Vulgärökonomie 1. Vulgärökonomie ist
Ideologie „Die Vulgärökonomen ... übersetzen in der Tat die Vorstellungen, Motive etc. der in der kapitalistischen Produktion befangenen Träger derselben, in denen sie sich nur in ihrem oberflächlichen Schein reflektiert. Sie übersetzen sie in eine doktrinäre Sprache, aber vom Standpunkt ... der Kapitalisten (aus), ... daher nicht naiv und objektiv, sondern rechtfertigend.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 445. „Soweit sie bürgerlich
ist, d. h. die kapitalistische Ordnung statt als geschichtlich
vorübergehende Entwicklungsstufe, umgekehrt als absolute und letzte
Gestalt der gesellschaftlichen Produktion auffasst, kann die politische
Ökonomie nur Wissenschaft bleiben, solange der Klassenkampf latent bleibt
oder sich nur in vereinzelten Erscheinungen
offenbart. Nehmen wir England.
Seine klassische politische Ökonomie fällt in die Periode des
unentwickelten Klassenkampfs. Ihr letzter großer Repräsentant, Ricardo,
macht endlich bewusst den Gegensatz der Klasseninteressen, des
Arbeitslohns und des Profits, des Profits und der Grundrente, zum
Springpunkt seiner Forschungen, indem er diesen Gegensatz naiv als
gesellschaftliches Naturgesetz auffasst. Damit war aber auch die
bürgerliche Wissenschaft der Ökonomie bei ihrer unüberschreitbaren
Schranke angelangt. ... Mit dem Jahr 1830 trat die ein für allemal entscheidende Krise ein. Die Bourgeoisie hatte in Frankreich und England politische Macht erobert. Von da an gewann der Klassenkampf, praktisch und theoretisch, mehr und mehr ausgesprochene und drohende Formen. Er läutete die Totenglocke der wissenschaftlichen bürgerlichen Ökonomie. Es handelte sich jetzt nicht mehr darum, ob dies oder jenes Theorem wahr sei, sondern ob es dem Kapital nützlich oder schädlich, bequem oder unbequem, ob polizeiwidrig oder nicht. An die Stelle uneigennütziger Forschung trat bezahlte Fliegenbeinzählerei, an die Stelle unbefangener wissenschaftlicher Untersuchung das böse Gewissen und die schlechte Absicht der Verteidigung des Bestehenden.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 19ff. „Der wohlmeinende gute
Wille, in der bürgerlichen Welt die beste aller möglichen Welten zu
entdecken, ersetzt in der Vulgärökonomie jede Notwendigkeit der
Wahrheitsliebe und des wissenschaftlichen Forschungstriebs.“ K. Marx, Kapital III,
MEW 25, 852 Anm. 53. 2.
Theoreme der Vulgärökonomie 2.1. Kapitalismus sei eine natürliche und ewige
Produktionsweise Das Geheimnis der
modernen bürgerlichen Ökonomie „besteht einfach in
der Umwandlung veränderlicher gesellschaftlicher Verhältnisse, die einer
bestimmten historischen Epoche angehören und einem gegebenen Stand der
materiellen Produktion entsprechen, in ewige, allgemeine, unveränderliche
Gesetze, in Naturgesetze, wie sie auch von den Ökonomen bezeichnet
werden. Die völlige Umwandlung
der gesellschaftlichen Verhältnisse, die sich aus den Revolutionen und
Evolutionen im Prozess der materiellen Produktion ergibt, wird von den
Vertretern der politischen Ökonomie als bloße Utopie angesehen. Sie sehen
die ökonomischen Grenzen einer gegebenen Epoche (wie z. B. den Fall der
Profitrate), aber sie begreifen nicht, dass diese Grenzen selbst
begrenzt sind und im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung ebenso
verschwinden müssen, wie sie von ihr geschaffen wurden“. K. Marx, Kriegsfrage,
MEW 9, 254. 2.2. Lohnarbeit sei bezahlte Arbeit und daher keine
Ausbeutung „Die Form des
Arbeitslohns löscht also jede Spur der Teilung des Arbeitstags in
notwendige Arbeit und Mehrarbeit, in bezahlte und unbezahlte Arbeit aus.
