34) zu werden, und es bringt vielleicht auch neue „fortgeschrittenste Abteilungen“ hervor?
Sie wenden ferner ein, daß die Arbeiterbewegung sich überwiegend mit der bürgerlichen Gesellschaft ausgesöhnt habe. Tatsächlich erkennen heute linke Parteien, in denen Meinungsbildung möglich ist, zwieschlächtige Zivilisationsfortschritte in dieser Gesellschaft mehr oder minder kritisch an. Doch nicht wenige orientieren sich – und das ist ebenfalls im Marxschen Sinne - auf eine gesellschaftliche Transformation zum Sozialismus.
Aber vor allem gibt es unter den proletarischen Massen selbst neue spontane antikapitalistische Bewegungen, die nach Wegen zum Sozialismus suchen. Und viele Menschen leben heute bereits in kritischer Distanz zur kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft. Sie weigern sich, ihr Leben ganz in die Kapitalreproduktion einbannen zu lassen und entwickeln alternative Lebensweisen mit vielen individuell selbstbestimmten, sinnvollen und kreativen Tätigkeiten. Es entstehen auch weiterhin alternative Arbeits- und Lebensgemeinschaften.

Das eigentliche Problem der Marxschen These von der weltgeschichtlichen Rolle des Proletariats besteht jedoch gerade in der Begründung, wonach das Proletariat seinem ganzen „Sein gemäß geschichtlich„gezwungen sein wird“ (2; 38) - das sei „unwiderruflich vorgezeichnet“ (2; 38) bzw. „materiell vorgeschrieben“ (3, 405) - , sich selbst und die ganze Menschheit zu emanzipieren.
Ist das vielleicht nur eine pointierte, ja exorbitant ausgedrückte Distanzierung von allen „Missions“-Vorstellungen? Oder kommt hier evtl. noch ein Geschichtsautomatismus zum Ausdruck (der von Marx später aber eindeutig nicht vertreten worden ist)?[39] Ferner: Gesellschaftliche Transformationsprozesse gingen in der bisherigen Geschichte von Eigentümerklassen aus. Die Ausgebeuteten rebellierten zwar heftig, und oft versuchten sie auch, neue Verhältnisse zu begründen. Doch eine dauerhaft lebensfähige neue Gesellschaft brachten sie nicht hervor. Das Proletariat wäre demnach die erste eigentumslos arbeitende Klasse, die zu einer solchen epochemachenden Tat befähigt ist. Woraus bezieht sie ihre gesellschaftliche Schöpferkraft?
Sowohl diese Marxsche Begründung dafür – sie ist umfangreich - als auch die bisherige geschichtliche Erfahrung mit der wirklichen Rolle des Proletariats bedürfen der näheren Untersuchung. Doch das steht auf einem anderen Blatt.
Hier aber steht zunächst eines fest: Eine von Marx expressiv verbis artikulierte HMdA gibt es nach unserer heutigen Kenntnis der Marxschen Schriften nicht. Sie hätte seinem theoretischen Selbstverständnis auch nicht entsprochen.

7.
Schließlich gibt es auch Marx-Kritiker, die in die Marxschen Schriften aus der Religion übernommene Vorstellungen, eine jüdisch-messianische Grundverhaftung, einen „marxistischen Chiliasmus“[40] und dgl. mehr hineinkonstruieren: Sie unterstellen Marx ebenfalls die HMdA. Kein Wunder, daß ihnen der Term HMdA sehr willkommen ist.

So z. B. Andre Gorz:, der in „Abschied vom Proletariat“ behauptet:  “Christentum, Hegelianismus und Szientismus. … Religiosität sind … keine  zufälligen Phänomene des Marxismus. Sie gehören notwendig zu einer Philosophie hegelscher Struktur (auch wenn diese „berichtigt“ wurde), deren Prophetismus keine andere Grundlage hat als die den Geist des Propheten erleuchtende Offenbarung. Tatsächlich sucht man vergeblich nach einer Begründung der marxistischen Theorie des Proletariats. …Die Philosophie des Proletariats ist religiös.“[41]  Andre Gorz erleichtert sich so eine Auseinandersetzung mit der Marxschen These von der weltgeschichtlichen Rolle des Proletariats.[42] Dafür bietet er uns allerdings durchaus ernsthafte Aussagen über das Proletariat gegen Ende des 20. Jahrhunderts und weiterführende Vorschläge für die Zukunft der Linken an, die er inzwischen noch gründlicher ausgearbeitet hat.
Auch Rene Ahlberg meint: “Die welthistorische Mission, die … von Karl Marx dem Proletariat im 19. Jahrhundert  zugewiesen wird, ist kaum ohne einen Blick auf die im deutschen Idealismus entwickelte Begrifflichkeit zu verstehen.“[43]
Oder Arnold Künzli, der eine sachkundige Übersicht über die Marxsche Eigentumstheorie gibt, ihr jedoch die Behauptung voranstellt und sie dann wiederholt, im Denken von Marx hätten sich „positivistisch-wissenschaftliches und innerweltlich-heilsgeschichtliches Denken“ mittels der Hegelschen Dialektik verbunden. Und hinter alledem „wirkte unverkennbar die bestimmende Macht der heilsgeschichtlichen Botschaft eines Judentums, dem die Ahnen von Marx ... verpflichtet gewesen waren und dem Marx, gerade indem er es bewußt verdrängte, zutiefst verbunden blieb.“  ...  Und so erscheint bei ihm dann auch die Marxsche Auffassung der Rolle des Proletariats a priori in dieses heilsgeschichtlich-weihevolle Licht getaucht.[44]

