Werden Politiker gekauft?

 

Unverforenheit gehört mit zur Grundausstattung unserer Politiker. Der wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Klaus Brandner antwortete auf die Frage:

„Kämen Sie mit 345 bzw. 331 Euro über die Runden?“ - “Ja.“ (Junge Welt, 17.1.05) 

 

Gleichzeitig kassieren solche Parlamentarier von drei oder vier Stellen gleichzeitig.

Wer aber meint, das sei „Bestechung“, der kennt nicht den schlitzohrigen Bestechungsparagraphen unseres StBG:

 

Der § 334 STGB „Bestechung“ lautet:

„(1) Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.“

 

Wie beim Barzahlungs-Kauf müssen sich hier Käufer (Bestecher) und (Verkäufer) Bestochener über „Kauf“gegenstand und Kaufpreis einigen. Eine strafbare Handlung liegt nur dann vor, wenn die Zahlung der Geldsumme oder das Gewähren einer Vergünstigung gleichzeitig abhängig gemacht wird, von einer konkreten Gegenleistung des Amtsträgers. Etwas anderes als „Barzahlungs-Kauf“ kennt unser Strafgesetzbuch nicht. Fallen – wie beim Kreditkauf – Zahlung und bezahlte Leistung zeitlich auseinander, dann ist das keine Bestechung mehr.

 

So wurden zwar unserem Exkanzler Kohl zwar Millionen zugesteckt, aber er hat dafür keine konkrete Gegenleistung versprochen, also handelte es sich um keine strafbare Bestechung.

 

Für alle Fälle ist noch eine Notbremse in das Gesetz eingebaut: Falls der Bestochene eine Diensthandlung verspricht, die seinen Amtspflichten entspricht und durch die er seine Dienstpflichten nicht verletzt, dann handelt es sich ebenfalls nicht um Bestechung.

Kölner Müllentsorgung? Trieneken? Es ist doch unsere Amtspflicht, Aufträge an Firmen zu vergeben! Leuna? Es war doch unsere Amtspflicht, DDR-Betriebe billig zu verscherbeln. Im Rahmen der Amtspflichten ist (fast) jede Begünstigung erlaubt.

 

In Zeiten, in denen die Parlamentarier Leistungen des Staates ständig kürzen und die Gebühren und Steuern anheben, melden sogar unsere braven Journalisten Bedenken an. Margaret Heckel von der Financial Times ergriff da die Flucht nach vorn und meinte: „Firmen, die Einfluss nehmen wollen, brauchen keine Parlamentarier - sie gehen direkt zum Chef.“

 

M. Heckel: „Hildegard Müller, Jann-Peter Janssen, Ulrike Flach, Hans-Jürgen Uhl - kannten Sie diese Damen und Herren vor zwei Wochen? Alle sind Bundestagsabgeordnete aus der dritten Reihe des Parlamentes. Keiner hat bislang in irgendeiner politischen Frage eine wichtige Rolle gespielt. Ob die Firmen, die diese Damen und Herren mit Nebenjobs versorgen, wirklich glauben, sie könnten sich so Einfluss verschaffen?
Dies darf bezweifelt werden. Noch bis vor kurzem galt der Deutsche Bundestag als unverbindliche Quasselbude, Leitartikel um Leitartikel wurde über die zunehmende Einflusslosigkeit des hohen Hauses verfasst. Nun plötzlich soll er Hort des Firmen-Lobbyismus sein, etliche Volksvertreter nur wenig mehr als Sprachrohre ihrer Nebenbrötchengeber.“

Eines übersieht Frau Heckel hier geflissentlich: Die Hinterbänkler von heute sind Minister und Staatssekretäre von morgen. Parlamentariergewissen reifen langsam und müssen vom Kapital langfristig „herangezogen“ und gepflegt werden.

