Anmerkung zum Bedingunglosen Grundeinkommen (BGE)

  • Man kann das BGE verschieden kritisieren. Einmal Grundsätzliches an der Überlegung feststellen, und dann den ganzen Marx herunterleiern mit Überlegungen zur Produktivkraft, Ausbeutung erklären, Privateigentum usw. Man kann auch an der möglichen Umsetzung des BGE Widersprüche aufzeigen und Kapitalismuskritik üben. Ich wollte ein paar Kritikpunkte am BGE an prinzipiellen Gedanken dazu einigermaßen oberflächlich aufzeigen:

    Anhänger rechnen vor und betonen stolz: das BGE sei auf jeden Fall bezahlbar. Ausgerechnet für die Grundversorgung der besitzlosen Masse von Lohnabhängigen bauchpinseln sie durch ihren Realismus die bürgerliche Hoheit und das Unternehmertum, die mit derselben Rechnungsweise gerade die Armut und Ohnmacht von abhängig Beschäftigen und Bürgern erzeugt haben. Der kapitalistische Staat richtet gerade gewaltsam die freie Konkurrenz ein, in der die Lohnarbeiter möglichst schlecht entlohnt werden, damit der Gewinn stimmt, und je nach Geschäftsinteresse die Besitzlosen ihres Lebensunterhalts entledigen. Er sorgt mit seiner Herrschaft dafür, dass „Berufskrankheiten“ und andere „Zivilisationskrankheiten“ - durch die kostengünstige Umweltverschmutzung und Vergiftung von Waren - dank der kapitalistischen Produktion am Arbeitsvolk produziert werden. Die Berechnung des BGE beweist den Warenfetisch seiner Vertreter, die Gebrauchswert-Blindheit gegenüber den Reichtum der Gesellschaft, der von der arbeitenden Masse hergestellt wurde, doch in anderer Leute Hände wandert. Bekannt ist sowieso, dass die Sachverwalter der Demokratie da sowieso an keinem anderen Maßstab interessiert sind als dem des Geldes. Es ist geradezu lustig und erhellend, wenn man einmal annähme, das BGE sei einfach nicht finanzierbar. Dann, nur weil es mit den Geldrechnungen nicht hinhaut, die alles Wohl und Wehe dieser Gesellschaft bestimmen, ja dann müssten die Bürger wohl auf eine Grundversorgung verzichten? Dann bleibt eben die erhoffte „Verhandlungsmacht“ am Arbeitsmarkt die alte Verhandlungsohnmacht? Und das in einer Gesellschaft voller Reichtum, der in die ganze Welt des internationalen Handels exportiert wird und ordentlich Profit abwirft. Die BGE-Advokaten könnten sich doch fragen, woher die Armut des Volks rührt? Warum der Staat dies mit seinem Gewaltmonopol der Gesellschaft laufen lässt? Warum muss denn die unselbständige Mehrheit dauernd „Verhandlungsmacht“ aufbauen, um nicht ganz zu verelenden? Was sind das für Interessengegensätze, die die demokratische Obrigkeit gewaltsam schützt? Warum besitzt eine Minderheit die ganze gesellschaftliche Produktion und Versorgung in privater Macht – damit unter Ausschluss aller anderen -, woraus sie ein Geschäft macht, und die Mehrheit nichts als ihre Arbeitskraft, um diese Eigentümer unter deren Kommando durch Lohnarbeit zu bereichern? Das Sozialprodukt ist nicht einfach gesellschaftlicher Reichtum, kein bloßer Gebrauchswert, sondern Ware mit einem Preis, er ist Kapital in der Verfügungsgewalt privater Eigentümer, und muss damit möglichst viel Gewinne für diese Minderheit abwerfen, ansonsten kommen in dieser Warenwirtschaft nützliche Güter gar nicht erst zustande.

