Good bye Lenin

  • verfasst von Robert Schlosser(R), 29.05.2012, 20:56


    Mario hatte im Forum folgendes geschrieben:


    "In welchen Kontext ist hierbei Lenins "Staat und Revolution" einzuordnen, und seinem Ausspruch, im proletarischen Staat müsse gar eine Köchin die Staatsangelegenheiten lenken können?
    Aus trotzkistischen Kreisen ist oftmals zu vernehmen, seine Schrift wäre "beinahe anarchistisch angehaucht" und deshalb träfe der Vorwurf des Staatszentralismus bei ihm nicht zu und die äußeren Umstände hätten es nicht erlaubt sein Konzept umzusetzen.
    Ich habe das Büchlein gelesen und ich glaube, Lenin ist hier insofern raffiniert, da er seitenweise Marx' Schrift zum Bürgerkrieg in Frankreich zitiert, ihm aber unterstellt, es ginge darum den bürgerlichen (!) Staat zu zerschlagen und durch einen proletarischen (!) zu ersetzen, welcher dann irgendwann absterben würde.
    Meines Erachtens umgeht er hier Marx' Kritik an der Übernahme der Staatsmacht und bindet seine "Übergangsphase" ein. Daraus entspringt dann das berüchtigte "Phasenmodell" (Bürgerliche Gesellschaft -> Sozialistische Gesellschaft -> Kommunistische Gesellschaft), wodurch der Kommunismus letztlich wieder zur Utopie verkommt, und nicht mehr als Bewegung deren Voraussetzungen "sich aus den jetzt bestehenden Verhältnissen" (Marx) ergibt.


    Soweit meine Überlegungen dazu, die ich auch in der NAO-Prozess-Diskussion äußerte, die aber kommentarlos verhallte.


    Ansichten dazu?"


    Hallo Mario,
    ja, es gibt Ansichten dazu. Ich kann nichts anarchistisches an Lenins „Staat und Revolution“ entdecken. Im Gegenteil, es ist u.a. eine Kampfschrift gegen den Anarchismus.
    Das ist eine Schrift, die sowieso nur im Kontext von Lenins sich über die Jahre entwickelnder Revolutionstheorie zu verstehen ist. Diese Revolutionstheorie ist eine Einheit aus Partei- und Staatstheorie und ebenso eindeutigen Positionen zu den ökonomischen Grundlagen des Sozialismus/Kommunismus, speziell der ersten Phase des Kommunismus. (Ich komme darauf zurück.) Es war eine politische Streitschrift, die – wie auch seine Aprilthesen unmittelbar zur Vorbereitung des Oktoberaufstandes diente und eine Skizze dessen enthielt, was danach zu tun sei.
    Was die Interpretation dieser Schrift anbetrifft, so kann man sich am besten an Lenin selbst orientieren. Der hat nämlich 1918 in einer Polemik gegen „linke Kinderei“ den Bucharin darauf hingewiesen, wie diese Schrift zu verstehen sei. (Bucharin hatte eine Rezension geschrieben.) Überhaupt sind Lenins Reden und Schriften aus dem Jahr 1918 eine „Fundgrube“, weil er hier vieles konkretisiert hat, was in „Staat und Revolution“ nur kurz angesprochen ist. (Ich lese diese Reden und Schriften zur Zeit das erste Mal mit der nötigen Aufmerksamkeit.)


    Wider die „linke Kinderei“ stellt Lenin folgendes klar:


    „Bucharin hat bemerkt, dass man den alten Staatsapparat „zerschlagen“, „sprengen“ muss, dass man die Bourgeoisie „endgültig erdrosseln“ muss usw. Das kann ein wildgewordener Kleinbürger ebenfalls wollen.“ Ausgewählte Werke Bd. 2, Dietz Verlag Berlin 1967, S. 803


    (Vielleicht denken diejenigen, die heute unter Bezugnahme auf Lenin meinen, ein „proletarisch revolutionärer Standpunkt“ drücke sich vor allem darin aus, dass man den bürgerlichen Staatsapparat zerschlagen will, darüber noch einmal nach.)
    Dann verweist Lenin auf die seiner Meinung nach anstehenden Aufgaben und zitiert sich mehrfach selbst aus seiner Broschüre „Staat und Revolution“, um deutlich zu machen, was die Aufgaben der „Diktatur des Proletariats“ sind, vor denen die „Kleinbürger“ zurückschrecken. Da heißt es u.a.:


    „Bis die höhere Phase des Kommunismus eingetreten ist, fordern die Sozialisten die strengste Kontrolle seitens der Gesellschaft und seitens des Staates über das Maß der Arbeit und das Maß der Konsumtion.“ (ebenda, S. 804)


    Liest man in „Staat und Revolution“ selbst den zitierten Abschnitt weiter, dann steht zu diesem Punkt noch folgendes geschrieben:


    „Rechnungsführung und Kontrolle – das ist das wichtigste, was zum 'Ingangsetzen', zum richtigen Funktionieren der kommunistischen Gesellschaft in ihrer ersten Phase erforderlich ist. Alle Bürger verwandeln sich hier in entlohnte Angestellte des Staates, den die bewaffneten Arbeiter bilden. Alle Bürger werden Angestellte und Arbeiter eines das gesamte Volk umfassenden Staats'syndikats'.“ (ebenda S. 402)


    Die Beschäftigung mit dem, was die Dikatur des Proletariats ist, worin sie besteht und was ihre Aufgaben sind, das sind in der Tat zentrale Punkte in „Staat und Revolution“, Punkte, die nichts Gutes ahnen lassen. … und mit Anarchismus hat das alles nun wirklich rein gar nichts zu tun.


