Staatsschulden
"Ist nicht jede Staatsschuld eine Hypothek, die dem Fleiß eines ganzen Volkes aufgehalst wird, und ein Beschneiden seiner Freiheit? Lässt sie nicht eine neue Gesellschaft unsichtbarer Tyrannen entstehen, die unter der Bezeichnung öffentlicher Gläubiger bekannt ist?" K. Marx, MEW 15, 124.
1.
Staatsschulden kapitalisieren (privatisieren)
Steuergelder Über die Staatsanleihen werden Steuereinnahmen benutzt, um Zinsen und Leihkapital an die Geldkapitalisten zu zahlen. Öffentliche Gelder werden über Staatsanleihen reprivatisiert und kapitalisiert. 1.1. Staatsschulden verwandeln Geld der Staatsgläubiger in
Kapital Mit der Entwicklung und Akkumulation des bürgerlichen Eigentums, d. h. mit der Entwicklung des Handels und der Industrie wurden die Individuen immer reicher, während der Staat immer verschuldeter wurde. Dies Faktum trat schon hervor in den ersten italienischen Handelsrepubliken, zeigte sich später in seiner Spitze in Holland seit dem 18. Jahrhundert ... und findet jetzt wieder statt in England. Es zeigt sich daher auch, dass, sobald die Bourgeoisie Geld gesammelt hat, der Staat bei ihr betteln gehen muss und endlich von ihr geradezu an sich gekauft wird. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 344f. Die öffentliche
Schuld wird einer der energischsten Hebel der ... Akkumulation. Wie mit
dem Schlag der Wünschelrute begabt sie das unproduktive Geld mit
Zeugungskraft und verwandelt es so in Kapital, ohne dass es dazu nötig
hätte, sich der von industrieller und selbst wucherischer Anlage
unzertrennlichen Mühwaltung und Gefahr auszusetzen. Die Staatsgläubiger
geben in Wirklichkeit nichts, denn die geliehene Summe wird in öffentliche
leicht übertragbare Schuldscheine verwandelt, die in ihren Händen
fortfungieren, ganz als wären sie ebenso viel
Bargeld. Aber auch abgesehen von der so geschaffenen Klasse müßiger Rentner und von dem improvisierten Reichtum der zwischen Regierung und Nation die Mittler spielenden Finanziers wie auch von dem der ... Kaufleute, Privatfabrikanten, denen ein gut Stück jeder Staatsanleihe den Dienst eines vom Himmel gefallenen Kapitals leistet hat die Staatsschuld die Aktiengesellschaften, den Handel mit käuflichen Effekten aller Art, die Agiotage (Gründergewinn von Aktiengesell-schaften) emporgebracht, in einem Wort: das Börsenspiel und die moderne Bankokratie. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 782f. Der Staat hat seinen
Gläubigern jährlich eine gewisse Menge Zins für das geborgte
Kapital zu zahlen. Der Gläubiger kann hier nicht seinem Schuldner
aufkündigen, sondern nur die Forderung, seinen Besitztitel darüber,
verkaufen. Das Kapital selbst ist aufgegessen, verausgabt vom Staat. Es
existiert nicht mehr. Was der
Staatsgläubiger besitzt, ist 1. ein Schuldschein
auf den Staat, sage von 100.000 Euro; 2. gibt dieser
Schuldschein ihm den Anspruch auf die jährlichen Staatseinnahmen ... für
einen gewissen Betrag, sage 5.000 Euro oder 5
%; 3. kann er diesen
Schuldschein von 100.000 Euro beliebig an andere Personen
verkaufen. Ist der Zinsfuß 5 %, und dazu die Sicherheit des Staats
vorausgesetzt, so kann der Besitzer A den Schuldschein in der Regel zu
100.000 Euro an B verkaufen; denn für B ist es dasselbe, ob
er 100.000 Euro zu 5 % jährlich ausleiht, oder ob er durch
Zahlung von 100.000 Euro sich einen jährlichen Tribut vom
Staat zum Betrage von 5.000 Euro sichert. Aber in allen diesen
Fällen bleibt das Kapital, als dessen Abkömmling (Zins) die Staatszahlung
betrachtet wird, illusorisch, fiktives Kapital. Nicht nur, dass die
Summe, die dem Staat geliehen wurde, überhaupt nicht mehr existiert. Sie
war überhaupt nie bestimmt, als Kapital verausgabt, angelegt zu werden,
und nur durch ihre Anlage als Kapital hätte sie in einen sich erhaltenden
Wert verwandelt werden können. ... ... das Kapital der Staatsschuld bleibt ein rein fiktives, und von dem Moment an, wo die Schuldscheine unverkaufbar würden, fiele der Schein dieses Kapitals weg. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 482f. Die Akkumulation des