    Nicht nur soll das BGE bezahlbar sein, die Anhänger werben mitunter dafür, dass damit auch „Wachstum“ „der Wirtschaft“ angekurbelt würde. Da horchen Kapital und Gesamtkapitalist aber überhaupt mal auf! Mit einem bisschen mehr Freiheit des Arbeitnehmers würde die Arbeitsmoral ungemein steigen, die „Arbeitsproduktivität“ sich erhöhen – und manche Optimisten meinen mehr „Kreativität“ am Fließband und Kontrollbildschirm zu erwarten. Mehr Wachstum in den Händen von Arbeitgebern und Staatsgewalt! Und das alles als Ergebnis der „Selbstverwirklichung“ der Lohndienerschaft – wenn das nicht zwei Fliegen mit einer Klappe sind! Auch wird betont, dass die Flexibilisierung des Arbeitsplatzes nun erst recht losgehen kann. Je nach Geschäftsgang und Geldinteressen des Unternehmens kann sich die Belegschaft beruflich so richtig flexibel verwirklichen, da (!) ihr ja jetzt das Existenzminimum zugesichert wird. So kann man die intensivierte Prekarisierung von Arbeit – wie mehr befristete Verträge, unregelmäßige Arbeitszeiten und Spottlöhne – mit viel Selbsttäuschung als Berufsfreiheit umdeuten. Und nicht zuletzt würde die Integration der Konkurrenzgesellschaft gefördert – das muss wohl bei all dem Konkurrenzkampf extra geschaffen werden! -, konservativ ausgedrückt: würde die Ruhigstellung und damit politische Räson der Armen und Gebeutelten mit dieser Armutsverwaltung sichergestellt. Das Ganze gibt es durch die Ermöglichung von ein bisschen „kultureller Teilhabe“ in der Unterschicht - obwohl die Mehrheit sowieso durch die Lernkonkurrenz von weiterführender Bildung ganz ausgeschlossen wurde. Damit müsste die Vision von der großen Selbstverwirklichung im Beruf schnell platzen, denn die eingerichtete Selektion in der Bildungskonkurrenz, die für die Vorsortierung der humanen Ressource auf die starre Berufshierarchie eingerichtet wurde, will so schnell doch niemand abschaffen. Und nur weil Leute vielleicht mehr Zeit und die Grundversorgung bereitstehen hätten, um zu studieren und nötige offizielle Abschlüsse zu erlangen, werden keine neuen Universitäten gebaut – zum Sortierung dient da der sog. NC. Und die verschiedenen Bildungsklassen von der Hauptschule bis zum Gymnasium und differenzierten Abschlüsse tun ihre notwendige (!) Funktion für eine sprießende Klassengesellschaft allemal. Auch wenn es dann mit der großen Freiheit der Berufswahl nicht so weit her ist, bleiben ja immer noch die anderen. Mit seiner Verbrauchermacht kann dann der versorgte Bürger dank seines Armutseinkommens zwischen Waren wählen, die allesamt nur unter Gewinnrechnung entstanden sind. Oder mit seiner Wählermacht die eine „regierungsfähige“ Partei durch eine andere ersetzen, die den kapitalistischen Machtapparat regieren darf - diesmal aber bitte besser.

    Endlich loben Linke diese Art von Armutsverwaltung – pardon: „Armutsbekämpfung“, ohne jedoch etwas vom Grund der Armut wissen zu wollen – unter dem alten und langweiligen Abstraktum Fortschritt. Von Arbeiterklasse oder Volk selbst „erkämpfte Errungenschaften“ werden kritiklos hochgepriesen, der Sozialstaat sei der größte Fortschritt der Arbeiter. Abgesehen davon, dass „sozial“ bloß ein Lehnwort aus dem Lateinischen ist, welches „gesellschaftlich“ bedeutet und damit noch jeder Müll als sozial bezeichnet werden kann. Sollte man lieber Skepsis vor Dingen an den Tag legen, die extra das Präfix „Sozial-“ zugeschoben bekommen, wie Sozialstaat, Sozialpolitik, Sozialversicherung usw. Dieses Soziale deutet nämlich immer auf Verhältnisse, in denen eine besitzlose Klasse das Soziale tatsächlich erst erkämpfen muss, weil sie ohne Kampf durch gewisse andere Interessen, denen sie gerade dienen muss, mit entsprechender Staatsgewalt hinter sich in noch größeres Elend gestürzt würde. Das Soziale von Gewerkschaften über Betriebsräte bis zur Krankenversicherung oder Armenhilfe ist also nichts als systemstützendes Mittel, welches sich der kapitalistische Staat zunutze macht, um eine nachhaltige Ausbeutung des Volks zu gewährleisten, durch die er seine Macht speist. Der alte Oscar Wilde zur Sache der Wohltätigkeit:


    „Die Mehrheit der Menschen verschwendet ihr Leben mit einer ungesunden und überbordenden Barmherzigkeit – sind tatsächlich genötigt es so zu verschwenden. Sie finden sich umgeben von grässlicher Armut, grässlicher Hässlichkeit, grässlichem Hunger. Es ist unausweichlich, dass ihr Gemüt von dies allem heftig ergriffen wird. Die Gefühle des Menschen werden schneller erregt als sein Verstand; und, wie ich vor einiger Zeit in einem Artikel über den Akt der Kritik ausgeführt habe, es ist weitaus einfacher für das Leiden Mitgefühl zu empfinden als Sympathie für Gedanken zu hegen. Dementsprechend stellen sie sich selbst, mit bewundernswerten, aber fehlgeleiteten Absichten, die äußerst ernste und äußerst sentimentale Aufgabe, die Übel zu heilen, die sie beobachten. Aber ihre Gegenmittel heilen nicht die Krankheit: sie verlängern diese bloß. In Wahrheit sind ihre Gegenmittel Teil der Krankheit. Sie versuchen bspw. das Problem der Armut zu lösen, indem sie die Armen am Leben halten; oder im Fall einer sehr fortschrittlichen Schule, indem sie die Armen belustigen. Aber das ist keine Lösung: es ist eine Verschlimmerung der Problematik. Das richtige Ziel ist, die Gesellschaft auf einer Grundlage neu zu errichten, in der Armut ausgeschlossen ist. Und die altruistischen Tugenden haben wirklich die Bestrebungen dieses Ziels verhindert. Genauso wie die schlimmsten Sklavenhalter die waren, welche ihre Sklaven wohlwollend behandelt haben, und damit verhinderten, dass diejenigen, die daran litten, die Gräuel dieses Systems zu erkennen, und diejenigen daran hinderten, die darüber nachdachten, sie zu begreifen; so richten die Leute, im gegenwärtigen Zustand Englands, den größten Schaden an, die versuchen die meisten Wohltaten zu verrichten […]. Zudem ist es verwerflich, ausgerechnet mithilfe des Privateigentums die fürchterlichen Übel zu lindern, die Produkt der Institution des Privateigentums sind.“ (S. 3 ff.)