    Worin besteht diese „Diktatur des Proletariats“ nach Lenins Auffassung?


    „Die Diktatur des Proletariats ..., d.h. die Organisierung der Avantgarde der unterdrückten zur herrschenden Klasse ...“


    Mit dieser Avantgarde ist hier die Klasse der LohnarbeiterInnen gemeint. Bekanntlich kommt diese Avantgarde nach Lenins Meinung selbst nicht ohne eine Avantgarde aus, eine Partei von Bolschewiki. Es handelt sich also bei den Bolschewiki sozusagen um eine Meta-Avantgarde, eine Avantgarde der Avantgarde … und letztlich ist es die, die die Herrschaft ausüben soll. Dabei ist bei Lenin immer unterstellt, dass die in einer bolschewistischen Partei formulierten Positionen und Ziele die Interessen der Klasse zum Ausdruck bringen.


    Im Juli 1917 hatte Lenin bereits angekündigt:


    „... wobei man stets daran denken muss, dass die Ereignisse uns morgen schon an die Macht bringen können, die wir dann nicht wieder aus der Hand geben werden.“ (ebenda Seite 246)


    Mit „wir“ war die bolschewistische Partei gemeint … und man hat Wort gehalten, koste es was wolle, bis zum unrühmlichen Ende.


    Nachdem die Bolschewiki die Macht erobert hatten, hat Lenin seine Vorstellung von „Diktatur des Proletariats“ immer weiter konkretisiert; mit Argumentationen, die sich teilweise auf die konkreten Umstände in Russland bezogen (Folgen des Krieges, Bürgerkrieg, Rückständigkeit) und mit Argumentationen, die sehr grundsätzlicher Art waren. Besonders letztere werfen ein Licht darauf, dass er weniger für soziale Emanzipation als für „historischen Fortschritt“ unterwegs war. (Wobei schnell deutlich wird, dass die Ziele sozialer Emanzipation immer dem „historischen Fortschritt“ untergeordnet waren, bzw. man den Zielen sozialer Emanzipation nur näher kommen könnte, wenn man sie dem „historischen Fortschritt“ unterordnet.) Er sah die russische Revolution immer in der Tradition der Pariser Kommune, tatsächlich erfolgte aber nach der Machteroberung durch die Bolschewiki ein „reaktionärer Bruch“ mit dieser Tradition.


    Ich will diesen Bruch erst einmal nur mit ein paar Punkten kurz illustrieren:


    1. Den Hass auf alles Staatliche überwinden – eine Aufgabe der Sowjets?
    Marx schrieb in einem seiner Entwürfe über den „Bürgerkrieg in Frankreich“:


    „Die Kommune war eine Revolution gegen den Staat selbst, gegen dies übernatürliche Fehlgeburt der Gesellschaft; sie war eine Wiederbelegung durch das Volk und des eigenen gesellschaftlichen Lebens des Volkes.“ Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, Dietz Verlag Berlin 1963,S. 169
    oder
    „Die Kommune – das ist die Rücknahme der Staatsgewalt durch die Gesellschaft ...“ ebende S. 171


    Lenins sah das Problem nach der Eroberung der Macht durch die bolschewistische Partei 1918 so:


    „Der Staat, der jahrhundertelang ein Organ zu Unterjochung und Ausplünderung des Volkes war, hat uns als Erbe den größten Hass und das Misstrauen der Massen gegen alles Staatliche hinterlassen. Das zu überwinden ist eine sehr schwierige Aufgabe, der nur die Sowjetmacht gewachsen ist....“ Ausgewählte Werke Bd. 2, S. 748


    Die Sowjets – solange sie der lebendige Ausdruck der revolutionären Massenbewegung waren - waren aber gerade der Ausdruck des Hasses und des Misstrauens gegen alles Staatliche, der Versuch der Rücknahme der staatlichen Gewalt durch die Gesellschaft. Wie sollten diese Sowjets sich zur Aufgabe stellen, das zu überwinden? Das ging nur in dem man den Charakter der Sowjets änderte und sie der Partei unterordnete, einer Partei, die die zentrale Staatsmacht innehatte und die faktisch allein die Gewehre kommandierte. Die Sowjets der Partei der Bolschewiki unterzuordnen, das verlangte zunächst, alle anderen politischen Strömungen in den Sowjets auszuschalten und zu unterdrücken. Das war der erste Schritt, den anti-staatlichen Charakter der Räte zu zerstören und an die Stelle der frei gewählten Delegierten von Arbeitern und Bauern „Parteisoldaten“ zu setzen. Werden solche Vertretungsorgane wie der Rat der Pariser Kommune oder die russischen Sowjets nämlich frei gewählt, dann kommt das in ihrer Zusammensetzung zum Ausdruck, darin, dass alle politischen Richtungen mit Einfluss in der revolutionären Massenbewegung selbstverständlich auch in den Räten vertreten sind.
    Tatsächlich verschmolzen Partei und zentralisierte Staatsmacht zu einer Einheit und die Sowjets wurden zu Versammlungen von Claqueren für die Parteiredner und zur Zustimmungsmaschine, die für die nötige Legitimation zu sorgen hatte. Bis zur Industrialisierungdebatte Ende der 20iger Jahre, wurde der offene Meinungsstreit schon reduziert auf einen Streit in einer Partei. Danach und vor allem nach den großen Säuberungen unter Stalin war auch damit Schluss. Es herrschte Friedhofsruhe im sozialistischen Staat an dessen Spitze ein Diktator stand.


    2. Lenin über die Diktatur des Proletariats und die Diktatur einzelner Personen
    „Dass in der Geschichte der revolutionären Bewegungen durch die Diktatur einzelner Personen sehr oft die Diktatur der revolutionären Klassen zum Ausdruck gebracht, getragen, vermittelt wurde, das bezeugen die unwiderleglichen Erfahrungen der Geschichte.“ (Lenin Ausgewählte Werke Bd. 2, S. 762)


    Mit solchen und anderen Überlegungen wurde das besondere der proletarischen Revolution, was sie von bisherigen Revolutionen unterscheidet, ausgelöscht. Es wurde betont, was sie mit anderen, bisherigen Revolutionen verbindet. Eine Revolution, deren Ziel es ist, alle Klassenunterschiede zu beseitigen ist unvereinbar mit der Diktatur einzelner Personen!
    Man könnte meinen, Lenin habe hier, 1918 schon, Stalin aufgerufen, sich bereit zu machen.
    Diese famose, historisch-grundsätzliche Rechtfertigung für die mögliche Diktatur einzelner Personen in der „Diktatur des Proletariats“ zielte zunächst erstmal „nur“ darauf ab, die Herrschaft der Partei in den Betrieben durchzusetzen, ihr Kommando über die Arbeitskraft (Lenin: „... wir, die proletarische Partei, als 'Leiter' des Arbeitsprozesses und der Produktion ...“, Ausgewählte Werke Bd. 2, S. 800).
    Soweit Lenin auf Besonderheiten in Russland einging, ist folgende „Erkenntnis“ bemerkenswert:


    „Der russische Mensch ist ein schlechter Arbeiter im Vergleich mit den fortgeschrittenen Nationen.“ Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, ebenda S. 753


    „Der russische Mensch“ hatte also nicht nur einen Hass auf alles Staatliche, er war obendrein auch noch ein schlechter Arbeiter. Eine wahrhaft große Herausforderung. Dem musste von der Partei abgeholfen werden.


    Die Notwendigkeit einzelner - selbstverständlich in der Regel von der Partei eingesetzter Diktatoren - begründet Lenin sehr grundsätzlich mit der „maschinellen Großindustrie“. Die erfordere „unbedingte und strengste Einheit des Willens“.


    „Wie aber kann die strengste Einheit des Willens durchgesetzt werden? Durch die Unterordnung des Willens von Tausenden unter den Willen eines einzelnen.“ Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, ebenda S. 63)


    Bei „idealer Bewusstheit und Diszipliniertheit“ könne diese Unterordnung „an eine milde Leitung eines Dirigenten erinnern“. Auf jeden Fall aber müsse sie obendrein auch noch „widerspruchslos“ hingenommen werden.


    „..., die widerspruchlose Unterordnung (von Lenin hervorgehoben. R.S.) unter einen einheitlichen Willen ist für den Erfolg der Prozesse der Arbeit, die nach dem Typus der maschinellen Großindustrie organisiert wird, unbedingt notwendig.“ ebenda S. 763


    Für Lenin ist es offensichtlich vollständig ausgeschlossen, dass ein einheitlicher Wille über das Was und Wie der Produktion durch Kommunikation, Beratung und Beschlussfassung in den Belegschaften zustande kommt.
    Die „Herrschaft der Arbeiterklasse“, gar der vorgestellte Kommunismus auf Basis der maschinellen Großindustrie, soll also realisiert werden durch die widerspruchslose Unterordnung der ArbeiterInnen in der Produktion! Wozu dann überhaupt soziale Revolution? Eiserne Disziplin und Unterordnung unter den Willen „diktatorischer“ Vorgesetzter, das haben die LohnarbeiterInnen im Kapitalismus allemal garantiert. Dazu braucht es keine Revolution.


