Die kommenden Revolutionen

Über kommende Revolutionen kann und muss man sich heute ebenso Gedanken machen wie über die kommende Klimaerwärmung oder die kommende Energieverknappung. All das sind Ereignisse, die schon begonnen haben, auch wenn ihre Auswirkungen erst für alle sichtbar werden, wenn sie auf ihren Höhepunkt zusteuern.

Die einen wollen sich keine Gedanken über die kommenden Revolutionen machen, weil sie keine Revolutionen kommen sehen oder weil sie sich davor fürchten. Andere wollen sich keine Gedanken über die kommenden Revolutionen machen, weil sie meinen, es handele sich dabei nur um Wiederholungen vergangener Ereignisse - zum Beispiel der Oktoberrevolution von 1917 oder der deutschen Revolution von 1918.

Ich bin da ganz anderer Ansicht und will im folgenden meine Sicht der kommenden Revolutionen schildern.

Als Ausgangspunkt meiner Prognose dient folgende Aussage:

Die produzierende Klasse (nimmt) die Leitung der Produktion und Verteilung der bisher damit betrauten, aber jetzt dazu unfähig gewordenen Klasse ab..., und das ist eben die sozialistische Revolution.“ F. Engels an Lawrow, 12.11.1875. MEW 34, 171.

Was heißt das konkret?

Die Lohnarbeiter halten jetzt schon alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten in Gang. Irgendwann wollen sie diese Tätigkeiten nicht mehr als Befehlsempfänger im Interesse des Kapitals ausführen, sondern als emanzipierte Menschen, die selber über ihre Arbeit bestimmen und ihre Zwecke selber festlegen.

Das Naheliegendste ist daher, dass sie zunächst in jedem Betrieb die Leitung selber übernehmen - in die Chefetage gehen, und den Managern sagen: Wenn ihr weiter für das Kapital arbeiten wollt, dann müsst ihr jetzt gehen. Wer in unserem Auftrag weiterarbeiten will, der kann eventuell weiter Manager bleiben. Unsere Betriebsversammlung ist ab sofort euer Aufsichtsrat, der alle Leitungsfunktionen besetzt und euch sagt, was ihr zu tun habt.

Alle Bilanzen, die Buchhaltung und Forschungsunterlagen aller Unternehmen und Banken werden veröffentlicht (zum Beispiel ins Internet gestellt) und ab sofort öffentlich geführt.

Alle Betriebe eines Ortes schicken Vertreter, um die örtliche Stadtverwaltung zu bilden, die mit den anderen Stadtverwaltungen Kontakt hält und sich berät. Für die Vertretung nach Außen und für die wirtschaftliche Gesamtkoordination braucht es auch eine Landesvertretung. Solche Vertreterfunktionen gelten immer nur für kurze Zeit (z.B. ein Jahr) und sind jederzeit kündbar.

Die heutige Macht basiert vor allem auf dem wirtschaftlichen Kommando über die Lohnarbeiter - diese Macht wäre gebrochen wie eben beschrieben.

Neben und über der Kapitalmacht über die Lohnarbeit (Verfügung über die Produktionsmittel) steht aber noch die hoch zentralisierte Macht von Polizei, Armee, Gefängnissen etc. Dieser Gewaltapparat ist so spezialisiert und aufgerüstet, dass er nicht im direkten Angriff besiegt werden kann. Was sich gegen diesen Gewaltapparat tun lässt, ist, die Lebensadern und die Versorgung dieses Gewaltapparates zu durchschneiden und den Angriffswillen der Befehlsempfänger zu lähmen.

Lebensadern des Gewaltapparates sind zunächst die Kommunikation zwischen den verschiedenen Befehlszentren und zwischen den Befehlszentren und den Untergebenen.

Versorgungsadern dieses Gewaltapparates sind andererseits wirtschaftlicher Natur: Kasernen und Regierungszentren brauchen Strom, Wasser, Lebensmittel, Geld usw. Das wird möglichst unterbrochen, bis die einfachen Befehlsempfänger kapitulieren oder die Seiten wechseln.

Natürlich schützen sich die selbstverwalteten und selbstbestimmten Arbeiter auch vor militärischen Angriffen der alten Machthaber. Das geschieht am einfachsten in den großen Betrieben. Ein zahlenmäßig kleiner selbstorganisierter Werkschutz kann jeden arbeitenden Industrie- oder Verwaltungsbetrieb (Banken) ziemlich gut gegen gewaltsame Angriffe von außen schützen. Schon heute traut sich kaum eine Polizeitruppe in einen Industriebetrieb. Fernabliegende Wohngebiete und die Verbindungswege zwischen den Städten und Betrieben sind allerdings schwerer oder nicht gegen jeden Angriff zu schützen.

Der Machtkampf zwischen Lohnarbeit und Kapital wird in hochentwickelten Gesellschaften nicht auf der Straße ausgetragen zwischen zwei bewaffneten Armeen. Diesen Kampf würden die Lohnarbeiter immer verlieren. Der Kampf wird nach meiner Prognose vielmehr darüber ausgetragen, wer das Gaswerk, das Wasserwerk, die E-Werke, die Fernsehsender und Telefonnetze in Gang halten und Betriebe und Banken gegen Angriffe von Außen verteidigen kann und wer die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen kann.

Linke Strategien

Das ist kurzgefasst mein Prognose der kommenden Revolutionen. Revolutionen sind Bestandteil der geschichtlichen Entwicklung und somit vom Willen Einzelner unabhängig. Aber als Einzelner kann man nicht alle Entwicklungen gut finden. Meine Sympathien gehören dem Modell der linken Spalte.
Die Quellen, aus denen ich größtenteils meine Ansichten geschöpft habe, stehen hier:

Karl Marx über Revolution