    „Wir bekommen oft zu hören, die Armen seien für Wohltaten dankbar. Einige von ihnen sind es ohne Zweifel, aber die besten unter den Armen sind niemals dankbar. Sie sind undankbar, unzufrieden, ungehorsam und rebellisch. Sie sind dies zu Recht. Die Mildtätigkeit empfinden sie als lächerlich unzulängliches Mittel einer Teilrückerstattung oder als sentimentale Almosen, gewöhnlich mit dem unverschämten Versuch des sentimentalen Spenders verbunden, über ihr Privatleben zu herrschen. Warum sollten [die Armen] für die Krumen dankbar sein, die vom Tisch des Reichen fallen? Sie selbst sollten beim Mahle sitzen, das beginnen sie jetzt zu begreifen.“ (S. 10)

    „The Soul of Man”, O. Wilde, 1900 (2), A. Humpreys: London

    in deutsch: https://www.marxists.org/deuts…v/wilde/1891/02/seele.htm


    Ganz sicher aber sei das BGE doch viel mehr den Menschenrechten angemessen, das heißt natürlich menschenwürdig; auch ein schöner Maßstab, nicht die Bedürfnisse der Leute, sondern irgendwelche von demokratischen Idealisten ausgedachten Satzungen, die sich die Ausbeuterstaaten doch zu Herzen nehmen sollten – auch wenn nichts davon verwirklicht ist, ein Artikel jedoch allemal und ganz bestimmt (obwohl er direkt meist in der Rangfolge weiter nach hinten rückt): Art. 17 der Menschenrechtscharta (oder Art. 14 des GG), sonst müsste man gar die eigene Zahnbürste mit seinem Nächsten teilen! Unter den linken Blendern finden sich viele, die das BGE zudem noch „emanzipativ“ nennen, die schlimmsten Heuchler unter ihnen gar „antikapitalistisch“ – zumindest sei es ein wichtiger Schritt zur besseren Gesellschaft. Immerhin würden so – in hoffender Erwartung – Bedingungen geschaffen, in denen sich die Leute vernünftig politisch bilden könnten – oder doch nur wieder den üblichen bürgerlichen oder neofaschistischen Müll vertreten wie sonst. Das BGE ist keine antikapitalistische oder kommunistische Sache, da haben wohl die Leute, die solches behaupten, das Wörtchen „Kapital“ im Wort antikapitalistisch überlesen, welches damit angeblich gestürzt würde. Das BGE jedoch würde und soll laut den Vertretern nur dem funktionellen Erhalt der Ausbeutergesellschaft dienen, es will Ausbeutung und Dienerschaft im Interesse von Kapital und Nation in keiner Weise angreifen. Ja viel mehr behaupten die wichtigsten Vertreter mit dem BGE würde die Nation nur so prosperieren, das Kapitalwachstum im nationalen Standort angeschoben, der sich doch auf dem Weltmarkt und in der politischen Staatenkonkurrenz zu bewähren hat!

    http://zehnplusfuenf.info/krit…s-grundeinkommen-translib

    https://de.gegenstandpunkt.com…gungsloses-grundeinkommen

    https://www.youtube.com/watch?v=KUPlGjX7plY „Das bedingungslose Grundeinkommen BGE – Rezept gegen unzeitgemäße Armut?“ (GSP)

  • Wenn man das so hernimmt, wie Einige unter der Knute des Kapitals Stehenden das gerne möchten, kann man immer auch zukunftweisende Ideen, Forderungen, etc. verwerfen.


    Wenn man aber weiß, dass jedes Steuergeschenk lediglich unbezahlte Arbeit ist und es einem dann sch... egal ist, ob das "bezahlbar" wäre, dann greift Mensch einen eigentlich fortschrittlichen, aber kapitalistisch verzerrten Gedanken auf und macht daraus eine menschliche Forderung.


    Z.B.: in Höhe von 5.000 Euro (im Monat).


    Selbstverständlich heult dann die gesamte Kapitalistenmeute auf, weil ja alle Menschen faul sind und noch viel tausendfach mehr faul werden, nach ihrer Denkweise (wenn sie nicht mit der Knute der Lohnarbeit zu arbeitsintensiver Bewegung gezwungen sind). Aber in Wirklichkeit wissen sie, dass niemand mehr gezwungen wäre, sich bei ihnen für einen Hungerlohn zu verdingen. Und wenn man diese Forderung dann noch ausdehnt und macht daraus:


    5.000 Euro für alle! (Also auch für Politiker, Manager, Kapitalisten)


    Dann ist man bei einer fortschrittlichen Forderung.

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