Aus: Aspects of India's Economy; Vol. 33-34, R.U.P.E. - Research Unit for Political Economy. http://home.arcor.de/r.u.p.e/index.htm

Der Irak:
Von der Kolonie zur Halbkolonie

Einzug des Imperialismus

Im Iraq, dem östlichsten Land der arabischen Welt, liegt die vielleicht erste grosse Zivilisation der Welt. In alten Zeiten hiess es Mesopotamien ("Land zwischen den Flüssen" - Euphrat und Tigris), als Irak ist es seit dem 7. Jahrhundert bekannt. Jahrhundertelang war Bagdad eine reiche und pulsierende Stadt, das intellektuelle Zentrum der arabischen Welt. Vom 16. Jahrhundert bis 1918 war Irak Teil des ottomanischen Reiches. Das Land war in drei Provinzen aufgeteilt, Mosul im Norden, Bagdad im Zentrum und Basra im Süden. In der ersten Provinz lebten vor allem Kurden, in der zweiten sunnitische Araber, in der dritten Schiiten.

 Mit dem Niedergang des ottomanischen Reiches dehnten Grossbritannien und Frankreich ihren Einfluss auf seinem Gebiet aus. Sie bauten vor allem Riesenprojekte wie Eisenbahnen und den Suez-Kanal; die arabischen Länder verschuldeten sich hoch bei britischen und französischen Banken.

 Am Beginn des 20. Jahrhunderts regierte Britannien direkt in Aegypten, Sudan und am persischen Golf, während Frankreich in Libanon und Syrien die Vormacht hatte. Iran war zwischen britischem und russischen Einfluss aufgeteilt. Die Aufteilung des ottomanischen Kuchens von der Türkei bis zur arabischen Halbinsel stand auf der Tagesordnung der imperialistischen Mächte.

 Als Deutschland, ein Spätstarter im imperialistischen Reigen, seinen Einfluss in der Region durch den Erwerb einer 'Konzession'[1] für den Bau einer Eisenbahn von Europa nach Bagdad ausdehnen wollte, läuteten in Grossbritannien die Alarmglocken. Die britische Regierung, vor allem ihre Kriegsmarine, hatte die strategische Bedeutung des Erdöls erkannt und es vermutete, dass die Region reich daran sei. Die Briten investierten 2,2 Millionen £ in die englisch-persische Oelgesellschaft (eine britische Firma, die im Iran arbeitete) und erhielten so die absolute Aktienmehrheit. Gulbenkian, ein abenteuerlustiger armenischer Unternehmer, war der Meinung, dass es auch im Irak Oel geben müsse. Aus seiner Initiative heraus entstand die Türkische Petroleum Company (TPC). 50 Prozent gehörten den Briten, 25 Prozent den Deutschen und 25 Prozent Royal Dutch Shell (was wiederum Holländern und Briten gehörte).

 Der 1. Weltkrieg (1914 - 1918) verdeutlichte den Imperialisten die Bedeutung der Kontrolle über das Oel für militärische Zwecke. So wurde es auch dringend notwendig, die Oelquellen zu kontrollieren. Nach der Kriegserklärung an die Ottomanen, ging im Südirak eine britische Streitmacht an Land (ein Grossteil waren Soldaten aus Indien) und eroberte Bagdad 1917. Mosul wurde im November 1918 überrannt und der kurz vorher abgeschlossene Waffenstillstand mit den Türken gebrochen.

 Während des Krieges führten die Briten zwei geheime, sich widersprechende Verhandlungsrunden.

 Die erste war mit Sharif Hussein aus Mekka. Als Belohnung für einen arabischen Aufstand gegen die Türken versprachen die Briten den Arabern, die Unabhängigkeit nach dem Krieg zu unterstützen. Sie bestanden jedoch darauf, dass Bagdad und Basra spezielle britische Interessenzonen seien. Dort seien "spezielle administrative Arrangements" notwendig, um "unsere gegenseitigen ökonomischen Interessen zu schützen".

 Die zweite Verhandlungsrunde, eine schamlose Verletzung der ersten, lief zwischen Briten und Franzosen. Das Sykes-Picot-Abkommen von 1916 sah vor, dass der Irak zwischen den beiden Mächten aufgeteilt würde: Die nördliche Provinz ginge an Frankreich und die beiden andern an Grossbritannien. Für seine Zustimmung sollte das zaristische Russland mit Gebieten in der nordöstlichen Türkei entschädigt werden. Als im November 1917 die bolschewistischen Revolutionäre die Macht ergriffen und die Geheimverträge des Zarenregimes, einschliesslich des Sykes-Picot-Abkommens, veröffentlichten, erfuhren die Araber, wie sie verraten worden waren.

 Irak unter britischer Herrschaft

Nach dem Krieg wurden die Reste des deutschen und des ottomanischen Reiches unter den Siegern aufgeteilt. Die britischen Versprechungen zur arabischen Unabhängigkeit waren schnell begraben. Frankreich erhielt das Mandat für Syrien und Libanon, Grossbritannien das Mandat für Palästina und Irak. (Das 'Mandat'system war eine kaum verschleierte koloniale Herrschaft, die vom Völkerbund, dem Vorgänger der UNO, geschaffen worden war. Territorien, die früher den Ottomanen gehörten, sollten als Mandat von den siegreichen imperialistischen Mächten 'geführt' werden, bis sie die Fähigkeit zur Selbstherrschaft bewiesen hatten.)

 Britannien drohte mit Krieg, um die ölreiche Provinz um Mosul im Irak zu halten. Die Franzosen traten Mosul im Austausch für die englische Unterstützung in Libanon und Syrien und für einen 25-prozentigen Anteil an der TPC ab.

 Von Anfang an machte den Briten die anti-imperialistische Agitation im Irak zu schaffen. 1920 brach nach der Verkündung des britischen Mandats über Irak eine Revolte gegen die britischen Herrscher aus, die sich rasch ausbreitete. Die Briten unterdrückten den Aufstand unbarmherzig - unter anderem durch Luftangriffe auf irakische Dörfer (das Gleiche hatten sie ein Jahr früher in indischen Punjab getan, um die Rowlatt-Agitation zu unterbinden). 1920 schlug der Kriegsminister Winston Churchill vor, dass Mesopotamien "billig durch mit Gasgranaten ausgerüstete Flugzeuge zu kontrollieren wäre; zur Unterstützung bräuchte es nur 4'000 britische und 10'000 indische Soldaten". Diese Politik wurde formell auf der Konferenz in Kairo 1921 angenommen. ("The Hidden History of the Iraq War", Edward Greer, Monthly Review, Mai 1991)

Briten setzen einen Herrscher ein

Aufgewühlt von der Revolte, hielten die Briten es für klug, eine Fassade aufzuziehen. (In den Worten des Aussenministers Curzon wollte Britannien in den arabische Gebieten eine "arabische Fassade, die unter britischer Führung herrscht und verwaltet, an der Spitze ein einheimischer Muslim und soweit möglich einen arabischen Stab... Es sollte keine wirkliche Eingliederung der eroberten Gebiete in die Herrschaftsstrukturen des Eroberers geben. Die Eingliederung sollte vielmehr durch legalistische Floskeln wie Protektorat, Einflusssphäre, Pufferstaat etc. verschleiert werden.") Der britische Hochkommissar ernannte Emir Faisal I. vom Haschemiten-Stamm aus Mekka (der von den Franzosen aus ihrem Mandat Syrien vertrieben worden war) zum irakischen König. Die Marionette Faisal unterzeichnete prompt einen Beistandsvertrag mit Grossbritannien, der in weiten Teilen den Mandatsbedingungen entsprach. Das löste so starke nationalistische Proteste aus, dass das ganze Kabinett zurücktreten musste und der britische Hochkommissar mehrere Jahre lang diktatorische Vollmachten übernahm. Im grossen Massstab wurden nationalistische Führer ins Ausland verbannt. (In diesen Jahren gärte die ganze Region, auch in Palästina und Syrien brachen anti-imperialistische Kämpfe aus.) Die Briten entwarfen auch eine irakische Verfassung, die dem König praktisch diktatorische Rechte über das Parlament einräumte.

Ausgedehnte Demonstrationen für eine komplette Unabhängigkeit verzögerten in Bagdad 1925 die Zustimmung zu diesem Vertrag. Der Hochkommissar konnte die Ratifizierung nur mit der Drohung, die verfassunggebende Versammlung aufzulösen, erzwingen. Noch vor der Ratifizierung des Beistandpaktes - bevor es also eine irakische Regierungsfassade gab, erhielt die Türkische Petroleum Company eine neue Konzession für den ganzen Irak, trotz der weitverbreiteten Opposition und des Rücktritts zweier Minister. (Unter anderem erpressten die Briten Irak mit der Drohung, sie würden die ölreiche Provinz Mosul in den Verhandlungen mit den Türken an diese abtreten. Das Gegenteil forderten sie in den bereits erwähnten Verhandlungen mit den Franzosen. Sogar die Ländergrenzen in dieser Region wurden nur nach dem Gutdünken der imperialistischen Ausbeutung festgelegt. Am ärgsten litten die Kurden darunter, deren Gebiet von den Imperialisten zwischen Türkei, Syrien, Irak und Iran aufgeteilt wurde.)

Die Konzessionsbedingungen, die praktisch das ganze Land betrafen und bis ins Jahr 2000 gültig waren, waren unverschämt: Der Preis für eine Tonne Oel war vier Schilling (1£ = 20 Schilling). Für dieses aussergewöhnliche Werbegeschenk erhielt der Marionettenkönig Faisal eine persönliche Gratifikation von 40'000£. Um die Verteidigung dieser Konzession als ihr 'legitimes Recht' würden die Oelkonzerne ein halbes Jahrhundert kämpfen.

Streit ums Oel

Mit der Niederlage Deutschlands im ersten Weltkrieg fiel sein Anteil an der Türkischen Petroleum Company Grossbritannien in den Schoss. Damit konnte Britannien das Land fast allein beherrschen. Gleichzeitig war eine neue Kräftekonstellation unter den imperialistischen Mächten entstanden; die Lage war nicht länger haltbar. Grossbritannien war trotz des grössten Weltreichs im Niedergang. Abgeschlagen im Wettbewerb mit den anderen Industrienationen, versuchte es verzweifelt, seine ökonomische Stärke durch seinen ausschliesslichen Zugriff auf die Kolonien zu sichern. Dagegen forderten die USA, die neue, führende kapitalistische Macht, man müsse die "Tore öffnen", um die Besitztümer der alten Kolonialmächte auszubeuten.[2] Zwei Jahre nach dem Ende des ersten Weltkrieges schrieb der amerikanische Präsident Woodrow Wilson:

"Mir ist es klar, dass wir am Vorabend eines Wirtschaftskrieges der grimmigsten Art stehen und ich fürchte, das Grossbritannien mit der gleichen Wildheit um sich schlagen wird, wie Deutschland es viele Jahre lang getan hat." (Joe Stork: Middle East Oil and the Energy Crisis; 1975; p.14)

Amerikanische Oelgesellschaften verlangten mit Regierungsunterstützung einen Anteil an der Türkischen Petroleum Company. 1928 besassen zwei amerikanische Firmen, Jersey Standard und Socony (später hiessen sie Exxon und Mobil, heute nach der Fusion Exxon-Mobil) 23.75 Prozent der Aktien, gleichviel wie die Briten, Franzosen und Royal Dutch-Shell. Die meisten der grossen Oelkonzerne der Welt waren so in der Türkischen Petroleum Company vertreten. Jetzt heisst die Firma Irakische Petroleum Company - IPC).

Streit mit dem Nationalismus

Die fortdauernde Opposition gegen ihre Herrschaft zwang die Briten schliesslich, Irak 1932 'Unabhängigkeit' zu gewähren. Aber dies geschah erst, nachdem Grossbritannien einen neuen Vertrag ausgehandelt hatte, der eine "enge Allianz" zwischen den beiden Ländern vorsah und eine "gemeinsame Verteidigungspolitik", faktisch die Fortsetzung der indirekten Herrschaft durch die Briten. Grossbritannien behielt seine Stützpunkte in Basra und westlich des Euphrat. Faisal sass weiterhin auf dem irakischen Thron.

Aber auch eine solche 'Unabhängigkeit' dauerte nicht lange. 1941 inszenierten Teile der Armee und politische Parteien einen Staatsstreich gegen den König und waren drauf und dran, mit den Achsenmächten zu paktieren, um ihre Freiheit von den Briten zu erreichen. Grossbritannien marschierte wieder einmal im Irak ein und besetzte das Land, setzte den König wieder ein und ein Marionettenkabinett unter Führung ihres Schosshundes Nuri as-Said (den sie in den turbulenten Jahren 1925-58 14mal zum Premierminister machten).

