Staatseigentum und Verstaatlichung 1. In den Forderungen
der Kommunistischen Partei in Deutschland von 1848 wurden von Marx und
Engels auch Verstaatlichungen verlangt 7. Die fürstlichen
und anderen feudalen Landgüter, alle Bergwerke, Gruben usw. werden in
Staatseigentum umgewandelt. Auf diesen Landgütern wird der Ackerbau
im Großen und mit den modernsten Hilfsmitteln der Wissenschaft zum
Vorteile der Gesamtheit betrieben. 8. Die Hypotheken auf
den Bauerngütern werden für Staatseigentum erklärt. Die Interessen für
jene Hypotheken werden von den Bauern an den Staat
gezahlt. 9. In den Gegenden, wo
das Pachtwesen entwickelt ist, wird die Grundrente oder der Pachtschilling
als Steuer an den Staat gezahlt. 11. Alle
Transportmittel: Eisenbahnen, Kanäle, Dampfschiffe, Wege, Post etc. nimmt
der Staat in seine Hand. Sie werden in Staatseigentum umgewandelt und der
unbemittelten Klasse zur unentgeltlichen Verfügung gestellt.
... 16. Errichtung von Nationalwerkstätten. Der Staat garantiert allen Arbeitern ihre Existenz und versorgt die zur Arbeit Unfähigen. F. Engels, Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, MEW 21, 217. Über diese Verstaatlichungsforderungen hat jedoch Engels selbst das Urteil gesprochen: Im Jahre 1848 war die, damals noch in den Anfängen der Entwicklung und Organisation begriffene, deutsche Arbeiterpartei bereit, für sehr billige Bedingungen, die Arbeit für die Bourgeoisie zu tun ... F. Engels, Preußische Militärfrage, MEW 16, 57. Außerdem stand im Kommunistischen Manifest von
1848: Das Proletariat wird
seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach
alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des
Staats, d. h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats zu
zentralisieren ... K. Marx,
Kommunistisches Manifest, MEW 4, 481. Von dieser anfänglichen Staatsgläubigkeit haben sich Marx
und Engels später ausdrücklich distanziert. Engels kommentierte diese
Passage im Vorwort zur englischen Ausgabe des Kommunistischen Manifests
von 1888: Gegenüber der immensen Fortentwicklung der großen Industrie seit 1848 und der sie begleitenden verbesserten und gewachsenen Organisation der Arbeiterklasse, gegenüber den praktischen Erfahrungen, zuerst der Februarrevolution und noch weit mehr der Pariser Kommune, wo das Proletariat zum ersten Mal zwei Monate lang die politische Gewalt innehatte, ist heute dies Programm stellenweise veraltet. Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, dass die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann. (Siehe Karl Marx, der Bürgerkrieg in Frankreich, London 1871), wo dies weiter entwickelt ist. F. Engels, Vorrede von 1888 zum Kommunistischen Manifest, MEW 21, 358. Staatssozialismus ... ist eine der Kinderkrankheiten des proletarischen Sozialismus.... F. Engels, Brief an P. Lafargue (1894), MEW 39, 215. Die Befürworter der Staatswirtschaft und des Sowjetsystems
stützen sich auch auf folgende scheinbar eindeutige Befürwortung von
Verstaatlichungen durch Friedrich Engels: Erste Aussage: Verwandlung von kapitalistischem Eigentum in Staatseigentum als revolutionäre Maßnahme. Das Proletariat ergreift die Staatsgewalt und verwandelt die Produktionsmittel zunächst in Staatseigentum. F. Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 223. Folgende
Aussage: Diese Verstaatlichung
geschieht im Namen der Gesellschaft. Der erste Akt,
worin der Staat als wirklicher Repräsentant der ganzen Gesellschaft
auftritt die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der
Gesellschaft , ist zugleich sein letzter selbständiger Akt als Staat.
F.
Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 224. Schlussaussage: Es handelt sich um eine Besitzergreifung sämtlicher Produktionsmittel durch die Gesellschaft Die Besitzergreifung der sämtlichen Produktionsmittel durch die Gesellschaft hat, ... einzelnen wie ganzen Sekten öfters mehr oder weniger unklar als Zukunftsideal vorgeschwebt. Aber sie konnte erst möglich, erst geschichtliche Notwendigkeit werden, als die tatsächlichen Bedingungen ihrer Durchführung vorhanden waren. F. Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 224. Dazu ist zu
sagen: 1.
Wie Staat und Gesellschaft niemals identisch waren oder sind, so sind und
bleiben Verstaatlichung und Vergesellschaftung ganz verschiedene
Dinge. 2.
Wenn etwas im Namen von jemandem geschieht, heißt das, dass dieser
Jemand nicht selbst handelt. Handlungen in meinem Namen sind Handlungen
von anderen, nicht meine. Handlungen im Namen der Gesellschaft sind
keine Handlungen durch die Gesellschaft
selbst. 3.
Im gleichen Text, der Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur
Wissenschaft erklärte Engels ganz ausdrücklich, dass keine
Verstaatlichung das Elend der Lohnarbeit beseitigt:
Aber weder die
Verwandlung in Aktiengesellschaften und Trusts noch die in Staats-eigentum
hebt die Kapitaleigenschaft der Produktivkräfte auf. ... Die Arbeiter
bleiben Lohnarbeiter, Proletarier. Das Kapitalverhältnis wird nicht
aufgehoben, es wird vielmehr auf die Spitze getrieben. F. Engels, Entwicklung
des Sozialismus, MEW 19, 222. Vergleiche dazu den
folgenden Abschnitt. 2. Vergesellschaftung der Produktionsmittel nicht ihre Verstaatlichung ist das Mittel zur
Abschaffung der Lohnarbeit Nirgends bezeichnete Karl Marx diese soziale Revolution als
eine Tat im Namen der Lohnarbeiterklasse, sondern immer als die bewusste
Tat der Lohnarbeiter selbst. Vergesellschaftung heißt eben nicht, dass eine Bürokratenklasse im Namen der Werktätigen die Produktionsmittel verwaltet, sondern dass die wirklichen Produzenten selbst über ihre Arbeitsmittel, ihre Arbeitszeit und Arbeitszwecke verfügen und entscheiden. In den Trusts schlägt
die freie Konkurrenz um ins Monopol, kapituliert die planlose Produktion
der kapitalistischen Gesellschaft vor der planmäßigen Produktion der
hereinbrechenden sozialistischen Gesellschaft. Allerdings zunächst noch zu
Nutz und Frommen der Kapitalisten. Hier aber wird die Ausbeutung so
handgreiflich, dass sie zusammenbrechen muss. Kein Volk würde eine durch
Trusts geleitete Produktion, eine so unverhüllte Ausbeutung der Gesamtheit
durch eine kleine Bande von Kuponabschneidern sich gefallen lassen.
