Ideal (Idee)

1. Nach Auffassung von Marx ist jedes Ideal und jede Idee ein Produkt von Menschenköpfen. Wir Menschen machen uns Ideen und Ideale - oder auch nicht. Die Auffassung Hegels war dem genau entgegengesetzt:
„Wichtig ist, dass Hegel überall die Idee zum (tätigen) Subjekt macht und das eigentliche, wirkliche Subjekt (die Menschheit in der Geschichte) ... zum Prädikat.“ K. Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW 1, 209.

 Von Hegel „wird die Idee zum Subjekt gemacht, die ... Wirklichkeit als ihre Entwicklung, ihr Resultat gefasst...“ K. Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW 1, 210.

Hegel hat die historischen Menschen „zu einem Produkt, einem Prädikat der Idee gemacht, das ihr Subjekt ist.“ K. Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW 1, 213.

 „Nachher erscheint dann das wirkliche Subjekt (die Menschheit in der Geschichte) als Resultat, während vom wirklichen Subjekt auszugehen und seine Objektivation (das historische Wirken der Menschheit) zu betrachten ist.“ K. Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW 1, 224.

2. Die Menschen und ihre Geschichte richten sich nicht nach Ideen oder Idealen
„Die ‚Idee’ blamierte sich immer, soweit sie von dem ‚Interesse’ unterschieden war.“ K. Marx, Hl. Familie, MEW 2, 85.

„Niemand hat den ohnmächtigen Kantischen ‚kategorischen Imperativ’ – ohnmächtig, weil er das Unmögliche fordert, also nie zu etwas Wirklichem kommt – schärfer kritisiert ... als grade der vollendete Idealist Hegel.“ F. Engels, Feuerbach, MEW 21, S. 281.

3. Der Kommunismus kümmert sich um wissenschaftliche Erkenntnisse, nicht um Ideen oder Ideale
Es ist Utopismus, „den notwendigen Unterschied zwischen der realen und idealen Gestalt der bürgerlichen Gesellschaft nicht zu begreifen, und daher das überflüssige Geschäft vornehmen zu wollen, den idealen Ausdruck selbst wieder realisieren zu wollen, da er in der Tat nur das Lichtbild dieser Realität ist.“ K. Marx, Grundrisse, 160.

„Marx würde gegen das ‚politische und gesellschaftliche Ideal’ protestieren, das Sie ihm unterstellen. Wenn schon von einem ‚Mann der Wissenschaft’, der ökonomischen Wissenschaft die Rede ist, so darf man kein Ideal haben, man erarbeitet wissenschaftliche Ergebnisse, und wenn man darüber hinaus noch ein Mann der Partei ist, so kämpft man dafür, sie in die Praxis umzusetzen.
Wenn man aber ein Ideal hat, kann man kein Mann der Wissenschaft sein, dann hat man eine vorgefasste Meinung.“ F. Engels an P. Lafargue, 11.8.84. MEW 36, 198.

 „Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten habe. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“ K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 35.

„Herr Heinzen bildet sich ein, der Kommunismus sei eine gewisse Doktrin, die von einem bestimmten theoretischen Prinzip als Kern ausgehe und daraus weitere Konsequenzen ziehe. Herr Heinzen irrt sich sehr. Der Kommunismus ist keine Doktrin, sondern eine Bewegung; er geht nicht von Prinzipien, sondern von Tatsachen aus. Die Kommunisten haben nicht diese oder jene Philosophie, sondern die ganze bisherige Geschichte und speziell ihre gegenwärtigen tatsächlichen Resultate in den zivilisierten Ländern zur Voraussetzung.“ F. Engels, Karl Heinzen, 1847, MEW 4, 321f.

„Und Kommunismus hieß nun nicht mehr: Ausheckung vermittelst der Phantasie, eines möglichst vollkommenen Gesellschaftsideals, sondern: Einsicht in die Natur, die Bedingungen und die daraus sich ergebenden allgemeinen Ziele des vom Proletariat geführten Kampfes.“ F. Engels, Bund der Kommunisten, MEW 8, 582.

„Wie die Ökonomen die wissenschaftlichen Vertreter der Bourgeoisklasse sind, so sind die Sozialisten und Kommunisten die Theoretiker der Klasse des Proletariats. ...
In dem Maße, wie die Geschichte vorschreitet und mit ihr der Kampf des Proletariats sich deutlicher abzeichnet, haben sie nicht mehr nötig, die Wissenschaft in ihrem Kopfe zu suchen;
sie haben sich nur Rechenschaft abzulegen von dem, was sich vor ihren Augen abspielt, und sich zum Organ desselben zu machen. ... Von diesem Augenblick an wird die Wissenschaft bewusstes Erzeugnis der historischen Bewegung, und sie hat aufgehört, doktrinär zu sein, sie ist revolutionär geworden.“ K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 143.

 Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und die kommentierenden Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.

Anmerkung zum „Marxismus-Leninismus“:
„Die Ideale der Arbeiterklasse – das Ideal der klassenlosen kommunistischen Gesellschaft oder das Ideal der allseitig entwickelten Individuen ... spielen eine große aktivierende Rolle als Orientierungspunkte im geschichtlichen Handeln....“ Kleines Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie, Berlin 1974, 134.

Wal Buchenberg, 4.2.2002