Nach dem Kriegsende 1945 dauerte die britische Besatzung an. 1948 wurde das Kriegsrecht eingeführt, um die Proteste gegen die Entwicklung in Palästina zu zerschlagen (wo die Palästinenser vertrieben wurden und der neue zionistische Staat ihr Land an sich riss). Zu diesem Zeitpunkt unterschrieb die irakische Regierung einen neuen Bündnisvertrag mit Grossbritannien, der Irak verpflichtete, in den Aussenpolitik keine Schritte zu unternehmen, die im Gegensatz zu den britischen Interessen standen. Ein gemeinsames britisch-irakisches Verteidigungsgremium wurde eingesetzt. Aber als der Premierminister mit diesem Deal in der Tasche aus London zurückkehrte, zwang ihn ein Aufstand in Bagdad zum Rücktritt. Der Vertrag wurde abgelehnt. In den Folgejahren forderten nationalistische Kräfte die Verstaatlichung der Oelindustrie (wie es Iran im Jahre 1951 getan hatte).

1952 gab es erneut einen Aufstand von Studenten und 'Extremisten'. Die Polizei war nicht mehr Herr der Lage. Der Regent rief die Armee zur Hilfe, die die öffentliche Ordnung wiederherstellte. Der Generalstab regierte das Land länger als zwei Monate unter Kriegsrecht. 1954 wurden alle politischen Parteien verboten.

Zunehmende Einmischung der USA in der Region

Was es bedeutete, sich gegen die Oelkonzerne aufzulehnen, zeigte sich im benachbarten Iran. Dort hatte die Regierung unter Mossadeq 1951 British Petroleum verstaatlicht. Dafür handelte sich das Land einen verheerenden, zweijährigen Boykott durch alle Oelgiganten ein, die Regierung wurde 1953 durch einen von der CIA geführten Putsch gestürzt. (Der verantwortliche CIA-Mann wurde später Vizepräsident von Gulf Oil.) [3]

Grössere Oelfelder in der Golfregion

Unterstützung in der arabischen Welt, in der Aegypten und Irak um die Führung kämpften. In jener Zeit lief eine antiimperialistische Welle durch die arabischen Länder, die die Stabilität der prowestlichen Marionettenregime bedrohte.

Die USA wurden zum neuen Gendarmen der Region, der jede Agitation gegen den Imperialismus und die von ihm abhängigen Staaten unterdrückte. Beispielsweise zerschlugen 1953 Saudi-Arabien und Irak Streiks der Oelarbeiter mit Hilfe von Truppen und Kriegsrecht. Waffenlieferungen durch die USA erfolgten auf dem Fuss. 1957 verhaftete der jordanische König (ein Cousin ersten Grades des irakischen Königs) seinen Premierminister, löste das Parlament auf, zerschlug die politischen Parteien und warf seine Gegner in Konzentrationslager. All das geschah mit wirtschaftlicher und militärischer Hilfe durch die USA. 1958 versuchte die rechtsstehende libanesische Regierung mit amerikanischer Ausrüstung die nationalistische Opposition zu zerschlagen. Auf Betreiben der USA gründeten Irak, Türkei und Pakistan, alle pro USA-Grossbritannien, eine Allianz gegen die Sowjetunion, den Bagdad-Pakt. (Später wurde er als METO - Mideast Treaty Organisation und CTO - Central Treaty Organisation bekannt; Grossbritannien und Iran traten ebenfalls bei). Irak, das einzige arabische Land in diesem Pakt wurde von Nasser öffentlich verurteilt.

3.2 Nationalisierung

Im Juli 1958 ergriff eine Armeefraktion unter der Führung von Abdel Karim Qasim die Macht im Irak, richtete den König und Nuri as-Said hin und rief unter breitem öffentlichen Beifall die Republik aus. Zum ersten Mal wurde in einem ölproduzierenden Land ein Marionettenregime gestürzt. Die neue Führung appellierte schon in seiner ersten Erklärung an das antiimperialistische Bewusstsein der Massen: "Mit der Hilfe Gott des Allmächtigen und der Unterstützung des Volkes und der Streitkräfte haben wir das Land von der Herrschaft einer korrupten Bande befreit, die vom Imperialismus zur Ruhigstellung des Volkes eingesetzt worden war."

Sofort verlegten die USA und Grossbritannien Truppen in den Libanon und nach Jordanien, um eine Invasion im Irak vorzubreiten. Dummerweise für die USA war das gestürzte Regime im Irak so verhasst, dass sich niemand fand, der den amerikanischen Plan unterstützt hätte. Trotzdem stellte die USA ein Ultimatum und drohte mit Intervention, wenn das neue Regime seine Oelinteressen nicht respektieren würde. Die Putschisten ihrerseits erklärten wiederholt, dass dies nicht geschehen würde. Erst dann wurden die britischen und amerikanischen Truppen wieder abgezogen. Irak weiss also, was es heisst, von einer imperialistischen Invasion bedroht zu werden.

Der Druck des Volkes und der Gegenangriff der Konzerne

Trotz der Versprechungen an die Amerikaner blieb das neue irakische Regime unter dem Druck der Oeffentlichkeit. Die irakischen Massen erwarteten, dass der Sturz des Marionettenkönigs zu einem neuen Vertrag oder zu einer Ausrangierung der IPC-Konzession aus der Kolonialzeit führen würde. (Nach Tanzer hatten die Oelgesellschaften insgesamt keine 50 Millionen Dollar im Irak investiert. Danach konnten sie alle weiteren Investitionen problemlos aus den Profiten des Oelgeschäfts finanzieren. Storck nennt eine Zahl von 322.9 Millionen Dollar Profit alleine im Jahr 1963. - Michael Tanzer, The Energy Crisis, World Struggle for Power and Wealth, 1974, p. 59; Stork, p. 119.) Sogar Iran und Saudi-Arabien hatten bessere Bedingungen als Irak, weil ihre Konzessionen nicht das ganze Land abdeckten. Im Irak gehörte der IPC das gesamte Territorium.

Da die Eigentümer der IPC, in erster Linie die amerikanischen und britischen Oelriesen(1)(Franzosen und Holländer waren weiterhin Teilhaber, blieben aber im Hintergrund; insbesondere Frankreich wurde vom Irak als Unterstützer seiner Interessen angesehen.), in der ganzen Welt Oelfelder besassen, bestimmten nicht die Produktionskosten, sondern komplexe, strategische Ueberlegungen, welche Oelfelder zuerst ausgebeutet würden. Sie waren nicht in Eile, die Förderung im Irak zu steigern oder neue Raffinerien zu bauen. Die Einrichtungen der IPC standen nur auf 0.5 Prozent ihres Konzessionslandes. Als das Qasim-Regime verlangte, dass die IPC 60 Prozent des Territoriums aufgebe, die Oelproduktion und die Zahl der Raffinerien verdopple, drosselte die IPC die Produktion. Die Oelkonzerne hatten beschlossen, am Irak ein Exempel zu statuieren, um jedes andere ölproduzierende Land davon abzuhalten, Rückgrat zu zeigen.

Qasim beantwortete die Unnachgiebigkeit der Oelkonzerne mit dem Rückzug aus dem Bagdad-Pakt, löste die Bindung an das englische Pfund, unterzeichnete 1959 ein ökonomisches und technisches Hilfsabkommen mit der Sowjetunion, schloss den britischen Stützpunkt Habbaniya und hob das amerikanische Hilfsprogramm auf. 1961 führte er Verhandlungen mit der IPC und verabschiedete Gesetz Nr. 80. Danach durfte die IPC ihre bisherigen Einrichtungen weiter ausbeuten, aber die restlichen 99.5 Prozent des Landes kamen in Regierungsbesitz zurück.[4]

Die Konzerne antworteten mit einer weiteren Drosselung ihrer Förderung. Im Gegenzug kündigte Qasim 1963 die Gründung einer neuen, staatlichen Oelgesellschaft an, um die Oelproduktion im eigenen Land anzukurbeln. Er veröffentlichte auch eine amerikanische Note, die Irak mit Sanktionen bedrohte, wenn er seine Position nicht aufgebe. Vier Tage später wurde er durch einen Staatstreich gestürzt, den das Pariser Magazin L'Express "vom CIA angeregt" nannte. (Tanzer, p. 52)

Der Staatsstreich 1963 und die Verhandlungen mit der IPC

Diesen Coup führte eine Allianz aus Ba'ath-Partei(ihr voller Name ist: Arabische Sozialistische Ba'ath Partei; "Ba'ath" bedeutet "Wiedergeburt") und eines Teils der Armee aus. Aber die Ba'ath-Partei wurde von ihren Partnern bald wieder von der Macht ausgeschlossen. Die neuen Herren gewährten der IPC auch prompt noch einmal 0.5 Prozent des Konzessionsgebietes, einschliesslich des reichen Rumaila-Feldes im Norden, das die IPC zwar entdeckt, aber bisher nicht ausgebeutet hatte. Die IPC beteiligte sich auch an einem Joint Venture mit der neuen Iraq National Oil Company (INOC): So sollte ein Grossteil des verstaatlichten Gebietes erforscht und entwickelt werden.

Die Vereinbarung wurde jedoch von nationalistischen arabischen Kräften verurteilt und das Regime zögerte jahrelang, es zu ratifizieren. Inzwischen war der arabisch-israelische Krieg 1967 ausgebrochen, an dem sich Irak beteiligte. Israel besetzt mit amerikanischer Unterstützung Gebiete in Syrien, Aegypten und Jordanien. Die diplomatischen Verbindungen zwischen Irak und den USA wurde gekappt. Nach dem Krieg 1967 war die antiamerikanische und antibritische Stimmung so stark, dass sich das irakische Regime nicht getraute, das Rumaila-Oelfeld an die IPC zurückzugeben. Stattdessen brachte die Regierung Gesetz Nr. 97 heraus, nach dem nur die INOC für die Oelförderung im ganzen Land ausserhalb der 0,5 Prozent IPC-Konzessionsland zuständig war.

Zwischen 1961 und 1968 erhöhte die IPC ihre Produktion im Irak nur um einen Bruchteil dessen, was die gleichen Oelkonzerne in den fügsamen Ländern Iran, Kuwait und Saudi-Arabien mehr förderten. Da die Zahlungen der IPC an die irakische Regierung von der Oelförderung abhingen und das Staatseinkommen wiederum stark von diesen Zahlungen, bedeutete die Taktik der Oelkonzerne für Irak grosse finanzielle Härten und verhinderten eine Reihe von Entwicklungsprojekten. Nach einem geheimen US-Dokument bohrte die IPC ihre Bohrlöcher in eine falsche Tiefe und baggerte andere wieder zu, um die Oelförderung zu drosseln. Das lange anhaltende Patt forderte einen hohen Preis vom Irak: "über ein Dutzend Jahre wirtschaftliche Stagnation, politische Instabilität und Auseinandersetzungen." (Stork, p.194. Aus dieser Quelle stammt der Grossteil der obigen Zusammenfassung.)

Saddam Hussein kommt an die Macht

Ein Staatsstreich 1968 brachte wieder die Ba'ath-Partei an die Macht (Saddam Hussein wurde damals Vizepräsident, stellvertretender Vorsitzender des revolutionären Kommandorates und zunehmend der wahre Kopf). Die Partei verfolgte weiterhin den Kurs, die Oelindustrie aus den Klauen des IPC zu befreien. 1972 wurde die IPC schliesslich verstaatlicht, ihre Aktionäre erhielten eine Kompensationszahlung von 300 Millionen Dollar (die praktisch durch eine Zahlung der Gesellschaft von 345 Millionen Dollar für zurückliegende Schulden ausgeglichen wurde). Das Land wandte sich an Frankreich und die Sowjetunion, um technische Ausrüstung und Kredite zu erhalten. Die Sowjets entwickelten das Rumaila-Feld mehr oder weniger im Zeitplan bis 1972.