Was immer man an der Marxschen Theorie zu Recht kritisieren kann und muß: eine „religiöse Philosophie des Proletariats“ läßt sich weder expressis verbis – schon gar nicht mittels der ihm unterschobenen HMdA - noch mit der gründlichen Analyse Marxscher Schriften nachweisen. Propheten verkünden verheißungsvolle Ideen, Prinzipien und Visionen. Marx und Engels gingen von vornherein – es war die erste Voraussetzung ihrer theoretischen Arbeit – in offene und überaus heftige Konfrontation dazu. Und sie beharrten stets darauf: Kommunisten „stellen keine besonderen Prinzipien auf, wonach sie die proletarische Bewegung modeln wollen. … Die theoretischen Sätze der Kommunisten beruhen keineswegs auf Ideen, auf Prinzipien, die von diesem oder jenen Weltverbesserer erfunden worden sind. Sie sind nur allgemeine Ausdrücke eines existierenden Klassenkampfes, eine unter unseren Augen vor sich gehenden Bewegung“ (4; 474f).
Sie weigerten sich auch, ein sozialistisch/kommunistisches Gesellschaftsbild zu zeichnen, wie es Prophetensache wäre. Marx: „Da ich niemals ein >sozialistisches System< aufgestellt habe, …“ (19; 357). Engels: „Vorgefaßte Meinungen in bezug auf die Organisation der zukünftigen Gesellschaft im einzelnen? Davon werden Sie bei uns keine Spur finden“ (22; 542). Sie hoben nur jene Grundzüge einer künftigen Gesellschaft hervor, welche sich ihren Untersuchungsergebnissen nach in den schon vorhandenen Voraussetzungen des Sozialismus, die der Kapitalismus hervorbringt, abzuzeichnen beginnen.
Und den moralischen Impetus in ihrer Intellektualität – in der sich Ethismus, Szientismus und Ästhetizismus verbinden – wird man Marx und Engels ja wohl nicht anlasten können.

Walter Rösler, überarbeitet am 8.3.2003



[1] s. dazu jedoch W.F. Haug „Pluraler Marxismus“, Band 1, Abschnitt „IV. Geschichtsphilosophie und Bruch mit derselben“, S. 37-47

[2] Zitiert von W.F. Haug in „Dreizehn Versuche, marxistisches Denken zu erneuern“, Karl Dietz Verlag Berlin 2001, S. 34

[3] In dem Artikel von K. Marx für die New-York Daily Tribune vom 8.8.1853: „Die künftigen Ergebnisse der britischen Herrschaft in Indien“ heißt es: „England hat in Indien eine doppelte Mission zu erfüllen: …“ (MEW 9, 221). Und in der Artikelserie für dieselbe Zeitung: „Das revolutionäre Spanien“, beginnt die 5. Folge mit den Worten: „Die Zentraljunta versagte in der Verteidigung ihres Vaterlands, weil sie in ihrer revolutionären Mission versagt hatte“ (MEW 10, 459).

[4] s. MEW 16, 632f

[5] In den Instruktionen für die Delegierten des Zentralrats“: „Die Gewerksgenossenschaften … scheinen … zum Bewußtsein ihrer großen historischen Mission zu erwachen, …“ MEW 16, 197

[6] s. MEW 17; 343, auch Fußnote 1

[7] In „Der Bürgerkrieg in Frankreich. Adresse des Generalrats der IAA“: Im vollen Bewußtsein ihrer geschichtlichen Sendung… kann die Arbeiterklasse sich begnügen, zu lächeln gegen die plumpen Schimpfereien der Lakaien von der Presse …“ In der Fußnote 1 wird vermerkt, daß „Sendung“ 1876 gegen „Tendenz“ ersetzt worden ist. (MEW 17; 343)

[8]  Georg Plechanow  „Sozialismus und politischer Kampf“, 1883, und „Die Grundfragen des Marxismus“

[9]  s. dazu „Der Bund der Kommunisten. Dokumente und Materialien“ Dietz 1983, Band 1, S. 366, 566, 642, 643; Band 2; S. 384, 643; Band 3, S. 381

[10]  August Bebel „Die Frau und der Sozialismus“, Dietz Berlin 1954, S. 388

[11]  Eduard Bernstein „Ferdinand Lasalle und seine Bedeutung für die Arbeiterklasse …“ Verlag Buchhandlung Vorwärts Paul Singer GmbH Berlin 1919, s. S. 52, 120 und 124, wo es heißt, daß das Proletariat diejenige Klasse der Gesellschaft  sei, „der mit der Mission auch die Macht zufällt, diese aus der kapitalistischen in die sozialistische Form zu überführen.“ (S. 124)

