Gewaltenteilung


1. Gewaltenteilung ist die politische Teilung der Macht innerhalb der herrschenden Klasse. Entstanden ist diese Arbeitsteilung der Herrschenden im Absolutismus aus berechtigtem Misstrauen der bürgerlichen Kräfte gegen die herrschenden aristokratischen Kräfte.
„Zu einer Zeit ... und in einem Lande, wo königliche Macht, Aristokratie und Bourgeoisie sich um die Herrschaft streiten, wo also die Herrschaft geteilt ist, zeigt sich als herrschender Gedanke die Doktrin von der Teilung der Gewalten, die nun als ‚ewiges Gesetz’ ausgesprochen wird.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 46.

2. Beibehalten wurde die Gewaltenteilung im modernen Staat aus Misstrauen der herrschenden Klasse gegen sich selbst, aus Misstrauen gegen ihre eigene Korruptheit. Insofern ist heutige Gewaltenteilung unter den gegebenen Umständen, wo das Volk so gut wie keine Kontrollrechte gegen Beamte und Politiker hat, nützlich und notwendig.
„Worin bestand die charakteristische Eigenschaft des bisherigen Staats? Die Gesellschaft hatte zur Besorgung ihrer gemeinsamen Interessen, ursprünglich durch einfache Arbeitsteilung, sich eigene Organe geschaffen. Aber diese Organe ... hatten sich mit der Zeit, im Dienst ihrer eigenen Sonderinteressen, aus Dienern der Gesellschaft zu Herren über dieselbe verwandelt.
Wie dies z.B. nicht bloß in der erblichen Monarchie, sondern ebenso gut in der demokratischen Republik zu sehen ist. Nirgends bilden die ‚Politiker’ eine abgesondertere und mächtigere Abteilung der Nation als grade in Nordamerika. Hier wird jede der beiden großen Parteien, denen die Herrschaft abwechselnd zufällt, selbst wieder regiert von Leuten, die aus der Politik ein Geschäft machen, die auf Sitze in den gesetzgebenden Versammlungen des Bundes wie der Einzelstaaten spekulieren oder die von der Agitation für ihre Partei leben und nach deren Sieg durch Stellen belohnt werden. ...
Gerade in Amerika können wir am besten sehen, wie diese Verselbständigung der Staatsmacht gegenüber der Gesellschaft, zu deren bloßem Werkzeug sie ursprünglich bestimmt war, vor sich geht...
(Hier) haben wir ... zwei große Banden von politischen Spekulanten, die abwechselnd die Staatsmacht in Besitz nehmen und mit den korruptesten Mitteln und zu den korruptesten Zwecken ausbeuten – und die Nation ist ohnmächtig gegen diese angeblich in ihrem Dienst stehenden, in Wirklichkeit aber sie beherrschenden und plündernden zwei großen Kartelle von Politikern.“ F. Engels, Einleitung zu ‚ K. Marx: Bürgerkrieg in Frankreich’ Ausgabe 1891, MEW 17, 623f.

3. In einer emanzipierten Gesellschaft selbstbestimmter Individuen wird die gegenwärtige Gewaltenteilung der Herrschenden untereinander durch eine neue Gewaltenteilung zwischen Unten und Oben ersetzt: Das Volk wird möglichst viel (alle) Macht haben, und die Leute, die zeitweise öffentliche Verwaltungsaufgaben erledigen, wenig (keine) Macht bekommen.
„Die Kommune musste gleich von vornherein anerkennen, dass die Arbeiterklasse, einmal zur Herrschaft gekommen, nicht fortwirtschaften könne mit der alten Staatsmaschine;
sie musste anerkennen, dass diese Arbeiterklasse, um nicht ihrer eigenen, erst eben eroberten Herrschaft wieder verlustig zu gehen, einerseits alle die alte, bisher gegen sie selbst ausgenutzte Unterdrückungsmaschinerie beseitigen, andererseits aber sich sichern müsse gegen ihre eigenen Abgeordneten und Beamten, indem sie diese, ohne alle Ausnahme, für jederzeit absetzbar erklärte.“ F. Engels, Einleitung zu ‚ K. Marx: Bürgerkrieg in Frankreich’ Ausgabe 1891, MEW 17, 623.

„Gegen diese in allen bisherigen Staaten unumgängliche Verwandlung des Staats und der Staatsorgane aus Dienern der Gesellschaft in Herren der Gesellschaft, wandte die Kommune zwei unfehlbare Mittel an.
Erstens besetzte sie alle Stellen, verwaltende, richtende, lehrende, durch Wahl nach allgemeinem Stimmrecht der Beteiligten, und zwar auf jederzeitigen Widerruf durch dieselben Beteiligten.
Und zweitens zahlte sie für alle Dienste, hohe wie niedrige, nur den Lohn, den andere Arbeiter empfingen. Das höchste Gehalt, das sie überhaupt zahlte, war 6000 Franken. Damit war der Stellenjägerei und dem Strebertum ein sicherer Riegel vorgeschoben, auch ohne die gebundenen, imperativen Mandate bei Delegierten zu Vertretungskörpern, die noch zum Überfluss hinzugefügt wurden.
Diese Sprengung der bisherigen Staatsmacht und ihre Ersetzung durch eine neue, in Wahrheit demokratische, ist im dritten Abschnitt des ‚Bürgerkriegs’ (von K. Marx) eingehend geschildert.“ F. Engels, Einleitung zu ‚K. Marx: Bürgerkrieg in Frankreich’ Ausgabe 1891, MEW 17, 624.

„Heißt dies, dass es nach dem Sturz der alten Gesellschaft eine neue Klassenherrschaft geben wird, die in einer neuen politischen Gewalt gipfelt? Nein.
Die Bedingung der Befreiung der arbeitenden Klasse ist die Abschaffung jeder Klasse....
Die arbeitende Klasse wird im Laufe der Entwicklung an die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft eine Assoziation (= freie Vereinigung) setzen, welche die Klassen und ihren Gegensatz ausschließt, und es wird keine eigentliche politische Gewalt mehr geben, weil gerade die politische Gewalt der offizielle Ausdruck des Klassengegensatzes innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft ist. ...
Nur bei einer Ordnung der Dinge, wo es keine Klassen und keinen Klassengegensatz gibt, werden die gesellschaftlichen Evolutionen aufhören, politische Revolutionen zu sein.“ K. Marx, Das Elend der Philosophie, MEW 4, 181f.

„Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. Die politische Gewalt im eigentlichen Sinn ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer anderen. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingung des Klassengegensatzes, der Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 482.

„Es fragt sich dann: Welche Umwandlung wird das Staatswesen in einer kommunistischen Gesellschaft erleiden? In anderen Worten, welche gesellschaftlichen Funktionen bleiben dort übrig, die jetzigen Staatsfunktionen analog sind? Diese Frage ist nur wissenschaftlich zu beantworten, und man kommt dem Problem durch tausendfache Zusammensetzung des Worts Volk mit dem Wort Staat auch nicht um einen Flohsprung näher.“ K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 28.

Wo es dem Verständnis dient, habe ich die Rechtschreibung, veraltete Fremdwörter, Maßeinheiten und Zahlenangaben modernisiert. Diese und alle erklärenden Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Wal Buchenberg, 14.12.2001