Für die Sowjets war der Irak ein wichtiger Durchbruch in der Region: Im Gegensatz zu Aegypten (wo sie 1972 hinausgeworfen wurden) und Syrien, mit denen sie Beziehungen pflegten, hatte der Irak riesige Oelreserven. Es winkten lukrative Oelverträge, weitere Investitionen in Osteuropa von den Oelprofiten, massive Waffenverkäufe und die Aussicht auf einen grösseren sowjetischen Einfluss in der Region. Auch Frankreich hielt seine Beziehungen zur irakischen Oelindustrie aufrecht. (Bezeichnenderweise brachte Irak, trotz der überwältigenden Bedeutung des Erdöls für seine Wirtschaft und der hohen Kosten der Abhängigkeit von ausländischen Firmen, nicht das Mass an technologischer Selbständigkeit in diesem Bereich zustande, wie es zur gleichen Zeit das sozialistische China schaffte. Vielmehr versuchte der Irak die Bindungen an die anglo-amerikanischen Oelkonzerne dadurch zu lösen, indem er sich an andere fortgeschrittene Länder band.)

Das irakische Nationalisierungsprogramm fand vor dem Hintergrund wachsender Zustimmung auch bei amerikafreundlichen Regierungen in der Region statt. Radikale arabische Oelexperten (vor allem Abdullah Tariki) regten die öffentlichen Phantasien an, mit ihren gut dokumentierten Enthüllungen über die Ausplünderung des Oelreichtums der arabischen Länder. Die OPEC verlangte bessere Bedingungen für ihr Oel. In Libyen stürzte eine Gruppe junger Offiziere unter Führung von Muammar Qaddafi die Monarchie und ging auf Konfrontationskurs mit den Konzernen. Der bewaffnete Kampf der Palästinenser wurde geboren. Die Niederlage der arabischen Armeen gegen Israel im Krieg 1973 schürte die antiamerikanische Stimmung weiter. Der Prozess gipfelte im arabischen Oelembargo gegen die westlichen Staaten und einem massiven Steigen des Preises, den die arabischen Länder für den Verkauf ihres Oels erhielten. Irak spielte als einer der grossen Erdoelproduzenten (nach Saudi-Arabien liegen im Irak die zweitgrössten Reserven auf der Welt) eine Schlüsselrolle in dieser Auseinandersetzung.

Bis zum Sturz der Monarchie 1958 war Irak ein grossteils bäuerliches Land. Erst nach der Entfernung des Marionettenkönigs wurden einige Entwicklungsprojekte angepackt. Nach 1973 stiegen als Auswirkung der höheren Oelpreise die Wohlfahrtsausgaben des Staates in beträchtlichem Umfang. Viele neue Wohnungen wurden gebaut und der Lebensstandard stieg stark an. Das Regime ging jedoch noch weiter und initiierte ein breite Palette von Projekten zur Diversifizierung der Industrie: Abbau der Importe von Fertigprodukten, Ausbau der landwirtschaftlichen Produktion, Reduzierung der Agrarimporte und ein starker Ausbau von Nicht-Oel-Exporten. Grosse Summen wurden in die Infrastruktur, vor allem in die Wasseraufbereitung, in Strassen, Eisenbahnen und die Elektrifizierung auf dem Dorf gesteckt. Die technische Ausbildung wurde stark ausgebaut und eine Generation qualifizierter Kräfte für die Industrie herangezogen.

Diese Massnahmen standen in eindrucksvollem Kontrast zu den Scheichtümern Saudi-Arabiens, Kuwaits und der Vereinigten Arabischen Emirate. In diesen Ländern wurde nur ein Teil der gewaltig gestiegenen Einnahmen nach 1973 für die Steigerung des Lebensstandards der Untertanen des Königs verwendet. Der Rest wurde in ausländischen Banken und in (amerikanischen) Staatsanleihen angelegt. So waren die USA nicht grundsätzlich durch die steigenden Oelpreise gefährdet: Wenn es höhere Preise zahlen musste, floss doch das meiste wieder in seinen finanziellen Sektor zurück. Im Gegensatz dazu investierte Iraq einen weit höheren Anteil seiner Oeleinkünfte im Land und hatte unter den arabischen Staaten die am meisten diversifizierte Wirtschaft.

Man muss auch sehen, dass das kulturelle Klima im Irak und die Fortschritte in bestimmten Gebieten des sozialen Lebens von den islamischen Fundamentalisten verabscheut wird. Bis 1991 stieg das Bildungsniveau im Irak rasch, auch unter den Frauen. Für sie war Irak vielleicht das freieste Land in der ganzen Region, Frauen ergriffen auch verschiedene Berufe.[5]

3.3 Iran-Irak-Krieg: im amerikanischen Interesse

1979 war Saddam der effektive Führer Iraks: Er wurde Präsident und Vorsitzender des revolutionären Kommandorates. Die ganze Region stand an einem kritischen Scheidepunkt.

Zum einen war die Säule der USA in Westasien, der Schah von Persien, von einem massiven Volksaufstand gestürzt worden, den die USA einfach nicht unterdrücken konnten. Dies führte zu Befürchtungen, dass in der ganzen Region ähnliche Entwicklungen auftreten könnten.

Zum andern hatte Saddam im Irak den Oelreichtum des Landes auch für eine massive Aufrüstung benutzt. Rüstungsausgaben verschlangen 1979 8,4Prozent des Bruttosozialprodukts. Seit 1958 war Irak zunehmend ein bedeutender Markt für hochentwickelte Waffensysteme aus der Sowjetunion geworden und wurde als Teil des sowjetischen Lagers angesehen. 1972 unterzeichnete Iraq einen 15-Jahres-Freundschafts-Vertrag mit der Sowjetunion über wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit. Das irakische Regime bemühte sich um die Entwicklung oder den Ankauf von Atomwaffen. Neben Israel hatte der Iran die einzige Armee, die sich mit der irakischen messen konnte. Aber als der Schah 1979 gestürzt wurde, wurde vieles der iranischen Ausrüstung, die aus den USA stammte, unbrauchbar.

Die irakische Invasion im Iran 1980 (unter dem Vorwand der Lösung von Grenzstreitigkeiten) löste so zwei grössere Probleme für die USA: Für das nächste Jahrzehnt sollten zwei der führenden Militärmächte der Region, keine bis dahin den USA gegenüber freundlich eingestellt, in einem erschöpfenden Konflikt miteinander beschäftigt sein. Solche Konflikte zwischen Drittweltländern schaffen für die imperialistischen Mächte viele Möglichkeiten, neuen Halt vor Ort zu suchen. Und so geschah es auch in diesem Fall.

Trotz seiner engen Bindungen an die UdSSR, wandte sich Irak für die Hilfe im Krieg gegen den Iran an den Westen. Und erhielt sie massenhaft. Wie Saddam Hussein später enthüllte, entschieden die USA und Irak am Vorabend der Invasion im Iran, ihre diplomatische Beziehungen wiederaufzunehmen, die nach dem Krieg 1967 abgebrochen worden waren. (Die offizielle Wiederaufnahme wurde ein paar Jahre hinausgeschoben, um die Zusammenhänge nicht zu deutlich werden zu lassen.) Formell wurden die Beziehungen 1984 wiederhergestellt, obwohl die USA wussten, dass der Irak chemische Waffen gegen die Iraner einsetzte und ein UNO-Team das bestätigt hatte. (Der Abgesandte des damaligen US-Präsidenten Reagan war kein anderer als der derzeitige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.) 1982 nahm das US-Aussenministerium Irak von der Liste der "staatlichen Sponsoren des Terrorismus" und wehrte Versuche des US-Kongresses ab, der den Irak 1985 wieder auf die Liste setzen wollte. Vor allen Dingen verhinderten die USA die Verurteilung der Giftgas-Angriffe im UNO-Sichheitsrat. 1986 stimmten die USA als einziges Land gegen eine Resolution des Sicherheitsrates, die Iraks Einsatz von Senfgas gegen iranische Truppen verurteilen wollte. Wir werden weiter unten sehen, dass die USA direkt in diese Greueltat verwickelt waren.

Ein flotter Handel entwickelte sich, um den Irak mit Nachschub zu versorgen. Grossbritannien stieg neben Frankreich als Hauptwaffenlieferant ein. Irak importierte Uran aus Portugal, Frankreich und Italien und fing mit deutscher Hilfe an, Anlagen zur Anreicherung von Uran zu bauen. Die USA sorgten für massive Kredite aus den Klientenstaaten wie Kuwait und Saudi-Arabien für Iraks wachsende Rüstungsausgaben. Die US-Regierung stellte "Ernte-Spritz"-Helikopter zur Verfügung, die 1988 für Giftgasangriffe verwendet wurden, genehmigten den Export von Dow Chemicals Chemikalien für den Einsatz gegen Menschen, unterstützten eigene Luftwaffenoffiziere in der Zusammenarbeit mit ihren irakischen Ansprechpartnern (seit 1986), stimmten Technologieexporten an Iraks Raketenbeschaffungsagentur zu, die die Reichweite der irakischen Raketen erhöhen wollten. Im Oktober 1987 und April 1988 griffen amerikanischen Streitkräfte selbst iranische Schiffe und Oelplattformen an.

Militärisch versorgten die USA Irak nicht nur mit Satellitendaten und Informationen über iranische Truppenbewegungen, sondern entwarfen auch detaillierte Schlachtpläne für die irakischen Truppen. Dies wurde vor kurzem von ehemaligen Offizieren der Defence Intelligence Agency (DIA) in der New York Times enthüllt (18.8.2002). All das geschah zu einer Zeit, als der Irak weltweit für seinen wiederholten Einsatz chemischer Waffen gegen Iran verurteilt wurde. Ein DIA-Kader meinte dazu: "Wenn Irak unterlegen wäre, hätte es katastrophale Auswirkungen auf Kuwait und Saudi-Arabien gehabt und die ganze Region wäre vielleicht verloren gegangen (für den amerikanischen Einfluss - Aspects). Das stand im Hintergrund der Politik.

Eine der Schlachten, für die die USA einen fertigen Schlachtplan lieferten, war die Eroberung der strategisch wichtigen Fao-Halbinsel durch Irak 1988. Da die Iraker schliesslich in grossem Umfang Senfgas einsetzten, ist es klar, dass die amerikanische Planung den Einsatz solcher Waffen stillschweigend einschloss. DIA-Offiziere inspizierten die Fao-Halbinsel, nachdem sie von irakischen Kräften wiedererobert worden war und sie berichteten über den ausgedehnten Einsatz von Chemiewaffen, aber ihre Vorgesetzten waren nicht interessiert. Oberst Walter P. Lang, DIA-Offizier zu der Zeit, meinte dazu, dass "der Einsatz von Gas durch die Iraker auf dem Schlachtfeld kein Thema von besonderer strategischer Bedeutung war". Die DIA, behauptete er, "hätte niemals den Einsatz von Chemiewaffen gegen Zivilisten akzeptiert, aber der Einsatz gegen militärische Ziele wurde im Ueberlebenskampf des Iraks als unvermeidlich angesehen." (Wir werden weiter unten sehen, dass die irakische Armee Chemiewaffen auch breit gegen kurdische Zivilisten eingesetzt hat. Die DIA-Offiziere streiten ab, dass sie "in die Planung der Militäroperationen verwickelt waren, bei denen diese Angriffe geschahen.") In den Worten eines anderen DIA-Offiziers: "Sie (die Iraker) wurden immer besser" und nach einer gewissen Zeit wurde der Einsatz von Chemiewaffen " in den Plan für jede grössere Operation integriert". Ein ehemaliger Teilnehmer an dem Programm sagte zur 'New York Times', dass die höheren Beamten der Reagan-Administration nichts unternahmen, was die Fortsetzung des Programms behindert hätte. "Das Pentagon war über Iraks Gaskrieg nicht sehr entsetzt", sagt ein Veteran des Programms. "Es war nur eine andere Art, Menschen zu töten. Kugel oder Phosgen-Gas, das machte keinen Unterschied.", sagte er. Die Wiedereroberung der Halbinsel Fao war ein Wendepunkt in dem Konflikt und brachte Iran an den Verhandlungstisch.