    Bemerkenswert an Lenins Argumentation ist gerade ihre Grundsätzlichkeit. Sie wird begründet aus den Notwendigkeiten „maschineller Großindustrie“, die ihrerseits als „Fundament des Sozialismus“ bezeichnet wird. (ebenda)
    Wenn das Fundament des Sozialismus die unbedingte und strengste Einheit des Willens erfordert und diese Einheit des Willens nur durchgesetzt werden kann durch die Unterordnung von Tausenden unter den Willen einzelner, dann kommt schon 1918 eine grundsätzliche Sozialismusvorstellung zum Vorschein, die mich gruseln lässt und die Wirklichkeit wurde. Dass ein solches Verfahren nicht „die höhere Stufe des Kommunismus“ vorbereitet, aber dafür beste subjektive Voraussetzungen schafft für kapitalistische Produktionsverhältnisse, dass sollte eigentlich einleuchten. Und so kam es denn auch. Nachdem die übergroße Mehrheit der Bevölkerung, die Bauern, in „Arbeiter und Angestellte eines Staats'syndiktats'“ verwandelt waren, nachdem diese Arbeiter und Angestellten zur „eiserner Disziplin“ erzogen waren und es gelernt hatten, widerspruchslos die Befehle ihrer „von oben“ eingesetzten Vorgesetzten auszuführen, war diese Mehrheit auch weitgehend widerstandslos bereit für die Rückkehr des Kapitals, diesmal auf großer Stufenleiter. Das hat ein paar Jahrzehnte gedauert, aber das Resultat ist eindeutig.


    Wenn Lenin in „Staat und Revolution“ betont, dass die Kontrolle durch den Staat sich auch auf diejenigen Arbeiter, die „durch den Kapitalismus tief demoralisiert sind“, erstrecken muss, dann zeigt sich hier, dass alle Arbeiter gemeint sind! Und wenn etwas „die Arbeiter“ letztlich international „tief demoralisiert“ hat, dann war es solche Art „sozialer Emanzipation“!! Der „reale Sozialismus“ bewirkte eine „Demoralisierung“, wie es der Kapitalismus niemals vollbracht hätte. Niemals würden LohnarbeiterInnen, deren Antrieb die soziale Befreiung ist, für eine solche Produktionsweise kämpfen oder gar eine Revolution machen! Das können nur Leute für möglich halten, die im „höherem Auftrag“ des „historischen Fortschritts“ unterwegs sind.


    3. Die Köchin als Lenkerin des Staates?
    „Unser Ziel ist, dass jeder Werktätige nach Erfüllung des achtstündigen 'Pensums' produktiver Arbeit unendgeldlich an der Ausübung der Staatspflichten teilnimmt: der Übergang dazu ist besonders schwierig, aber nur in diesem Übergang liegt das Unterpfand für die endgültige Festigung des Sozialismus.“ Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, Ausgewählte Werke Bd. 2,
    Dietz Verlag Berlin 1967, S. 767


    Erneut eine „heroische Aufgabe“, die schon in „Staat und Revolution“ angedeutet war! An ihrer Erfüllung haben die Bolschewiki bis zu ihrem Offenbarungseid 1989/1990 gearbeitet. (Es macht einen Unterschied, ob eine Bewegung zur sozialen Befreiung aus eigenem Antrieb die staatliche Gewalt in die Gesellschaft zurück nimmt, oder ob eine Partei, die einen neuen Staat schafft, die Werktätigen zur Ausübung von „Staatspflichten“ heranziehen will!)


    Hätte sich der große Lenin mal längere Zeit einem achtstündigen Pensum produktiver Arbeit in einem maschinellen Großbetrieb ausgesetzt, selbstverständlich bei eiserner Disziplin und unter Kommando von Vorgesetzten, die ihm im Auftrage des Staates sagen, wie groß sein Pensum zu sein hat, dann hätte er gewusst, dass sein „Sozialismus“ an dieser Herkulesaufgabe scheitern musste. 8 Stunden in eiserner Disziplin und widerspruchslos unter fremdem Kommando arbeiten und anschließend - womöglich freudestrahlend und begeistert - „Staatspflichten“ ausüben, das funktioniert nicht. Unabhängig davon aber, ob das funktioniert, handelt es sich dabei um einen Zustand, der mit sozialer Emanzipation nun wirklich nichts zu tun hat. Allein dieser schreiende Widerspruch zwischen widerspruchsloser Bevormundung während der Arbeit und anschließender „Herrschaftsausübung“ in der Gestalt der Ausübung„unendgeldlicher“ Erledigung von „Staatspflichten“ blamiert die angebliche „Diktatur des Proletariats“ als absurde Phrase. Liest man Marx im Vergleich zu solchen drohenden Aussichten, dann geht einem richtig das Herz auf! Eine solche „erste Phase des Kommunismus“ möge allen erspart bleiben.