Kapitals der Staatsschuld heißt, wie sich gezeigt hat, weiter nichts als
Vermehrung einer Klasse von Staatsgläubigern, die gewisse Summen auf den
Betrag der Steuern für sich vorwegzunehmen berechtigt sind. K. Marx, Kapital III,
MEW 25, 493. 1.2. Von
Staatsschulden wird allen Ernstes behauptet, dass sie nur künftige
Generationen belasten Genauso gut kann man behaupten, dass, wer heute einen Kredit
aufnimmt, nicht sich belastet, sondern nur seine
Erben. Was die so genannte Vorwegnahme betrifft ... bei Staatsschulden, so bemerkt Ravenstone ... mit Recht: Indem sie vorgeben, die Ausgaben der Gegenwart in die Zukunft zu verschieben; indem sie behaupten, dass man die Nachkommenschaft belasten kann, um die Bedürfnisse der heutigen Generation zu befriedigen, behaupten sie das Absurde, dass man konsumieren kann, was noch nicht besteht, dass man von Lebensmitteln leben kann, ehe deren Samen in die Erde gesät worden sind. Die ganze Weisheit unserer Staatsmänner läuft auf eine große Übertragung von Eigentum von einer Klasse von Personen auf eine andere hinaus ... K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 303f. Übertragen wird Eigentum der Steuerzahler auf die
Staatsgläubiger. Ist nicht jede Staatsschuld eine Hypothek, die dem Fleiß eines ganzen Volkes auferlegt wird, und ein Beschneiden seiner Freiheit? Lässt sie nicht eine neue Gesellschaft unsichtbarer Tyrannen entstehen, die unter der Bezeichnung öffentlicher Gläubiger bekannt ist? K. Marx, Sardonische Anleihe, MEW 15, 124. Der einzige Teil des so genannten Nationalreichtums, der wirklich in den Gesamtbesitz der modernen Völker eingeht, ist ihre Staatsschuld. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 782. 1.3. Erhöhte Steuern
und Gebühren sind notwendige Folgen jeder
Staatsverschuldung Die Steuern sind die wirtschaftliche Grundlage der Regierungs-maschinerie und von sonst nichts. K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 30. Da die Staatsschuld
ihren Rückhalt in den Staatseinkünften hat, die die jährlichen Zins- usw.
Zahlungen decken müssen, so wurde das moderne Steuersystem notwendige
Ergänzung des Systems der Nationalanleihen. Die Anleihen befähigen die
Regierung, außerordentliche Ausgaben zu bestreiten, ohne dass der
Steuerzahler es sofort fühlt, aber sie erfordern doch für die Folge
erhöhte Steuern. Andererseits zwingt die durch Anhäufung nacheinander
eingegangener Schulden verursachte Steuer-erhöhung die Regierung,
bei neuen außerordentlichen Ausgaben stets neue Anleihen aufzunehmen. Die
modernen Staatsfinanzen, deren Drehungsachse die Steuern auf
die notwendigsten Lebensmittel (also deren Verteuerung) bilden, trägt
daher in sich selbst den Keim automatischer Progression. Die
Überbesteuerung ist nicht ein Zwischenfall, sondern vielmehr Prinzip.
... Der zerstörende
Einfluss, den es auf die Lage der Lohnarbeiter ausübt, geht uns hier
jedoch weniger an als die durch es bedingte gewaltsame Enteignung
des Bauern, des Handwerkers, kurz aller Bestandteile der kleinen
Mittelklasse. ... Der große Anteil an
der Kapitalisation des Reichtums und der Enteignung der Massen, der
auf die öffentliche Schuld und das ihr entsprechende Finanzsystem
fällt, hat eine Menge Schriftsteller, wie Cobbett, Doubleday und andere,
dahin geführt, mit Unrecht hierin die Grundursache des Elends der modernen
Völker zu suchen. K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 784. 2. Was
tun? "Wenn die Demokraten
die Regulierung der Staatsschulden verlangen, verlangen die Arbeiter den
Staatsbankrott." K. Marx, An die
Mitglieder des Kommunistischen Bundes, MEW 7,
253.
"Staatsschulden! Die Arbeiterklasse weiß, dass sie sie nicht gemacht hat, und wenn sie zur Macht kommt, wird sie die Abzahlung denen überlassen, die sie aufgenommen haben." F. Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 232.
Siehe auch die Artikel:
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Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.
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