Eine Anfrage im US-Senat 1995 brachte zufällig ans Licht, dass der Irak von den USA während des Iran-Irak-Krieges Proben von allen Bakterienstämmen erhalten hatte. Der Irak machte daraus Bio-Waffen. Die Stämme wurden vom Center for Disease Control and Prevention (sic!) und vom American Type Culture Collection an die Orte geschickt, die später von UN-Waffeninspektoren als Teil des irakischen biologischen Waffenprogramms ausgemacht wurden. (Times of India, 2.10.2002)

Es ist voll Ironie, wenn man die USA heute über Saddam Husseins Angriffe auf die Kurden reden hört. Dieser Angriff hatten die volle Unterstützung der USA:

"Als Teil der Anfal-Kampagne gegen die Kurden (Februar - September 1988), setzte das irakische Regime in breitem Masse chemische Waffen gegen seine eigene Bevölkerung ein. Zwischen 50'000 und 186'000 Kurden wurden bei diesen Angriffen getötet, 1'200 Dörfer wurden zerstört und 300'000 Kurden wurden vertrieben. Diese Kampagne wurde mit der Zustimmung des Westens durchgeführt. Anstatt dass sie die Massaker an den Kurden verurteilt hätten, bauten die USA ihre Unterstützung des Iraks noch aus. Sie beteiligten sich an den irakischen Angriffen auf iranische Einrichtungen, jagten zwei Oelplattformen in die Luft und zerstörten eine iranische Fregatte einen Monat nach dem Angriff von Halabja. Innerhalb von zwei Monaten förderten US-Beamte Firmenkontakte durch ein staatliches irakisches Forum. Die US-Administration war gegen einen Gesetzentwurf, der Kredite an Irak stoppen wollte und blockierte das Gesetz schliesslich. Die USA stimmten dem Export von Dual-Use-Gütern zu; nach Halabja wurde dieser Export noch verdoppelt. Schriftliche Garantien des Irak über die zivile Anwendung reichten dem US-Handelsministerium, das keine Lizenzen und Bescheinigungen (wie bei vielen anderen Ländern üblich) verlangte. Die Bush-Administration genehmigte den Export von fortgeschrittenen Datenübertragungsgeräten im Wert von 695'000 Dollar, am Tag bevor Irak in Kuwait einmarschierte." ("The dishonest case for war on Iraq" von Alan Simpson, MP, und Dr Glen Rangwala, Labour Against the War Counter-Dossier, 17.09.2002)

Das volle Ausmass der amerikanischen Komplizenschaft in den irakischen "Massenvernichtungswaffen"-Programmen wurde im Dezember 2002 deutlich, als Irak einen 11'800-seitigen Bericht über diese Programme an den UNO-Sicherheitsrat übergab. Die USA bestanden darauf, dass sie den Bericht vor irgend jemand anderem zu sehen bekamen, sogar vor den Waffeninspektoren. Sie sorgten prompt dafür, dass 8'000 Seiten entfernt wurden, bevor die nicht permanenten Mitglieder den Bericht zu Gesicht bekamen. Irak hat offensichtlich eine Liste mit amerikanischen Gesellschaften, deren Namen in dem Bericht stehen, an eine deutsche Zeitung 'Die Tageszeitung' weitergegeben. Neben amerikanischen Firmen waren auch deutsche Firmen schwer verwickelt. (Siehe Anhang II) (Saddam Husseins Einsatz von Chemiewaffen war, wie auch seine Unterdrückung der Opposition im Innern, immer auch im Interesse der USA: Während der Einsatz in Zeiten der Allianz zwischen beiden Ländern geduldet und unterstützt wurde, wird er in Krisen- und Kriegszeiten routinemässig für Propagandazwecke ausgenützt)

Vor diesem geschichtlichen Hintergrund müssen wir die strategischen und ökonomischen Seiten der scheinbar unerklärlichen Kehrtwendung der USA in ihrer Irak-Politik seit 1990 verstehen lernen.

3.4 Iraks Qual

Der Iran-Irak-Krieg endete 1990 damit, dass beide Seiten, unter anderen Umständen wohlhabende und mächtige Länder, schreckliche Verluste hinnehmen mussten. Der 'Krieg der Städte' richtete sich gegen grössere Bevölkerungszentren und Industrieanlagen auf beiden Seiten, vor allem Oelraffinerien. Iran, ohne den ständigen Zufluss hochentwickelter Waffen und amerikanischer Hilfe konnte die irakische Angriffe mit Hilfe von 'menschlichen Wellen' junger Freiwilliger, teilweise noch halber Kinder, zurückschlagen. Wenn die Taktik auch funktionierte, waren die Verluste jedoch enorm. Die Angst vor einem Aufstand im Innern brachte die iranischen Führer nach dem Fall der Halbinsel Fao 1988 an den Verhandlungstisch mit Irak.

Auch die Wirtschaft Iraks brauchte dringend einen Wiederaufbau. Entwicklungsprogramme waren ein ganzes Jahrzehnt lang vernachlässigt worden. Die Erforschung und Entwicklung der fabelhaften Oelvorkommen des Landes hatten stagniert. Für die Bezahlung der Kriegskosten hatte Irak eine Schuld im Ausland von 80 Milliarden Dollar angehäuft - über die Hälfte davon von den Golfstaaten. Iraks Führer konnten für den schrecklichen Preis des Krieges nichts vorweisen, sie waren verzweifelt.

Eine Gelegenheit für die USA

Für die Vereinigten Staaten war dies jedoch eine zufriedenstellende Situation, die sogar noch grössere Gewinne versprach. Der erschöpfte Iran war nicht länger eine grössere Bedrohung der US-Interessen in der Region. Wie wir sehen werden, schuf die instabile Lage Iraks Bedingungen, unter denen die USA ein zentrales Ziel erreichen konnten: eine dauerhafte Truppenstationierung in Westasien. Die direkte Kontrolle über die westasiatischen Oelquellen (die die reichsten und am billigsten zugänglichen Quellen der ganzen Welt sind) würde es den USA erlauben, das Oelangebot und damit die Preise nach seinen strategischen Interessen zu manipulieren. Dadurch wäre auch die weltweite amerikanische Vorherrschaft gegen jeden zukünftigen Herausforderer gefestigt. (Dieser Aspekt wird weiter unten behandelt).

Die Situation auf der Welt war günstig für solch einen Plan. Die Sowjetunion stand am Rande des Zusammenbruchs und unfähig, eine amerikanische Intervention in der Region zu verhindern. Auch die europäischen, japanischen oder chinesischen Bedenken blieben ohne grosse Konsequenzen. Die wirkliche Hürde war die Opposition der arabischen Massen gegen eine solche Anwesenheit amerikanischer Truppen, mehr noch gegen ihre dauerhafte Festsetzung.

Es brauchte also einen glaubwürdigen Grund für eine amerikanische Intervention und eine fortgesetzte Gegenwart.

Ein Schock für Irak

Nach der engen amerikanisch-irakischen Zusammenarbeit während des 10jährigen Iran-Irak-Krieges, die oben beschrieben ist, ist es kaum überraschend, dass Saddam Hussein vom Westen eine Kompensation für seinen Krieg gegen den Iran erwartete und zuversichtlich war, dass seine Forderungen auf offene Ohren stossen würden. Da der Krieg vom Westen und auch den Golfstaaten (Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien) als defensive Aktion geplant war, die verhindern sollte, dass der Iran die ganze Region überrennt, nahm Saddam an, dass die Golfstaaten dem Irak nicht nur die angehäuften Schulden streichen würden, sondern dass diese Staaten auch beim verzweifelt notwendigen Wiederaufbau der irakischen Wirtschaft helfen würden.

Genau das Gegenteil geschah. Die amerikanischen Klientenstaaten (Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien) fuhren ihre Produktion in die Höhe und verlängerten so den Zusammenbruch der Oelpreise, der 1986 begonnen hatte. Auf den kriegsverwüsteten Irak hatte dies verheerende Auswirkungen. Oel machte die Hälfte des irakischen Bruttoinlandproduktes aus und den Grossteil der Staatseinnahmen. Für die irakische Wirtschaft war ein Zusammenbruch der Oelpreise eine Katastrophe. Er würde auch die Wiederbewaffnung Iraks behindern.

Eine weitere, bemerkenswerte Entwicklung war, dass Kuwait Oel aus dem Feld vom Süd-Rumaila stahl. Nahe der irakischen Grenze wurden Schrägbohrungen niedergebracht. Rumaila liegt fast ganz im Irak. Wenn man dran denkt, dass Kuwait selbst genügend Oel hat, erscheint dieser Diebstahl des irakischen Oels als bewusste Provokation. Man sollte sich auch daran erinnern, dass Irak nicht nur konkrete Grenzstreitigkeiten mit Kuwait hatte, sondern schon wiederholt Anspruch auf ganz Kuwait erhoben hatte. (1) (Kuwait wurde mit Zustimmung seines Herrschers 1871 Teil der Basra-Provinz des ottomanischen Reiches. Nach dem ersten Weltkrieg und der Besetzung Iraks machten die Briten jedoch eine eigene Provinz aus Kuwait. Als sie Irak 1932 die 'Unabhängigkeit' gaben, schlossen sie Kuwait nicht im irakischen Territorium ein. Erst 1961 zogen sie aus dem ölreichen und strategisch gelegenen Flecken ab. Zwischen Iran und Kuwait eingeklemmt, hat Irak nur einen winzigen und verletzbaren Zugang zum Meer.) Vor diesem Hintergrund kann man sich nur schwer vorstellen, dass das kleine, nur leicht bewaffnete Kuwait einen provokativen Akt wie Schrägbohrungen ins Territorium des gut bewaffneten Irak ohne einen Anstoss durch die USA durchgeführt hätte.

Saddams Bitte

Es sieht so aus, dass Saddam glaubte, er könne mit einer Invasion drohen oder nach einer Invasion Kuwait als Einsatz für seine Forderungen auf den Tisch bringen, vor allem die Annullierung seiner Schulden und eine Einschränkung der Oelproduktion der Golfstaaten. Die Abschrift einer Unterredung Saddams mit der amerikanischen Botschafterin in Bagdad, April Glaspie, eine Woche vor der Invasion Kuwaits 1990, ist bezeichnend für das Verhältnis zwischen beiden Staaten. Weder erscheint Saddam als Grössenwahnsinniger, noch betont er Iraks historische, rechtmässige Ansprüche auf Kuwait. Vielmehr betont er seine finanzielle Notlage. Er bittet um amerikanisches Verständnis, indem er ausdrücklich auf die Dienste Iraks für die USA und ihre Klientenstaaten in der Region hinweist:

"Wir trafen die Entscheidung, diplomatische Beziehungen mit den USA aufzunehmen, 1980 zwei Monate vor dem Krieg zwischen uns und dem Iran. Als der Krieg anfing, stellten wir die Aufnahme der Beziehungen zurück, um Missverständnisse zu vermeiden. Wir hofften auch, dass der Krieg bald zu Ende wäre. Aber weil der Krieg so lange dauerte und um die Tatsache zu betonen, dass wir ein blockfreies Land [also nicht Teil des sowjetischen Blocks] sind, war es wichtig, die Beziehungen zu den USA wiederaufzunehmen. 1984 entschieden wir uns dazu... Wir erhofften uns davon ein besseres Verständnis und eine bessere Zusammenarbeit... Wir handelten miteinander während des Krieges und auf verschiedenen Ebenen... Irak hatte am Ende des Krieges eine Schuldenlast von 40 Milliarden Dollar, ohne die Hilfe, die arabische Staaten gaben und die von einigen auch als Schuld angesehen wird. Und das, obwohl sie wissen, wie auch Ihnen bekannt ist, dass sie ohne Irak diese Summen gar nicht hätten. Dass die Zukunft der ganzen Region völlig anders ausgesehen hätte.

Wir mussten uns mit der Politik der fallenden Oelpreise auseinandersetzen... Der Preis fiel bis auf 12 Dollar pro Fass und eine Reduktion des ohnehin schon bescheidenen irakischen Haushalts um weiter 6 - 7 Milliarden ist eine Katastrophe... Wir hatten gehofft, dass die amerikanische Administration bald die korrekten Entscheidungen in Bezug auf ihr Verhältnis mit Irak fällen würden... Aber als eine bewusste und geplante Politik den Oelpreis nach unten drückte, bedeutete das einen neuen Krieg gegen Irak. Militärischer Krieg tötet Menschen durch ausbluten, ein Wirtschaftskrieg tötet die Menschlichkeit, indem er den Menschen die Möglichkeit raubt, einen guten Lebensstandard zu haben. Kuwait und die Emirate führten genau diese Politik durch, die darauf abzielte, Iraks Position zu verschlechtern und seinen Menschen die Möglichkeit eines höheren  wirtschaftlichen Standards zu haben. Und Sie wissen, dass unsere Beziehungen zu den Emiraten und zu Kuwait gut waren... Ich habe die amerikanischen Aussagen über ihre Freunde in der Region gelesen. Natürlich hat jeder das Recht, sich seine Freunde auszusuchen. Da haben wir keine Einwände. Aber Sie wissen, dass nicht Sie es waren, die ihre Freunde während des Irankriegs geschützt hatten. Ich versichere Ihnen, US-Truppen hätten die Iraner nicht aufhalten können, wenn sie die Region überrannt hätten, ausser durch den Einsatz von Atomwaffen... Ihre Gesellschaft würde nicht 10'000 Tote in einer einzigen Schlacht akzeptieren. Sie wissen auch, dass Iran dem Waffenstillstand nicht zugestimmt hat, weil die USA nach der Befreiung von Fao eine Oelplattform bombardiert hat.

Sieht so die Belohnung Iraks aus, dafür, dass er die Stabilität der Region gesichert hat und sie vor einer unbekannten Flut schützte?... Es ist nicht angemessen, von unserem Volk zu verlangen, dass es acht Jahre lang Ströme von Blut vergiessen muss und ihm dann zu sagen: 'Jetzt musst du die Aggression von Kuwait und den Emiraten ertragen oder von Amerika oder von Israel.'... Wir sehen Amerika nicht als unseren Feind. Wir würden es gern als Freund sehen und wir versuchen, Freunde zu sein. Aber im letzten Jahr gab es wiederholte amerikanische Aeusserungen, die deutlich machten, dass uns Amerika nicht als Freund ansieht." (New York Times International, 23.09.1990)

Kalkulierte Antwort

Ohne die schon erwähnten Absichten Amerikas zu kennen, wäre Glaspies Antwort an Saddam rätselhaft gewesen. Die Unterhaltung fand zu einem Zeitpunkt statt, als Irak massenweise Truppen an der kuwaitischen Grenze zusammengezogen hatte. Es hatte auch erklärt, dass es Kuwaits Handlungen als Aggression ansah: Die ganze Welt konnte sehen, dass der Irak eine Invasion starten wollte. In Anbetracht der späteren amerikanischen Antwort hätte man erwartet, dass die USA eine Woche vor der Invasion eine klare Botschaft rüberbringen würde: Dass die Antwort der USA auf eine Invasion eine militärische Intervention wäre. Stattdessen antwortete der Botschafter in den mildest-möglichen Begriffen ("Besorgnis") und betonte, dass

„wir keinen Standpunkt zu innerarabischen Konflikten (haben), wie Ihre Grenzstreitigkeiten mit Kuwait. Ich war in den späten 60er Jahren in der amerikanische Botschaft in Kuwait. Wir hatten damals die Anweisung, dass wir keine Meinung zu diesem Thema äussern sollten und dass das Thema keinen Bezug zu Amerika habe. [Der damalige Aussenminister] James Baker hat unsere Sprecher angewiesen, diese Anweisung zu betonen. Wir hoffen, dass Sie dieses Problem mit den geeigneten Methoden über Klibi oder Präsident Mubarak lösen können. Wir hoffen nur, dass diese Themen bald geklärt sind.

Darf ich Sie, vor diesem Hintergrund, bitten, sich unsern Standpunkt zu der Frage anzuhören? Meine Einschätzung nach 25 Jahren Dienst in dieser Region ist, dass ihr Ziel die starke Unterstützung Ihrer arabischen Brüder haben muss. Ich spreche vom Oel. Aber Sie, Herr Präsident, haben einen schrecklichen und schmerzhaften Krieg gekämpft. Offen gesagt, sehen wir nur, dass Sie massiv Truppen im Süden zusammengezogen haben. Normalerweise würde uns das nicht interessieren. Aber wenn man das im Zusammenhang mit Ihren Aussagen am Nationalfeiertag sieht, wenn wir die Details der beiden Briefe des Aussenministers lesen und wenn wir den irakischen Standpunkt anschauen, dass die Massnahmen der Emirate und Kuwaits letztlich eine Aggression gegen Irak darstellen, dann denke ich schon, dass ich besorgt sein sollte. Aus diesem Grund erhielt ich den Auftrag, Sie im Geist der Freundschaft - nicht im Geist der Konfrontation nach Ihren Absichten zu fragen."

Dies ist ein klarer Hinweis, dass die USA zwar 'besorgt' über eine Invasion wären, sie jedoch Abstand halten und die Angelegenheit als Problem zwischen arabischen Staaten behandeln würden, das man durch Verhandlungen löst. So legte Saddam Amerikas wirkliche Absichten völlig falsch aus. Seine Invasion in Kuwait, einem souveränen Staat und Mitglied der UNO, gab den USA die Gelegenheit, schnell den Sicherheitsrat zu mobilisieren und eine weltweite Koalition gegen Irak zu formieren. Entscheidend war, dass sein Einfall in einen arabischen Staat eine Situation schuf, in der eine Reihe von arabischen Staaten, wie Aegypten, Syrien und Saudi-Arabien an der Koalition teilnehmen konnten.[6]

Friedlicher Abzug ein "Alptraumszenario"

Die Resolution 661 des UNO-Sicherheitsrates wurde im August 1990 verabschiedet, verlangte den sofortigen und bedingungslosen Abzug aus Kuwait und verhängte Sanktionen gegen Irak. Die Sanktionen blieben nur für den Zeitraum in Kraft , den die USA brauchten, um genügend Truppen in die Region zu verlegen und die internationale Finanzierung des Krieges sicherzustellen. Im November 1990 brachten die USA Resolution 678 durch den Sicherheitsrat, die den Einsatz "aller notwendigen Mittel" vorsah, um die Besetzung Kuwaits zu beenden. (3)(Die USA stellten die Verabschiedung dieser Resolution durch eine aussergewöhnlich skrupellose Bestechungs- und Drohkampagne sicher. Jedes verarmte Land im Sicherheitsrat, einschliesslich Zaire, Aethiopien und Kolumbien erhielt ein Angebot mit Oel zu Sonderpreisen und die Wiederaufnahme von Waffenhilfe, die früher wegen Menschenrechtsverletzungen eingestellt worden waren. Nachdem Jemen sich als einziges Land neben Kuba gegen die Resolution stimmte, fing ein offenes Mikrophon die Reaktion des US-Botschafters auf, wie er zum Vertreter Jemens sagte: "Das war die teuerste Stimme, die Sie jemals abgegeben haben." Drei Tage später strichen die USA ihr komplettes Entwicklungshilfebudget an Jemen in der Höhe von 70 Millionen Dollar.(Phyllis Bennis, Before and After: U.S. Foreign Policy and the September 11th Crisis (2002)) Die USA unterliefen alle diplomatischen Versuche durch die UdSSR, europäische und arabische Länder, die weiterhin den bedingungslosen Abzug des Irak wollten. In letzter Minute machte Frankreich einen Vorschlag: Der Irak ziehe ab, wenn die USA einer internationalen Friedenskonferenz zustimme (dies hätte auch die Diskussion um die fortgesetzte illegale Besetzung der Westbank, des Gazastreifens und der Golanhöhen durch Israel und die nicht umgesetzte Sicherheitsratsresolution 242 eingeschlossen, sowie die damalige Besetzung des Südlibanon durch Israel). Aber auch diese Initiative wurde von den Amerikanern und Briten abgeschossen. Im Dezember 1990 zitierte die Presse eindrucksvoll amerikanische Offizielle, die sagten, ein friedlicher irakischer Abzug wäre ein "Alptraumszenario". (Why Another War? A Backgrounder on the Iraq Crisis, Sarah Graham-Brown and Chris Toensing, Middle East Research and Information Project, 2002; von jetzt an: MERIP)

"Fisch im Fass" [7]

Der riesige Umfang und die gnadenlose Taktik des Angriffs auf Irak 1991 legt nahe, dass die amerikanischen Kriegsziele weit über die von der UNO gebilligte Mission hinausging, die Saddam aus Kuwait vertreiben wollte. Die Militärmacht, die von den USA, Grossbritannien und ihren Alliierten aufgebaut und eingesetzt wurde, stand in einem krassen Missverhältnis zur irakischen Verteidigung. Offensichtlich war die Absicht, Irak so schwer zu bestrafen, dass es allen Nationen als Lektion dienen könnte, die sich gegen die Wünsche der USA stellen wollten. Der Bombenkrieg des Golfkriegs war der heftigste seit Vietnam. In 43 Tagen Krieg flogen die USA 109'876 Angriffe und warfen 84'200 Tonnen Bomben ab.[8] Das entspricht fast der monatlichen Bombentonnage des zweiten Weltkrieges, ausser dass die Zerstörung viel effizienter war: Die Technologien waren viel besser und die Luftabwehr des Iraks äusserst schwach. ("Airpower in the Gulf War," Air and Space Power Mentoring Guide Essays II, pp. 72-73 (U.S. Air Force 1999)

Solange der Krieg tobte, organisierte das US-Militär sorgfältig inszenierte Pressekonferenzen, die belegen sollten, dass die Bombenangriffen chirurgische Schläge gegen ausschliesslich militärische Ziele waren. Das war durch eine neue Generation neuer, lasergesteuerter 'smarter' Bomben möglich. Die Wirklichkeit sah ganz anders aus: 93 Prozent der verwendeten Bomben der Alliierten bestanden aus normalen, 'dummen' Bomben, die vor allem von B-52-Bombern aus der Vietnam-Aera als Bombenteppiche abgeworfen wurden. Etwa 70 Prozent der Bomben und Raketen verfehlten ihre Ziele, zerstörten oft Privathäuser und töteten Zivilisten. (John MacArthur, Second Front: Censorship and Propaganda in the Gulf War, 1993, p. 161) Die USA setzten auch in verheerendem Ausmass Antipersonenbomben ein, einschliesslich Benzin-Luft-Grananten und 7,5 Tonnen schwere 'Daisy-Cutter' ('Gänzeblümchenschneider'). Die konventionellen 'Daisy-Cutter' verursachen Zerstörungen, die mit Atomangriffen vergleichbar sind und wurden von den USA auch in Afghanistan eingesetzt. Napalm, auf Benzinbasis wurde gegen die irakischen Schützengräben eingesetzt. 61'000 Streubomben, die 20 Millionen Minibomben verstreuten, töten bis heute Irakis [Etwa ein Drittel dieser Minibomben explodierte 1991 nicht und liegt, einer Mine vergleichbar, irgendwo] ("US urged to ban cluster bombs," Boston Globe, 18/12/02)

Es war vorhersehbar, dass diese Art der Kriegsführung zu massiven Opfern unter der Zivilbevölkerung führen würde. In einem gut bekannten Vorfall wurden etwa 400 Männer, Frauen und Kinder mit einem Schlag getötet, als die USA unter offensichtlicher Verletzung der Genfer Konvention im Ameriya-Viertel in Westbagdad einen Bunker angriffen. Tausende starben auf ähnliche Weise durch während des Tages durchgeführte Angriffe auf Wohnviertel und Gewerbegebiete im ganzen Land. (Needless Deaths in the Gulf War: Civilian Casualties During the Air Campaign and Violations of the Laws of War, Human Rights Watch 1991) Nach einer Schätzung der UNO starben an die 15'000 Zivilisten durch die alliierten Bombenangriffe. (Collateral Damage: The health and environmental costs of war on Iraq, MEDACT Report, November 2002; diese konservative Zahl schliesst die hundertausende indirekter Opfer aus, die an den Folgen der bewussten Zerstörung von Wasseraufbereitungsanlagen und anderer ziviler Infrastruktur starben. Zuverlässige Zahlen über Opfer und Schaden werden vielleicht nie zutage kommen, da beide Seiten ihre Gründe haben, das wahre Ausmass herunterzuspielen.)

Unterdessen haben zwischen 100'000 und 200'000 irakische Soldaten ihr Leben in einem buchstäblichen 'Overkill' verloren. (Collateral Damage; "Washington Whispers," U.S. News & World Report, 01.04.1991) Amerikanische Bombenteppiche auf die irakischen Stellungen an der kuwaitisch-irakischen Grenze sorgten für die grösste Zahl der Opfer. Dort lagen zehntausende schlecht ausgerüsteter und schlecht ernährter Wehrpflichtiger hilflos in ihren Gräben. Die meisten wollten sich ergeben, als der Bodenkrieg begann, aber die vorgehenden alliierten Truppen konnten Gefangene nicht brauchen. Tausende wurden lebendig begraben, als Panzer mit Pflügen und Bulldozer durch die Befestigungsanlagen brachen und über Fuchslöcher rollten . (Patrick Sloyan, "Buried Alive," Newsday, 12.09.1991)

Andere wurden gnadenlos niedergemacht, als sie fliehen oder sich ergeben wollten. "Es war, als ob jemand spät in der Nacht das Küchenlicht angemacht hätte und die Kakerlaken huschen davon. Wir holten sie schliesslich aus ihren Löchern und töteten sie", meinte Luftwaffenoberst Dick "Snake" White. (Bericht in Newsday, zitiert in Douglas Kellner, The Persian Gulf TV War, 1992) John Balzar von der Los Angeles Times berichtet, was die Infrarotfilme des US-Angriffs zeigen: "Wie Schafe im Gatter. Irakische Infanteristen, überrascht und völlig verängstigt, aus dem Schlaf gerissen und in einer Feuerhölle auf der Flucht aus ihren Bunkern. Einer nach dem andern wurde von Angreifern, die sie nicht sehen oder verstehen konnten, niedergemacht. Einige wurden von den explodierenden 30mm-Granaten buchstäblich in Stücke gerissen." (Zitiert in William Boot, "What We Saw; What We Learned," Columbia Journalism Review, May/June 1991)

Da der Widerstand zwecklos und die Kapitulation möglicherweise tödlich war, desertierten die irakischen Soldaten, wo immer möglich. Am 26. Februar anerkannte Saddam das Unvermeidliche und ordnete den Rückzug aus Kuwait an. Ueberlebende Soldaten nutzten jedes Fahrzeug, dessen sie habhaft werden konnten, um Richtung Heimat zu fliehen.