So oder so, mit oder
ohne Trusts, muss schließlich der offizielle Repräsentant der
kapitalistischen Gesellschaft, der Staat, die Leitung der Produktion
übernehmen. Diese Notwendigkeit der Verwandlung in Staatseigentum tritt
zuerst hervor bei den großen Verkehrsanstalten: Post, Telegraphen,
Eisenbahnen. Wenn die Krisen die
Unfähigkeit der Bourgeoisie zur fernern Verwaltung der modernen
Produktivkräfte aufdeckten, so zeigt die Verwandlung der großen
Produktions- und Verkehrsanstalten in Aktiengesellschaften, Trusts und
Staatseigentum die Entbehrlichkeit der Bourgeoisie für jenen Zweck. Alle
gesellschaftlichen Funktionen des Kapitalisten werden jetzt von besoldeten
Angestellten versehen. Der Kapitalist hat keine gesellschaftliche
Tätigkeit mehr, außer Revenueneinstreichen, Kuponsabschneiden und Spielen
an der Börse, wo die verschiednen Kapitalisten untereinander sich ihr
Kapital abnehmen. Hat die kapitalistische Produktionsweise zuerst Arbeiter
verdrängt, so verdrängt sie jetzt die Kapitalisten und verweist sie, ganz
wie die Arbeiter, in die überflüssige Bevölkerung, wenn auch zunächst noch
nicht in die industrielle Reservearmee. Aber weder die
Verwandlung in Aktiengesellschaften und Trusts noch die in Staatseigentum
hebt die Kapitaleigenschaft der Produktivkräfte auf. Bei den
Aktiengesellschaften und Trusts liegt dies auf der Hand. Und der moderne
Staat ist wieder nur die Organisation, welche sich die bürgerliche
Gesellschaft gibt, um die allgemeinen äußeren Bedingungen der
kapitalistischen Produktionsweise aufrechtzuerhalten gegen Übergriffe
sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten. Der moderne Staat, was
auch seine Form, ist eine wesentlich kapitalistische Maschine, Staat der
Kapitalisten, der ideelle Gesamtkapitalist. Je mehr Produktivkräfte er in
sein Eigentum übernimmt, desto mehr wird er wirklicher Gesamtkapitalist,
desto mehr Staatsbürger beutet er aus. Die Arbeiter bleiben Lohnarbeiter,
Proletarier. Das Kapitalverhältnis wird nicht aufgehoben, es wird vielmehr
auf die Spitze getrieben. Aber auf der Spitze schlägt es um. Das
Staatseigentum an den Produktivkräften ist nicht Lösung des Konflikts,
aber es birgt in sich das formelle Mittel, die Handhabe der Lösung.
Diese Lösung kann nur darin liegen, dass die gesellschaftliche Natur der modernen Produktivkräfte tatsächlich anerkannt, dass also die Produktions-, Aneignungs- und Austauschweise in Einklang gesetzt wird mit dem gesellschaftlichen Charakter der Produktionsmittel. Und dies kann nur dadurch geschehen, dass die Gesellschaft offen und ohne Umwege Besitz ergreift von den jeder anderen Leitung außer der ihrigen entwachsenen Produktivkräften. Damit wird der gesellschaftliche Charakter der Produktionsmittel und Produkte, der sich heute gegen die Produzenten selbst kehrt, der die Produktions- und Austauschweise periodisch durchbricht und sich nur als blind wirkendes Naturgesetz gewalttätig und zerstörend durchsetzt, von den Produzenten mit vollem Bewusstsein zur Geltung gebracht und verwandelt sich aus einer Ursache der Störung und des periodischen Zusammenbruchs in den mächtigsten Hebel der Produktion selbst. F. Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 221f. Mit der
Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft ist die
Warenproduktion beseitigt und damit die Herrschaft des Produkts über die
Produzenten ... Der Kampf ums
Einzeldasein hört auf. Damit erst scheidet der Mensch, in gewissem Sinn,
endgültig aus dem Tierreich, tritt aus tierischen Daseinsbedingungen in
wirklich menschliche. Der Umkreis der die Menschen umgebenden
Lebensbedingungen, der die Menschen bis jetzt beherrschte, tritt jetzt
unter die Herrschaft und Kontrolle der Menschen, die nun zum ersten Male
bewusste, wirkliche Herren der Natur, weil und indem sie Herren ihrer
eigenen Vergesellschaftung werden. Die Gesetze ihres
eigenen gesellschaftlichen Tuns, die ihnen bisher als fremde, sie
beherrschende Naturgesetze gegenüberstanden, werden dann von den Menschen
mit voller Sachkenntnis angewandt und damit beherrscht. Die eigene
Vergesellschaftung der Menschen, die ihnen bisher als von Natur und