Trotzdem lohnt der Blick auf die Minister und Staatssekretäre von heute:

M. Heckel: (...) Wer sich aber dafür interessiert, wie wirklich Einfluss auf politische Entscheidungen genommen wird, sollte woanders hinsehen - und zwar in die Chefbüros der Ministerien und des Kanzleramtes und in die zahlreichen Konzernrepräsentanzen in Berlin und Brüssel.
Zwar sitzen in Letzteren auch viele Politiker. Um Ex-Hinterbänkler handelt es sich nicht: Unter Ex-Staatssekretär läuft hier wenig. Je höher die Millionensumme, um die es geht, desto öfter kommen die Vorstände und Vorstandsvorsitzenden ins Spiel.
Legendär sind die regelmäßigen Rotweinrunden von Spitzen der deutschen Industrie und Bundeskanzler Gerhard Schröder. Haben sie ein wirklich dringendes Problem, räumt er ihnen auch kurzfristig seinen Terminkalender frei. So geschehen im Winter 2001, als Gesundheitsministerin Ulla Schmidt eine pauschale Preissenkung von vier Prozent für patentgeschützte Arzneimittel verfügte, um die Ausgaben im Gesundheitswesen zu senken. Die Pharmakonzerne waren empört - und schafften es, bei einem eilig einberufenen Krisentreffen mit dem Kanzler die Regelung zu Gunsten einer Einmalzahlung von 200 Mio. Euro zu kippen. "Pharmaindustrie kauft sich frei" war damals noch eine der freundlicheren Schlagzeilen.
Auch ist kaum zu erwarten, dass Ex-Politiker wie RAG-Chef Werner Müller oder Steag-Boss Alfred Tacke den Umweg über irgendwelche Hinterbänkler gehen müssen, wenn sie Gehör für Kohlesubventionen oder weniger Energiemarktregulierung finden wollen. Als Ex-Wirtschaftsminister und Ex-Staatssekretär dürften sie die relevanten Telefonnummern in ihren Handys gespeichert haben.
In der Ebene unter den Vorständen sorgen immer mehr hochrangige Ex-Politiker für den schnellen Draht in Exekutive und Legislative. So führt der frühere baden-württembergische Wirtschaftsminister Dieter Spöri die DaimlerChrysler-Repräsentanz in Berlin, Ex-Verkehrsminister Reinhard Klimmt ist für die Bahn aktiv, Ex-Verkehrsminister Kurt Bodewig arbeitet für KPMG und Ex-Staatssekretär Hansgeorg Hauser für die Commerzbank.
Eine Ebene weiter drunter werden Firmenexperten sogar ausdrücklich von Ministerien angefordert, um bei Gesetzesvorhaben zu beraten. So sind Mitarbeiter verschiedener deutscher Großbanken immer wieder im Finanzministerium aktiv, um Hilfestellung bei der Formulierung komplizierter Finanzmarktgesetze zu geben.“
(FTD, 17.1.05)

Frau Heckel kommt zu dem Schluss:

“Unabdingbar allerdings ist Transparenz. Wenn im Hause von Finanzminister Hans Eichel Experten von, sagen wir, der Y-Bank beim Finanzmarktfördergesetz X mitarbeiten, müssen alle Konkurrenten von der A- bis zur Z-Bank Bescheid wissen. Schon dies wird dann dafür sorgen, dass ein Gesetz für die ganze Finanzmarktbranche entsteht und nicht nur für die X-Bank. Analog dazu müssen die Firmen mitteilen, wer an Ex-Politikern auf ihrer Payroll steht - und was sie dort machen. Und wünschenswert wäre auch, dass wir über die Teilnehmer der Kungelrunden des Kanzlers informiert werden. Was dort gekungelt wurde, findet die Presse in der Regel ohnehin selbst raus. Manchmal mit Verspätung, aber dann ist der Skandal dafür umso größer. (...)“ (FTD, 17.1.05)

Mein Resümee:
Unsere Politiker in Parlament und Regierung sollen die Interessen des Gesamtkapitals vertreten. Skandalös ist nur, wenn sie Sonderinteressen einzelner Kapitalisten vertreten. Dafür sorgt die „Transparenz“.
Da kommt Freude auf!

Zitate Aus der FTD vom 17.1.2005, http://www.ftd.de/pw/de/1105773034657.html?nv=skyx
und der

Jungen Welt: http://www.jungewelt.de/2005/01-17/020.php

 

 

Wal Buchenberg 17.01.05