    Was die zweite Phase des Kommunismus mit dem absterben des Staates anbetrifft, so bemerkt Lenin:


    „Und erst dann beginnt die Demokratie abzusterben, infolge des einfachen Umstandes, dass die von der kapitalistischen Sklaverei, von den ungezählten Greueln, Brutalitäten, Widersinnigkeiten und Gemeinheiten der kapitalistischen Ausbeutung befreiten Menschen sich nach und nach gewöhnen werden, die elementaren, von alters gekannten Regeln und seit Jahrtausenden in allen Vorschriften gepredigten Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens einzuhalten, sie ohne Gewalt, ohne Zwang, ohne Unterordnung, ohne den besonderen Zwangsapparat, der sich Staat nennt, einzuhalten.“ (Staat und Revolution, Ausgewählte Werke Bd. 2, S. 392)


    Seit Jahrtausenden mussten also die Menschen von Staats wegen gezwungen werden, die „elementaren Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens einzuhalten“. Immer wieder wurden sie ihnen gepredigt. In allen Vorschriften standen diese Regeln! Erst unter der „Diktatur des Proleratiats“, der ersten Phase des Kommunismus, gewöhnen sich diese resistenten Subjekte vermittels der verordneten eisernen Disziplin daran, das Verlangte freiwillig einzuhalten.
    Wie von Lenin zu erfahren ist, gehört zum Erlernen und Einüben dieser „Freiwilligkeit“, zunächst einmal die „widerspruchslose Unterordnung“ unter einen fremden Willen während der Arbeit und die Überwindung des „Hasses auf alles Staatliche“. Das nenne ich mal „Fortschritt“! Die kommunistische Umwälzung nicht als Bruch mit diesen überkommenen alten Regeln, sondern als deren freiwillige Einhaltung! (Man vergleiche solche Sätze mal mit dem Kommunistischen Manifest: „Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen; kein Wunder, dass in ihrem Entwicklungsgange am radikalsten mit den überlieferten Ideen gebrochen wird.“ )
    Ich halte es nicht für nötig, jetzt all die zweifelhaften Vorschriften über die „Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens“ aufzuzählen, die den Menschen seit Jahrtausenden gepredigt wurden. Ein kleiner Hinweis auf die 10 Gebote der christlichen Religion sei aber erlaubt, gerade weil hier von Predigten die Rede ist!


    Selbst den Kommunen, denen ansonsten im neuen proletarischen Staat kaum Bedeutung zukommt, wurden interessante Aufgaben gestellt, deren „kommunistische“ Zielsetzung sofort einsichtig ist:


    „Tausenderlei Formen und Methoden der praktischen Rechnungsführung und Kontrolle über die Reichen, über die Gauner und Müßiggänger müssen von den Kommunen selbst, von den kleinen Zellen in Stadt und Land ausgearbeitet und in der Praxis erprobt werden. Mannigfaltigkeit ist hier eine Bürgschaft für Lebensfähigkeit, Gewähr für die Erreichung des gemeinsamen, einheitlichen Ziels: der Säuberung der russischen Erde von allem Ungeziefer, von den Flöhen – den Gaunern, von den Wanzen – den Reichen usw. usf. An einem Ort wird man zehn Reiche, ein Dutzend Gauner, ein halbes Dutzend Arbeiter, die sich vor der Arbeit drücken … ins Gefängnis stecken. An einem anderen Ort wird man sie die Klosetts putzen lassen. An einem dritten Ort wird man ihnen nach Abbüßung ihrer Freiheitsstrafe gelbe Pässe aushändigen, damit das ganze Volk sie bis zu ihrer Besserung als schädliche Elemente überwache. An einem vierten Ort wird man einen von zehn, die sich des Parasitentums schuldig machen, erschießen ….. Je manigfaltiger, desto besser … desto sicherer und rascher der Erfolg des Sozialismus ...“ (Wie soll man den Wettbewerb organisieren?, Ausgewählte Werke Bd. 2, S. 594)


    Genau! Schädlingsbekämpfung, Ungeziefer beseitigen! Man sollte auch noch Aufhängen, Vierteilen und Rädern, damit es sicher vorwärtsgeht. „Echter Sozialismus“ eben, von dem manche Sekten auch heute noch träumen.
    Diese praktischen Aufgaben der Kommunen in der Leninschen „Diktatur des Proletariats“ wurden gestellt unter der Überschrift „Wie soll man den Wettbewerb organisieren?“ Ein Wettbewerb der Unterdrückung, der Säuberung der Erde von allem Ungeziefer! So nimmt „soziale Emanzipation“ Gestalt an! Dafür braucht sogar Lenin die Phantasie „selbstverwalteter Kommunen“, damit auch ja keine Form von Unterdrückung ausgelassen wird. Wozu das alles nötig war, obwohl man doch angeblich Russland überzeugt hatte, mag sich jeder selbst beantworten.