Geschichte aufgezwungen gegenüberstand, wird jetzt ihre eigene
freie Tat. Die objektiven, fremden Mächte, die bisher die Geschichte
beherrschten, treten unter die Kontrolle der Menschen
selbst. Erst von da an werden
die Menschen ihre Geschichte mit vollem Bewusstsein selbst machen, erst
von da an werden die von ihnen in Bewegung gesetzten gesellschaftlichen
Ursachen vorwiegend und in stets steigendem Maße auch die von ihnen
gewollten Wirkungen haben. Es ist der Sprung der Menschheit aus dem Reiche der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit. F. Engels Anti-Dühring, MEW 20, 264. Die deutsche Arbeiterpartei erstrebt die Abschaffung der Lohnarbeit und damit der Klassenunterschiede vermittelst Durchführung der genossenschaftlichen Produktion in Industrie und Ackerbau auf nationalem Maßstab. F. Engels an Bebel (1875), MEW 19, 6. Die Aufgabe des Sozialismus ... ist vielmehr nur die Übertragung der Produktionsmittel an die Produzenten als Gemeinbesitz. ... Der Sozialismus richtet sich ganz speziell gegen die Ausbeutung der Lohnarbeit. F. Engels, Bauernfrage, MEW 22, 493. Die freie Arbeit entwickelt sich innerhalb der kapitalistischen Produktion als gesellschaftliche Arbeit. Dass sie Eigentümer der Produktionsbedingungen ist, heißt also, dass diese den vergesell-schafteten Arbeitern gehören und diese als solche produzieren, ihre eigene Produktion ... sich als vergesellschaftete unterordnen. K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26,3, 514. ... Gesellschaftliche Produktion heißt, ... dass die Gesellschaft, wie nach einem Plan, ihre Produktionsmittel und Produktivkräfte verteilt in dem Grad und Maß wie nötig zur Befriedigung ihrer verschiedenen Bedürfnisse, so dass auf jede Produktionssphäre das zur Befriedigung des Bedürfnisses, dem sie entspricht, der nötige Anteil des gesellschaftlichen Kapitals falle. K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 529. Persönliche
Abhängigkeitsverhältnisse (zuerst ganz naturwüchsig) sind die ersten
vorkapitalistischen Gesellschaftsformen, in denen sich die
menschliche Produktivität nur in geringem Umfang und auf isolierten
Punkten entwickelt. Persönliche
Unabhängigkeit auf sachlicher Abhängigkeit gegründet ist die
zweite große Form, der Kapitalismus, worin sich erst ein System des
allgemeinen gesellschaftlichen Stoffwechsels, der universalen Beziehungen,
allseitiger Bedürfnisse, und universeller Vermögen
bildet. Freie Individualität,
gegründet auf die universelle Entwicklung der Individuen und die
Unterordnung ihrer gemeinschaftlichen gesell-schaftlichen Produktivität,
als ihres gesellschaftlichen Vermögens, ist die dritte Stufe, der
Kommunismus. Die zweite schafft die Bedingungen der dritten. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 75. Die klassenlose Gesellschaft ist eine Gesellschaft von Individuen, die vereint sind auf der Grundlage der gemeinsamen Aneignung und Kontrolle der Produktionsmittel. (Letztere Assoziation ist nichts Willkürliches: sie setzt die Entwicklung materieller und geistiger Bedingungen voraus ...). K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 77. ... Die Gesellschaft (konnte) doch niemals ohne eine Klasse von Produzenten leben. Diese Klasse ist also unter allen Umständen notwendig wenn auch die Zeit kommen muss, in der sie nicht länger eine Klasse sein, sondern die ganze Gesellschaft umfassen wird. F. Engels, Gesellschaftsklassen, MEW 19, 287. Einmal die Arbeit emanzipiert, so wird jeder Mensch ein Arbeiter, und produktive Arbeit hört auf, eine Klasseneigenschaft zu sein. K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 342. Wenn das Proletariat
im Kampf gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch
eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende
Klasse gewaltsam die alten Produktions-mittel aufhebt, so hebt es mit
diesen Produk-tionsverhältnissen die Existenzbedingungen des
Klassengegensatzes, der Klassen überhaupt, und damit seine eigene
Herrschaft als Klasse auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 482. Siehe auch die Artikel: |
Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.
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