Trotz des errungenen, überwältigenden Sieges setzten US- und britische Truppen ihren gnadenlosen Angriff auf die fliehenden und wehrlosen irakischen Truppen fort. Auf einer Strecke von hundert Kilometern von Kuwait nach Basra wurde ein Massaker verübt, das US-Soldaten gleich "Truthahn-Schiessen" tauften: US Flugzeuge bombardierten die beiden Enden der langen Konvois und beschossen die eingeschlossen Fahrzeuge mit Bordwaffen und Feuerbomben. Tausende, eingeschlossen eine unbekannte Zahl flüchtender Zivilisten, verbrannten oder wurden in Fetzen geschossen. "Es war, wie wenn man auf Fische in einem Fass schiesst", sagte ein US-Pilot. (Zeugnis von Joyce Chediak vor der Untersuchungskommission des Internationalen Gerichtshofs für Kriegsverbrechen am 11.Mai 1991; Time 18.5. 1991)

Die Logik hinter der systematischen Zerstörung von Iraks ziviler Infrastruktur Die Bombardierung des Irak begann am 16. Januar 1991. Anstatt sich darauf zu beschränken, Irak aus Kuwait hinauszuwerfen oder nur militärische Ziele anzugreifen, zerstörte die Bombenkampagne der US-geführten Koalition systematisch die zivile Infrastruktur des Irak, einschliesslich Elektrokraftwerken, Wasseraufbereitungs- und Abwasserreinigungsanlagen. Das Bombardement würde länger als einen Monat lang fortgesetzt - ohne jeden Versuch, mit Truppen den angeblichen Zweck der 'Operation Wüstensturm' umzusetzen, nämlich den Irak aus Kuwait zu vertreiben.

Dass die USA genau wussten, was sie taten, zeigen Geheimdienstberichte, die jetzt deklassifiziert wurden  [die Geheimhaltung wurde aufgehoben]. Ein Papier mit dem Titel "Die Verletzlichkeit der Wasseraufbereitung des Irak" vom 22.1.1991 (eine Woche nach Kriegsbeginn) liefert die Logik hinter den Angriffen auf Iraks Wasserversorgung: "Irak muss Spezialausrüstung und einige Chemikalien zur Reinigung seines Trinkwassers importieren...Ohne einheimische Quellen für Ersatzteile und einige wesentliche Chemikalien wird Irak die Versuche fortsetzen, die UNO-Sanktionen zu umgehen und diese lebensnotwenigen Güter zu importieren. Misserfolge dabei führen zu einem Mangel an Trinkwasser für einen Grossteil der Bevölkerung. Das könnte zur vermehrtem Auftreten von Krankheiten sorgen, wenn nicht gar zu Epidemien führen." Der Import von Chlor unterlag Sanktionen und "neue Berichte weisen darauf hin, dass die Chlorvorräte fast aufgebraucht sind." Der "Verlust der Fähigkeit zur Wasseraufbereitung" wurde zur Tatsache. Obwohl es nicht so aussah, als ob es sofort zusammenbrechen werde, käme es nach 6 Monaten oder mehr zum "kompletten Stillstand" des Systems.

Sogar noch deutlicher schrieb die US 'Defence Intelligence Agency' einen Monat später, dass "Bedingungen für den Ausbruch ansteckender Krankheiten günstig sind, vor allem in städtischen Gebieten, die vom Bombardement der Koalition betroffen waren... Die derzeitigen Probleme bei der öffentlichen Gesundheit sind zurückzuführen auf den Rückgang der normalen Präventivmedizin, Abfallentsorgung, Wasserreinigung und -aufbereitung, Elektrizität und der abnehmenden Fähigkeit, den Ausbruch von Krankheiten zu kontrollieren. Jedes städtische Gebiet im Irak, dass Schäden an der Infrastruktur hat, wird ähnliche Probleme haben." (S. Muralidharan, Frontline, 12/10/01; Thomas J. Nagy, "The Secret Behind the Sanctions", The Progressive, September 2001.[die Online-Version des Artikels hat Links zu den Original-Dokumenten: http://www.progressive.org/0801issue/nagy0901.html])

Im Süden Iraks verschossen die USA mehr als eine Million Geschosse mit Spitzen aus radioaktivem Uran. Das führte später zu einem grösseren Anstieg bei Gesundheitsproblemen wie Krebs und Missbildungen. Obwohl die USA jede Verbindung zwischen dem Gebrauch von abgereichertem Uran (depleted uranium - DU) und diesen Gesundheitsproblemen abstreiten, haben europäische Regierungen, nach der Untersuchung von Beschwerden ihrer Veteranen des NATO-Angriffs auf Jugoslawien, eine weitverbreitete radioaktive Verseuchung im Kosovo als Ergebnis des Einsatz von DU-Geschossen bestätigt.

Manipulationen zur Rechtfertigung der teilweisen Besetzung

Während des Konfliktes entschieden sich die USA, nicht nach Bagdad zu marschieren und stoppten ihren Vormarsch bei Basra und Nasiriyya. Offenbar hofften die Amerikaner darauf, dass die Niederlage zu einem Sturz Saddam durch einen proamerikanischen starken Mann aus den gleichen herrschenden Kreisen führen würde. (Die Stabilität eines solchen Regimes wäre abhängig von der Erhaltung von Saddams Elitestreitkräften, den Republikanischen Garden, die bei Kriegsende in Verteidigungspositionen ausserhalb Bagdads zusammengezogen war.) Die USA waren sich nicht sicher, welche politischen Kräfte sich unter einem anderen Szenario entwickeln würden. Sie fürchteten, dass der Süden Iraks, in dem vor allem schiitische Moslems wohnen, unter iranischen Einfluss käme, wenn er sich abspaltete. Formale Unabhängigkeit der kurdischen Regionen im Norden würde den nördlichen Nachbar, den wichtigen US-Klientenstaat Türkei destabilisieren, die die Forderungen seines grossen kurdischen Bevölkerungsanteils nach Unabhängigkeit brutal unterdrückt.

Der damalige Präsident George H. W. Bush, zettelte mit seinen Aufrufen, die Menschen sollten "die Dinge in die eigenen Hände nehmen", eine Rebellion im Südirak an. Als der Aufstand tatsächlich stattfand, blieb die massive amerikanische Besatzungsmacht, die zu der Zeit noch in der Region war, ein stiller Zuschauer bei seiner Unterdrückung. Als irakische Truppen die kurdischen Rebellen im Norden gegen die türkische Grenze jagten, verhinderte die Türkei ihren Uebertritt.

Die amerikanische Mittäterschaft in beiden Fällen war so angelegt, dass sie zynischerweise dazu benutzt werden konnte, um dauerhafte Verstösse gegen Iraks Souveränität zu rechtfertigen. Die Resolution 688 des UNO-Sicherheitsrates vom April 1991 forderte von Irak, die "Unterdrückung zu stoppen", rief aber nicht zur Durchsetzung mit militärischen Mitteln auf. Trotzdem rechtfertigten die USA und Grossbritannien die Einrichtung von 'Flugverbotszonen' mit der Resolution 688: Irakische Flugzeuge durften nicht nördlich des 36. Breitengrades und südlich des 32. Breitengrades fliegen. Diese Zonen wurden von US/UK-Patrouillen mit fast täglichen Bombardierungen durchgesetzt. Nach dem Rückzug der UNO-Waffeninspekteure 1998 stieg der monatliche Durchschnitt der Bomben von 250 kg auf 5000 kg. Britische und amerikanische Flugzeuge griffen jetzt jedes Ziel an, das sie für einen Teil des irakischen Luftabwehrsystems hielten. (MERIP, S.6). Zwischen 1991 und 2000 flogen US- und UK-Kampfflugzeuge mehr als 280'000 Angriffe. Beamte der UNO haben dokumentiert, dass die Bomben routinemässig auch Zivilisten und Viehherden trafen und wichtige Teile der zivilen Infrastruktur zerstörten. (Anthony Arnove, "Iraq Under Siege: Ten Years On", Monthly Review, Dezember 2000)

Sanktionen: Völkermord

Nach dem Krieg blieb Irak unter einem umfassenden Sanktionsregime der UNO. Diese Sanktionen sollten erst aufgehoben werden, wenn Irak die Resolution 687 erfüllt hatte: Eliminierung der Programme für chemische, biologisch und atomare Waffen, Zerstörung der Langstreckenraketen, ein Inspektionsregime, das die Durchführung überwachen sollte, Zustimmung zu einer irakisch-kuwaitischen Grenze unter UNO-Aufsicht, Kriegsreparationen und Rückgabe des kuwaitischen Eigentums und der Kriegsgefangenen. Da die Umsetzung dieser Bedingungen hinausgezögert werden konnte und von Kontroversen gekennzeichnet war, konnten die Sanktionen unbefristet verlängert werden.

Das Ergebnis war katastrophal; die grösste aller Katastrophen in jenem Jahrzehnt der weltweiten ökonomischen Katastrophen. Bis 1993 war die irakische Wirtschaft unter dem Würgegriff der Sanktionen auf zwanzig Prozent der Grösse im Jahr 1979 geschrumpft und schrumpfte im nächsten Jahr noch weiter. Ausgegebene monatliche Lebensmittelrationen reichten für 10 - 15 Tage. (MERIP, S.7)

Obwohl "humanitäre Güter" vom Embargo ausgeschlossen waren, war nicht genau definiert, was "humanitär" war und musste vom Sanktionskomitee der UNO festgelegt werden. Später setzten die Briten und Amerikaner die Resolution 986 durch, um die wachsende Kritik an den Sanktionen aufzufangen und Gegenvorschlägen Frankreichs und Russlands zuvorzukommen. Danach gingen die Einkünfte aus Iraks Oelverkäufen auf ein Konto bei der UNO. Irak konnte dann Bestellungen für humanitäre Güter aufgeben, die vom UN-Sicherheitsrat geprüft wurden.

Die USA versuchten den Begriff "humanitäre Güter" auf Nahrungsmittel und Medizin alleine zu beschränken. Sie wollten so den Import von Ersatzteilen für Wasseraufbereitungsanlagen, Kraftwerke, sanitäre Anlagen und Krankenhäuser verhindern. Unter den Dingen, die das amerikanische Veto dem Irak mit der Begründung 'militärischer Nutzen' vorenthielt, waren Chemikalien, Laboreinrichtungen, Generatoren, Kommunikationsanlagen, Ambulanzen (sie hatten Funkgeräte), Anlagen zur Wasserchlorierung und sogar Bleistifte (es gibt auch militärische Anwendungen für Grafit)(Arnove, S.17). Allein 2002 verhinderten die USA und Grossbritannien die Lieferung von Gütern im Wert von 5,3 Milliarden Dollar (MERIP, S.8). Aber auch diese Zahl zeigt nicht das volle Ausmass [der Sanktionen], weil das zurückgehaltene Reparaturteil oft ganze Maschinen und Anlagen unbrauchbar machte.

