Online-Petition und Taktik der Gewerkschaften

  • https://www.openpetition.de/pe…en/unterschreiben/adresse


    Nach dem Aus für die Infinera-Beschäftigten am Standort Berlin, deren Firma nach gerade einmal vier Monaten (kennt man ja inzwischen) dichtmacht, startete die IG Metall im Internet der Logik des Weges des geringsten Widerstandes gemäß eine Onlinepetition, um die Arbeitsplätze zu retten. Aus Sicht der Unternehmen macht das natürlich Sinn, Firmen aufkaufen, in Regionen mit (noch) niedrigeren Löhnen verlagern und gleichzeitig an die dortigen kommunalen und nationalen Gesetzgebungen mit vermutlich noch höherer Arbeitsintensität und Arbeitszeit anzupassen, um noch billiger produzieren zu lassen und noch mehr Kohle aus den Beschäftigten herauszupressen.


    Natürlich sollte man aus Interesse und Solidarität auch diese Möglichkeit ergreifen zur Unterstützung. Aus Sicht der Gewerkschaft fällt es mir jedoch immer schwerer eine gewisse Logik oder Taktik ihrer Führungen zu erkennen. Im Kaiserreich und der Weimarer Republik sind die Gewerkschaften oft auf die Fresse gefallen, aus Unverständnis ihrer bürokratischen Leitungen, aus Wissenslücken und natürlich auch aus mangelnder Klassensolidarität, wenn "Gewerkschafter" hauptberuflich eben Gewerkschafter sind, in dem Sinne Bürokraten. Die Arbeitgeber haben dann oft mit Massenaussperrungen reagiert (selbst schon bei geringfügigen Lohnkämpfen wie in der Berliner Elektroindustrie 1905/ 1906), das für die Gewerkschaften zur Folge hatte, Unterstützungszahlungen zu leisten. Statt die Beiträge zu erhöhen, um die die Kämpfe zu verbreitern und den Druck zu erhöhen hat man dann zunehmendst auf Verhandlungen gesetzt. Abgesehen von der ohnehin schon großen Zentralisierung von Kapital und Arbeitsprozessen haben die Unternehmer sich immer mehr in Arbeitgeberverbänden organisiert, während heute dagegen immer mehr austreten - ein Zeichen das die Arbeitgeber mit den Gewerkschaften und Arbeitern auch allein fertig werden. Und auch wie die Gewerkschaften haben sie Taktiken angewandt wie der Gründung von unternehmerfinanzierten gelben Werkvereinen, um die Organisierung von Arbeitern zu reduzieren oder gar zu verhindern. Im oben genannten Fall der Kämpfe in der Berliner Elektroindustrie hatten diese bei Siemens bis 1914 immerhin stolze 82% umfasst.


    Die Gewerkschaften änderten auch ihre Taktiken. Die Statuten wurden geändert, man wollte keine unvorbereiteten Kämpfe mehr führen, bei denen am Ende nichts oder fast nichts rauskommt, die die Gewerkschaften an ihre (materielle) Existenz brachten. Kampfmittel sollten "sehr" abgewogen eingesetzt werden, Streik nur nach reichlicher Überlegung und in Ausnahmesituationen. Aus häufigen langen Streiks mit wenig Beteiligung wurden wenig (heute eher seltene) und kurze Streiks mit hoher Beteiligung. Das kann an den Unternehmensleitungen nicht vorbeigegangen sein. Nach den Warnstreiks folgt dann erstmal kurze Zeit eine Intensivierung der Arbeit oder Überstunden, um den Ausfall wieder rauszuholen und am Ende wurde überhaupt nichts erreicht. Dass die Gewerkschaftsführungen Angst haben müssen dass ihnen die Kontrolle entgleitet sieht man nicht zuletzt an den steigenden Laufzeiten von Tarifverträgen, die Streiks ausschließen. Nur je mehr Betriebe abwandern desto mehr verändert sich auch die materielle Situation der Gewerkschaften. Lässt sich nun eine Taktik dieser ableiten oder wird nur noch eingesammelt, um für den Ernstfall gerüstet zu sein?

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