    „Wir, die Partei der Bolschewiki, haben Russland überzeugt. Wir haben Russland den Reichen, den Ausbeutern abgerungen zugunsten der Armen, der Werktätigen. Wir müssen jetzt Russland verwalten.“ Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, Ausgewählte Werke Bd. 2 S. 738


    Und so sieht das dann eben aus, wenn eine Partei mit sich selbst verliehenem historischem Auftrag ein Land „verwaltet“. Man muss nicht leugnen, dass dieser Staat manche Sozialreform zugunsten der LohnarbeiterInnen einführte, aber der „Kommunismus“ hörte unter Lenins Federführung auf eine gesellschaftliche Produktionsweise zu sein, in der sich die Realisierung von Zielen sozialer Emanzipation ausdrückt. „Kommunismus“ und soziale Emanzipation wurden zu einem sich ausschließenden Gegensatz.


    Der frisch entstehende Sowjetstaat ein Staat, „der eigentlich schon keiner mehr ist“? Wer das behauptet hat entweder Lenin nicht gelesen, oder aber er hat eine ebenso absurde Vorstellung vom „Absterben des Staates“ und von kommunistischen Produktionsverhältnissen. Es sei nochmals daran erinnert, dass all die zentralen Vorschläge Lenins und deren Begründung sehr grundsätzlich waren. Nicht der bereits begonnene Bürgerkrieg lieferte ihm die entscheidenden Argumente, sondern grundsätzliche Erwägungen über die Diktatur einer revolutionären Klasse und die Diktatur einzelner Personen, über die Notwendigkeiten maschineller Großproduktion usw. Außerdem war er in Bezug auf den begonnenen Bürgerkrieg sehr siegesgewiss und meinte, die Bolschewiki hätten „den Widerstand der Ausbeuter“ bereits gründlich gebrochen! Es sollte „verwaltet“ werden!


    Schluss
    Abschließend noch einmal ein paar Anmerkungen zum Unterschied zwischen dem „Bürgerkrieg in Frankreich“ von Marx und Lenins „Staat und Revolution“.
    Während Marx im „Bürgerkrieg in Frankreich“ Praxis, Dekrete und Absichten der Pariser Kommune analysiert und kommentiert, hat Lenin in „Staat und Revolution“ im Wesentlichen Marx interpretiert, dessen Analyse benutzt, um die bolschewistische Partei auf den Oktoberaufstand und die Errichtung der „Diktatur des Proletariats“ vorzubereiten. Auch wenn Lenin Marx sehr ausführlich zitiert, drücken seine Interpretationen und Schlussfolgerungen vor allem eins aus: seine Position. Dies betrifft sowohl die Frage einer zentralen Staatsmacht im Verhältnis zur „Selbstregierung der Kommunen“, als auch die Frage der ökonomischen Grundlagen des Kommunismus.
    Lenin benutzt Marx' Polemik gegen Unterstellungen, die Kommune sei Ausdruck eines Strebens nach kleinstaatlichem Föderalismus gewesen, um die Bolschewiki auf eine möglichst starke zentralstaatliche, diesmal „proletarische“ Staatsmacht, einzuschwören. (Marx sei ohne Abstriche Zentralist gewesen.) Tatsächlich hat Marx in der Kommune (ihrer Praxis, ihren Dekreten und Absichten) einen Bruch mit dieser zentralstaatlichen Macht gesehen, und gerade darin, in dem Streben nach „lokaler Selbstregierung“ ein wesentliches Element der Antistaatlichkeit der Kommune erblickt. Dies wird umso deutlicher, wenn man Marx' 1. und 2. Entwurf zum „Bürgerkrieg in Frankreich“ ebenfalls zur Kenntnis nimmt.


    „Wenn alle großen Städte sich nach dem Muster von Paris als Kommune organisierten, könnte keine Regierung diese Bewegung durch den plötzlichen Vorstoß der Reaktion unterdrücken. Gerade durch diesen vorbereitenden Schritt würde die Zeit für die innere Entwicklung, die Garantie der Bewegung gewonnen. Ganz Frankreich würde sich zu selbstätigen und sich selbst regierenden Kommunen organisieren, das stehende Heer würde durch die Volksmiliz ersetzt, die Armee der Staatsparasiten beseitigt, die klerikale Hierarchie durch die Schullehrer ersetzt, die Staatsgerichte in Organe der Kommune verwandelt werden; die Wahlen in die nationale Vertretung wären nicht mehr eine Sache von Taschenspielerstücken einer allmächtigen Regierung, sondern der bewusste Ausdruck der organisierten Kommunen; die Staatsfunktionen würden auf einige wenige Funktionen für allgemeine nationale Zwecke reduziert.
    Das ist also die Kommune - die politische Form der sozialen Emanzipation ….“
    (Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, Dietz-Verlag Berlin 1963, S. 173)


    „Die Initiative in allen Fragen des gesellschaftlichen Lebens sollte der Kommune vorbehalten sein. Mit einem Wort, alle öffentlichen Funktionen, sogar die wenigen, die zur Zentralregierung gehören würden, sollten durch kommunale Beamte und daher unter Kontrolle der Kommune ausgeführt werden. “
    (ebenda, S. 234, 235 2. Entwurf)


    Deutlicher kann eigentlich der Widerspruch zwischen den Absichten der Pariser Kommunarden und denen Lenins nicht ausgedrückt werden.