Der 'Economist' (London), sonst ein lebhafter Vertreter der amerikanischen Politik gegenüber dem Irak, beschreibt die Bedingungen in dem belagerten Land im Jahre 2000:

"Sanktionen greifen in jedem Augenblick des Tages in das Leben aller Iraker ein. In Basra, Iraks zweitgrösster Stadt, flackert das Licht an und aus. Man weiss nie, zu welcher Stunde es verfügbar ist... Dicke Abgaswolken aus primitiven Generatoren und Fahrzeugen hängen über der Stadt. Wasser aus dem Hahn verursacht Durchfall, nur wenige können sich Flaschenwasser leisten. Weil die Kanalisation zusammengebrochen ist, stehen in der ganzen Stadt Tümpel mit stinkender Brühe, die an die Oberfläche gedrückt hat. Der Ausfluss hat, zusammen mit der Vergiftung stromaufwärts, die meisten Fische im Shatt el-Arab-Fluss getötet. Was noch lebt ist ungeniessbar. Die Regierung kann Moskitos und Sandfliegen nicht mehr bekämpfen; die Insekten haben sich ausgebreitet und mit ihnen die Krankheiten. Die meisten der einst vielfältigen, städtischen Dienstleistungen sind verschwunden. Die Archäologen schaufeln die mühselig ausgegrabenen Ruinen wieder zu, weil ihnen die Chemikalien zum Präparieren fehlen. Das Bewässerungssystem, das von der Regierung unterhalten wurde, ist zusammengebrochen. Ein Grossteil der guten Aecker Iraks sind jetzt entweder zu trocken oder zu salzig, um etwas anzubauen. Schafe und Rinder, die nicht mehr durch die Impfprogramme der Regierung geschützt werden können, fallen zu hundertausenden Krankheiten und Epidemien zum Opfer. Viele Lehrer in den staatlichen Schulen erscheinen nicht mehr zur Arbeit. Die trotzdem kommen, müssen lustlose, unterernährte Kinder unterrichten, oft ohne Bücher, Tische oder sogar Wandtafeln." (8.4.2000, zitiert in Arnove, p. 23)

In den ersten drei Jahren des Oel-für-Nahrung-Regimes beschränkt die UNO die Ausgaben auf 170 Dollar für einen Iraker jährlich. Von dieser mageren Summe wurde noch einmal 51 Dollar abgezogen und der Un-Kompensations-Kommission überwiesen. Dorthin konnte sich jede Regierung, jede Organisation und jedes Individuum wenden, die Kompensation als Folge des irakischen Angriffs auf Kuwait beanspruchten. (Vom verbleibenden Rest wurde ein überproportionaler Anteil unter US-Regie in den kurdischen Norden abgezweigt - 13 Prozent der Bevölkerung, aber 20 Prozent der Zahlungen. Diese Region stand ja nicht länger unter Bagdads Kontrolle. Die zynische Absicht dahinter war, zu zeigen, dass es nicht die Sanktionen, sondern Saddams Schuld ist, wenn das irakische Volk leidet.) Später entfernte die UNO die Obergrenze bei den Oeleinnahmen Iraks, verhinderte aber die Wiederherstellung der irakischen Oelindustrie. So blieben die Beschränkungen faktisch in Kraft.

1998 machte die UNO eine landesweite Untersuchung der Gesundheits- und Ernährungssituation. Sie fand heraus, die sich die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren im Süd- und Zentralirak innerhalb eines Jahrzehnts verdoppelt hatte. Mit anderen Worten: Bis 1998 waren eine halbe Million Kinder zusätzlich gestorben. Jeden Monat liegt die Zahl der zusätzlichen Tode unter Kindern bei 5'000. UNICEF schätzte 2002, dass 70 Prozent der Todesfälle von Durchfällen und akuten Infektionen der Atmungsorgane herrühren. Das ist das Ergebnis des Zusammenbruchs der zivilen Infrastruktur: Wasserversorgung, Abwasserreinigung, Elektrizität - genau wie es der US-Geheimdienst 1991 vorausgesagt hatte. Auch Erwachsene, vor allem Aeltere und kranke Personen waren davon betroffen. Die Gesamtzahl aller Opfer liegt nach einem UNICEF-Bericht aus 19997 bei 1,2 Millionen.

Die Beweise für die Auswirkungen der Sanktionen kamen direkt von der Quelle: Dennis Halliday, humanitärer Koordinator im Irak 1997-98, trat aus Protest gegen die Anwendung der Sanktionen, die er "Völkermord" nannte, zurück. An seine Stelle trat Hans von Sponeck, der im Jahr 2000 aus den gleichen Gründen zurücktrat. Jutta Burghardt, die Direktorin des UN-Welternährungsprogramms, trat ebenfalls zurück und sagte: "Ich unterstütze voll, was Herr von Sponeck sagt."

Es gibt keinen Raum für Zweifel: Dieser Völkermord ist bewusste US-Politik. Am 12. Mai 1996 wurde Madeleine Albright vom CBS-Reporter Lesley Stahl gefragt: "Wir haben gehört, dass eine halbe Million Kinder gestorben ist. Ich meine, das sind mehr Opfer als in Hiroshima. Und, was meinen Sie: Ist es diesen Preis wert?" Albrights Antwort: "Ich denke, es ist eine schwere Wahl, aber wir denken, es ist es wert."

3.5 Die Rückkehr der imperialistischen Besatzung

'Waffeninspektion' als Mittel der Provokation, Spionage und von Morden

Heute kann es keine Zweifel mehr daran geben, dass UNSCOM, das UN-Waffeninspektionsteam von den USA zum Werkzeug der Uebernahme Iraks gemacht wurde. UNSCOM hat sein Vorgehen nicht nur fortwährend mit US- und Israels Geheimdiensten abgestimmt, welche Orte zu inspizieren seien. Agenten dieser Dienste waren auch Teil der Inspektionsteams. Scott Ritter, ein ehemaliger UN-Waffeninspekteur, schreibt:

"Ich erinnere mich, wie es zu meiner Zeit als Chefinspekteur im Irak in den Teams Dutzende extrem fitter 'Raketenexperten' und 'Logistikspezialisten' gab. Sie kamen von Einheiten wie der US-Delta Force oder aus paramilitärischen CIA-Einheiten wie den Special Activities Staff (beide spielen heute beim Konflikt in Afghanistan eine Rolle). Diese Spezialisten spielten ihre berechtigte Rolle in dem schwierigen Katz-und-Maus-Spiel der Entwaffnung Iraks. Ihre Berechtigung hatten auch die Teams britischer Abhörspezialisten, die ich von 1996-98 leitete. Sie hörten die Gespräche in Husseins innerem Kreis ab. Andere Geheimdienstexperten waren ebenfalls Teil der Inspektionsmannschaften. Die Gegenwart dieser Personen wurde und wird von der irakischen Regierung als nicht akzeptierbares Risiko für ihre nationale Sicherheit angesehen. Schon 1992 sahen die Iraker die Teams, die ich führte, als Gefahr für das Leben ihres Präsidenten an." (Los Angeles Times, 16.06.2002)

Rolf Ekeus, der die Waffeninspektionsmission von 1991-97 führte, enthüllte vor kurzem in einem Interview im schwedischen Radio, dass er wusste, was los war: "Es gab keinen Zweifel, dass die Amerikaner die Inspektionen so beeinflussen wollten, dass sie bestimmte, fundamentale US-Interessen förderten." Der Druck der USA schloss Versuche ein, "Krisen im Verhältnis zum Irak zu schaffen, die in Verbindung zur gesamten politischen Situation, international und vielleicht auch national, standen...Sie hatten den Ehrgeiz, mit einer blanken Provokation eine Krise im Verhältnis zum Irak zu erzeugen, zum Beispiel durch die Inspektion des Verteidigungsministeriums. Vom irakischen Standpunkt aus war das eine Provokation." Er sagte, die USA wollten Informationen darüber, wie die irakischen Sicherheitsdienste organisiert wären und wie stark die Streitkräfte sind. Und er sagte, er sei sich "bewusst", dass die USA Informationen suchten, wo sich Saddam Hussein verstecke, "was interessant wäre, wenn man ihn persönlich angreifen wolle". (Reuters, 30.07.2002)

Bis 1997, so heisst es in Ekeus' Bericht an den Sicherheitsrat, sind 93 Prozent des irakischen Waffenarsenals vernichtet worden. UNSCOM und die internationale Atom-Energie-Behörde (IAEA) bestätigten, dass Iraks Atomprogramm nicht mehr existierte und dass seine Langstreckenwaffen zerstört waren. (Inspekteure der IAEA reisen bis heute in den Irak und melden den Vollzug.) 1999 meldete ein Spezialgremium des Sicherheitsrates, dass die irakischen Biowaffen-Anlagen (die wie schon erwähnt, von den USA geliefert wurden) "zerstört sind und als harmlos angesehen werden müssen". Aus Gründen, auf die wir noch später eingehen werden, wuchs der Druck, vor allem Frankreichs und Russlands für die schrittweise Aufhebung der Sanktionen.

Die USA sahen die Umsetzung der UN-Resolution 687 durch Irak als Bedrohung ihrer fortgesetzten Pläne an, Iraks Souveränität noch mehr zu zerfetzen. Ekeus wurde 1997 durch den Australier Richard Butler ersetzt. Dieser kam dank amerikanischer Hilfe auf den Posten und gab wenig auf die Meinung der anderen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates. Nach einer Serie von Konfrontationsversuchen, bei denen er Orte wie das Verteidigungsministerium oder die Präsidentenpaläste inspizieren wollte, beklagte sich Butler über die Nichtkooperation der Iraker und zog die Inspekteure im November und Dezember 1998 ab, das zweite Mal ohne Konsultation des Sicherheitsrates - ausser der USA. Das geschah zur Vorbereitung der "Operation Wüstenfuchs" - einer wolkenbruchartigen Bombenkampagne der Briten und Amerikaner im Süd- und Zentralirak vom 16.-19. Dezember 1998. Bezeichnenderweise wandten sich die USA und Grossbritannien vor dem Angriff nicht an den Sicherheitsrat.

Der grosse Preis

Neben den schrecklichen, direkten humanitären Auswirkungen der Sanktionen, muss man im Kopf behalten, dass eine andere Rechnung der USA die Sanktionen bis zur Invasion verlängern wollte: Unter dem Sanktionenregime sind ausländische Investitionen im Irak unmöglich. Auch kann die Oelindustrie des Landes nicht wiederaufgebaut werden. Für die USA sind die Sanktionen so ein wichtiges Mittel, um andere imperialistische Mächte daran zu hindern, ihren Fuss auf irakischen Boden zu setzen - die irakische Geschichte wiederholt sich.

Irak hat ungeheure Oelreserven, nur die saudischen sind grösser. Und sie können gleich billig wie das saudische Oel gefördert werden. Es kann sein, dass zu den bereits entdeckten 115 Milliarden Barrel Oel noch einmal die gleiche Menge hinzukommt, die erst noch entdeckt werden muss. "Da seit den 70er Jahren im Irak keine geologischen Untersuchungen mehr gemacht wurden, glauben Experten, dass der wirklich vorhandene Oelreichtum die sicheren Reserven weit übertreffen. Es könnten bis zu 250 Milliarden Barrel sein. Drei Jahrzehnte voll politischer Unstabilität und Krieg verhinderten, dass Irak 55 seiner 70 vorhandenen Oelquellen entwickelt hat. Acht dieser Felder können mehr als eine Milliarde Barrel 'leichtes Oel' enthalten - dicht an der Oberfläche und billig zu fördern." (MERIP, S. 15) "So etwas gibt es sonst nirgends auf der Welt", sagt Gerald Butt, Herausgeber des Middle East Economic Survey: "Es ist der grosse Preis." ("West sees glittering prizes ahead in giant oilfields", Michael Theodoulou and Roland Watson, The Times, 11.07.2002)

Iraks Vorkriegsproduktion lag bei 3 Millionen Barrel am Tag; die derzeitige Produktionskapazität wird auf 2,8 Milliarden Barrel geschätzt. Wegen der schlechten, veralteten Ausrüstung kann diese Zahl jedoch nicht erreicht werden. Im Augenblick exportiert der Irak weniger als eine Million Barrel am Tag. Man schätzt, dass die irakische Produktion mit entsprechenden Investitionen innerhalb von fünf Jahren 7-8 Millionen Barrel am Tag erreichen kann. Das entspricht Saudi-Arabiens gegenwärtiger Produktion von 7,1 Millionen Barrel am Tag, fast 10 Prozent des Weltbedarfs.