[12]  Georgi Plechanow „Eine Kritik unserer Kritiker“, in: „Eine Kritik unserer Kritiker. Schriften aus den Jahren 1898 bis 1911“ (Hg. Erika Mieth), Dietz Berlin 1982, S. 160

[13] Siehe z.B. MEW 19; 111, MEW 22, 81, MEW 36, 81

[14] Vgl. Geschichte der KPdSU in 8 Bänden, Band V, Progreß Moskau 1974, S. 42f

[15] Geschichte der KPdSU. Kurzer Lehrgang, Berlin 1950, S. 5

[16] Vgl. auch Wolfgang Leonhard „Die Dreispaltung des Marxismus“ Econ Verlag 1970, Teil I, Kapitel 3, Abschnitt: Die Wandlungen von Marx bis Stalin“, S. 166 ff

[17] s. dazu Rainer Thiel „Die Allmählichkeit der Revolution“ LIT Verlag Münster 2000, Kap. 6

[18] Stalin, Werke, Band 5, S. 68

[19] Stalin Werke, Band 5, S. 61 ff

[20] Stalin, AW in 2 Bänden, Band 2, Dortmund 1979, S. 230

[21] Geschichte der KPdSU, Kurzer Lehrgang, Berlin 1950, S. 15

[22] Stalin, Werke, Band 13, S. 189

[23] Stalin, AW in 2 Bänden, Band 2, S. 225 ff

[24] Internationale Beratung der kommunistischen und Arbeiterpartei Moskau 1969“, Verlag Frieden und Sozialismus Prag 1969, vgl. u.a. S. 9, 27,

[25] Am „brillantesten“ gebärdet sich dieser Fundamentalismus in Stalins „Geschichte der KPdSU (B). Kurzer Kurs“, so z.B in XII.4 und in den abschließenden „Schlußfolgerungen“.

[26] „Grundlagen des Marxismus-Leninismus. Lehrbuch. Nach der zweiten, überarbeiteten und ergänzten russischen Ausgabe“, Dietz Berlin 1963, S. 609 f; vgl. S. 720

[27] Siehe z.B.: „Karl Marx und unsere Zeit – der Kampf um Frieden und sozialen Fortschritt. Internationale Wissenschaftliche Konferenz  des ZK der SED, Berlin 11.-16. April 1983, Verlag Zeit im Bild Dresden 1983, Band 1, S.13

[28] Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.): Autorenkollektiv, Leiter Rolf Bauermann „Die Marxsche Lehre von der historischen Mission der Arbeiterklasse im ideologischen Widerstreit“, Dietz Berlin 1980, S. 26

[29]Internationale Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien Moskau 1969“, Verlag Frieden und Sozialismus Prag 1969, S. 45

[30] Inst.f.ML beim ZK d. SED, Rolf Bauermann „Die Marsche Lehre von der historischen Mission der Arbeiterklasse im ideologischen Widerstreit“,  Dietz Berlin 1980, S. 10

[31]  Geschichte der KPdSU, 3. Ausgabe 1969, Dietz 1971, S. 866 f

[32] „Der Große Oktober und die Welt der Gegenwart. Internationale wissenschaftlich-theoretische Konferenz Prag, Juni 1977“, Dietz Berlin 1978, S. 11/12 (Referat von B. N. Ponomarjow)

[33] dto., S. 47  f

[34] Inst. f. Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (Hg.) „Gesetzmäßigkeiten des revolutionären Weltprozesses und die internationale Arbeiterklasse. Internationales Symposium Berlin, 26./27. Mai 1971“, Dietz Berlin 1972, S. 10 f

[35] K. Hager, a.a.O., S. 21

[36] Kim Jong Il „Über die Juche-Ideologie. Einige Probleme zum Verständnis der Juche-Philosophie“, in www.kdvr.de/texte/jong/juche.html,  im Ausdrucks-Exemplar die Seiten 5, 11 u. 31

[37] „Kim Dschong Il – Führer des Volkes“, Pjongjang 1983, S. 7

[38] Michael Brie „Amerikanismus. Fünf Thesen zur Ideologie der Willigen und zur Realität des Imperiums“, in: „Freitag“ 14/03 vom 28.3.2003, S. 6, These III

[39] siehe dazu W,.F. Haug, wie in Anmerkung 1 angegeben

[40] Georges Minois „Geschichte der Prophezeiungen“; Patmos Verlag 2002, S. 649 ff

[41] Andre Gorz „Abschied vom Proletariat“, Rowohlt 1983, Abschnitt „1. Das Proletariat nach Sankt Marx“, S. 11 - 16

[42] s. dazu jedoch auch W.F. Haug „Pluraler Marxismus“, S. 38-47 und 209 ff

[43] Rene Ahlberg „Das Proletariat. Die Perspektiven der Arbeiterklasse in der Industriegesellschaft“, Verlag W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln Mainz 1974; S. 9

[44] Arnold Künzli „Mein und Dein. Zur Ideengeschichte der Eigentumsfeindschaft“ Bund Verlag 1986, S. 425, 440 f, 461, 466