    Ähnlich groß wie in der Staatsfrage ist der Widerspruch zwischen Marx und Lenin in der Frage der ökonomischen Grundlagen der 1. Phase des Kommunismus. Lenin kann sich mit seiner Vision eines „Staats'syndikats'“ bei dem alle Arbeiter und Angestellten beschäftigt sind, allenfalls auf das kommunistische Manifest berufen. Ansonsten gilt, was Engels in einem Brief an Bebel schrieb:


    „Und dass wir beim Übergang in die volle kommunistische Wirtschaft den genossenschaftlichen Betrieb als Mittelstufe in ausgedehntem Maß werden anwenden müssen, daran haben Marx und ich nie gezweifelt.“ F. Engels an Bebel, 20.1.1886. MEW 36, 426.


    Und so steht es auch im „Bürgerkrieg in Frankreich“:
    „Wenn aber die genossenschaftliche Produktion nicht eitel Schein und Schwindel bleiben, wenn sie das kapitalistische System verdrängen, wenn die Gesamtheit der Genossenschaften die nationale Produktion nach einem gemeinsamen Plan regeln, sie damit unter ihre eigene Leitung nehmen und der beständigen Anarchie und den periodisch wiederkehrenden Konvulsionen, welche das unvermeidliche Schicksal der kapitalistischen Produktion sind, ein Ende machen soll – was wäre das andres, meine Herren, als der Kommunismus, der 'mögliche Kommunismus'?“ (Marx,
    „Bürgerkrieg in Frankreich“, Dietz Verlag Berlin, 1963, S. 77)


    Möglicherweise hat Lenin den Unterschied zwischen dieser Position und seiner „sozialistischen“ Idealisierung der deutschen Reichspost, zwischen seinem „Staats'syndikat'“ und genossenschaftlicher Organisation der Produktion nicht bemerkt. Er hat es nicht einmal für nötig gehalten, diese Frage in „Staat und Revolution“ zu diskutieren. Auch in seiner Besprechung von Marx „Kritik des Gothaer Programms“ „übersieht“ er diesen Punkt. Bei Marx heißt es unmißverständlich:


    „Innerhalb der genossenschaftlichen, auf Gemeingut an den Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft tauschen die Produzenten ihre Produkte nicht aus...“
    (Marx, Kritik des Gothaer Programms, Dietz Verlag Berlin 1972, S. 22)


    Zu selbstverständlich war ihm offensichtlich sein „Staatssozialismus“. „Selbstregierung der Kommunen“ und genossenschaftliche Produktionsweise auf gesellschaftlichem Maßstab, diese Eckpunkte zur Verwirklichung sozialer Emanzipation, waren und sind unvereinbar mit dem Führungsanspruch einer besonderen Partei der Arbeiterbewegung, die „die Einheit des Willens“ von oben repressiv herstellt und verkörpert.


    Die beiden großen Ziele sozialer Emanzipation, Rücknahme der Staatsgewalt in die Gesellschaft und freie Assoziation der ProduzentInnen bedeuten nichts anders als „Selbstverwaltung“. Von einer Diktatur des Proletariats kann nur mit Recht gesprochen werden, sofern sie auf dem Wege der Selbstverwaltung diese Ziele realisiert. Nur in diesem Kontext kann von einem „Absterben des Staates“ und von der Entwicklung einer klassenlosen Gesellschaft gesprochen werden.


    Sofern die bolschewistische Partei im Besitz der politischen Macht damit begann, alle Elemente direkter Demokratie, alle Elemente von Selbstverwaltung zu beseitigen, die Initiative der Räte überall zu ersetzen durch die Initiative der Partei, stellte sich der „realsozialistische Staat“ - wieder alle Bekundungen – nicht in die Tradition der Pariser Kommune, sondern in die Tradition einer absolutistischen und zentralistischen Staatsmacht! Wie diese, so wurde der „realsozialistische Staat“ zu einem Instrument repressiver „Modernisierung“ und nicht der sozialen Emanzipation.
    Der Machtanspruch der bolschewistischen Partei, bzw. ihre Machtentfaltung durch die Etablierung einer neuen zentralistischen Staatsmacht, waren insofern „konterrevolutionär“, als nicht die Klasse die wenigen wichtigen zentralstaatlichen Funktionen demokratisch festlegte und in ihrem Interesse nutzte, sondern eben die Partei. Sie war „konterrevolutionär“, sofern sie die durch Massenbewegung selbst geschaffenen Formen möglicher Selbstverwaltung mit allen Mitteln der Repression der Partei unterordnete und dadurch der emanzipatorischen Bewegung das Rückgrat brach. Das wirkt nach bis heute und für antikapitalistische Organisationen eröffnet sich nur dann eine Perspektive, wenn es einen „revolutionären Bruch“ in der Linken mit den bolschewistischen Konzepten von Partei, Staat und ökonomischen Grundlagen des Sozialismus gibt. Vor die perspektivlose Alternative gestellt, ob sie einen „Sozialstaat“ mit relativ vielen individuellen Freiheiten oder einen solchen ohne diese individuellen Freiheiten vorzieht, wird sich die Masse der LohnarbeiterInnen immer für ersteren entscheiden. Die Frage einer Revolution stellt sich überhaupt nur im Kontext der grundlegender Ziele sozialer Emanzipation. Eine Revolution, von mir aus auch ein „revolutionärer Bruch“ ist kein Selbstzweck!


    Robert


    Link zum alten Forum:
    http://marx-forum.de/diskussion/forum_entry.php?id=7239&page=7&category=0&order=time

  • hallo,


    ich habe mal versucht, einige meiner gedanken zu dieser kritik zusammenzutragen, die ich einmal hier loswerden moechte, obwohl ich damit rechnen muss, in die schublade "rosarote brille" oder wo auch immer gesteckt zu werden:


    ich moechte auch einmal behaupten, dass lenin auch dinge aufzeigte, die weniger oder gar nicht zu kritisieren sind, aber leider i.d.r. nie oder nicht entsprechend erwaehnt werden. schade eigentlich.


    was ich mit am staerksten von lenins schriften in erinnerung habe, ist der begriff "personalunion", der das wechseln von personen zwischen bank, industrie und politik beschreibt, dem austausch von koepfen in den maechtigen stellungen von wirtschaft und gesellschaft, einem phaenomen, welches noch heute seine kreise zieht. da lenin dieses schon zu seiner lebzeit aufnahm, und auch noch andere interessante ansaetze aufzeigte, finde ich, dass diese kritik (und nicht nur diese) hier insgesamt untauglich ist, in dem, was sie eigentlich versucht zu tun.


    sich kritisch mit der sowjetunion auseinanderzusetzen, ist notwendig, um es in zukunft besser/optimaler machen zu koennen. mir kommt es aber so vor, als ob versucht wird, diese vergangenheit auszuradieren bzw. sie einfach nicht zu akzeptieren, obwohl sie auch ein bestandteil der emanzipation ist. eine absolute fundamentale abwehr wird aufgebaut gegenueber jenem, was vor hundert jahren geschah, meist ohne zu beruecksichten, dass die entscheidungsfindung aus den damaligen gegebenheiten nicht mit dem heutigen stand des wissens verurteilt werden darf; damals hatte man noch durchaus ein anderes weltbild und setzte sich noch andere prioritaeten bei emanzipation, freiheit, wohlstand etc.


    dass das alte heute nicht mehr tauglich ist, den gang der dinge in die zukunft zu gestalten, ist von meiner seite her unbestritten, und sollte aber auch nur dort kritisiert werden, wo menschen mit den alten rezepten heute politik machen wollen. dem lenin heute vorzuwerfen, er haette sich nicht dem uebel entgegenstellen sollen, welches uns noch heute anekelt, ist in meinen augen undialektisch. genauso wirft man ihm vor, dass seine politik heute nicht mehr funktioniert, obwohl man es nur denen vorwerfen sollte, die das noch genau so heute wollen.


    so bitter es fuer manche klingen mag, lieber haetten sich im deutschen reich die menschen der einheitlichen weltanschauung zugewandt, als dem faschismus zu erliegen. wo auch immer lenin falsch gelegen haben mag, der damalige versuch einer einheitlichen weltanschauung als gegensatz zu dem weltbild, welches vom faschismus gepraegt worden war, ist ein legaler versuch gewesen, auch wenn er heute als unvereinbar erscheint.


    dass der mensch dem menschen ein wolf ist, ist schon eine aeltere erkenntnis, die manche zum ideal entworfen haben und andere daraus schlussfolgerten, durch eine bestimmte art von selbstdiziplin und unterwerfung diesem zustand zu entrinnen, um eine sichere und friedlichere situation zu schaffen, in der - mit bertold brecht gesprochen - "der mensch dem menschen ein helfer ist".


    bertold brecht hat es in seinem abschnitt 3 aus "an die nachgeborenen" fuer mein empfinden einmal gut formuliert:


    "Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut
    In der wir untergegangen sind
    Gedenkt
    Wenn ihr von unseren Schwaechen sprecht
    Auch der finsteren Zeit
    Der ihr entronnen seid.


    Gingen wir doch, oefter als die Schuhe die Laender wechselnd
    Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt
    Wenn da nur Unrecht war und keine Empoerung.


    Dabei wissen wir doch:
    Auch der Hass gegen die Niedrigkeit
    Verzerrt die Zuege.
    Auch der Zorn ueber das Unrecht
    Macht die Stimme heiser. Ach, wir
    Die wir den Boden bereiten wollten fuer Freundlichkeit
    Konnten selber nicht freundlich sein.


    Ihr aber, wenn es soweit sein wird
    Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
    Gedenkt unsrer
    Mit Nachsicht."


    gruss roberto