Die Ausdehnung der irakischen Produktion ist unmöglich, solange die Sanktionen aufrechterhalten werden. Die UNO warnte im Jahr 2000 vor einem "grösseren Zusammenbruch" in der irakischen Oelindustrie, wenn keine Ersatzteile und Ausrüstung geliefert würde. Die USA verlangten, dass jeder Extradollar nur "für kurzfristige Verbesserungen der irakischen Oelindustrie benutzt werden sollten und nicht für langfristige Reparaturen". Das US-Energieministerium sagte: "Schon im Januar 2002 drückte der Chef des UN-Programms, Benon Sevan, seine Besorgnis über den Umfang der Beschränkungen bei Verträgen zur Oelquellenentwicklung aus. Er sagte, das ganze Programm drohe zusammenzubrechen. Nach Sevan wurde fast 2'000 Verträge mit einem Wert von 5 Milliarden Dollar zurückgehalten, 80 Prozent davon von den USA." (zitiert in "The word from the CIA: it's the oil, stupid", The Age, 23/9/02)

Vom Standpunkt der US-Oelinteressen aus, waren die Sanktionen ein doppelschneidiges Schwert. Wenn sie auch die internationale Konkurrenz kurzfristig am Zügel hielten, schlossen sie die Ausbeutung von Oelreserven im geschätzten Wert von mehreren Billionen [1Billion = 1000 Milliarden] Dollar aus. Der Krieg gegen Saddam Hussein wird neben anderen Dingen auch zur Lösung dieses Widerspruch geführt.

Im Juni 2001 schlugen Frankreich und Russland im UN-Sicherheitsrat vor, die Einschränkungen ausländischer Investitionen für die irakische Oelindustrie aufzuheben.[9]  Natürlich wurde der Vorschlag von Amerikanern und Briten abgelehnt. Das amerikanische Gesetz verbietet US-Firmen Investitionen im Irak. Alle Verträge zur Entwicklung der irakische Oelfelder waren mit Firmen aus anderen Ländern abgeschlossen worden. Am 19.08.2002 veröffentlichte das Wall Street Journal folgende Tabelle. Sie stützt sich auf Informationen der Oelkonzerne:

Gesellschaften mit Verträgen mit dem Irak und  die Reserven in den Feldern, die sie nach der  Aufhebung der Sanktionen fördern könnten

Gesellschaft

Land

Reserven (Mrd. Barrel )

Elf Aquitaine*

Frankreich

9-20

Lukoil, Zarubezneft, Mashinoimport

Russland

7.5-15

Total SA*

Frankreich

 3.5-7

China National Petroleum

China

unter  2

ENI/Agip

Italien

unter  2

            *) jetzt Teil von TotalFinaElf

Lukoils Vertrag zur Förderung im West-Quran-Feld wird auf 20 Mrd. Dollar geschätzt und Zarubeznefts Konzession zur Förderung im bin Umar-Feld auf bis zu 90 Mrd. Dollar. Nach Angaben der Zeitschrift "World Energy Outlook" der internationalen Energieagentur könnte der Wert der Verträge, die Irak mit dem Ausland abgeschlossen hat, 1,1 Billionen Dollar erreichen.

Einer der Hauptgründe für die amerikanische Invasion im Irak ist die Annullierung dieser Verträge. "Die Sorge meiner Regierung ist", sagte ein russischer Beamter bei der UNO dem [englischen] Observer im Oktober, "dass die vereinbarten Konzessionen zwischen Bagdad und zahlreichen Unternehmen aufgehoben werden. Dass US-Gesellschaften den grössten Teil dieser Verträge übernehmen werden...Ja, man könnte es so sagen, dass Washington das Oel an sich reisst."

Auch Frankreich fürchtet "ökonomische Verluste durch die amerikanischen Oelpläne am Ende eines Krieges. Trotzdem wird es wohl die Invasion unterstützen: "Regierungsquellen fürchten, Frankreich könnte aussen vor bleiben, wenn es den Krieg nicht unterstützen und eine bedeutende militärische Präsenz zeigen würde. Wenn es zum Krieg kommt, will Frankreich unbedingt eine prestigeträchtigere Rolle im Kampf erhalten als 1991, wo es nur schwach verteidigtes Gebiet besetzen durfte. Es gab schon Verhandlungen zwischen der staatlichen TotalFinaElf-Gesellschaft und den USA über die Neuverteilung der Oelgebiete unter den grossen Oelkonzernen der Welt." (ibid)

Den "Griff nach dem Oel" machte der frühere CIA-Direktor James R. Woolsey in einem Interview mit der Washington Post deutlich: "Frankreich und Russland haben Oelgesellschaften und Interessen im Irak. Man sollte ihnen sagen, dass wir unser Bestes tun werden, um sicherzustellen, dass die neue Regierung und amerikanische Gesellschaften mit ihnen zusammenarbeiten - wenn sie mithelfen, Irak eine vernünftige Regierung zu verschaffen." Aber er fügte hinzu: "Wenn sie sich auf Saddams Seite stellen, wird es schwierig bis unmöglich sein, die neue Regierung zu einer Kooperation mit ihnen zu überreden." ("In Iraqi War Scenario, Oil Is the Key Issue; US Drillers Eye Huge Petroleum Pool", Dan Morgan und David B. Ottoway, Washington Post, 15.9.2002)

Ahmed Chalabi, Vorsitzender des in London ansässigen 'Irakischen Nationalkongresses', der sich der taktischen (und wahrscheinlich zeitweiligen) Unterstützung der Bush-Administration erfreut, traf im Oktober in Washington mit Direktoren dreier US-Multis zusammen, um die Aufteilung des irakischen Oelkuchens nach der US-Invasion auszuhandeln. Chalabi sagte zur Washington Post: "Amerikanische Gesellschaften werden die grossen Tiere beim irakischen Oel sein." Die amerikanische Dominanz ist so krass, dass sogar Lord Browne, der Chef von BP (früher als British Petroleum bekannt), davor warnte, dass britische Oelgesellschaften aus dem Nachkriegs-Irak hinausgedrückt worden sind, bevor auch nur ein Schuss der US-geführten Invasionstruppen gefallen ist." (The Observer, 3.11.2002) [10]

Die Logik der Invasion

Bei dieser Logik überrascht es kaum, dass Bush und sein Kabinett die Invasion im Irak schon vor seinem Amtsantritt im Januar 2001 geplant hatte. Der Plan wurde von einer rechtsstehenden Denkfabrik für Dick Cheney, jetzt Vizepräsident, Donald Rumsfeld, den Verteidigungsminister, Paul Wolfowitz, Rumsfelds Stellvertreter, Bushs jüngeren Bruder Jeb Bush und Lewis Libby, Cheneys Stabchef entworfen. Wie Neil Mackay im 'Sunday Herald' vom 15.09.2002 schreibt, verdeutlicht der Plan, dass Bushs Kabinett die militärische Kontrolle über die Golfregion übernehmen wollte, unabhängig davon, ob Saddam Hussein an der Macht sei oder nicht.

"Die Vereinigten Staaten haben jahrzehntelang versucht, eine dauerhaftere Rolle bei der regionalen Sicherheit am Golf zu spielen. Wenn der ungelöste Konflikt mit dem Irak auch die unmittelbare Rechtfertigung liefert, übersteigt die Notwendigkeit der Anwesenheit einer wesentlichen amerikanischen Streitmacht am Golf das Thema von Saddam Husseins Regime." (Betonung hinzugefügt)

Ein Institut unter Leitung von James Baker (Aussenminister von Bush Sr.) machte einen anderen Bericht für Cheney im April 2001. Dieser hatte die gleiche Stossrichtung: "Irak bleibt ein Störungsfaktor...im Oelfluss aus dem Mittleren Osten auf die internationalen Märkte. Saddam Hussein hat auch seine Bereitschaft bewiesen, die Oelwaffe und sein Exportprogramm zu nutzen, um die Oelmärkte zu manipulieren." Der Bericht klagte, dass "Irak den Hahn auf- und zudreht, wie es seinen strategischen Interessen gerade passt." Weiter heisst es, dass es eine "Möglichkeit gebe, dass Saddam Hussein über einen längeren Zeitraum Oel vom Markt zurückhalte", um den Preisen zu schaden. Der Bericht empfiehlt, "dass die USA schnell ihre Politik gegenüber dem Irak in militärischer, energiepolitischer, ökonomischer und politisch-diplomatischer Hinsicht überprüfen solle." Dieser Bericht war ein wichtiger Baustein des nationalen Energieplans (dem "Cheney-Bericht"), den der amerikanische Vizepräsident formulierte und der vom Weissen Haus anfangs Mai herausgegeben wurde. Der Cheney-Bericht fordert ein wesentlich stärkeres Engagement der USA in Regionen wie dem Persischen Golf, um den zukünftigen Erdölbedarf sicherzustellen.

Nur Stunden nach den Attentaten vom 11. September, befahl US-Verteidigungsminister Rumsfeld, ohne einen Hinweis auf irakische Beteiligung zu haben, dem Militär, mit der Vorbereitung von Angriffsplänen zu beginnen. Die Niederschrift der Sitzung zitiert Rumsfeld. Er wolle "schnell die besten Informationen. Beurteilt, ob sie gut genug sind, um S. H. [Saddam Hussein] gleichzeitig zu schlagen. Nicht nur UBL [Usama bin Laden]". Weiter zitieren die Aufzeichnungen Rumsfeld: "Geht massiv ran. Wischt alles auf. Zusammenhänge oder keine."

Das ganze Buch kann hier runtergeladen werden: http://home.arcor.de/r.u.p.e/download.htm

Diskussion



[1] Eine 'Konzession' war ein Stück Territorium, das das Gastland einer Gesellschaft zur Nutzung überliess, normalerweise für eine Geldssumme. Historisch gesehen, wurden Konzessionen vor allem für Eisenbahnen, Bergwerke und Häfen erteilt

[2]) Die USA brauchten damals das irakische Oel nicht für ihren eigenen Konsum: Grosse Funde in Amerika hatten zu einem Ueberangebot geführt. Die amerikanischen Oelgesellschaften brauchten eine Präsenz in Uebersee, um das weltweite Angebot einzuschränken und so die Preise auf einem profitablen Niveau zu halten. Und die USA wollten als neue Führungsmacht des Kapitalismus sicherstellen, dass die strategische Resourcen der Welt unter ihre Kontrolle kamen. Später, nach dem 2. Weltkrieg würde die USA ihre Kontrolle über das westasiatische Oel als ein Mittel zur Vorherrschaft in Europa benutzen.

[3]) Die wechselseitige Austauschbarkeit der Kader von Oelkonzernen und Regierungsposten ist eine Tradition des politischen Lebens der USA. Sie hat vorhersehbare Auswirkungen: In der gegenwärtigen Administration sind Präsident Bush, Vizepräsident Cheney und die nationale Sicherheitsberaterin Rice ehemalige Kader von Oelkonzernen.

[4])  Die OPEC - Organisation of Petroleum Exporting Countries wurde in Bagdad im September 1960 gegründet, um die Oelpolitik der Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen und zu koordinieren. Gründungsmitglieder waren: Irak, Iran, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela.

[5]) Die Tatsache, dass die USA den Säkularismus Iraks als Puffer gegen Khomeinis 'islamische Revolution' ansahen, durchkreuzt die gelegentlichen, heutigen Versuche der USA, Saddam als Teil einer globalen, fundamentalistischen, islamischen Verschwörung hinzustellen.

[6]) Die USA benutzten gefälschte Satellitenaufnahmen, um die Saudis zu überzeugen, dass auch an ihrer Grenze irakische Truppen zusammengezogen würden und dass ihr Land auch angegriffen werden würde. Das half bei der Ueberwindung der saudischen Sorgen in Bezug auf die Stationierung von nicht muslimischen Truppen im Land von Mekka und Medina.

[7])  Die folgende Schilderung der US-Massaker wurde von Jacob Levich beigetragen

[8]) Am 24. Januar, nur eine Woche nach Beginn der Luftangriffe, erklärte General Colin Powell, dass die USA die "Luftüberlegenheit" erreicht hätten. Das ist normalerweise definiert als der "Grad der Vorherrschaft in der Luft, die eigenen Land-, See- und Luftstreitkräften erlaubt, ihre Operationen zu jeder Zeit und an jedem Ort ohne das Eingreifen eines Gegners durchzuführen. Powell gab weiterhin bekannt, dass Iraks Atomprogramm zerstört sei. (Dan Balz and Rick Atkinson, "Powell Vows to Isolate Iraqi Army and 'Kill It'," Washington Post, 24.01.1991.) Trotzdem dauerten die Bombenangriffe weitere fünf Wochen. Da sollte eine Lektion erteilt werden.

[9])  Diese beiden Länder sind neben China von Bagdad im Handel bevorzugt worden: Von den 18,29 Milliarden Dollar, die die UNO erlaubt hatte, wickelten sie 5,48 Milliarden ab .

[10]) Dass die Briten trotzdem bei der Invasion dabei sind, liegt daran, dass sie ihre Interessen im ganzen gesehen durch die US-Offensive abgedeckt sehen. Ausserdem ist es unwahrscheinlich, dass sie komplett ausgeschlossen blieben, sie müssen sich nur hinter den Amerikanern in der Schlange anstellen.