Alle Arbeit erscheint als bezahlte Arbeit. Bei der Fronarbeit
unterscheiden sich räumlich und zeitlich, handgreiflich sinnlich, die
Arbeit des Fronbauern für sich
selbst und seine Zwangsarbeit für den Grundherrn. Bei der Sklavenarbeit
erscheint selbst der Teil des Arbeitstags, worin der Sklave nur den Wert
seiner eigenen Lebensmittel ersetzt, den er in der Tat also für sich
selbst arbeitet, als Arbeit für seinen Meister. Alle seine Arbeit
erscheint als unbezahlte Arbeit. Bei der Lohnarbeit
erscheint umgekehrt selbst die Mehrarbeit oder unbezahlte Arbeit als
bezahlt. Dort verbirgt das Eigentumsverhältnis das Fürsichselbstarbeiten
des Sklaven, hier das Geldverhältnis das Umsonstarbeiten des
Lohnarbeiters. ... Auf dieser
Erscheinungsform, die das wirkliche Verhältnis unsichtbar macht und gerade
sein Gegenteil zeigt, beruhen alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie
des Kapitalisten, alle Selbsttäuschungen der
kapitalistischen Produktionsweise, alle ihre Freiheitsillusionen, alle beschönigenden Flausen der
Vulgärökonomie.“ K. Marx,
Kapital I, MEW 23, 562. 2.3. Privater Konsum sei Zweck der kapitalistischen
Produktion „In w – g – w fungiert
Geld nur als Münze (d. h. als
Kaufmittel); Zweck dieser Zirkulation ist die individuelle Konsumtion
des Kapitalisten. Es charakterisiert den Schwachsinn der Vulgärökonomie,
dass sie diese Zirkulation, die nicht in den Kreislauf des Kapitals
eingeht – die Zirkulation des als privaten Konsum verzehrten Teils
des Wertprodukts – für den charakteristischen Kreislauf des Kapitals
ausgibt.“ K. Marx, Kapital II,
MEW 24, 75. „Wir haben also
einfache Reproduktion vorausgesetzt, d. h. dass g – w sich ganz trennt von
G – W. Da beide
Zirkulationen, w – g – w ebenso wie W – G – W, der allgemeinen Form nach
der Warenzirkulation angehören (und daher auch keine Wertdifferenzen
zwischen den Extremen zeigen), so ist es leicht, wie die Vulgärökonomie es
tut, den kapitalistischen Produktionsprozess aufzufassen als bloße
Produktion von Waren, Gebrauchswerten zur Konsumtion irgendeiner Art
bestimmt, die der Kapitalist nur produziert, um sie durch Waren von
anderem Gebrauchswert zu ersetzen, oder sie damit umzutauschen, wie es in
der Vulgärökonomie fälschlich heißt.“ K. Marx, Kapital II,
MEW 24, 73f. 2.4. Das Kapital sei
Quelle von Wert Das zinstragende
Kapital erscheint als Geld, das mehr Geld schafft: „G – G': Wir haben
hier den ursprünglichen Ausgangspunkt des Kapitals, das Geld in der Formel
G – W – G' reduziert auf die beiden Extreme G – G', ... Geld, das mehr
Geld schafft.“ K. Marx, Kapital
III, MEW 25, 404. „Das Kapital erscheint
als mysteriöse und selbstschöpferische Quelle des Zinses, seiner eigenen
Vermehrung. ... ; das Resultat des gesamten Reproduktionsprozesses
erscheint als eine, einem Ding von selbst zukommende Eigenschaft;
... Im zinstragenden
Kapital ist daher dieser automatische Fetisch rein herausgearbeitet, der
sich selbst verwertende Wert, Geld schaffendes Geld, und trägt es in
dieser Form keine Narben seiner Entstehung mehr. Das gesellschaftliche
Verhältnis ist vollendet als Verhältnis eines Dings, des Geldes, zu sich
selbst. Statt der wirklichen Verwandlung von Geld in Kapital zeigt sich
hier nur ihre inhaltslose Form. ... Es wird ganz so
Eigenschaft des Geldes, Wert zu schaffen, Zins abzuwerfen, wie die eines
Birnbaums, Birnen zu tragen.“ K. Marx, Kapital III,
MEW 25, 405. „Für die Vulgärökonomie, die das Kapital als selbständige Quelle des Werts, der Wertschöpfung, darstellen will, ist natürlich diese Form ein gefundenes Fressen, ...“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 405f. Siehe auch die Artikel:
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Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |